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Veröffentlicht am 29.07.2018

Geheimdienste und Geheimnisse

Fake
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Als in Syrien ein hochrangiges Mitglied des IS' bei einem Drohnenangriff getötet wird, gibt es ein weiteres Opfer - ausgerechnet die amerikanische Geisel Catherine Finch. Normalerweise läuft so was unter ...

Als in Syrien ein hochrangiges Mitglied des IS' bei einem Drohnenangriff getötet wird, gibt es ein weiteres Opfer - ausgerechnet die amerikanische Geisel Catherine Finch. Normalerweise läuft so was unter "Pech gehabt, friendly fire", doch dieses Mal ist es ein wenig anders: Der scheidende amerikanische Präsident will sich einen Namen machen und hat begonnen, Friedensverhandlungen im Nahen Osten aufzunehmen; da sieht es natürlich mit so einem Verlust echt blöd aus. Also reaktiviert man Pete Town aus dem Ruhestand. Der ehemalige Geheimdienstler war schon immer ein Meister im Vertuschen oder Erfinden von Geschichten, eben im Umlaufbringen von Fakes. Sie brauchen nur drei Tage lang die Welt in dem Glauben lassen, dass Catherine überlebt hat, doch es gibt viele Mitspieler in diesem Spiel, und nicht alle haben dieselben Ziele.

Eigentlich bin ich kein Fan von Spionagethrillern, doch irgendetwas an der Leseprobe hier hat mich gereizt, sodass ich zu diesem Buch gegriffen habe. Hier taucht man kopfüber in die Welt der Geheimdienste ein, in Spionage und Gegenspionage, das Spiel der Spiele, das einige wenige spielen, um einer eingebildeten Aufgabe nachzugehen und vielen zu schaden. Was mir so richtig gefallen hat, war, dass sich die Geschichte entblätterte wie eine Zwiebel, die langsam geschält wird, nicht immer chronologisch, manchmal auch in Rückblicken, und dass es hier vor überraschenden Wendungen und noch mehr Wendungen nur so wimmelt. Immer wenn man das Gefühl hatte, alles durchschaut zu haben, hatte einer der Beteiligten noch ein Ass im Ärmel, das gestochen hat, und gab der Geschichte damit eine neue Richtung vor. Ob es bei dem Ganzen tatsächlich in dieser Form so laufen würde wie beschrieben, sei dahingestellt. Ich fühlte mich jedenfalls gut unterhalten.

Veröffentlicht am 28.07.2018

Ein Todesfall kommt selten allein

Ed ist tot
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Eigentlich ist Jen Carter ein umgänglicher Mensch: Buchhändlerin, Proseccoliebhaberin und Freundin eines Taugenichts namens Ed. Der taugt so wenig, dass sie tatsächlich irgendwann die Schnauze voll hat ...

Eigentlich ist Jen Carter ein umgänglicher Mensch: Buchhändlerin, Proseccoliebhaberin und Freundin eines Taugenichts namens Ed. Der taugt so wenig, dass sie tatsächlich irgendwann die Schnauze voll hat und sich von ihm trennt. Dumm nur, dass sie vergaß, ihren Schlüssel zurückzufordern. Und genauso dumm, dass Ed eines Abends einfach in ihre Wohnung eindringt, um etwas zu holen. Dass er dabei in ihr Küchenmesser läuft, ist eindeutig seine Schuld. Und auch dass er einen Haufen Geld und Drogen in ihrer Wohnung versteckt hat. Überhaupt ist eigentlich alles Eds Schuld, denn plötzlich hat Jen Probleme. Abgesehen von einer Leiche in ihrer Wohnung - und vor allem was heißt hier einer Leiche? So viele Leichen, wie sich plötzlich rechts und links von Jen stapeln, hat sie nicht mal bei Shakespeare herauslesen können.

Eine aberwitzige Geschichte, die darauf aufbaut, dass aus einer unglücklichen Situation und Entscheidung heraus immer schlimmere und absurdere Geschehnisse entstehen. Aus der unauffälligen grauen Maus Jen wird im Laufe der Ereignisse eine Person, die mehr und mehr mit allen Mitteln um ihr Überleben kämpft, und das ist auch bitter notwendig, sind doch plötzlich nicht nur die Polizei, sondern auch die Unterwelt Glasgows hinter ihr her. Man muss sich darauf einlassen können, auch auf die Brutalität, die relative Ungerührtheit der Protagonistin, die blutigen Spuren, die sie hinter sich herzieht. Wenn man es als das nimmt, was es sein soll - eine absurde, unterhaltsame Story, wird man eine kurzweilige und schnell zu lesende Lektüre erhalten.

Veröffentlicht am 30.06.2018

Zwei Schnüffler

Blutrote Provence
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Leclerc ist Kriminalbeamter im Ruhestand - nicht freiwillig! Zum Abschied schenkten ihm die Kollegen einen Mops namens Tyson, damit er wenigstens Spaziergänge unternimmt. doch er fühlt sich noch lange ...

Leclerc ist Kriminalbeamter im Ruhestand - nicht freiwillig! Zum Abschied schenkten ihm die Kollegen einen Mops namens Tyson, damit er wenigstens Spaziergänge unternimmt. doch er fühlt sich noch lange nicht bereit, aufs Abstellgleis geschoben zu werden. So kommt ihm ein Dreifachmord in der Nähe geradezu gelegen und ohne zu zögern, eilt er an den Tatort. Als er die Auffindesituation überfliegt, kommt ihm ein alter Fall in den Sinn, doch natürlich liegt die Lösung nicht gleich auf der Hand. Sein Mops und er beginnen zu schnüffeln, unterstützt von einer ehemaligen Kriminalpolizistin, die jetzt Streife geht. Mit dem Dreifachmord ist es in der Provence noch lange nicht getan - doch Leclerc und Tyson sind zwei zähe Hunde, die nicht so schnell aufgeben.

Manchmal, muss ich ganz ehrlich gestehen, ist mir der pensionierte Kriminaler schon ganz schön auf den Geist gegangen, und ich hatte gehofft, dass die Polizisten ihn ab und zu mal ernsthaft zurechtweisen, zumal er seinen Hund gern mal über Tatorte laufen lässt und sich einen Sch... um die Beweislage kümmert. Aber im Großen und Ganzen war es eine spannende Lektüre mit einem Seitenstrang die Polizistin betreffend, der auch nicht uninteressant war. Die typischen Beschreibungen der Provence waren vorhanden, und auch wenn mir der Täter ein wenig zu weit hergeholt vorkam (wie zum Teufel hat er einen Elitesoldaten überraschen können?), wurde ich gut unterhalten und bin nicht abgeneigt, weitere Abenteuer des Pensionärs zu lesen.

Veröffentlicht am 29.06.2018

Leichen im Keller

Der Kreidemann
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1986: Der zwölfjährige Eddie Adams und seine Freunde finden mitten im Wald ein totes Mädchen - erschlagen und zerstückelt. Ein Täter wird gesucht und schnell auch jemand beschuldigt - Mister Halloran, ...

1986: Der zwölfjährige Eddie Adams und seine Freunde finden mitten im Wald ein totes Mädchen - erschlagen und zerstückelt. Ein Täter wird gesucht und schnell auch jemand beschuldigt - Mister Halloran, der seltsame Albino. Bleich, dürr, nicht aus der Gegend stammend und Lehrer an Eddies Schule. Natürlich musste er es gewesen sein, hatte er doch ein heimliches Verhältnis mit dem toten Mädchen. Seiner Festnahme entzieht er sich durch Selbstmord, das reicht den Behörden. Doch Eddie kann nicht aufhören, an die gemalten Kreidezeichnungen zu denken, die ihn und seine Freunde zu dem toten Mädchen geführt haben.
2016: Der erwachsene Eddie erhält Besuch von ausgerechnet dem einen Freund aus Kindertagen, den er am wenigsten leiden kann. Doch der erklärt, er wüsste, wer das Mädchen damals wirklich umgebracht hat - bevor er jedoch Eddie mehr erzählen kann, stirbt er unter seltsamen Umständen. Eddie wird den Verdacht nicht los, dass das Verbrechen von damals noch immer sorgfältig von jemandem gehütet wird ...

Ich hatte mich richtig gefreut, diesen Krimi gelesen, weil ich die Leseprobe schon sehr gut fand. Ich mag es, wenn Kinder aus den Achtzigern in Sachen verwickelt werden, da ist alles noch irgendwie entschleunigt, keiner hat ein Handy, die machen Zeug zusammen, auf die wir heute kaum kämen. Und eigentlich hat mir sowohl das Geschehen in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart gefallen, obwohl ich mit der Lösung am Ende nicht ganz glücklich bin. Ja, bestimmt ist das möglich, aber sehr wahrscheinlich ist das nicht. Das Buch hätte auch ganz großes Kino sein können, wenn manche Sachen nicht ganz so oft wiederholt oder einiges gestrafft worden wäre. Mir zum Beispiel waren die luziden Träume von Eddie zu viel - es nimmt mir die Spannung und den beabsichtigten Grusel, wenn ich weiß, dass jemand träumt. Und dass so viele Leute sprichwörtlich Leichen im Keller haben ... muss man mögen.
Hervorheben muss ich auf jeden Fall die Leistung des Sprechers Devid Striesow, der die Geschichte mit großem Geschick und Talent gestemmt und sogar in meinen Augen aufgewertet hat.

Veröffentlicht am 18.06.2018

Paris, 1761

Commissaire Le Floch und das Geheimnis der Weißmäntel
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Der junge Nicolas le Floch ist - im Gegensatz zu dem, was der Titel behauptet - keineswegs ein Commissaire. Fast auf sich allein gestellt kommt er 1759 nach Paris, ausgerüstet mit Edelmut und dem Brief ...

Der junge Nicolas le Floch ist - im Gegensatz zu dem, was der Titel behauptet - keineswegs ein Commissaire. Fast auf sich allein gestellt kommt er 1759 nach Paris, ausgerüstet mit Edelmut und dem Brief seines Paten, der ihn dem Polizeipräfekten de Sartine empfiehlt. Dieser bringt ihn bei einem der Untreue verdächtigen Kommissar unter und befiehlt ihm, seine Rechtskenntnisse von einem alternden Juristen zu vertiefen. Nur anderthalb Jahre später und völlig unverhofft schlittert le Floch in Mordfälle, Intrigen gegen den König, Glücksspielhöllen und Prostitution. Plötzlich mit unverhoffter Macht von de Sartine ausgestattet muss der junge Polizist verhindern, dass feindliche Mächte Papiere in die Hand bekommen, welche sie gegen Frankreich verwenden könnten.

Die große Stärke des Autors ist, die Mitte des 18. Jahrhunderts wieder aufleben zu lassen. Es ist schmutzig, kalt, brutal und manchmal überraschend. (Ich wusste nicht, dass es in Paris Leute gab, die tragbare Klos mit sich herumschleppten.) Der Fall war interessant und zusammen mit den historischen Informationen spannend präsentiert. Was mir anfangs einige Schwierigkeiten bereitet hatte, war nicht einmal die (wohlgewählte) Sprache jener Zeit, sondern die auktioriale Erzählweise eines allwissenden Erzählers, in welcher ich mich so manches Mal zu sehr auf Distanz gehalten fühlte. Auch das Lektorat war nicht berauschend, immer mal wieder stieß ich auf Fehler, die ich jedoch dem Buch selbst nicht anlaste, lediglich dem Verlag. Alles in allem war es jedoch ein interessanter Ausflug in einen historischen Kriminalfall.