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Veröffentlicht am 28.02.2019

Helden kämpfen sagenhaft

Deutsche Heldensagen. Teil 1
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Dieser erste Teil enthält die Sagen von Siegfried dem Drachentöter, seiner rachsüchtigen Ehefrau Kriemhild, die den Mord an ihrem Ehemann nicht verwinden kann und eine Blutsfehde anzettelt und des tapferen, ...

Dieser erste Teil enthält die Sagen von Siegfried dem Drachentöter, seiner rachsüchtigen Ehefrau Kriemhild, die den Mord an ihrem Ehemann nicht verwinden kann und eine Blutsfehde anzettelt und des tapferen, loyalen und zugleich weisen Dietrich von Bern, der stets erst nachdachte, ehe er handelte und der seinen Waffenbrüdern zuliebe sogar sein Königreich bis auf die Stadt Bern aufgab.

Meine 11 jährige Tochter ist ein großer Niebelungenfan, doch so genau war uns die Geschichte von Siegfried, dem Königssohn aus Xanten, der es vorzog in die Welt hinaus zu ziehen und Abenteuer zu erleben, statt sich auf die Nachfolge im Reich der Burgunder vorzubereiten nicht bewußt. Dass die Burgunder überhaupt irgendwas mit Siegfried zu schaffen hatten, war uns überhaupt neu. Das war umso erstaunlicher, als meine Tochter mal eine Klassenfahrt nach Xanten machte und seine Drachenhöhle quasi bei uns vor der Haustür liegt.

Die Sagen sind eigentlich recht verständlich erzählt, allerdings so komplex und gespickt mit Personen mit heutzutage völlig ungebräuchlichen Namen, das es echt schwierig ist, den Überblick zu behalten. Dabei ist das dringend erforderlich, da alle drei Sagen miteinander verknüpft sind und die Hauptfiguren immer wieder vorkommen. Aber die Waffenmeister, Berater und Brüder, Schwäger, Söhne, Neffen.... auch wenn man aus einer weitverzweigten Familie stammt wie ich, wären hier Stammbäume der Familien von Siegfried, Kriemhild, Etzel und Dietrich Booklet ausgesprochen hilfreich gewesen. Sie waren alle weit davon entfernt Einzelkinder zu sein, wobei Könige damals wohl hauptsächlich Söhne hatten und Töchter echte Raritäten, die die es aber gab, waren von atemberaubender Schönheit, Mut, Intriganz, Rachsucht und Loyalität (vielleicht waren Frauen ohne diese Eigenschaften für die Erzähler auch ohne Interesse, wer weiß). Die Söhne hatten aber leider oft Namen, die dem des Vaters ähnelten Dietrich, Dietmar, Diet.... In Seifenopern den Überblick zu behalten ist dagegen ein Kinderspiel. Denn ehrlich, bei der Intriganz, die die edlen Damen und Herren hier an den Tag legen, sind Fernsehdynastien Kasperltheater dagegen. Daher auch der Kommentar meiner Tochter: Ja, es interessant, aber so blutrünstig, daß ich es nicht zum Einschlafen hören kann. Das kann ich verstehen, das ging mir genauso, dabei höre ich bisweilen Thriller zum Einschlafen, die aber weit weniger komplex sind. Man muß ganz genau zu hören und das am Besten mehrfach. Mit jeder Wiederholung entdeckt man mehr und merkt sich mehr Zusammenhänge. Sehr beeindruckt hat mich Dietrich von Bern, den ich nun als den Ur-Schweizer-Diplomaten betrachte, stets um Neutralität bemüht.
Das Booklet bildet die Ritterrüstung des 13. Jahrhunderts ab und erklärt sie. Warum ist mir allerdings nicht ganz klar, da die hier wiedergegebenen Sagen alle grob um 500 n Chr. spielen. Da hätte ich mir auch einen genaueren zeitlichen Überblick gewünscht. Ganz stark tritt hier immer wieder König Etzel auf, ein Kerl von dem ich noch nie gehört habe und doch muß er wohl der mächtigste Mann seiner Zeit gewesen sein und über ein riesiges Reich geherrscht haben. Wie kann es sein, das wir so jemanden denn nicht kennen? Ganz einfach, im Booklet wird erklärt, daß es sich bei König Etzel wohl um den legendären Hunnenkönig Attila handeln dürfte. Zu diesem gibt es ebenso weitere Informationen im Booklet, wie zu Dietrich von Bern bei dessen Eintrag sogar Auszüge aus dem mittelhochdeutschen Niebelungenlied stehen. Für Kinder sicherlich sehr interessant, daß das heutzutage kaum verständlich ist, so sehr hat sich die Sprache im Laufe der Zeit verändert. Sprachlich gibt es trotz der Schilderungen der Morde und Schlachten Zugeständnisse an das Alter der potenziellen Zuhörer wenn es um Sex bzw. Vergewaltigung geht. Auch wenn auf dem Schlachtfeld die Köpfe rollen, ist hier die Schilderung sehr zurückhaltend. Im Übrigen klingt in der Wortwahl bisweilen der Charme vergangener Zeiten an, was für Kinder zwar etwas gewöhnungsbedürftig ist, aber zum Thema sehr passend.
Peter Kaempfe hat meiner Tochter als Sprecher nicht zugesagt. Ihre Freundin Rebecca (11) fand ihn aber gut. Ich persönlich finde ihn eine sehr passende Wahl zum Thema, da es sich um Sagen handelt und er durchaus eine warme, wohlklingende Märchenonkel mit klarer Aussprache und sehr passender Betonung hat. Bei Sagen erwarte ich keine stimmliche Schauspielerei. Leider empfinde ich die Tonaufnahme als sehr leise. Wenn ich von CD-Spieler auf Radio wechsle, brüllt es mir entgegen! Die Aufnahme selbst hat aber keine Lautstärkeschwankungen und ist gut verständlich.

Ein Hörbuch, daß man wirklich genau und am Besten mehrmals hören sollte. Aufgrund seines Anspruchs ist es nicht zum nebenbei Hören oder sich berieseln lassen geeignet. Ab 10 Jahren nur sehr bedingt, für Kinder, die sich für Schlachten interessieren. Es bedarf unbedingt der Bereitschaft zum mehrmaligen und genauen Hinhören, es lohnt sich aber.

Veröffentlicht am 08.02.2019

Ein ganz tolles Konzept, das hoffentlich fortgesetzt wird!

Zauberhafte Winter-Wunsch-Zeit
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Diese Anthologie mit Kurzgeschichten und Gedichten richtet sich speziell an alte Leserinnen und Leser. Mit extra großer Schrift und Geschichten die oft nach oder vor dem Krieg spielten, wecken sie Gefühle ...

Diese Anthologie mit Kurzgeschichten und Gedichten richtet sich speziell an alte Leserinnen und Leser. Mit extra großer Schrift und Geschichten die oft nach oder vor dem Krieg spielten, wecken sie Gefühle und Erinnerungen, die oft vergessen glaubten. Diese Geschichten eignen sich zum Lesen und Vorlesen, gerade auch für Menschen, die sich nicht mehr lange Konzentrieren können oder schnell ermüden. Sie sind daher ein tolles Mitbringsel ins Krankenhaus (meine Mutter schildert mir oft das Problem, daß Freunde krank sind und keine Romane mehr lesen können, weil sie zu schnell ermüden), oder eben auch in der Demenzbetreuung oder für grüne Damen im Krankenhaus oder in der Pflege zu Hause.

Da ich immer wieder höre, „Ich lese ja gerne, aber die Augen ermüden so schnell“ oder „Was soll ich mitbringen? Lange lesen kann sie nicht mehr“ fand ich es optimal und bat meine Mutter (76) um ihre Meinung. Meine Mutter fand die Schriftgröße sehr angenehm, sich selbst jedoch zu jung für die Geschichten (daher die Angabe alte Leser und nicht Senioren). Die Geschichten sind sehr durchmischt. Einige fand sie schön und mit einem Nachhall, über den man noch länger nachdenkt oder sich erinnert. Andere fand sie etwas seicht, aber nett. Die intellektuellen Fähigkeiten, dieser breitgefächerten Zielgruppe sind ja auch sehr unterschiedlich, so daß diese Mischung durchaus Sinn macht, aber auch dazu führt, daß nicht jede Geschichte gleich gut gefällt.

Meiner kürzlich mit 93 verstorbenen Schwiegermutter hätten diese Geschichten sicherlich besser gefallen, weil sie zum einen sehr viel schlechter sah, als auch, weil ihr die Art einiger Erzählungen, als Erinnerungen an eine lange zurückliegende Zeit, sie direkt angesprochen hätte. Wer nicht mehr mobil ist und auch vom Sehvermögen eingeschränkt, lebt vermehrt in der Erinnerung. Doch dreht sich nicht alles nur um Erinnerungen. Einige Geschichte hinterlassen vor allem ein Gefühl, mal der Verwunderung, mal ein weihnachtliches oder ein märchenhaftes. Gerade diese Gefühle werden auch nachdem die Geschichten verklungen sind, immer wieder im Gedächtnis aufblitzen. Die Geschichten haben stets gemein, daß sie auf einer positiven Note enden und somit Zuversicht und Hoffnung ausstrahlen.

Nach dem Vorwort, ist diese Anthologie in 4 Kapitel ein geteilt, die jeweils mit einem wunderschönen Zitat eingeleitet werden. Kapitel 1, das Leben ist bunt, Kapitel 2 Gedanken an vergangene Zeiten, Kapitel 3, wenn die Einsamkeit mich berührt und Kapitel 4 Zauberhafte Weihnachtszeit. Zum Schluss gibt es ein Verzeichnis der Autoren und Quellen. Die Autoren reichen von Dietrich Bonhoeffer, über Hans-Christian Andersen, Rainer Maria Rilke, Marie von Ebner-Eschenbach zu Prem Rawat, dessen Geschichte vom Papagei, der alles wusste und nichts konnte, mir besonders gut gefiel. Um diese und andere Geschichten zu mögen, muß man nicht unbedingt alt sein, denn wie schon Franz Kafka vor Kapitel 1 zitiert wird: „Jeder, der sich die Fähigkeit erhält, Schönes zu erkennen, wird nie alt werden“. So geht es hier vor allem um schöne Geschichten, die die Seele wärmen, frei von Jugendslang und umgangssprachlichen Abnutzungserscheinungen. Formulierungen, an denen meine Mutter oder Schwiegermutter Anstoß nehmen würden, oder genommen hätten, findet man nicht. Thematisch sind die Geschichten breit gefächert, von Haustieren, über Jugenderinnerungen und Reisegeschichten der besonderen Art. Da findet sich sicher für jeden Geschmack etwas. Besonders die Zitate zu Kapitelbeginn haben es mir angetan.

Das Buch ist liebevoll gestaltet mit einem passenden Lesezeichen und immer wieder auf die Seiten gestreuten, gedruckten Eiskristallen. Diese vermitteln zugleich eine winterliche als auch anheimelnde Atmosphäre. Für mich vermittelt diese Liebe, mit der das Buch gestaltet wurde, aber auch den Eindruck von selbstverständlichem Respekt vor der Zielgruppe. Herausgeberin Christine Jakob, wurde 1958 in Dortmund geboren. Sie ist Journalistin und Redakteurin und seit vielen Jahren in der Verlagsbranche tätig und zudem ehrenamtliche Seniorenbegleiterin. „Geschichten sind Schokolade für die Seele....“ meint sie, da im Alter Diabetes nicht selten ist, sind Geschichten auch sicher als Mitbringsel die bessere Wahl.

Veröffentlicht am 07.12.2018

Auch die schönste Gegend birgt ihre dunklen Geheimnisse

Die Richterin und die Tote vom Pont du Gard
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Mathilde de Boncourt (37 Jahre) unverheiratet, ist mit ihrer hochgewachsenen schlanken Gestalt und ihrer wallenden rotblonden Mähne in ihrer südfranzösischen Heimat nicht nur ein Hingucker. Man kann die ...

Mathilde de Boncourt (37 Jahre) unverheiratet, ist mit ihrer hochgewachsenen schlanken Gestalt und ihrer wallenden rotblonden Mähne in ihrer südfranzösischen Heimat nicht nur ein Hingucker. Man kann die Untersuchungsrichterin aus Leidenschaft gar nicht übersehen! Als sie am späten Nachmittag den Palais de Justice nach einem kurzen Plausch mit dem Wachmann verlässt, zufrieden einem ehrenwertes Arztehepaar des Menschenhandels und der Freiheitsberaubung überführt zu haben, wird sie von 3 Kugeln eines vorbeirauschenden Motorradfahrer schwerst verletzt. Mathilde überlebt nur knapp und regeneriert auf dem nahegelegenen Weingut ihres Großvaters Rémy de Boncourt. Sie ist überzeugt, daß zwischen der Verurteilung und dem Anschlag auf sie ein Zusammenhang besteht. Doch sie ist beurlaubt und darf nicht ermitteln, anders als ihr Vertrauter bei der örtlichen Kriminalpolizei Commandant Rachid Bouraada, der sie stets auf dem Laufenden hält. Was er zu berichten hat ist nicht viel, denn alle Spuren wurden professionell verwischt. Als der Zeugenschutz für die Belastungszeugin aufgehoben wird, wird sie nur wenige Tage später tot in ihrer Wohnung aufgefunden. Bouraada und Mathilde glauben nicht an Selbstmord. Unterdessen reist Martin Endress Reisejournalist aus Bonn in den Midi um einen kulturell geprägten Reiseführer über das Languedoc mit Recherchen der jüdisch-französischen Familie seiner Mutter zu verbinden. Hierbei lernt er zufällig Mathilde kennen, die fasziniert von dem geheimnisvollen Unfall seiner Großeltern während des Vichy-Regimes ist. Da sie offiziell noch nicht wieder ermitteln darf, ist sie über diese Gelegenheit ihrer Spürnase nachzugehen hoch erfreut, wobei die sympathische Erscheinung und Art von Martin ebenfalls eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielen.

Wie Martin bin ich ja der Meinung, daß die Camargue in der Reiseführer-Szene schmächlich vernachlässigend wird. Daher konnte ich in diesem Roman wunderbar in Erinnerungen schwelgen, da ich diese Gegend als meine zweite Heimat betrachte. Ich finde die Beschreibungen unglaublich treffend und präzise und wurde auch mehrfach zum Schmunzeln gebracht, als z.B. beschrieben wurde, wie Martin sich auf der Suche der Cathédrale de Maguelone im Ort verfranst hat. Ja das ging uns auch so, auch der Kampf mit der sengenden Hitze während der Suche.... Anders als Martin, sind wir allerdings zum Glück nie über Mädchenleichen gestolpert, während wir uns irgendwo umsahen... Auch ganz beglückt war ich, über das Transferlager „Les Milles“ in einer alten Ziegelei zu lesen, die inzwischen eine Gedenkstätte für die dort Internierten enthält u.a. Lion Feuchtwanger, Max Ernst.... Das stand dieses Jahr auf meiner Wunschliste, ist aber an familiären Gründen gescheitert. Nächstes Jahr also auf jeden Fall!

Kriminalistisch gibt es hier zwei wichtige Themen: Menschenhandel und Zwangsprostitution, gerne auch in höchsten Kreisen mit ausgefeiltester Vertuschung (aber natürlich, die Grundstücke sind größer, die Nachbarn können weniger beobachten....) und menschenverachtender Skrupellosigkeit. Wenn es um den Schutz des eigenen Rufes geht, wird auch vor Mord, auch mehrfach nicht zurückgeschreckt. Das macht die Ermittlungen umso penibler und für die Wahrheitssuchenden umso frustrierender.
Doch auch die Wahrheit über den Unfall, der seine Großmutter letztlich das Leben kostete herauszufinden, ist nicht so einfach. Nach 70 Jahren trifft Martin auf eine Mauer des Schweigens und viele die ihm hätten weiterhelfen können, sind nicht mehr am Leben. Doch was will er, wenn er in so alten Wunden wühlt? Gerechtigkeit? Rache? Was der Täter nicht ahnt ist, daß Martin als Journalist nur nach der Wahrheit sucht und nicht danach jemanden nach all der Zeit bloß zu stellen. Dies scheint für den Täter, der den Unfall aus Fremdenfeindlichkeit herbeiführte, auch heute nicht vorstellbar. Ein interessantes Gedankenspiel, sollte man den Mantel des Schweigens über alte Taten hüllen? Für Hinterbliebene ist die Gewissheit jedoch meist, das Wichtigste und ein solches Schweigen würde zu leicht zum Vergessen der Gräuel in der Geschichte führen, die jedoch nie vergessen werden dürfen, auch damit sie sich nicht wiederholen.

Im Vordergrund stehen für mich in diesem Kriminalfall jedoch Land und Leute. So lebt Mathilde auf dem Schloss ihres Großvaters nicht mit diesem alleine und da sie schon seit Generationen dort verwurzelt sind, kennen sie auch Hinz und Kunz dort. Sowohl die Familienbande finde ich interessant, als auch die einzelnen Freunde von Rémy und Mathilde. Allerdings muß ich einräumen, daß mir bisweilen ein Personenverzeichnis weitergeholfen hätte, da ich grübelte „wer war noch mal Vincent? Der mit der Manade, mit dem Bauunternehmen oder dem Restaurant?“. Denn durch die Berufe der Freunde bekommt man auch einen wunderbaren Einblick in deren Berufe und Traditionen: Weinbau, Bau der Feriensiedlungen auf Wunsch des damaligen Präsidenten, die Stierzucht, Stierkampf, Gastronomie....

Liliane Fontaine ist der Mädchenname der Autorin mit französichen Wurzeln, die sich auch regelmäßig längere Zeit im Languedoc aufhält. Dies macht sich in diesem Krimi ebenso bemerkbar, wie ihr Kunstgeschichtsstudium. Es ist sicherlich hilfreich, wenn man Frankreich und seine Sprache kennt, da einige Begriffe als bekannt vorausgesetzt werden. Da ich die Sprache beherrsche, kann ich leider nicht beurteilen, wie es wäre das Buch mit null Sprachkenntnissen zu lesen.

Ein Krimi für alle Liebhaber sich entwickelnder Geschichten mit einem Focus auf den Ort des Geschehens. Thrillerliebhaber die auf Action stehen, werden nicht auf ihre Kosten kommen. Die Spannung ist bisweilen moderat da es keine schnellen Erfolge und keine Verfolgungsjagden gibt, die Auflösung jedoch logisch und nicht offensichtlich, was ich sehr schätze. Man wird mit wirklich tollen Einblicken in die Gegend und ihre Kultur und wirklich ausgearbeiteten Personen belohnt. Ich bin ja schon gespannt, wie sich das Verhältnis zwischen Mathilde, Martin und Rachid weiter entwickeln wird.

Ein guter Krimi, der sorgfältig recherchiert ist und mich im ungemütlichen November mit schönen Sommererinnerungen gewärmt hat.

Veröffentlicht am 06.12.2018

Ein wunderbarer Klassiker

Anne Elliot oder Die Kunst der Überredung
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Unter dem Motto „Große Werke, große Stimmen“ hat Der Audio Verlag hochwertige Produktionen von Literaturklassikern im neuen Gewand als MP3 aufgelegt. Diese Produktion stammt aus dem Südwestfunk, heute ...

Unter dem Motto „Große Werke, große Stimmen“ hat Der Audio Verlag hochwertige Produktionen von Literaturklassikern im neuen Gewand als MP3 aufgelegt. Diese Produktion stammt aus dem Südwestfunk, heute SWR 2.

Persuasion ist eines meiner Lieblingswerke von Jane Austen und mein Penguin Classics ist schon ganz zerliebt. Auf Deutsch kannte ich es aber noch nicht:

Anne Elliot ist 27 Jahre alt und lebt mit ihrem Vater, dem eitlen und oberflächlichen Sir Walter Elliot und ihrer zwei Jahre älteren, strahlenden Schwester Elisabeth auf dem Familienanwesen. Doch ihr Vater und ihre Schwester haben in Anbetracht ihrer vermeintlichen gesellschaftlichen Stellung, mehr ausgegeben, als die Güter einbringen. So bleibt ihnen nichts anderes übrig, als Kellynch Hall diskret zu verpachten und sich in Bath niederzulassen. Dort würde sich im Winter auch Lady Russell die beste Freundin der vor 13 Jahren verstorbenen Lady Elliot besuchen. Pächter werden ausgerechnet der Schwager und die Schwester des Mannes, der ihre zarte Schönheit, ihre Sanftmut und Geist vor 7 Jahren so sehr liebte, daß er ihr einen Antrag machte. Doch damals hatte Frederick Wentworth weder Rang, Namen noch Vermögen und Lady Russell überzeugte ihre junge, empfindsame Patentochter, daß es besser sei, die Verlobung zu lösen. Heute ist Captain Frederick Wentworth noch genauso gutaussehend wie damals, aber vermögend und angesehen. Nur Annes zarte Schönheit ist verblasst, ohne, daß sie je wieder einen Mann getroffen hat, der ihr Herz so für sich einnehmen konnte. Im Hause ihrer jüngsten Schwester Mary, trifft sie nun immerfort auf ihn und die jüngeren Schwestern ihres Schwagers scheinen um seine Gunst zu buhlen und sie zu empfangen. Obwohl ihr Herz wie wild rebelliert, macht sie gute Miene zum fröhlichen Treiben, das sie auszuschließen scheint.

Dieser reifere Roman von Jane Austen, sprüht vor Charme und Ironie. Mit 27 Jahre als alte Jungfer abgestempelt zu werden ist heute kaum vorstellbar. Doch damals war es anders. Töchter mußten möglichst früh verheiratet werden, damit sie gut versorgt sind. Jedes Jahr kommen neue, jüngere Töchter auf den Heiratsmarkt, da drängt die Zeit. Da Anne zurückhaltend ist und ihre Schönheit nicht strahlend und extrovertiert, wie die ihrer älteren Schwester, wird sie in ihrer Familie gerne übersehen. Nun gut ihre jüngere Mary schätzt sie schon, aber vor allem, damit diese sie umsorgt, ihr Gesellschaft leistet, um ihrer Hilfsbereitschaft wegen und weniger um ihrer selbst willen. Ihr Vater sieht für 54 noch wirklich gut aus und ist eitler als jede Debütantin. Auch das ist heute kein Alter mehr und kein Ausschlußkriterium um zum „sexiest man alive“ gewählt zu werden. Damals vor dem Frauenwahlrecht und der Gleichberechtigung war aber auch natürlich die Lebenserwartung kürzer und Standesdünkel an der Tagesordnung. Diese gesellschaftlichen Feinheiten und ihre bisweilige Absurdität bringt Jane Austen verhalten auf den Punkt. Sehr damenhaft und doch unüberhörbar bringt Kornelia Boje die Nuancen in den Charakteren und Annes Entwicklung vom vertrockneten Mauerblümchen zur geschätzten Gesellschaft auf den Punkt. Während der Rest ihrer Familie bleibt, wie sie schon immer waren, gewinnt Anne mit der Reife hinzu, auch an Schönheit, denn mit dem Glück leuchtet ihre Schönheit von innen heraus und lässt die jungen, vergnügten „Dinger“ schlicht und töricht neben sich wirken. Sie schafft es ihrer Stimme die Wärme, Intelligenz und auch die Distanz von Annes Betrachtungen zu verleihen. Eine wirklich große Stimme, die wirklich toll ist und der ich gerne zugehört habe, aber und jetzt muß ich wohl leider diskriminierend werden, wie eine 27 jährige klingt sie nicht, auch wenn diese spezielle 27 jährige nicht übermütig oder verspielt ist. Sie klingt einfach schon älter als 40 Jahre und ist daher eine perfekte Intonation für Lady Russell, die jedoch nicht die Hauptperson ist. Naja, es gibt noch einige reifere Persönlichkeiten von großer Dummheit in dieser Geschichte, die der damaligen Gesellschaft sanft den Spiegel vorhält, doch einfältig klingt Kornelia Boje in dieser amüsanten Gesellschaftsbetrachtung über die Liebe und ihre Irrtümer, sowohl die Beständigkeit echter Gefühle und Wertschätzung nie.

Für mich zu Recht ein unvergessener Klassiker, den ich sehr liebe, auch wenn er zum Glück mit meinem Leben wenig gemein hat.

Veröffentlicht am 10.11.2018

Lyrisch und skurril

Geschichten von Henriette und Onkel Titus
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Die 12 jährige Henriette lebt bei ihrem Onkel Titus. Gemeinsam sind sie ein eingespieltes Team und verstehen sich prächtig. Nur Nachbarin Frau Philipp mag Henriette gar nicht leiden. Ständig hat diese ...

Die 12 jährige Henriette lebt bei ihrem Onkel Titus. Gemeinsam sind sie ein eingespieltes Team und verstehen sich prächtig. Nur Nachbarin Frau Philipp mag Henriette gar nicht leiden. Ständig hat diese etwas an ihnen auszusetzen, da sie nicht leben und denken, wie Frau Philipp meint, daß „man“ es tun solle. Dummerweise vergisst Onkel Titus das eines Tages und willig ein, Frau Philipp zu heiraten. Henriette ist entsetzt und bittet ihren Freund den Tagedieb, den Sonntag zu stehlen, den Tag, an dem die Hochzeit stattfinden soll. Montags ist Frau Philipp dann fest überzeugt verheiratet zu sein und Onkel Titus merkt an ihrem Zeter, daß es wohl eine Schnapsidee war. Nachdem das Miteinander- und Übereinanderleben nun nicht mehr auf Dauer nicht mehr funktioniert, besteigen Henriette, Onkel Titus und der Tagedieb ein Segelschiff nach Brasilien. Um sich die Zeit der Überfahrt zu verkürzen, bittet der Kapitän sie, ihm jeden Tag eine Geschichte zu erzählen, über die er dann den Rest des Tages nachdenken möchte. So kommt es, daß die beiden ihm die aberwitzigen, märchenhaften Geschichten von Henriette und Onkel Titus erzählen, aufgelockert durch spaßig verrückte Gedichte.

Dies ist kein Hörbuch für den Massengeschmack, sondern märchenhafte Lyrik gepaart mit Schildbürger Witz, etwas Till Eulenspiegel und jede Menge Peter Hacks. Peter Hacks lebte von 1928 – 2003, war Dramatiker, Lyriker, Essayist und schrieb Kinderbücher. Als Kinderbuchautor wurder er mit dem Deutschen Jugendliteraturpeis für sein Gesamtwerk ausgezeichnet.

Onkel Titus ist Erfinder und somit ein Garant für echte Abenteuer, die ganz ungeheuerliche Auswirkungen haben können, wie eine Nähmaschine, die zur Denkmaschine umgebaut ist und Henriette fortan das Denken abnimmt. Auch wenn ihre größte Stärke die Phantasie ist, so hatte sie doch genug Verstand, um Leben und Schule zu meistern, bis sich sich das Denken abnehmen ließ. Der Verstand ist eine Maschine, nur durch seine Verwendung bleibt er in Schuss und muß von Zeit zu Zeit durch besonders knifflige Aufgaben geölt werden. Dies ist noch immer aktuell, denn wie sehr geraten Kinder heute in Versuchung, das Denken dem Internet zu überlassen, statt eigene Referate zu schreiben. Mit viel Augenzwinkern und hintergründigen Humor gehen das Onkel/Nichte-Gespann durch das Leben und erleben Merkwürdigkeiten, von denen man kaum zu Träumen wagt, die aber immer stets eine zeitlose Wahrheit enthalten.

Auf 15 Tracks sehr unterschiedlicher Länge, denn die Gedichte wie z.B. das von „Die Spazoren“ sind natürlich kürzer als die Geschichten von „Das musikalische Nashorn“. Mal exotisch, mal heimisch unterhält das Mutter Tochtergespann Carmen-Maja und Jennipher Antoni heiter und schmunzelnd mit viel Sprachschauspiel. Ihre Stimmen sind für uns noch unbekannt und daher nicht mit anderweitigen Rollen im Hörgedächtnis verankert. Man hört, daß sie gelernte Bühnenprofis sind, doch auch wenn Carmen-Maja eine tiefe Stimme hat, wollte es meiner Tochter nicht einleuchten, warum denn Onkel Titus nicht von einem Mann gesprochen wird, wenn es doch schon zwei verschiedene Sprecher sind, was wirklich gut gemacht ist. Das kann ich ihr auch nicht erklären, auch wenn ich mehr weibliche Präsenz auf der Bühne, dem Bildschirm und hinter den Mikrophonen durchaus begrüße. Im Inlet der CD erfährt man mehr über die zwei Sprecherinnen und auch über den inzwischen verstorbenen Autor. Eine Altersempfehlung spricht der Verlag auf dem Hörbuch nicht aus. Um die Ironie zwischen den Zeilen zu verstehen, sollten die Kinder aber unserer Meinung nach schon in der 3. Klasse sein. Jüngere Kinder werden die Geschichten für bare Münze nehmen, können aber dennoch Spaß an ihnen und den Gedichten haben, allerdings ohne die Metaebene begreifen zu können.

Ein Hörbuch für alle die Geist und Sinn für Unsinn gerne ölen und schmunzeln möchten und dabei Spaß an Lyrik und Märchenhaftem haben.