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Veröffentlicht am 18.09.2018

Das eigene Leben augenzwinkernd (ver)achten

Man muss auch mal loslassen können
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Drei Frauen sehen keinen Ausweg mehr, sie wollen sich das Leben nehmen. Bloß wie, welche Methode ist die beste?

Charlotte ist ein schlankes Persönchen von 44 Jahren. Sie ist sensibel, versonnen und sehr ...

Drei Frauen sehen keinen Ausweg mehr, sie wollen sich das Leben nehmen. Bloß wie, welche Methode ist die beste?

Charlotte ist ein schlankes Persönchen von 44 Jahren. Sie ist sensibel, versonnen und sehr zerstreut. Um sich ganz ihrem literarischen Werk widmen zu können, kündigt sie sogar ihre gesetzliche Krankenversicherung. Als Charlotte erfährt, dass sie an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankt ist, sie ihre Geschwister vor dem finanziellen Ruin bewahren möchte und zudem erkennt, dass ihr Werk nichts taugt, gibt es für sie nur die eine Lösung – den Freitod.

Wilma, 59 Jahre alt, hat ihr Lebenlang als Gastwirtin gearbeitet, drei Kinder selbst großgezogen und war immer für jeden da, der sie brauchte. Ihre ganze Lebensfreude bezog sie aus ihrem Wirtinnendasein, da sie gerne für andere sorgte und für das ihr im Gegenzug entgegengebrachte Vertrauen und Sympathiegefühl dankbar war. Das ändert sich schlagartig, als sie wegen missachtetem Rauchverbot ihre Konzession verliert. Um den Politikern einen Denkzettel zu verpassen möchte sie Selbstmord begehen.

Jessy, die 21jährige Aldi-Kassiererin, spitzzüngig, extrovertiert und hochbegabt, möchte alles anders machen in ihrem Leben als ihre Mutter, die Alkoholikerin, die nie für ihre Tochter dagewesen ist. Als Jessy ihren Freund, Jossip, den Jura-Studenten, in flagranti mit einer anderen erwischt, gibt sie ihren Kampfgeist und Lebenswillen auf. Jossip soll für seinen gedankenlosen „Tagesausflug“, wie er seinen Seitensprung nennt, bezahlen – mit ihrem eigenen Leben.

Charlottes, Wilmas und Jessys Wege kreuzen sich bei der Suizid-Beratungsstelle „Dare it“ und sie beschließen ihr Selbstmordvorhaben gemeinsam zu meistern. Nach drei missglückten Versuchen geraten sie an einer Tankstelle in einen Raubüberfall. Kurzerhand werfen sie sich den Dieben an den Hals, um als Geiseln mitgenommen zu werden. Und vielleicht haben die zwei ja mehr Mumm als sie selbst und können die unangenehme Aufgabe des Tötens für sie übernehmen?‮

Der Leser nimmt abwechselnd am inneren Erleben Charlottes, Wilmas, Jessys und der beiden Möchtegern-Gangster, Ralle bzw. Moritz, teil. Je nach Vorlieben wird sich der Leser in unterschiedlichem Maße mit den Figuren identifizieren. Mein persönlicher Liebling war Charlotte. Mit Jessy konnte ich dagegen am wenigsten anfangen; obwohl ihr von den anderen Figuren so viele positive Eigenschaften zugeschrieben wurden, empfand ich sie als ichbezogen, flach und taktlos.

Abgesehen von einigen Plot- und Plausibilitätsschwächen liefert uns Monika Bittl mit „Man muss auch mal loslassen können“ einen lebhaften und spritzigen Roman. Von der Grundidee her liegt dem Roman zwar der Gedanke des schwarzen Humors zugrunde, mit der Innensicht der Romanfiguren und ihrem gedanklichen Austausch untereinander übt die Autorin allerdings eher Gesellschafts- und Sozialkritik aus – natürlich mit dem nötigen Augenzwinkern und einer ordentlichen Portion Humor. Jede Figur lernt von der anderen und so entscheidet jede für sich, nicht aufzugeben, sondern ihr Leben von neuem in die Hand zu nehmen. Sie erkennen auch, dass man sich selbst nicht immer so ernst nehmen sollte – eine Erkenntnis, die sicherlich jedem und jeder von uns ebenfalls zugute käme!

Veröffentlicht am 04.09.2018

Zu hohe Erwartungen?

Die Schwestern von Mitford Manor – Unter Verdacht
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Die skandalumwitterten Mitford-Schwestern, der unaufgeklärte Mord an Florence Nightingale Shore und auch noch aus der Feder Jessica Fellowes, der Nichte Julian Fellowes, der die Drehbücher zu der Serie ...

Die skandalumwitterten Mitford-Schwestern, der unaufgeklärte Mord an Florence Nightingale Shore und auch noch aus der Feder Jessica Fellowes, der Nichte Julian Fellowes, der die Drehbücher zu der Serie „Downton Abbey“ geschrieben hat! Diese Kombination verspricht einen erstklassigen Lesegenuss!

Das (oder so ähnlich) mag sich manche Person gedacht haben, als sie zu dem Roman „Die Schwestern von Mitford Manor. Unter Verdacht“ griff. Leider werden die auf diese Weise hochgeschaukelten Erwartungen nur zum Teil erfüllt.

Kommen wir zunächst auf die Mitford-Familie zu sprechen. Wählt man als Autor(in) bekannte historische Persönlichkeiten, so hat man den Vorteil, dass man die Figuren nicht mehr einführen und dem Leser erst sympathisch machen muss, der Nachteil dagegen besteht darin, dass je nach Wissensstand des Lesers, gewisse Erwartungen den Figuren gegenüber nicht erfüllt werden, was ich in dem vorliegenden Fall bestätigt sehe. Von dem spezifischen Flair der schockierenden aber trotzdem (oder gerade deshalb!) faszinierenden Mitford-Schwestern ist in dem Roman Jessica Fellowes nichts zu spüren. Natürlich kann man das zum Teil darauf zurückführen, dass in dem ersten Band der Mitford-Schwestern-Serie nur Nancy Mitford fast erwachsen ist, die restlichen Mitford-Schwestern dagegen noch Kinder sind, doch hätte in diesem Fall zumindest Nancy so herausgearbeitet werden können, dass sie für den Leser direkten Erkennungswert hätte. Trotzdem bleibt abzuwarten, ob die Autorin in den weiterführenden Bänden das Charakteristikum der Mitford-Schwestern gezielter herausarbeiten wird, hat sie doch, eigenen Angaben zufolge, die Primär- und Sekundärliteratur zu den Mitford-Schwestern eingehend studiert!

Was den kriminalistischen Aspekt in dem Roman betrifft, so zieht er sich über drei Viertel des Romans in die Länge, um im letzten Viertel rasant an Tempo zuzunehmen, um dann ebenso schnell wieder zu verklingen und sich zusammen mit all den anderen im Laufe der Romanhandlung aufgebauten Konflikten in Wohlgefallen aufzulösen.

Auch eine kleine Liebesgeschichte wird einem geboten, die den Leser jedoch auch nur mäßig fesseln kann. Vielmehr dient sie wohl dem Zweck, den personalen Erzähler auf zwei Figuren aufzuteilen, deren Schicksal miteinander verwoben wird und die doch separat für sich agieren können und so den Mordfall gemeinsam lösen können.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Roman leicht und flüssig zu lesen ist, er jedoch weder in erzählerischer noch sprachlicher Hinsicht als herausragend zu bezeichnen wäre. Der Roman ist zwar nicht schlecht zu nennen, es fehlt ihm jedoch an Leben, Individualität, Glaubwürdigkeit und Authentizität. Sicherlich hat Jessica Fellowes für den ersten Band der Mitford-Manor-Serie viel Recherche betrieben und das sollte man ihr auch zugute halten, doch wirkt alles – die Figuren, die Situationen, die Gespräche – viel zu konstruiert, als dass man den Roman zu wirklich guter Literatur zählen könnte.

Veröffentlicht am 27.09.2019

55 Frauenporträts

Was würde Frida tun?
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Elizabeth Foley und Beth Coates haben sich zusammengesetzt und fünfundfünfzig Frauenporträts inspirierender Frauen erstellt. Die Palette erstreckt sich von der Hohepriesterin Enheduana über Mary Wollstonecraft ...

Elizabeth Foley und Beth Coates haben sich zusammengesetzt und fünfundfünfzig Frauenporträts inspirierender Frauen erstellt. Die Palette erstreckt sich von der Hohepriesterin Enheduana über Mary Wollstonecraft bis hin zu Betty Ford. Während uns in ihrem Sachbuch Frauen begegnen, die wir gut kennen bzw. gut zu kennen glauben, wie Königin Victoria, Coco Chanel oder Mae West, lernen wir auch Frauen kennen, von denen wir entweder wenig gewusst oder noch gar nichts gehört haben. Aufgelockert werden die kurzen Porträts von den sehr ansprechenden Illustrationen aus der Feder Bijou Karmans.

Während uns die beiden Autorinnen sowohl einen guten Überblick über das Leben der berühmten Frauen geben als auch das Besondere der jeweiligen Person herausarbeiten, versuchen sie auch jedes Mal eine Lektion für uns Leserinnen abzuleiten. Leider gelingt dies meines Erachtens nicht immer gut. Bei einer Piratin beispielsweise von einer Work-Life-Balance zu sprechen, finde ich persönlich mehr als gewöhnungsbedürftig. Manche Exkurse driften so weit von der porträtierten Person ab, dass sie völlig fehl am Platz wirken. Von einer Politikerin und ihren Errungenschaften zu sprechen, um dann zu schreiben, wie schwierig es wäre gleichzeitig Snapchat, Instagram und Twitter zu jonglieren, ist mehr als fraglich. Viele Begriffe, die die beiden Autorinnen in ihrem Buch benutzen, erinnern eher an Frauenzeitschirftenjargon, als dass sie den Anspruch auf Authentizität und Ernsthaftigkeit aufrechtzuerhalten versuchen. So erwarte ich, dass Begriffe wie „cool“, „daten“, „die Nase voll haben“, „auf den Wecker gehen“, „total erwischt“, „echt krass“, „ziemlich was auf dem Kasten haben“, „Scheißangst“, „Toyboy“, „Schiss haben“, „ausrasten“, „ziemlich durch den Wind sein“, „chillen“, „eine Show abziehen“, „sich voll reinhängen“ und „ihr Ding durchziehen“ in Sachliteratur, die ernst genommen werden möchte und einen gewissen Anspruch auf Objektivität stellt, nicht vorkommen. Das Tüpfelchen auf‘s i stellte hierbei der – laut der Autorinnen – „schwanzgesteuerte“ Lord Byron dar, doch indem männliche Personen herabgewürdigt werden, werden nicht automatisch weibliche Individuen aufgewertet. Der oftmals aggressiv feministische Ton der beiden Autorinnen hat meines Empfindens eher den gegenteiligen Effekt, als ihn die beiden Damen anstreben. Das Zielpublikum des Buches ist auch nicht ganz eindeutig. Während Foley und Coates derart angestrengt „cool und hype“ zu sein versuchen sowie Dinge erklären, die einer erwachsenen Person nicht erklärt werden müssen, würde ich eindeutig auf Mädchen im Teenageralter tippen, doch leider sprechen die beiden Autorinnen viel zu oft vom Beruf, Ehefrau und Mutterdasein, als dass man diese These aufrechterhalten wollte.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Intention der beiden Autorinnen zu loben ist. Sie haben augenscheinlich viel Recherchearbeit betrieben und sich Gedanken gemacht, was wir von den in dem Buch aufgeführten Frauen lernen können. Leider ist ihnen dieses Vorhaben nicht immer optimal gelungen, doch ich kann mir vorstellen, dass dieses Buch ihre Anhängerinnen finden wird.

Veröffentlicht am 21.12.2018

Ein kitschiger Roman, aber mit Potenzial

Das rote Adressbuch
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Doris ist alt. Sechsundneunzig Jahre alt. Alle, die ihr in ihrem langen Leben etwas bedeutet haben, sind tot. Nur ihre über alles geliebte Großnichte Jenny ist noch am Leben. Doch sie wohnt mit ihrer Familie ...

Doris ist alt. Sechsundneunzig Jahre alt. Alle, die ihr in ihrem langen Leben etwas bedeutet haben, sind tot. Nur ihre über alles geliebte Großnichte Jenny ist noch am Leben. Doch sie wohnt mit ihrer Familie in San Francisco – das ist so weit weg von Stockholm, wo Doris lebt. Als sie fühlt, dass ihre Tage gezählt sind, schreibt sie für Jenny ihre Lebensgeschichte nieder. Ausgangs- und Anhaltspunkt dafür ist ihr rotes Adressbuch, das sie von ihrem Vater zu ihrem zehnten Geburtstag geschenkt bekam und das sie ihr ganzes Leben begleitet hat. Doris schildert ihr bewegtes Leben mit seinen Höhen und Tiefen: die goldenen Zwanziger, die schweren Kriegsjahre, ihre große Liebe zu Allan und die vielen Jahre mit ihrem getreuen Freund Gösta. Als Doris ins Krankenhaus geliefert wird, kommt Jenny zu ihr, da sie fühlt, dass Doris nicht mehr lange zu leben hat. Aber bevor sie stirbt, erfüllt Jenny ihr noch einen großen Herzenswunsch, wenn nicht sogar ihren größten...

„Das rote Adressbuch“ lebt von Dramatik und Gefühl. Nun besteht zwischen Literatur und Kitsch eine sehr schmale Gratwanderung, die nur zu leicht in Richtung des zweiten kippen kann. Nicht so sehr das Thema als vielmehr die Umsetzung entscheiden darüber, ob ein Werk zum Kitsch oder zur Literatur gezählt werden kann. „Das rote Adressbuch“ zeugt von noch nicht ganz ausgereiftem Literaturverständnis. Das wahrhaft Poetische ist hier nur in Ansätzen vorhanden, aber es hat durchaus Potenzial und so bleibt abzuwarten, wie sich die Autorin in ihren folgenden Werken weiterentwickeln wird. In „Das rote Adressbuch“ wirkt das Geschehen noch sehr konstruiert. Die Übergänge sind viel zu fließend. Auch die Gespräche, die sich zwischen Doris und Jenny stets wiederholen, wirken nicht natürlich. Es ist alles zu sehr Fiktion. Kitschige Fiktion, die aber natürlich wohl gerade deshalb so eine große Anziehungskraft ausübt, denn eine gewisse Dosis Kitsch braucht jeder Mensch ab und zu. Falls auch Du gerade danach dürstest, dann greif ohne zu zögern zu diesem Roman.

Veröffentlicht am 26.04.2024

Sehr blumiger Schreibstil

Die Vermesserin der Worte
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„Eines Morgens wachte Ida auf und fragte sich, wer man eigentlich war, wenn sich das, was man am besten konnte, aus dem eigenen Körper geschält hatte und über Nacht klammheimlich verschwunden war.“

Ida ...

„Eines Morgens wachte Ida auf und fragte sich, wer man eigentlich war, wenn sich das, was man am besten konnte, aus dem eigenen Körper geschält hatte und über Nacht klammheimlich verschwunden war.“

Ida ist eine junge Schriftstellerin, die am 1. Januar von den Worten verlassen wird und keinen einzigen Buchstaben mehr zu Papier bringt. Und damit ihre Existenzgrundlage verliert. Theobald, ein befreundeter Briefträger, bringt Ida eines Tages eine Annonce mit, auf die er gestoßen ist. Gesucht wird eine Haushaltskraft für ein großes Anwesen. Kurzerhand macht sich Ida auf zum papiernen Anwesen und seiner Herrin, Ottilie Selig. Vor Ort stellt Ida schnell fest, dass nicht Ordnung und Sauberkeit Priorität in dem Haus haben, sondern vielmehr Ida Ottilie im Kampf gegen das Vergessen helfen und mit den Dorfbewohnern wieder versöhnen muss. Unversehens findet Ida beim Versuch zu helfen, ihre verlorenen Worte und die Fähigkeit des Erzählens wieder.

„Die Vermesserin der Worte“ stammt aus der Feder der jungen Autorin Katharina Seck. Die ersten beiden Kapitel des Romans haben mich begeistert und sehr neugierig auf den weiteren Verlauf der Geschichte gemacht. Leider konnte mich die Autorin weder mit der erzählten Geschichte noch mit ihrem Schreibstil überzeugen. Ich habe mich regelrecht durch den Roman gequält. Der Schreibstil ist sehr blumig, verschachtelt und mit Adjektiven überfüllt. Die Figuren sprechen „wie gedruckt“, halten lange Reden oder äußern sich wie aus einem Sprüchebuch. Zudem sind sie nicht kohärent, allen voran die Protagonistin. Ist sie am Anfang eine unsichere, in sich gekehrte Person, so wird sie kurz darauf zu einer zupackenden und lange Reden schwingenden Figur. Die Geschichte dreht sich zudem die meiste Zeit um die eigene Achse und kommt nicht voran. Einem bestimmten Genre lässt sich das Erzählte auch kaum zuordnen: Für ein phantastisches Werk ist es zu wenig märchenhaft, für einen Gegenwartsroman zu wenig realistisch. Und insgesamt viel zu rührselig für meinen Geschmack. Den Figuren, der Geschichte an sich und dem Roman selbst hat es definitiv an Leben gefehlt. Ich konnte mich folgenden Eindrucks nicht erwehren: Es kam mir vor, als hätte man Teilnehmern eines Schreibwettbewerbs einen tollen Romananfang gegeben und hätte sie aufgefordert die Geschichte weiterzuschreiben. Anschließend hätte sich die Jury für eine mittelmäßige Fortsetzung entschieden. Eine Leseempfehlung gibt es von mir somit nicht, aber ich bin sicher, dass der Roman seine Abnehmer finden wird.

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