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Veröffentlicht am 21.10.2018

Das Herz braucht eine Hand

Die Nacht der Vergessenen
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*Das Herz braucht eine Hand"

„Es gibt überall eigenartige Menschen, achtsame, aber auch achtlose, die blind durch die Welt gehen.“

Der Heilige Abend ist angebrochen. Die junge Protagonistin verlässt ...

*Das Herz braucht eine Hand"

„Es gibt überall eigenartige Menschen, achtsame, aber auch achtlose, die blind durch die Welt gehen.“

Der Heilige Abend ist angebrochen. Die junge Protagonistin verlässt an diesem ganz besonderen Abend das Haus, um die Prostituierten auf der Straße zu besuchen. Bei ihren Bemühungen, Frauen zu retten, wird Nicole mit vielen traurigen Schicksalen, den Machenschaften der Zuhälter, Gewalt, Drogen und Hoffnungslosigkeit konfrontiert. Doch an manchen Tagen ist sie müde, innere Zweifel nagen an ihr. Mit ihrer Kollegin Heidi an der Seite versucht sie, den Menschen vorurteilsfrei und auf Augenhöhe zu begegnen.

Der Leser darf Nicole an diesem Heiligen Abend begleiten und lernt den freiheitsliebenden Patrick kennen, der mit seinem Hund Bobbi auf der Straße lebt und die Ignoranz der „zur Seite blickenden Menschen“ erwähnt. Man erfährt die Geschichte von Mia, die ihre Schulden für ihren Zuhälter abarbeitet und sich beinahe jede Nacht in den Schlaf weint, liest von Elena aus Mazedonien oder von Virva, die große Wünsche, aber kaum eine Perspektive hat. Anhand einzelner Schicksale thematisiert die Autorin die Sehnsüchte und das Heimweh der Prostituierten und ihren verzweifelten Wunsch nach Anerkennung und Liebe. Iris Muhl betrachtet diese kleine Welt in der roten Meile aus verschiedenen Perspektiven. Sie beschreibt das Leben, die Gefühls- und Gedankenwelt der handelnden Figuren, erlaubt dem Leser einen kleinen Einblick in die Welt eines Freiers, eines gewaltbereiten Zuhälters, einer Bordell-Hausmutter, und den beiden enthusiastischen jungen Frauen der Heilsarmee, die unermüdlich unterwegs sind, um den Menschen ihre Zeit und Aufmerksamkeit zu schenken und das Evangelium zu verkünden.

Iris Muhl konzentriert sich in ihrer Erzählung auf eine einzige Nacht, eine Nacht, in der es um Menschen geht, die aus verschiedensten Gründen ihr Leben am Rande der Gesellschaft führen. Menschen, die ignoriert, gemieden, verleugnet, und zum Teil sogar verachtet werden. In diesem berührenden Buch darf man die junge Angehörige der Heilsarmee namens Nicole begleiten, die bereits drei Jahre lang die Frauen in der roten Meile besucht. Mit außerordentlichem Feingefühl, exzellent gezeichneten Charakteren und behutsamen Worten schreibt sich Iris Muhl ins Herz ihrer Leser, berührt sie ganz tief auf emotionaler Ebene. Es ist der Autorin eindrucksvoll gelungen, ihre Leser an das harte Los von Menschen heranzuführen, die aus verschiedensten Gründen am Rande der Gesellschaft leben. Sie regt zum Nachdenken an, animiert dazu, das eigene begrenzte Sichtfeld zu erweitern, den Fokus auf vom Leben benachteiligte, emotional verletzte und von der Gesellschaft ausgeschlossene Personen zu richten. Eindringlich beschreibt sie aber auch die Zweifel der jungen Heilsarmee-Offizierin und lässt den Leser an deren Gedankenwelt teilhaben.

„Hier eine verschlossene Tür, da ein verriegeltes Schloss; hier eine Unnahbarkeit und als Entgegnung eine Distanz; da manche Unachtsamkeit, und die Folge davon ein Leid, das langsam heranwächst. Für einen Moment scheint es, als würden sich die Dinge endlos wiederholen, ein unhörbarer Reigen an unauffälligen Missgeschicken.“

Das Buch hat einen eindrucksvollen Schreibstil, der mir ausgezeichnet gefallen hat und dem Leser Figuren und Situationen beinahe bildhaft vor seinen Augen erscheinen lässt. Iris Muhl hat sich bereits durch ihre anderen Werke in mein Herz geschrieben und meinen Erwartungen auch mit dieser aktuellen Neuerscheinung voll und ganz entsprochen.

„Die Nacht der Vergessenen“ ist ein sehr aussagekräftiges Buch, das mich tief berührt und sehr nachdenklich zurückgelassen hat.

Abschließend möchte ich noch auf das eindrucksvolle Coverfoto eingehen, das eine geheimnisvoll wirkende Frau inmitten einer verschneiten Straße zeigt, deren hell erleuchtete Fenster eines Hauses den Eindruck von Hoffnung und Wärme vermitteln. Das Buch punktet aus meiner Sicht zudem mit einer edel wirkenden und hochwertigen Aufmachung sowie einer angenehmen Schriftgröße mit großzügigem Zeilenabstand.

Veröffentlicht am 14.10.2018

Ihr Name war Grace

Herz auf Empfang
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Ihr Name war Grace

Karen Witemeyer, die bekannte Autorin historischer Romane mit Happy End-Garantie und einer überzeugenden christlichen Botschaft, rangiert weit oben auf der Liste meiner favorisierten ...

Ihr Name war Grace

Karen Witemeyer, die bekannte Autorin historischer Romane mit Happy End-Garantie und einer überzeugenden christlichen Botschaft, rangiert weit oben auf der Liste meiner favorisierten Christlichen Autorinnen. Ihre locker-leichten Geschichten, die stets auch mit Humor aufwarten, haben es bislang noch immer geschafft, mich zu begeistern. In der aktuellen Neuerscheinung „Herz auf Empfang“ wurde die junge Grace Mallory auf der Suche nach einem sicheren Zufluchtsort in der Frauenkolonie Harpers Station mit offenen Armen aufgenommen, wo sie fortan als Telegrafistin arbeitet. Integrität bestimmte zeitlebens das Denken und Handeln des ruhigen und freundlichen Gelehrten und Literaturprofessors Herschel Mallory, der bei der Übergabe wichtiger Dokumente in eine Falle gelockt und kaltblütig erschossen wurde. Seine letzten Gedanken galten der Sicherheit seiner Tochter Grace, der es gelingt, sich mit den Dokumenten im Besitz dem Zugriff seines Mörders zu entziehen und ihre Spuren zu verwischen. Als nach über einem Jahr Graces Aufenthaltsort bekannt wird und eine telegrafische Warnmitteilung eintrifft, werden die Bewohner von Harpers Station in höchster Alarmbereitschaft versetzt. Ein verdächtig erscheinender, Brillen tragenden Mann mit nachlässigem Äußeren, der sich nach der jungen Telegrafistin erkundigt, wird unverzüglich festgenommen und unter Arrest gestellt.

Der aus Denison stammende Amos Bledsoe arbeitet ebenfalls als Telegrafist und ist nach regelmäßiger Korrespondenz mit der zauberhaften Grace Mallory bis über beide Ohren in sie verliebt. Als er zufällig den Inhalt der telegrafisch übermittelten Warnung hört, macht er sich sofort auf den Weg zu Grace, um ihr beizustehen. Der warmherzige, ehrliche und intelligente junge Mann beeindruckt durch seine ehrliche und respektvolle Art, seine Geistesgegenwart, seine Integrität und seiner Courage. Doch hat der Fahrrad fahrende schmächtige Telegrafist eine Chance gegen jenen eiskalten Auftragskiller, der sich bereits auf den Weg nach Harpers Station gemacht hat, um Grace Mallory und der verschwundenen Dokumente habhaft zu werden?

Karen Witemeyer erzählt ihre Geschichte in einem wie gewohnt locker-leichtem Schreibstil, der gepaart mit einer großen Portion Humor und dem durchgehenden Spannungsfaktor in diesem Buch dazu beitrug, mir allergrößtes Lesevergnügen zu bereiten. Es hat mich gefreut, dass die Autorin auch bekannten Figuren aus dem Vorgängerroman kleine Rollen zudachte und ich dem mitfühlenden Wirbelwind Emma, ihrem Ehemann Malachi, den beiden kämpferischen Tanten Henrietta und Alberta sowie Victoria und ihrem Verehrer Ben wieder zu begegnen. Der scharfzügigen Männerhasserin Helen Potter, die in ihrem Leben bisher niemals Glück, sondern ausschließlich schlimme Erfahrungen machen durfte, wurde eine größere Nebenrolle in dieser Geschichte zuteil. Helen macht eine folgenschwere Entdeckung, die nicht nur das Leben auf Harpers Station, sondern auch ihre eigene Existenz völlig auf den Kopf stellt. Den beiden Protagonisten Grace und Amos wird die meiste Aufmerksamkeit zuteil. Ihre behutsame Annäherung sowie die Bedrohung durch den Mörder von Graces Vater sorgen dafür, dass eine große Menge an Emotionen, aber auch an Aufregung und Spannung, in die Geschichte einfließen. Die größte Bedrohung geht vom Antagonisten dieses Buches aus, der nichts unversucht lässt, der verschwundenen Dokumente habhaft zu werden und dabei mit eiskalter Rücksichtslosigkeit vorgeht.

Fazit: „Herz auf Empfang“ hat mir durch die hervorragende Charakterzeichnung sämtlicher handelnder Figuren, einem wundervoll-locker-leichtem Schreibstil, der Gewichtung auf den christlichen Glauben und einer perfekten Dosis Humor allergrößtes Lesevergnügen bereitet.

Veröffentlicht am 14.10.2018

Wunder passieren nur ganz selten – aber sie passieren!

Cranberrysommer
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Wunder passieren nur ganz selten – aber sie passieren!

„Sorgen lassen sich nur schwer abschütteln, egal, wie stark der Glaube eines Menschen ist. Kluge, fähige, kompetente Menschen wie wir wollen die ...

Wunder passieren nur ganz selten – aber sie passieren!

„Sorgen lassen sich nur schwer abschütteln, egal, wie stark der Glaube eines Menschen ist. Kluge, fähige, kompetente Menschen wie wir wollen die Sache gern selbst in die Hand nehmen und sofort eine Antwort bekommen. Das Problem ist nur, dass Gott meist einen anderen Zeitplan hat als wir.“ (Bud Sheldon)

Der Geschäftsmann Michael Hunter aus Chicago nimmt eine weite Fahrt auf sich, um in den malerischen Küstenort Hope Harbour zu gelangen. Er hat sich in seinem Job beurlauben lassen und möchte durch diese Reise sein Leben wieder auf die Reihe bekommen. Doch seine Ankunft scheint unter keinem guten Stern zu stehen – das reservierte Zimmer im einzigen Hotel ist plötzlich nicht mehr verfügbar, durch eine unachtsame Bewegung bringt er eine Fahrrad fahrende junge Frau zu Fall und seine versuchte Entschuldigung vergrößert das Schlamassel sogar noch ein wenig. Eine zufällig vorbeikommende ältere Dame namens Anna Williams erfährt von Michaels Dilemma und bietet ihm nach kurzem Zögern ein leerstehendes Appartement zur Miete an. Michael hat mit Schatten aus der Vergangenheit zu kämpfen und möchte in Hope Harbor Antworten finden, Trost, Vergebung und Absolution erlangen. Und obgleich er im Grunde kein Freund spontaner Entscheidungen ist, geht ihm die Frau auf dem Fahrrad nicht mehr aus dem Kopf. Er findet ihren Namen heraus und macht sich auf die Suche nach Tracy Sheldon Campbell, um sich in aller Form zu entschuldigen. Doch auch Tracy lebt mit großen Schuldgefühlen und obgleich zwischen ihr und Michael eine gegenseitige Anziehung besteht, haben beide nicht die Absicht, sich wieder zu verlieben und für eine neue Beziehung zu öffnen. Tracys Leben besteht im Grunde nur aus Arbeit. Neben ihrem erlernten Beruf einer Buchhalterin arbeitet sie täglich unzählige Stunden auf der Cranberryfarm, die ihre Großeltern gegründet hatten und die nun von Tracy und ihrem Onkel Bud im Alleingang bewirtschaftet wird. Ihre verbleibende karge Freizeit widmet die einfühlsame und intelligente junge Frau als ehrenamtliche Mitarbeiterin dem Projekt „Helfende Hände“. Doch als unvorhergesehene Ereignisse beinahe zum finanziellen Ruin der Farm führen, scheint Tracy am Ende ihrer Kräfte.

Irene Hannon erzählt in diesem Roman eine sehr berührende Geschichte von großer Schuld, Vergebung und Versöhnung und widmet hierbei ihren drei Protagonisten Tracy, Michael und Anna die größte Aufmerksamkeit. Die exzellente Charakterzeichnung der handelnden Figuren äußert sich durch große Authentizität und die emotionale Einbeziehung und Identifizierung durch die Person des Lesers. Diese akribische und liebevolle Darstellung der Hauptfiguren wird jedoch auch den Nebenfiguren zuteil. Der Autorin ist ein sehr einnehmender Schreibstil zu eigen, sie versteht es vortrefflich, die Beweggründe und Emotionen ihrer Figuren zum Ausdruck zu bringen. Die Ursache von Michael Hunters Schuldgefühlen werden ebenso wie jene von Tracy Campbell behutsam aufgerollt und der Leser erhält nach und nach Einblicke in die Vergangenheit der beiden. Anna Williams durchlebte in dieser Geschichte die größte Wandlung– sie war für mich zugleich auch jene Figur, die ich am meisten ins Herz geschlossen hatte. Das ruhige, vorhersehbare Leben der alten Dame, die sich in ihre selbst auferlegte Isolation zurückgezogen hat, sehr wenig spricht und sich abweisend und unpersönlich verhält, wird durch Michaels Ankunft in Hope Harbor ebenfalls völlig auf den Kopf gestellt. Obgleich ich behaupten möchte, dass Irene Hannon sich sämtlichen Figuren mit der gleichen Zuwendung widmet, empfand ich den philanthropischen Taco-Koch und erfolgreichen Künstler Charley Lopez als herausragendes Beispiel eines klugen, charmanten, liebevollen und vor allen Dingen von großem Gottvertrauen erfüllten Menschen. Auch Traceys Onkel Bud rangierte sehr hoch in meiner Beliebtheitsskala, seine mitfühlende und fürsorgliche Art empfand ich als herzerweichend, und zugegebenermaßen an einigen Stellen zu Tränen rührend.

Fazit: „Cranberrysommer“ ist ein großartiges Buch einer Autorin, die ich sehr zu schätzen weiß und deren Romane ich unglaublich gerne lese. Der wundervolle und emotionale Schreibstil, die Einbindung gewichtiger Themen wie Schuld, Vergebung und Versöhnung, der hohe Stellenwert des christlichen Glaubens und die hervorragend charakterisierten handelnden Personen bescherten mir ein Lesevergnügen der ganz besonderen Art. Ich kann diese Lektüre, die mir ausgezeichnet gefallen hat, uneingeschränkt weiterempfehlen und freue mich bereits auf die nächsten Bücher aus der Feder Irene Hannons.

Veröffentlicht am 07.10.2018

Auf den Spuren eines Familiengeheimnisses

Die vergessene Burg
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Auf den Spuren eines Familiengeheimnisses

„Wenn man einmal von etwas gekostet hat, mag man den Geschmack nie wieder missen“

Ein Gedichtband von Heinrich Heine mit seinem „Lied der Loreley“ und ein Brief ...

Auf den Spuren eines Familiengeheimnisses

„Wenn man einmal von etwas gekostet hat, mag man den Geschmack nie wieder missen“

Ein Gedichtband von Heinrich Heine mit seinem „Lied der Loreley“ und ein Brief aus Deutschland bringen das ruhige, ereignislose Leben der jungen Engländerin Paula Cooper unvermittelt in Aufruhr. Paula ist seit zwölf Jahren die Gesellschafterin einer Verwandten, erduldet die vorgetäuschten Krankheiten und die emotionale Erpressung der einsamen Invalidin Harriet Farley, die Paula jegliche Freude missgönnt und ihr die Luft zu atmen nimmt. Erst als sie irrtümlich eines an sie gerichteten Briefes habhaft wird, erfährt sie von der Existenz eines Onkels, von dem sie bis zu diesem Zeitpunkt nichts wusste. Paula erwacht aus ihrer Resignation und ihre Wut auf das bewusste Verschweigen der Vergangenheit vermischt sich mit einer durch Heines Gedicht erwachten Sehnsucht, dieses schöne Land am Rhein kennenzulernen. Sie entspricht dem Herzenswunsch ihres schwer erkrankten Onkels und bricht zu einer Reise zu ihm nach Bonn auf, die ihre gesamte Existenz auf den Kopf stellen wird. Denn ihre Mutter Margaret hatte nicht nur strikt vermieden, über den längst verstorbenen Vater und dessen Bruder zu sprechen, sondern auch andere Dinge verheimlicht. Es handelt sich um Geheimnisse brisanten Inhalts, und Paula ist felsenfest entschlossen, ihnen auf den Grund zu gehen. In Deutschland macht sie die Bekanntschaft des englischen Fotografen Benjamin Trevor, der die junge Frau bei ihrer Suche nach Hinweisen zum Verbleib ihres Vaters unterstützt und sich gemeinsam mit ihr auf die Suche nach der Wahrheit macht. Paulas ehemals graues, tristes Leben in Harriet Farleys grauem Haus in Kings Langley, Hertfordshire, mutiert zu einem atemberaubenden Abenteuer, das ihr gesamtes Dasein in Frage stellt und ihr Leben vollständig und unwiderruflich verändert.

Die mir bislang unbekannte Autorin Susanne Goga hat mich zunächst mit dem eindrucksvollen Buchcover, dem vielversprechenden Klappentext und schließlich mit der interessanten Leseprobe dieser Neuerscheinung in den Bann gezogen. Es animiert dazu, „Die vergessene Burg“ zu lesen und der Rolle dieser verheißungsvollen Burg auf dem Cover auf den Grund gehen. Eine einleitende Internet-Recherche über die Ruine Ehrenfels verlieh dem Ganzen zusätzlichen Reiz.

Die Umsetzung dieser Geschichte ist der Autorin hervorragend gelungen. Susanne Gogas Schreibstil ist äußerst einnehmend, ihre wunderschöne bildhafte Sprache erweckte in mir unvermittelt den Wunsch, dieses Abenteuer selber erleben, das leuchtende Feuer der untergehenden Sonne mit der Ruine einer Burg über dem funkelnden Rhein mit eigenen Augen betrachten zu dürfen. Die detaillierten Beschreibungen bezogen mich als Leser vollständig in die Geschichte ein und die Worte der Autorin ließen sowohl ihre überzeugenden und ausgezeichnet charakterisierten Protagonisten und Nebenfiguren, als auch die wunderschöne Landschaft am Ufer des Rheins in meinem Kopf lebendig werden. Durch die Geheimniskrämerei von Paulas Mutter um ihren vor vielen Jahren spurlos verschwundenen Ehemann wird ein großer Spannungsfaktor ins Buch eingebracht, der sich mit dem Verlauf der Geschichte kontinuierlich erhöht und schließlich zu einem aufregenden Finale hinführt. Ich fand es höchst anregend, an Paulas Seite den Spuren des William Cooper zu folgen und Licht in die Ereignisse längst vergangener Tage zu bringen.

Mit Paula Cooper präsentiert Susanne Goga eine sympathische Protagonistin, die im Verlauf der Handlung eine große Veränderung durchläuft. Ihre ruhige, aufmerksame und warmherzige Art, ihr kluger Verstand, ihre unerbittliche Hartnäckigkeit und nicht zuletzt ihr Mut haben mich tief beeindruckt. Als männlicher Gegenpart erscheint Benjamin Trevor auf der Spielfläche, der zunächst durch seine ungehobelte Art und eine nachlässige Kleidung auffällt. Aus Paulas anfänglichen Antipathie entwickelt sich jedoch nach und nach respektvolle Anerkennung und schließlich tiefe Freundschaft, die dazu führt, dass der attraktive und gutherzige Fotograf sie bei ihren Recherchen unterstützt. Sehr gut gefallen hat mir die Tatsache, dass die Autorin stets auch die engen Familienangehörigen ihrer Protagonisten in die Geschichte einbringt und man als Leser durch deren Interaktionen und ihren Briefwechsel, der in kursiver Schrift dargestellt wird, nähere Details über die Vergangenheit erfährt. Meine favorisierte Nebenfigur war Paulas Onkel Rudolph „Rudy“ Frederick Cooper, der mir mit seiner exzentrischen und überschwänglich-herzlichen Art, seiner Großzügigkeit und seiner offen zur Schau gestellten Liebe zu seiner lange vermissten Nichte augenblicklich ans Herz gewachsen ist. Als meine persönlichen Antagonisten darf ich ganz eindeutig Paulas herzlose Mutter Margaret Cooper sowie deren Cousine Harriet Farley benennen, die Paula mehr als drei Jahrzehnte ihres Lebens stahlen, ihr jegliche Lebensfreude raubten und sie lebenslänglich emotional vernachlässigten und belogen.

Fazit: „Die vergessene Burg“ ist eine imposante Familiengeschichte mit einer Menge Emotionen, die mich vollständig in seinen Bann zog. Susanne Goga glänzt mit einem hervorragenden und zum Teil poetischen Schreibstil. Es ist ihr gelungen, mich vollends zu begeistern und mir mit dieser abenteuerlichen und spannungsgeladenen Geschichte allergrößtes Lesevergnügen zu bereiten.

Dies ist ein Geschenk, das du nie vergessen solltest. Dies ist ein Augenblick, der nie wiederkehrt. Behalte ihn. Bewahre ihn in deinem Herzen.“ (Paula und Rudolph beim Anblick des in der untergehenden Sonne funkelnden Rheins, Seite 86)

Veröffentlicht am 07.10.2018

Ich brauche keinen Märchenprinzen, der angeritten kommt, und mich rettet!

Braut wider Willen
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Ich brauche keinen Märchenprinzen, der angeritten kommt, und mich rettet!

„Ich habe nichts dagegen, auf Hochzeiten zu gehen. Ich habe nur keine Lust, die Frau zu sein, die vor dem Altar an einen Bräutigam ...

Ich brauche keinen Märchenprinzen, der angeritten kommt, und mich rettet!

„Ich habe nichts dagegen, auf Hochzeiten zu gehen. Ich habe nur keine Lust, die Frau zu sein, die vor dem Altar an einen Bräutigam übergeben wird.“

Lucetta Plum ist eine wunderschöne und erfolgreiche Schauspielerin, der es an Verehrern nicht mangelt. Die Männer sehen in ihr eine zarte, zerbrechliche Schönheit, die es zu beschützen und zu verwöhnen gilt. Doch keiner ihrer Bewunderer macht sich die Mühe, hinter Lucettas hübsches Gesicht zu blicken, niemand weiß von ihrer überragenden Intelligenz und ihrer einzigartigen Gabe. Als ein abgewiesener langjähriger Verehrer zu drastischen Mitteln greift, um der Frau seines Herzens habhaft zu werden, ist die junge Frau gezwungen, unterzutauchen. Sie befolgt den Rat ihrer mütterlichen Freundin Abigail Hart und reist gemeinsam mit ihr zum Anwesen ihres Enkels Bram Haverstein nach Ravenwood. Die gut bewachte Burg mit einem Burggraben und wehrhaften Bediensteten soll das ideale Versteck für Lucetta darstellen. Doch nach der Flucht vor der hartnäckigen Verfolgung ihres Verehrers scheint Lucetta vom Regen in die Traufe zu kommen: sie wird mehrfach in den Burggraben geworfen, von Hunden angegriffen und mit einer Kanonenkugel beschossen. Doch entgegen der Meinung ihrer Mitmenschen besitzt Lucetta kein zart besaitetes Gemüt und ist durchaus in der Lage, auf sich selbst aufzupassen. Sie ist stolz auf ihre Unabhängigkeit, wird mit vielen Widrigkeiten fertig und besitzt einen unerschütterlichen Kampfgeist. Doch die Anziehungskraft des attraktiven, charmanten und ritterlichen Burgbesitzers schwächt die innere Abwehr der jungen Frau mehr und mehr…


Mit „Braut wider Willen“ führt Jen Turano die Reihe um drei Freundinnen aus den Vorgängerbänden fort und stellt diesmal Lucetta Plum ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Obgleich Hannah Peabody und Millie Longfellow einen kurzen Gastauftritt im Buch erhalten, konzentriert die Autorin sich voll und ganz auf die einzige noch unverheiratete Dame dieses Kleeblatts. Die Charakterisierung der intelligenten und tiefgründigen Schauspielerin sowie ihres männlichen Gegenparts Bram Harverstein ist hervorragend gelungen. Beide Protagonisten hüten einige Geheimnisse, die dem Leser erst nach und nach offenbart werden. Anhand von Nebenfiguren wie Lucettas Leibwächter Mr. Skukman oder dem zwielichtigen Hauspersonal wird die Vorliebe Jen Turanos für skurrile Charaktere deutlich. Angesichts der eingebauten Krimihandlung wird ein gewisser Spannungsbogen aufgebaut. Die Autorin bedient sich diesmal gleich zweier Antagonisten, die besagte Spannung bis zum aufregenden Finale aufrechterhalten.

In gewohnt locker-leichtem und äußerst humorvollem Schreibstil beschreibt Jen Turano das gesellschaftliche Leben in New York im Jahre 1882, den Wunsch intelligenter Frauen nach Bildung, Unabhängigkeit und Anerkennung und bringt Themen wie Vergebung und Versöhnung in ihre Geschichte ein. Der christliche Glaube nimmt ebenfalls einen kleinen Raum in diesem Buch ein, wird jedoch nur dezent angedeutet.

Fazit: „Braut wider Willen“ hat mir sehr gut gefallen und mir mit den unzähligen, vor Situationskomik triefenden Turbulenzen und amourösen Verwicklungen ein grandioses Lesevergnügen bereitet. Ich kann diese leichte, romantische Liebeskomödie aus der Feder der christlichen Bestsellerautorin Jen Turano uneingeschränkt weiterempfehlen.