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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.07.2018

poetisch, fantasievoll, anregend

Das Haus der Geschichten
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Thomas Franke ist ausgebildeter Sozialpädagoge und nur nebenberuflich als Autor tätig. 2010 erschien sein erster Roman „Das Haus der Geschichten“. Seither folgten „Das Tagebuch“ (2013), „Der Spiegel des ...

Thomas Franke ist ausgebildeter Sozialpädagoge und nur nebenberuflich als Autor tätig. 2010 erschien sein erster Roman „Das Haus der Geschichten“. Seither folgten „Das Tagebuch“ (2013), „Der Spiegel des Schöpfers“ (2014) sowie „Der Geschichtensammler“ (2015).
Marvin Heider lebt in Berlin und träumt von einer Karriere als Autor. In seiner Altbauwohnung stapeln sich Bücher um Bücher und auch er selbst hat schon einiges zu Papier gebracht. Leider war bisher kein Verlag von seinen schriftstellerischen Fähigkeiten überzeugt, sodass Marvin sich mit immer wechselnden Jobs über Wasser hält. Ein Stellenangebot sollte sein Leben jedoch grundlegend verändern. Ein Buchhändler und Antiquar sucht einen Gehilfen. Für den Bücherliebhaber also ein idealer Job. Doch der rätselhafte alte Mann betreibt im Keller seines Buchladens eine narratorische Apotheke. Was es damit auf sich hat und wer die hübsche junge Frau ist, welche immer wieder in der Buchhandlung auftaucht, wird Marvin schon bald erfahren.


„Das Haus der Geschichten“ erzählt in einer Rahmenhandlung die Geschichte von Marvin Heider. In mehreren voneinander unabhängigen Kurzgeschichten werden immer wieder Fragen zum Glauben und dem Sinn des Lebens aufgeworfen. Die Geschichten sind dabei sehr unterschiedlich, fantasievoll, tragisch, unterhaltsam, zum Nachdenken anregend. Dabei steht, wie zu erwarten war, der christliche Glaube im Vordergrund. Das Buch ist aber weder moralisierend noch missionierend und auch nicht nur für Menschen gedacht, welche dem christlichen Glauben angehören. Vielmehr werden auch allgemeinere Fragen gestellt resp. solche, die nicht zwingend mit dem Christentum in Verbindung gebracht werden müssen. Eindrücklich schafft es der Autor, dass man als Leser immer wieder neu in eine Geschichte eintauchen kann und so zeitweise sogar die Haupthandlung vergisst. Der Schreibstil ist flüssig und gut verständlich und dennoch hat er etwas Poetisches. Franke erzählt sowohl die Kurzgeschichten wie auch die Rahmenhandlung auf eine unaufgeregte, langsame und bedächtige Art und Weise. Dennoch lässt einem das Buch nicht los und Seite um Seite will gelesen werden. Dieses Zitat aus dem Buch beschreibt sehr schön wie es zumindest mir beim Lesen ergangen ist: "Die Zeit verging so rasch, als hätte jemand ein Loch in die Uhr gebohrt, sodass die Minuten reihenweise herauspurzelten."

Veröffentlicht am 04.07.2018

spannend bis zum Schluss

Libori-Lüge
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Mit einer Kinderbuchreihe startete Ludgera Vogt ihre Autorenkarriere. „Libori-Lüge“ ist ihr erster Ausflug ins Krimi-Genre, welcher unbestritten geglückt ist.
Bela Assmann und sein Partner Dominik Gerke ...

Mit einer Kinderbuchreihe startete Ludgera Vogt ihre Autorenkarriere. „Libori-Lüge“ ist ihr erster Ausflug ins Krimi-Genre, welcher unbestritten geglückt ist.
Bela Assmann und sein Partner Dominik Gerke ermitteln im Fall der jungen Louisa, welche beim Sturz von einem Hochhaus ums Leben gekommen ist. War es Selbstmord oder vielleicht doch ein Mord? Doch wie sieht es mit einem Motiv aus? Louisa hat sich so auf die Rückkehr ihres Freundes aus den USA gefreut, warum sollte sie also kurz vor seiner Ankunft Selbstmord begehen? Irgendwie passt das Ganze nicht zusammen und es braucht einiges an Ermittlungsarbeit bis Assmann und Gerke auf die richtige Spur kommen.

„Trocken-launiges Ermittlerteam trifft auf grotesken Todesfall – eine perfekte Mischung aus Drama, Liebe und Humor“ (Klappentext). Dieser kurze Satz trifft es sehr genau. Bei „Libori-Lüge“ handelt es sich um eine wundervolle Mischung aus Drama, Liebe und Humor. Vogt versteht es verschiedene Alltagssituation mit einer gehörigen Portion Situationskomik auszustatten, sodass der Leser seine helle Freude daran hat.
Die Figuren, allen voran die beiden Ermittler Assmann und Gerke, sind liebevoll und realitätsnah porträtiert. Beide schliesst man sofort ins Herz. Dies liegt bestimmt auch daran, dass sie so bodenständig, imperfekt und herrlich menschlich sind. Das Buch liest sich flüssig, die Sprache ist gut verständlich und der Erzählstil passt gut zu dieser Art von humorvollem Krimi. Obwohl wie erwähnt Situationskomik und Humor massgebend zur Geltung kommen, bleibt aber auch die Spannung eines Krimis nicht auf der Strecke. Der Leser selbst tappt wie die Ermittler lange Zeit im Dunkeln. Die Geschichte ist alles andere als vorhersehbar und somit spannend bis zum Schluss. Immer wieder kommt man ins Grübeln und Rätsel, ohne einen schlüssigen Ablauf konstruieren zu können. Perfekt also für Leser, welche selber als Schnüffler agieren und mitraten wollen. Was die Spannung und Neugierde zusätzlich verstärkt, sind Auszüge aus einem Tagebuch, welche zwischen den Kapiteln eingefügt sind. Ist es das Tagebuch von Louisa? Oder vom Täter, wenn es den einen gibt? Gerade diese tiefen Einblicke in eine unbekannte Psyche lassen das Leserherz höher schlagen.

Meiner Meinung nach handelt es sich bei „Libori-Lüge“ um einen tollen Kriminalroman und ein gelungenes Krimi-Debüt von Ludgera Vogt. Die Auflösung des Falles bleibt bis zum Schluss verborgen. Zahlreiche Spekulationen seitens des Leser sind möglich, doch die Chance, dass man ins Schwarze trifft ist bei diesem Krimi eher gering.

Veröffentlicht am 04.07.2018

Ostseefeeling pur

Dünenzauber
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Klara fällt aus allen Wolken als ihr ihre beste Freundin Jessi erklärt, dass sie nach Kanada auswandern will. Was heisst will, wird. Und zwar schon in wenigen Wochen. Vorher wird sie jedoch noch Heiraten. ...

Klara fällt aus allen Wolken als ihr ihre beste Freundin Jessi erklärt, dass sie nach Kanada auswandern will. Was heisst will, wird. Und zwar schon in wenigen Wochen. Vorher wird sie jedoch noch Heiraten. Ach ja, da war ja auch noch die Schwangerschaft. Klara hat erst einmal viel zu verdauen. Als ihr Jessi dann noch mitteilt, dass die Hochzeit an der Ostsee stattfinden wird, hat Klara endgültig genug. Mehrere traumatische Erfahrungen an der Ostsee haben nämlich dazu geführt, dass sie diese seit Jahren meidet. Doch was bleibt ihr anderes übrig als mit Jessi in den Norden zu fahren und in kürzester Zeit eine Hochzeit zu organisieren. Schliesslich ist Jessi ihre beste Freundin und wird schon bald das Land verlassen.
Kann Klara ihr Ostsee-Trauma überwinden? Und was hat es eigentlich mit dem ominösen Angler auf sich?

Der kurzweilige Roman "Dünenzauber" bietet Ostseefeeling pur. Land und Leute werden ebenso liebevoll beschrieben wie die gewaltige Kraft des Meeres und die tobenden Stürme.
Die Sprache ist einfach gehalten und absolut passend. Der Leser findet schnell in die Geschichte und kann diese hervorragend mitverfolgen. Die zum Teil sehr schlagfertigen Dialoge wirken realistisch und authentisch. Ein bisschen Humor, etwas Drama, Freundschaft, Liebe und Spannung tragen zum Lesevergnügen bei.
Die Geschichte verläuft in mehreren miteinander verknüpften Handlungssträngen. Einerseits die Hochzeit, dann der unbekannte Angler und zu guter letzt ist da noch die Geschichte mit der alten Dame, die unter Umständen eine Bestseller-Autorin ist. Dabei wirkt das Ganze weder konstruiert noch aufgesetzt.

Ein gelungener Roman bei dem die Liebe nicht zu kurz kommt und doch kein typischer Liebesroman ist.

Veröffentlicht am 04.07.2018

Vergangenheit und Gegenwart

Das Erbe von Juniper House
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"Das Erbe von Juniper House" von Sophia Herzinger nimmt uns mit auf eine Reise in die Vergangenheit und stellt sich den Herausforderungen der Gegenwart.
2004, Saras Freund spricht plötzlich davon nach ...

"Das Erbe von Juniper House" von Sophia Herzinger nimmt uns mit auf eine Reise in die Vergangenheit und stellt sich den Herausforderungen der Gegenwart.
2004, Saras Freund spricht plötzlich davon nach Irland auszuwandern. Zudem fallen bei ihm öfters die Worte Heirat und Kinderkriegen. Sara ist mit dieser Situation etwas überfordert und bedingt sich Zeit zum Nachdenken aus. Sie beschliesst nach Kiel ins Haus ihrer Grossmutter Emma zu fahren und gleichzeitig diese wieder einmal im Pflegeheim zu besuchen. Bei ihren Besuchen erfährt Sara mehr über Emmas Vergangenheit und die schwierigen Zeiten, welche ihre Grossmutter durchmachen musste. Kurzentschlossen beschliesst sie, selbst noch Nachforschungen anzustellen und fliegt nach England. Dabei macht sie eine Entdeckung, mit welcher weder Sara noch Emma gerechnet hätten.

"Das Erbe von Juniper House" erzählt in zwei unterschiedlichen Erzählsträngen die Geschichte von Sara und ihrer Grossmutter Emma. Einerseits verfolgt der Leser Saras Leben in der Gegenwart, auf der anderen Seite wird er durch Emmas Erzählungen immer wieder in die Vergangenheit zurückversetzt.
Der Erzähltstil ist eher gemächlich, die Sprache leicht verständlich, der Text flüssig zu lesen. Die Perspektive wechselt je nachdem ob die Geschichte gerade in der Vergangenheit oder der Gegenwart spielt. Dabei vermag es die Autorin die Vergangenheit sehr lebhaft und anschaulich darzustellen. Sobald die Handlung wieder in der Gegenwart spielt, merkt man erst, dass die Rahmenhandlung eigentlich eine andere ist.
Die Geschichte um Emma ist sehr gefühlvoll beschrieben und man kann sich sehr gut in sie hineinversetzen. Manche Momente rühren nicht nur die Protagonisten zu Tränen, sondern auch die Leser.

Eine wundervolle Geschichte, die zeigt, wie wichtig es ist, sich mit der Familiengeschichte auseinanderzusetzen. Viel zu oft bereut man es, nicht mehr Zeit mit den Grosseltern verbracht und mehr über ihr Leben erfahren zu haben.

Veröffentlicht am 06.07.2017

alles ändert sich und bleibt doch gleich

Die Hummerkönige
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Die Hummerkönige hat etwas Unaufgeregtes, Langsames, nahezu Leichtes, was den Leser Schritt für Schritt oder besser Welle für Welle in seinen Bann zieht. Bereits auf den ersten Seiten fühlt es sich so ...

Die Hummerkönige hat etwas Unaufgeregtes, Langsames, nahezu Leichtes, was den Leser Schritt für Schritt oder besser Welle für Welle in seinen Bann zieht. Bereits auf den ersten Seiten fühlt es sich so an, als wenn man mit nackten Füssen im kalten Meerwasser steht. Man weiss, dass da draussen etwas lauert, etwas Unbekanntes, Verhängnisvolles. Trotzdem oder gerade deswegen, bleibt man stehen. Mehr noch, macht einige Schritte vorwärts, angelockt von dem Unsichtbaren.

Genauso verhält es sich mit Alexi Zentners Buch. Das Mystische, Unerklärliche lockt genauso wie das Verlangen mehr über die Familie Kings, die „Königsfamilie“ auf Loosewood Island, zu erfahren. Sowie das Meer mit jeder Welle denjenigen gefangen nimmt, der sich hinaus getraut, so fesselt diese Familiengeschichte den Leser mit jeder Seite mehr und hinterlässt auch nach dem finalen Umblättern einen bleibenden Eindruck.

Der ruhigen und gelassenen Erzählweise mutet zu Beginn etwas Oberflächliches und Distanziertes an. Keine Distanz zwischen dem Leser und den Charakteren, eher eine Distanziertheit zwischen den Charakteren und den Geschehnissen. Ein Junge ertrinkt, das Leben geht weiter. Eine Mutter nimmt sich das Leben, trotzdem müssen Köder ausgelegt, Körbe geleert, Hummer gefangen werden.

Zentner gibt kaum Einblick in die Psyche der Figuren. Erstaunlicherweise führt dies nicht dazu, dass sich der Leser nicht mit ihnen identifizieren kann. Viel mehr glaubt man sich schon bald selber mit auf dem Hummerboot, spürt die Wellen unter sich, schmeckt das salzige Meerwasser. Dennoch bleibt ein fahler Nachgeschmack, da der Leser der einzige ist, welcher das Erlebte reflektiert. Vieles bleibt unausgesprochen, Geheimnisse werden gehütet, auf Aussprachen wartet man vergeblich.

Über weite Teile ohne Hektik erzählt, wird der Roman auf seinem Höhepunkt zum Pageturner. Wenn auf rauer, stürmischer See um Menschenleben gekämpft wird, ist es vorbei mit der Gelassenheit und der Puls des Lesers schnellt unweigerlich in die Höhe. Wie so oft folgt auf Sturm Sonnenschein, doch das Meer hat seine Opfer gefordert. Obwohl die Verluste für nahezu alle Figuren eine Zäsur in ihrem Leben bedeutet und sich alles ändert, so bleibt doch alles gleich. Eine neue Hummersaison beginnt und die Boote fahren hinaus aufs Meer.

Alexi Zentners Werk besticht durch seine entschleunigte Erzählweise. Es nimmt uns mit auf eine Reise in die abgelegene Gegend von Nova Scotia, lässt uns das Gehetze des Alltags vergessen und von einem Leben auf einer kleinen Insel träumen. Eine Insel, auf welcher die Bewohner einander unaufgefordert beistehen und gemeinsam allem trotzen, was das Meer und das Leben für sie bereit hält.