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heinoko

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.10.2018

Unerschöpfliche Schatzwelt der Bücher

Das Mädchen, das im Buchladen gefunden wurde
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Eine Frage an alle Buchliebhaber: Kann man ein Buch allein schon wegen des Titelbildes lieben? Ja, man kann, und wie. Und wenn dann der Inhalt so perfekt zum Cover passt, dann steht der persönlichen Auszeichnung ...


Eine Frage an alle Buchliebhaber: Kann man ein Buch allein schon wegen des Titelbildes lieben? Ja, man kann, und wie. Und wenn dann der Inhalt so perfekt zum Cover passt, dann steht der persönlichen Auszeichnung „besonders geliebtes Kinderbuch“ nichts mehr im Wege.
Property, ein sehr ungewöhnliches kleines Mädchen, wird eines Tages von ihren Eltern in der kleinen Buchhandlung von Netty und ihrem Sohn Michael vergessen. Michael stellt das Mädchen erst einmal ins Regal der Fundsachen, und als sie einfach nicht mehr abgeholt wird, nimmt Netty sie ganz selbstverständlich auf. Und so wächst Property mitten unter Büchern auf, lebt zwischen ihnen, mit ihnen – und das, obwohl sie nicht lesen kann! Eines Tages gewinnt die Familie bei einer Verlosung den größten und tollsten Buchladen der Welt, was für eine Aufregung! Doch dieser Buchladen birgt ein Geheimnis, und nur jemand mit viel, viel Bücherkenntnis kann das Geheimnis entschlüsseln.
Dieses anrührende Buch ist eine einerseits märchenhafte, zauberhafte Geschichte mit liebenswerten und eindrücklich ausgearbeiteten Personen, individuell, eigen-artig, und andererseits eine fantasievolle Erzählung, fesselnd, turbulent, abenteuerlich, mit lustigen Stellen aufgelockert, immer aber spannend zu lesen. Alles wird auf eine so schöne, direkte Art erzählt, als würde die Autorin mitten unter uns sitzen und uns gestenreich und lebendig von Property und all den Geschehnissen berichten. Feinfühlig, stilistisch schön geschrieben ist dieses Buch, es ist aber auch aufgrund der zauberhaften Illustrationen von Mila Marquis ein besonderer Buchschatz, den zu hüten es gilt. Denn ich wüsste mir keine bessere Möglichkeit, Kindern den Weg direkt in die unerschöpfliche Schatzwelt der Wörter, der Bücher, der Fantasie zu öffnen. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 08.10.2018

Diabolischer Lesespaß

Was sich liebt, das killt sich
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Was für ein geistreicher Spaß! Schon lange nicht mehr hat mich ein Buch so erfreut wie dieses hier. Bitterböse, händereibende, schamlos perfide Ideen mit bissigem Witz überbacken – ein Geschichtenauflauf ...


Was für ein geistreicher Spaß! Schon lange nicht mehr hat mich ein Buch so erfreut wie dieses hier. Bitterböse, händereibende, schamlos perfide Ideen mit bissigem Witz überbacken – ein Geschichtenauflauf ganz und gar nach meinem Geschmack.
Die musikalisch und medizinisch bewanderte Sandra Lüpkes mit ihrem hinterhältigen Humor hat es mir besonders angetan, wobei der Wilsberg-Schöpfer und Hamam-Kenner Jürgen Kehrer mit seiner perfiden Bösartigkeit in nichts zurücksteht. Wenn ein Buch schon mit solch einem beziehungslastigen Vorwort beginnt, kann es nur noch schlimmer kommen… Was tummelt sich da alles auf diesen Seiten. Ein Panoptikum diabolischer Ideen geistert durch die kriminelle Schöpferwelt der Autoren: Außerirdische (stinkend), Lieferanten (mit tiefgefrorener Vergangenheit), Medizinstudent (mit Titan-Präparierbesteck), Wilsberg himself (Walking linke an angel), Auftragskiller (Gewehr mit Häkelmützchen), ganz viel Schwitzen und Schwatzen. Und isländische Trolle schaffen den Rest.
Eine wunderbare, nein, eine geniale Sammlung geistreicher Geschichten, die auf kreativ-hinterhältige Weise endgültige Lösungen für Beziehungsprobleme aller Art anbieten. Und so habe ich viel gelernt: Ob Tiefkühlkost oder Kröten oder Beeren - nichts ist immer so wie es scheint. Und mit dem Wort Hypokoristika kann man toll angeben. Auch nicht schlecht. Unbedingt lesen!!!

Veröffentlicht am 06.10.2018

Ein Roman mit emotionaler Wucht

Lempi, das heißt Liebe
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Um den geschichtlichen Hintergrund des Buches besser einordnen zu können, ist es meiner Meinung nach sehr empfehlenswert, vor Lektüre des Romans zuerst das sehr informative Nachwort der Übersetzerin zu ...


Um den geschichtlichen Hintergrund des Buches besser einordnen zu können, ist es meiner Meinung nach sehr empfehlenswert, vor Lektüre des Romans zuerst das sehr informative Nachwort der Übersetzerin zu lesen. Es half mir, das besondere Verhältnis zwischen Finnen und Deutschen während und kurz nach dem Zweiten Weltkrieg und damit die erzählten Geschehnisse besser einordnen zu können
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Viljami, ein junger Bauernsohn, verliebt sich in Lempi, die beschützte und gebildete Tochter eines Ladenbesitzers aus einer kleinen Stadt im finnischen Lappland. Nach einer überstürzten Heirat zieht Lempi, die keinerlei Ahnung hat vom Landleben und der harten Arbeit dort, auf den Hof zu Viljami. Ihr zur Seite gestellt wird als Hilfe Elli, die Magd, die tief in ihrem Innersten am liebsten an Lempis Stelle wäre. Nach wenigen Monaten gemeinsamen Glücks wird Viljami zum Kriegsdienst eingezogen. Als er zurückkehrt, seelisch gebrochen, ist Lempi verschwunden.

Der Roman kommt ganz schlicht daher. Und hat doch eine Wucht, die schwer zu beschreiben ist. Die Autorin hat einen ungewöhnlichen Weg gefunden, uns Lempi näher zu bringen, wobei sie uns am Ende des Romans sogar noch ferner ist als zu Beginn des Buches. Aus drei verschiedenen Perspektiven werden uns Lempi und ihr Leben geschildert. Zunächst erzählt Viljami mit den Augen einer tiefen Liebe. Er ist vom ersten Augenblick an Lempi verfallen, und mit ihr zu leben ist sein größtes Glück, ja sein Lebensinhalt. Intensiv und ergreifend wird die kurze Zeit des Glücks und die ewig während scheinende Zeit des Verlusts geschildert. Lempi wird auf eine durch Liebe verklärende Weise schier engelsgleich nahegebracht. Dann erfolgt die Erzählung aus der Sicht von Elli, der Magd. Hier begegnet dem Leser mit schmerzender Gewalt die Kraft des Hasses, der Eifersucht, des Neids. Lempi erscheint uns in diesem Erzählstrang als untaugliche, unnütze, eitle und ihres Glücks nicht würdige Frau. Zuletzt kommt noch Sisko, die Schwester, zu Wort. Wir erfahren viel über das enge Verhältnis der Schwestern vor der Hochzeit Lempis, von ihren gemeinsamen Zukunftsträumen. Lempi wirkt hier in ihrem unabhängigen Denken, in ihren Gesten wie eine mutige Leitfigur, der es gilt nachzustreben.

Das alles ist Lempi und vielleicht doch nichts wirklich von alldem. Sie selbst kommt nicht zu Wort. Selten wurde mir deutlicher vor Augen geführt, wie Meinungsbildung funktioniert und zu welchen Irrtümern oder eingeschränkten Sichtweisen subjektive Wahrnehmung führt. Der eindrücklich Roman ist verpackt in schlichten Sätzen, und doch lyrisch-poetisch, schmerzend schön, hart und weich zugleich, mit emotionaler Wucht packend und lange nachwirkend. Absolut lesenswert!



Veröffentlicht am 02.10.2018

Überbordende Bilderwelt

Heilige und andere Tote
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Die Autorin war mir bislang unbekannt. Umso überraschter war ich bereits nach den ersten Seiten von der immensen Kraft ihres Schreibstils, ihrer Beschreibungen, von den eindringlichen Wortbildern, die ...

Die Autorin war mir bislang unbekannt. Umso überraschter war ich bereits nach den ersten Seiten von der immensen Kraft ihres Schreibstils, ihrer Beschreibungen, von den eindringlichen Wortbildern, die sich im Kopf auftun wie eine Dia-Show: Klick, klick, klick – Bild für Bild entstand vor meinem inneren Auge. Immer mehr Bilder. Immer mehr. Und noch mehr. Nach einer Weile musste ich aufpassen, die Aufmerksamkeit nicht zu verlieren. Schnell-Lesen wäre eine Beleidigung für dieses Buch!

Der Verlag beschreibt den Inhalt so perfekt, wie ich es gar nicht könnte: „Seit dem Tod seiner Frau und den ewigen Streitereien mit seinem Sohn vertreibt Cathal Flood jeden, der sich ihm nähern will. Einst Antiquitäten- und Kuriositätenhändler ist er längst zum Messie verkommen. Sein Sohn hofft, ihn auf Dauer in ein Altenheim verfrachten zu können. Die Neueste in der Riege erfolgloser und unterbezahlter Sozialbetreuer, die Cathal zur Räson bringen soll, ist Maud Drennan. Unter den wüsten Beschimpfungen des Alten zieht sie beherzt gegen Dreck und Müll zu Felde. Doch trotz aller Unerschrockenheit ist ihr Bridlemere unheimlich. Überall im Haus scheinen verschlüsselte Botschaften zu warten. Wie das Foto von zwei Kindern, auf dem das Gesicht des Mädchens ausgebrannt ist. Hat Flood eine Tochter? Wieso weiß niemand von ihr? Und warum hasst er seinen Sohn so sehr? Auch der Tod seiner Frau löst Fragen über Fragen aus. Maud würde am liebsten alle erdrückenden Hinweise ignorieren. Doch ihre leicht bizarre Vermieterin Renata, die für ihr Leben gern Detektiv spielt, und eine Horde marodierender Heiliger, die nur Maud sehen kann, wittern längst ein Verbrechen.“

In der schier grenzenlosen Fülle an Ideen und Bildern war mir die Sozialarbeiterin Maud Drennan in ihrer zupackenden Art eine gute Leitfigur. Immer wenn ich mich in den Skurrilitäten verlor, konnte ich mich neu an Maud orientieren, kehrte mit ihrer Hilfe zur Handlung zurück, bis ich mich wieder neu in den Rausch der Bilder verlor, verführt von einer grandiosen Autorin, die eine Horde seltsamer Heiliger in die Handlung einschleppt, die nur von Maud gesehen werden, oftmals arg schlecht gelaunt sind, aber letztlich doch hilfreich wirken. Aber ganz ehrlich: Die Handlung war mir nicht wichtig. Ich habe mich durcheinander wirbeln lassen von der grenzenlosen Fantasie der Autorin, die vor nichts halt macht, die mit Grausigem genauso spielt wie mit Mystischem, mit Kuriosem ebenso wie mit poetischen Momenten, mit Metaphern und feinsinnigem Humor. Während ich das Buch las, fühlte ich mich wie unter Wasser, von Satz zu Satz mich treiben lassend, schwerelos… Anrührend, komisch, wunderschön!

Veröffentlicht am 27.09.2018

Weg von der Opfer-Haltung

Das Glück an meinen Fingerspitzen
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Auch als älteres Semester lese ich gerne ab und zu einen Jugendroman, werde oftmals allerdings abgeschreckt von einem hässlichen, der Jugend sich anbiedernden, gruselig schlechten Deutsch. Wie anders hier ...

Auch als älteres Semester lese ich gerne ab und zu einen Jugendroman, werde oftmals allerdings abgeschreckt von einem hässlichen, der Jugend sich anbiedernden, gruselig schlechten Deutsch. Wie anders hier im vorliegenden Buch: Julie Leuze erzählt eindringlich, bildhaft, in ihren Naturbeschreibungen oftmals fast poetisch schön. Eine Wohltat für jeden Liebhaber gepflegter Sprache. So schön wie der Schreibstil der Autorin, so schön ist auch das Äußere des Buches. Die Covergestaltung und die Haptik des Buchäußeren sind sehr, sehr ansprechend.

Worum geht es? Auf einer Insel im Pazifik, ohne jeglichen Kontakt zur Außenwelt, treffen zwei Menschen aufeinander, die aufgrund von traumatischen Vorerfahrungen das Vertrauen zu sich selbst und zu ihrer Umwelt verloren haben. Jana aus Deutschland besucht ihren Onkel in der kanadischen Wildnis. Der allerdings verschwindet plötzlich spurlos und Jana bleibt sich selbst überlassen, bis plötzlich ein verletzter junger Mann, Luke, vor der Blockhütte auftaucht. Um zu überleben, müssen sie sich überwinden und sich gemeinsam auf einen langen, beschwerlichen und gefahrvollen Weg durch völlig unberührte Natur machen, Jana voller Angst und Misstrauen, Luke verschlossen, abweisend, auch körperlich schwerer verletzt als gedacht. Doch der Überlebenswille ist stärker und beide wachsen über sich hinaus.

Es wird aus wechselnden Perspektiven erzählt, wodurch man sowohl Jana als auch Luke sehr intensiv kennenlernt. Geschickt lässt die Autorin durch Rückblenden die Vorgeschichten der beiden jungen Menschen erst so nach und nach klarer werden, was einen zusätzlichen Spannungseffekt bietet. Sehr, sehr gut gefallen haben mir die Beschreibungen der unberührten Natur Kanadas, die nicht nur sonnige oder gar romantische Idylle bietet, sondern auch reale Gefahren für Leib und Leben. Die beiden Protagonisten sind sympathisch und psychologisch stimmig ausgearbeitet. Durch die ernsten Hintergrundthemen wird das Buch an keiner Stelle kitschig, besonders da auch immer wieder ein wenig Humor hervorblitzt, auch wenn es sehr viel um Gefühle geht.

Einzig enttäuschend war das Ende des Buches, das sehr überhastet und gewaltsam verkürzt daherkam. Das passte so ganz und gar nicht zur vorherigen feinen Erzählweise. Dennoch bleibt in der Summe mein Fazit, dass es sich um ein sehr lesenswertes Jugendbuch handelt, spannend erzählt, leicht und gut zu lesen, dennoch mit Tiefgang und Ernsthaftigkeit und mit einem absolut wichtigen Lebensmotto: weg vom passiven Opfer-Sein hin zum selbstgestalteten aktiven Leben.