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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.08.2018

Endzeit

Anna
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In regelmäßigen Abständen von meist einigen Jahren erscheinen Endzeitromane oder -Filme, die meist viel Action und damit Unterhaltung bieten. Anna, im Original 2015 erschienen, geht in diese Richtung. ...

In regelmäßigen Abständen von meist einigen Jahren erscheinen Endzeitromane oder -Filme, die meist viel Action und damit Unterhaltung bieten. Anna, im Original 2015 erschienen, geht in diese Richtung. Die Seuche hat alle Erwachsenen getötet, nur einige Kinder leben noch, die aber ebenfalls den Ausbruch des Virus zu erwarten haben, sobald sie erste Anzeichen zeigen, erwachsen zu werden. Und das führt unvermeidbar zum Tod. Im Mittelpunkt des Romans steht Anna, die um ihr Überleben kämpft, da gibt es z.B. Passagen mit viel Action beim Kampf gegen wildgewordene Hunde.
Ansonsten kümmert sich Anna in erster Linie um ihren kleinen Bruder. Zeitweiliger Begleiter ist dann noch Pietro, ein schon älterer Junge.
Die Beschreibungen der zusammengebrochenen Gesellschaft und Umgebung wird effektvoll beschrieben. Plünderungen, Verwüstungen und Brände. Niccolo Ammaniti kann schreiben, eine Melancholie begleitet seine Sprache.

Der zweite Teil des Buches konzentriert sich auf die Suche Annas nach ihrem verschwundenen Bruders Astor, den sie dann tatsächlich bei einer Gruppe Kindern findet. Interessant ist die Frage, ob sich in dieser kleinen Gruppe Kinder eine neue Gesellschaftsform bildet, die wenigstens ein paar Jahre Bestand haben kann.
Aber Anna misstraut dem, besteht auf ihre Unabhängigkeit. Das bedeutet aber auch, kämpfen zu müssen.

Der dritte Teil “Die Meeresenge” zeugt dann einen kurzen Moment der Ruhe. Es entsteht zwischen Anna, Astor und Pietro eine kleine Gemeinschaft, fast wie eine Familie.

Ich bewundere den Roman für seine bildreiche Sprache und Ausdruck, aber seine thematische Wichtigkeit bezweifle ich. Dennoch halte ich das Buch für lesenswert!

Veröffentlicht am 10.08.2018

Die Entscheidung

Die Polizisten
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In der Kriminalliteratur beschäftigen sich Polizisten ausschließlich mit dem Aufklären von Mordfällen.
Aber der preisgekrönte Roman Die Polizisten des französischen Schriftstellers Hugo Boris ist kein ...

In der Kriminalliteratur beschäftigen sich Polizisten ausschließlich mit dem Aufklären von Mordfällen.
Aber der preisgekrönte Roman Die Polizisten des französischen Schriftstellers Hugo Boris ist kein Krimi. Er zeigt die realistische Arbeit von Polizisten, das können z.B. Einsätze bei Demonstrationen sein oder die Überführung von Personen, die ausgewiesen werden sollen.
Die Polizisten sind aber auch Menschen, doch die beruflich starke Beanspruchung bringt sie in eine Position zwischen Pflicht und Menschlichkeit. Hinzu können auch private Beziehungsprobleme kommen, die Entscheidungen mit beeinflussen..
Virginie, Erik und Aristide kommen in einen moralischen Konflikt, als sie einen Flüchtling zum Flughafen Charles de Gaule bringen sollen. Die Abschiebung würde seinen sicheren Tod bedeuten.

Hugo Boris meistert den gesellschaftsrelevanten Stoff mit seinen sprachlichen Mitteln.

Veröffentlicht am 05.08.2018

Prägnant erzählt

Opfer
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Opfer (Sacrifices) ist der dritte Teil der Camille Verhoeven-Trilogie. Als deutscher Leser fragt man sich, wo ist die Übersetzung des ersten Teils? Man kann aber problemlos einsteigen.
Pierre Lemaitre ...

Opfer (Sacrifices) ist der dritte Teil der Camille Verhoeven-Trilogie. Als deutscher Leser fragt man sich, wo ist die Übersetzung des ersten Teils? Man kann aber problemlos einsteigen.
Pierre Lemaitre ist ein geschickter Autor, dessen Kriminalromane die Genregrenzen gelegentlich überschreitet. Hier ist der kühle Stil das besondere, der teilweise minutiös und detailgenau Szenen zeigt. Das ist bei dem sehr gewalttätigen ersten Abschnitt schwer zu ertragen, abgemildert wird das nur durch den Kommissar Camille Verhoeven, der ein mitfühlender Mensch ist. Er ist aber auch privat involviert, denn die Frau, die bei einem Raubüberfall misshandelt wurde, ist seine Lebensgefährtin Anne.
Schauplatz der Handlung ist Paris.
Camilles erste Frau wurde ermordet, daher ist er bei Anne besonders engagiert, sie zu schützen. Dann erwacht bei der Verfolgung des Täters aber auch seine alte Kraft der Ermittlung. Er erinnert mich in seinen obsessiven Momenten an Dürrenmatts Kommissar, verfilmt als Es geschah am helllichten Tag.
Camille ist eine vielschichtige Persönlichkeit, aber auch Anne ist interessant und stark. Trotz ihrer Verletzungen ist sie darauf bedacht, alleine klar zu kommen.
Thrillergemäß gibt es schließlich auch noch ein paar Wendungen und Spannungsmomente.
Es ist aber kein alltäglicher Thriller, der Fokus liegt auf den Figuren und ihren Emotionen. Vielleicht hat Pierre Lemaitre deswegen einen so sachlichen, distanzierte Stil gewählt.

Veröffentlicht am 03.08.2018

Respekt

Flucht aus Syrien - neue Heimat Deutschland?
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Seit 7 Jahren ist Bürgerkrieg in Syrien, der so viele Menschen zur Flucht zwang.
Es sind vielfältige Gespräche mit Flüchtlingen aus Syrien, die dieses Buch versammelt. Die verschiedensten Menschen kommen ...

Seit 7 Jahren ist Bürgerkrieg in Syrien, der so viele Menschen zur Flucht zwang.
Es sind vielfältige Gespräche mit Flüchtlingen aus Syrien, die dieses Buch versammelt. Die verschiedensten Menschen kommen zu Wort, berichten von ihrer Heimat, der Flucht und ihren Eindruck von Deutschland. Die Geschichten haben Gemeinsamkeiten, aber auch so viele Unterschiede wie die Menschen halt unterschiedlich sind.
Interessant sind aber fast alle Geschichten, denn die meisten mussten einiges durchmachen.
Dank an die Stiftung Respekt!, die das zusammengetragen hat.

Herausgeber Klaus Farin schrieb das Vorwort. Dann folgen die ersten Gespräche.
Etwas zu ausführlich kommt mit die Umfrage unter WissenschaftlerInnen zum Thema Flucht vor, aber da es hier in die Tiefe geht, ist das für Interessierte vermutlich wertvoll.
Es ist überhaupt ein umfangreiches Buch. Alle Interviews habe ich noch nicht gelesen, dennoch hinterlassen die Gespräche einen bleibenden Eindruck.

Zweiter Herausgeber ist der bekannte Rafik Schami, der aus Syrien stammt, aber schon seit 47 Jahren in Deutschland lebt und einer der bedeutendsten Schriftsteller unterhaltender Literatur dieses Landes ist.

Höhepunkt des Buches ist der brillante Beitrag von Rafik Schami, ein langes, komplexes Essay über die Geschichte Syriens, den Strukturen der Diktatur und den Folgen des Krieges. Schami zeigt nicht unbedingt auf der Hand liegende, aber in sich schlüssige Zusammenhänge auf.

Veröffentlicht am 02.08.2018

Schriftsteller*innen und der Rechtspopulismus

Unsere Antwort. Die AfD und wir.
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Vom Umgang mit der AfD. Dieses Buch startet eine Diskussion darüber u.a. im Kontext des Literaturbetriebes. Es gibt darüber sehr unterschiedliche Einstellungen. Ausgangspunkt ist die Forderung nach einer ...

Vom Umgang mit der AfD. Dieses Buch startet eine Diskussion darüber u.a. im Kontext des Literaturbetriebes. Es gibt darüber sehr unterschiedliche Einstellungen. Ausgangspunkt ist die Forderung nach einer Unvereinbarkeitsvereinbarung des ver.di als Erklärung gegen Afd-Mitglieder. Das könnte ein wichtiges Signal sein, von der neuen Rechten aber auch polemisch ausgeschlachtet werden. Ein Dilemma!

Es gab in der jüngeren Vergangenheit auffällige Vorfälle, in denen Schriftsteller wie Uwe Tellkamp mit seinen unsachlichen und unrichtigen Aussagen für einen Skandal sorgte oder die Provokationen rechter Verlage auf den Buchmessen.

Die Autoren gehen in ihren Beiträgen teilweise auf die anderen ein. Herausgeber ist Klaus Farin. Gut gefallen hat mir der Beitrag von Bestsellerautorin Nina George, die klare Worte schreibt. Leider wird von den Wortführern wenig auf sie eingegangen. Thrillerautorin Zoe Beck hält die AfD für äußerst gefährlich, während Klaus Farin glaubt, dass diese armselige Partei nur lästig sei und bald wieder verschwindet.
Meine Aufgabe als Rezensent dieses Buches kann es nicht sein, mich für einen dieser Ansätze zu entscheiden. Ich kann aber sagen, dass ich diese Diskussion an sich für sinnvoll und wichtig halte. Das Buch ist außerdem sogar interessant zu lesen.