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Veröffentlicht am 05.06.2018

Zeitreise zu Jane Austen

Jane Austen - Jagd auf das verschollene Manuskript
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„Geht, nun geht schon, sprach der Vogel: Der Mensch
Verträgt nichts sehr viel von der Wirklichkeit.
Zeit Vergangenheit und Zeit Zukunft
Was gewesen wäre und was gewesen ist
Verweisen aufs Gleiche, nämlich ...

„Geht, nun geht schon, sprach der Vogel: Der Mensch
Verträgt nichts sehr viel von der Wirklichkeit.
Zeit Vergangenheit und Zeit Zukunft
Was gewesen wäre und was gewesen ist
Verweisen aufs Gleiche, nämlich das, was ist.“

Mit diesem passenden Spruch, von T.S. Elliot, beginnt der Debütroman „Jane Austen – Jagd auf das verschollene Manuskript“ von Kathleen Flynn, welches im Mai 2018 bei HarperCollins erschienen ist.

Kathleen Flynn ist Redakteurin der New York Times - und lebenslanges Mitglied der Jane Austen Society of North America. Für ihr Debüt hat sie intensiv recherchiert und nicht nur sämtliche Austen-Romane und Sekundärliteratur gelesen, sondern auch die Orte besucht, an denen die Autorin gelebt hat.

An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei HarperCollins Germany für das Leseexemplar bedanken.

Das Buch „Jane Austen – Jagd auf das verschollene Manuskript“ vereint Liebesroman in der Regency-Zeit mit Science Fiction. Denn die beiden Hauptprotagonisten Rachel und Liam reisen ins Jahr 1815 zurück, um ein verschollenes Manuskript von Jane Austen zu retten. Wird ihnen das gelingen?

Rachel war mir als Charakter mit am sympathischsten. Sie ist Ärztin und darum sind ihr die Menschen in ihrer Umgebung sehr wichtig. So wichtig, dass sie manchmal unüberlegt die guten Sitten überschreitet, um deren Leben zu retten.

Liam ist Schauspieler und konnte sich besonders gut in die Zeit um 1815 integrieren. Von Anfang an hat er die Führung übernommen und sich mit den zur Verfügung stehenden Mittel aus der Zukunft ein Leben mit Rachel in London der Vergangenheit aufgebaut.

Auf einer Abendgesellschaft lernen Rachel und Liam Henry Austen kennen, einen der Brüder der berühmten Schriftstellerin. Durch ihn wollen die beiden Zeitreisenden an Jane und das verschollene Manuskript herankommen. Man kann schließlich zur Regency-Zeit nicht einfach an der Haustür klingeln, sondern muss eingeladen werden.

Im Buch werden hervorragend die Sitten und Bräuche der englischen Gesellschaft eingefangen. Wie man sich kleidet, wie man mit anderen Personen Umgang pflegt, der häusliche Alltag, besonders aber verdeutlicht er die Stellung der Frau in dieser Zeit. Und aus diesem Grund ist es wirklich ein gelungener Schachzug, dass der Roman aus der Erzählperspektive einer Frau geschrieben ist. Denn Rachel erlebt diese Grenzen am eigenen Leib. Als moderne Ärztin, die wesentlich mehr über den Körper des Menschen weiß, ist sie oft darauf beschränkt nur Zuschauer zu sein und kann nicht wirklich eingreifen.
Des Weiteren wird mit Rachels Erzählperspektive aber auch versucht, dem Schreibstil von Jane Austen zu huldigen. Und ich denke, dass hat die Autorin hier erfolgreich geschafft. Mit Rachels Sicht einer Frau, wie sie ihre Zeit erlebt, gebunden an strengen Konventionen und dem Mann untergeordnet. Verdeutlicht durch Rachels Gedanken: „… diese Frauen nur in Bezug auf die Männer zu sehen, welchen sie heiraten würden…“ Seite 101

Im Buch stehen neben Rachel und Liams Auftrag aber auch die Charaktere und deren Beziehungen untereinander im Mittelpunkt. Ein besonderes Augenmerk wurde hier auf die Familie Austen gelegt. Geschickt werden hier die Familienmitglieder in die Zeitreisegeschichte eingesponnen und auf ihre Schicksale eingegangen.
Dieser Bezug zu Jane Austens Biographie hat mir besonders gefallen, weil ich mich ganz einfach noch nicht so richtig damit beschäftigt habe und das war doch ganz interessant.

Die Liebe kommt im Buch „Jane Austen – Jagd auf das verschollene Manuskript“ auch nicht zu kurz. Im Gegenteil, bietet sich hier reichlich Konfliktmaterial zwischen den Figuren durch eine Dreieckskonstellation. So etwa flirtet Rachel heftig mit Henry Austen und bringt dessen Gefühlswelt durcheinander und Liam reagiert sehr eifersüchtig.
Leider hatte der undurchsichtige und geheimnisvolle Liam bei mir seine Sympathien von Anfang an verspielt und konnte sich nicht gegen den flotten, charmant-humorvollen Henry Austen behaupten.

Ein weiteres wichtiges Thema im Buch ist die Veränderung der Geschichte.
Rachel und Liam haben eine regelrechte Ausbildung für die Regency-Zeit absolviert, sich genau über den Personenkreis um Jane Austen informiert und kennen so natürlich auch deren Schicksal. Sie tarnten sich als Kinder reicher Unternehmer aus Jamaika und schleichen sich in die Londoner Gesellschaft ein. Ständig müssen sie dabei auf der Hut sein nicht aufzufliegen, weil sie unbedacht zu viele Informationen preisgeben.
Ich kann euch nur verraten, dass es einige spannende Verwicklungen gibt. Ob es wirklich Auswirkungen auf die Zukunft gibt, müsst ihr schon selber herausfinden.

Die Zukunft aus der Rachel und Liam kommen, wird nicht genau benannt. Nur wage gibt es kleine Eindrücke aus Rachels Erinnerungen, die hier und dort erwähnt werden. Und sie sieht nicht gerade rosig aus. Katastrophen und die Knappheit von Rohstoffen und Lebensmitteln bestimmen den Alltag, außerdem gibt es wesentliche territoriale Unterschiede in der Bevölkerung. Da will keiner gerne leben. Und so spielen die beiden Zeitreisenden letztendlich mit den Gedanken nicht dorthin zurückzukehren, nachdem sie sich so gut in der Vergangenheit eingefügt haben, Freunde fanden und ihnen genug finanzielle Mittel zur Verfügung stehen.
Die Antwort auf diese Frage gibt der Handlung eine zusätzliche Spannung, die bis zum Ende des Romans gehalten werden kann.

Zusammenfassend waren mir die Charaktere sympathisch, die Handlung überzeugend und gut durchdacht. Es ist ein unterhaltsamer, nachdenklicher Roman über die Regency-Zeit und die Zukunft und auf jedem Fall ein Muss für jeden Jane Austen-Fan!