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Veröffentlicht am 24.02.2019

Schönheit wird nicht nur durch das äußere definiert

DUMPLIN'
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Die 16-jährige Will hatte schon immer zu viele Pfunde, gestört hat sie das jedoch nie. Die Gemeinheiten der Mobber prallten an ihr ab und die unzähligen Diäten ihrer Mutter haben sie immer nur genervt ...

Die 16-jährige Will hatte schon immer zu viele Pfunde, gestört hat sie das jedoch nie. Die Gemeinheiten der Mobber prallten an ihr ab und die unzähligen Diäten ihrer Mutter haben sie immer nur genervt und einsehen lassen, dass ihr Körper so ist wie er ist. Doch dann interessiert sich ihr Kollege Bo für sie und Will sieht sich in einem anderen Licht. Will hat währenddessen auch noch mit der Trauer zu ihrer verstorbenen Tante zu kämpfen, da diese ihr sehr nahe stand. Durch sie wurde Will ein großer Dolly Parton Fan. Ihre Tante war ebenfalls dick und ist deshalb vor einigen Monaten an einem Herzinfarkt gestorben.

Anfangs lernen wir Will kennen – das selbstbewusste, zielstrebige Mädchen, das sich aus ihrem Gewicht nichts macht. Die von den unzählbaren Versuchen ihrer Mutter, sie zu einer Diät zu bewegen, und deren Schönheitswettbewerb nur genervt ist. Die sich durch Mobbing ihr gegenüber nicht aus der Ruhe bringen lässt und sich für andere einsetzt. Diese junge Frau findet den Mut und bewirbt sich bei dem örtlichen Schönheitswettbewerb. Mit einigen Freundinnen zeigt sie, dass dicke Menschen auch alles tun können, wie dünne und sich Schönheit nicht nur über Körpermaße definiert.

》Ich glaube, manchmal besteht die Vollkommenheit, die wir an anderen sehen, in Wahrheit aus vielen kleinen Unvollkommenheiten.《
Will, S. 392

Doch dann rückt diese Botschaft in den Hintergrund. Will nimmt den Wettbewerb nicht mehr wichtig, ihren Freundinnen, die sich ebenfalls dafür beworben haben, hilft sie gerade noch aus Pflichtgefühl. Viel wichtiger sind der heftige Streit mit ihrer besten Freundin und die zarte Beziehung zu Bo. Die körperliche Nähe zu dem Jungen ist für Will etwas Neues, Ungewohntes. Es ist anders, seine Pfunde akzeptiert zu haben und dann die Hand des Jungen, den man mag, an der Hüfte zu spüren. Wills Unsicherheit wurden sehr glaubhaft und nachvollziehend dargestellt. Trotzdem geht der rote Faden plötzlich verloren und peitscht nur noch in der Gegend umher. Wills Zweifel der Beziehung zu Bo gegenüber nimmt ihr ganzes Leben ein und den Streit mit ihrer besten Freundin bekommt sie einfach nicht aus der Welt geschafft, obwohl sie die Lage ganz realistisch sieht und weiß, was sie tun muss. Der Schönheitswettbewerb wird ihr zunehmend egal und mir fehlte die Zielstrebigkeit Wills.

Am Ende wird der Faden wieder gestrafft, wodurch Will erneut Motivation für den Wettbewerb entwickelt und auch ihre innere Stärke wieder findet. Am Schluss laufen alle Stränge zusammen und bilden ein gutes Finale, was mir gut gefallen hat.

Das Buch bereitete mir aber trotzdem ein tolles Lesevergnügen. Julie Murphy hat einen intensiven Schreibstil, der die Charaktere sehr lebendig wirken lässt. Man ist stets mitten in der Geschichte und wird in die Gedanken von Will gezogen. Außerdem hat die Autorin eine detailreiche Geschichte geschaffen, in der die Charaktere wunderbar mit kleinen Details ausgestaltet wurden. Wie z. B. die Liebe Wills Tante zu der Sängerin Dolly Parton, was auch nach deren Tod noch eine wichtige Rolle in der Geschichte spielt, oder Bos Kirschlollis.

》Ich weiß nicht. Ich glaube, man muss der sein, der man sein will, bis man das Gefühl hat, dass man derjenige ist, der man gerne werden wollte. Manchmal hat man etwas schon halb geschafft, wenn man so tut, als könnte man es.《
Mitch, S.256


Fazit:
Die Protagonistin in Dumplin‘ akzeptiert ihr Körpergewicht so wie es ist. Selbstbewusst bewirbt sie sich für den örtlichen Schönheitswettbewerb und möchte zeigen, dass sich Schönheit nicht nur aufs Äußere bezieht. Leider fehlte diese Zielstrebigkeit im Mittelteil und die Handlung plätscherte vor sich hin. Trotzdem wurde eine wichtige Botschaft vermittelt, wodurch das Buch sehr lesenswert ist.

Veröffentlicht am 30.07.2018

Vorhersehbare, aber berührende Liebesgeschichte

Die Nacht schreibt uns neu
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Die ca. 30-jährige Emma ist vor einiger Zeit zurück nach Hause gezogen, um ihrem Vater bei der Betreuung ihrer dementen Mutter zu helfen. Dort hat sie an ihr früheres Leben wieder angeknüpft: Caroline ...

Die ca. 30-jährige Emma ist vor einiger Zeit zurück nach Hause gezogen, um ihrem Vater bei der Betreuung ihrer dementen Mutter zu helfen. Dort hat sie an ihr früheres Leben wieder angeknüpft: Caroline und Amy sind Emmas Freundinnen seit der Kindheit und Richard ihre Jugendliebe, die sie bald heiraten möchte. Auf der Heimfahrt ihres Junggesellinnenabschiedes geschieht ein Unfall, bei dem Amy stirbt. Emma fühlt sich nicht in der Lage, kurz darauf den Tag zu verbringen, der einer der schönsten im Leben einer Frau sein soll. Richard reagiert verständnisvoll und somit verschieben sie die Hochzeit. Während des Unfalls hat Jack ihr geholfen, der in Emmas Heimartort zu Besuch ist, um für sein neues Buch zu recherchieren. Die große Frage ist nun, ob sie die verschobene Hochzeit mit Richard feiert oder die Anziehung zu Jack mehr ist.

Wir begleiten Emma und ihre Freunde während den Monaten nach Amys tödlichem Unfall. Es wird Emmas und Carolines Trauer um ihre beste Freundin beschrieben. Außerdem auch Emmas Sorgen um ihre Eltern, da ihr Vater nicht immer die Betreuung seiner kranken Frau gewährleisten kann. Währenddessen wird auch über Emmas und Richards Beziehung berichtet. Auch die sich entwickelnden Gefühle Emmas für Jack spielen eine Rolle. Während Tage und Wochen vergehen, geschehen auch einige andere Dinge, die alles beeinflussen. Viele Details waren mir aber schon klar, als sie angesprochen wurden. Als Emma beispielsweise eifersüchtig wird, wusste ich gleich, wer diese Person ist und ob ihre misstrauischen Gefühle gerechtfertigt sind. Somit war die Handlung oft sehr vorhersehbar. Für welchen Mann sich Emma schlussendlich entscheiden wird, war mir lange nicht klar, jedoch hatte ich eine Vermutung, die sich auch bestätigt hat. Trotzdem gab es wegen dieser Frage noch etwas Spannung, in der sonst so klischeehaften und vorhersagbaren Handlung.

Dani Atkins Schreibstil ist sehr flüssig zu lesen. Sie schafft es, die Empfindungen der Protagonisten lebensnah darzustellen. Als Leser leidet, bangt und liebt man mit den Charakteren.

Zwischendrin gibt es einige wenige Kapitel, die mit „Das Ende“ betitelt sind und einen Tag aus Emmas aktuellem Leben beschreiben. Sie sitzt in ihrem Zimmer und macht sich für eine später stattfindende Veranstaltung fertig. Im Haus unter ihr, versammeln sich ihre Freunde und Verwandten. Während dieser Kapitel wird beschrieben, wie sie sich schminkt und an die vergangene Zeit zurückdenkt. Es wird nie zu viel verraten, sodass der Leser bis zum fünften und letzten Teil nicht weiß, was passieren wird bzw. welchen der beiden Männer Emma gewählt hat. Das Ende hat meine Vermutung bestätigt, welchen Mann Emma mehr liebt und ihre Zukunft mit ihm verbringen möchte. Trotzdem war die Liebesgeschichte schön zu lesen. Ein Detail am Schluss kam für mich überraschend und hat mich sehr berührt.


Fazit:
„Die Nacht schreibt uns neu“ ist eine Liebesgeschichte, die über eine verschobene Hochzeit und die Anziehungskraft zu einem Retter beschreibt. Emma muss sich schlussendlich zwischen ihrer Jugendliebe Richard und ihren aufkommenden Gefühle zu Jack entscheiden. Viele Details in der Handlung waren klischeehaft und vorhersehbar. Obwohl ich geahnt habe, für welchen Mann sich Emma entscheiden wird, war das Ende überraschend und berührend für mich, weshalb ich trotz Enttäuschung noch einen Stern mehr vergeben habe.

Veröffentlicht am 26.11.2023

Wunderschönes Setting in Irland

Songs of Emerald Hills
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Carolines Freundin ist vor einem Jahr gestorben und sie fühlt sich immer noch dumpf und ohne jegliches Gefühl, wo doch alle zu erwarten scheinen, dass sie ihr Leben wieder in die Hand nimmt. Vor allem ...

Carolines Freundin ist vor einem Jahr gestorben und sie fühlt sich immer noch dumpf und ohne jegliches Gefühl, wo doch alle zu erwarten scheinen, dass sie ihr Leben wieder in die Hand nimmt. Vor allem auch ihre Unentschlossenheit bezüglich ihrer beruflichen Zukunft gibt ihr keinen Halt. Als Caroline bei der Werbung für eine Reise plötzlich wieder ein aufgeregtes Herzklopfen verspürt, reist sie kurzerhand nach Irland. Dort trifft sie auf Conor, der für den Erhalt seiner gälischen Sprachschule kämpft, und dessen Beziehungen zum Zwillingsbruder und Freunden immer mehr zerbrechen.

Jeder der beiden Protagonisten erhält anfangs im Prolog ein eigenes Kapitel: Caroline befindet sich auf der Beerdigung ihrer besten Freundin und Conor erwischt seine Freundin bei seinem Zwillingsbruder im Bett. Ein einschneidendes Erlebnis für beide und ich konnte ihren Schmerzen aus den Zeilen heraus so gut nachempfinden. Der Prolog ist der berührendste Teil der Geschichte und hat mich direkt gecatcht. Und dann treffen Caroline und Conor an ihrem ersten Tag in Baile na Mara aufeinander und es funkt auf beiden Seiten gewaltig. Das war mir viel zu schnell. Ich mag keine Liebesgeschichten auf den ersten Blick und auch hier haben mich die Gefühle der beiden nicht erreicht. Ihre späteren Aufeinandertreffen fand ich oft auch romantisch und haben mir gut gefallen (z. B. Schafe streicheln), aber in mir leider nicht mehr den Funken geweckt. Die individuellen Probleme und damit verbundenen Emotionen der Protagonisten haben mich aber erreicht und ich finde beide sympathisch (Conor mag ich ein bisschen mehr, obwohl ein Charakterzug anfangs nicht wirklich zu dem traditionsbewussten Iren passt).

Anabelle Stehls Schreibstil ist angenehm und schön, besonders der Prolog ist herzzerreißend geschrieben und hat mich direkt in die Geschichte gezogen. Auch ein Gespräch zum Ende des Buches hin ist so passend zu den Charakteren geschrieben. Ich finde, dass Anabelles Schreibstil sich seit der „Away“-Reihe positiv entwickelt hat. Allerdings finde ich einige Dinge repetitiv, was mich zunehmend genervt hat. Die Formulierungen, dass Caro endlich wieder etwas fühlt oder Conor sie vermissen wird, sobald sie Irland wieder verlässt, sind oft die gleichen gewesen, was es noch verstärkt hat.

Das Dorf Bail ne Mara an der Küste Irlands ist ein wunderschönes Setting! Die weite Landschaft mit dem aufwühlenden Meer und dem Leuchtturm gehört genauso zur Rahmenhandlung wie die Dorfgemeinschaft im Pub oder die aufgeweckte Liv, die dort eine neue Heimat gefunden hat. Man merkt richtig, dass Anabelle während ihres Studiums länger in Irland gelebt hat und auch die Unterschiede zwischen Deutschland und Irland aufzeigt. Zusätzlich wird in Bayle na Mara nur Gälisch gesprochen, was öfter in den Gesprächen der Charaktere eingebaut wurde. Deshalb gibt es am Anfang des Buches Übersetzungen, sowie eine Liste mit gälischen Namen und ihrer Aussprache.


Fazit:
„Songs of emerald Hills“ ist ein New Adult Roman mit wunderschönem Setting inmitten eines charmanten Dorfes an Irlands Küste. Genauso gut konnte mich die Liebesgeschichte leider nicht begeistern, weil die Gefühle von Caro und Conor aus dem Nichts da waren und mich auch nicht überzeugen konnten. Die Liebe muss mich in Liebesromanen erreichen und berühren, deshalb bin ich traurig, dass mich das Buch nicht gänzlich überzeugen konnte.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Gefühl
Veröffentlicht am 25.11.2023

Interessante Frage über das Leben etwas kurios umgesetzt

Das vorläufige Ende der Zeit
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Die Archäologin Mi-Ra reist nach Frankfurt a. d. Oder um dort den alten jüdischen Friedhof zu untersuchen und eine Artikel darüber zu schreiben. Dort trifft sie auf Artur, den Friedhofswärter, der dort ...

Die Archäologin Mi-Ra reist nach Frankfurt a. d. Oder um dort den alten jüdischen Friedhof zu untersuchen und eine Artikel darüber zu schreiben. Dort trifft sie auf Artur, den Friedhofswärter, der dort Ordnung hält. Kurz darauf taucht Horatio auf, ein älterer Herr, der viel mehr über den jüdischen Friedhof zu wissen scheint und von der Möglichkeit erzählt, dort in der Zeit zu reisen. Somit lassen sich Mi-Ra und Artur auf das Experiment ein und reisen in ihre eigene Vergangenheit zurück – zu Momenten, die sie tief geprägt haben. Mi-Ra wurde sehr streng erzogen und findet heute selbst kaum eine Verbindung zu ihrem Sohn. Wo sie eher vorlaut und ehrlich agiert, ist Artur eine in sich gekehrte und ruhige Person, nicht zuletzt auch wegen dem großen Verlust, als er seine kleine Tochter an den Krebs verloren hat, was zu einer distanzierten Beziehung in seiner Ehe geführt hat.

Somit geht Berni Mayer mittels zwei gut ausgearbeiteten Charaktere und deren Lebenswege der Frage nach, ob wir unsere Vergangenheit ändern können und inwieweit sich dies auf die Gegenwart auswirkt. Laut Horatio soll dies möglich sein. Doch auch er möchte einen wichtigen Aspekt in seiner Vergangenheit ändern und beobachtet deshalb Mi-Ras und Arturs Handlungen genau. Ist der mystische, längst verlassene Friedhof die Möglichkeit auf ein besseres Leben oder nur die Bestätigung des eigenen Schicksals? Der Autor hat mir mit einem angenehmen Schreibstil die beiden Lebensgeschichten von Mi-Ra und Artur sehr berührend vermittelt. Auch wenn die Geschichte etwas langwierig ist, konnte sie mich am Ende fesseln und die Botschaft nachvollziehbar schildern.

Da dies ein Roman ist und nicht SciFi, habe ich nicht mit damit gerechnet, dass die Thematik der Zeitreisen vollständig und wissenschaftlich geklärt wird. Die philosophische Frage dahinter, ob eine Änderung der Vergangenheit möglich wäre und wie sie sich auf die Gegenwart auswirkt, steht hier natürlich im Mittelpunkt. Trotzdem hat Horatio mit den Zeitreisen der beiden Protagonisten experimentiert und es wurde vieles angedeutet, z. B. eine Geheimgesellschaft, die völlig fixiert auf dieses Thema war, oder dass Horatio viel länger leben würde, als andere Menschen. Auch das Vorhandensein des einen Charakters, der durch eine falsche Entscheidung seine Firma und Annehmlichkeiten verloren hat, erschließt sich mir nicht. Hier wurden mehr Mystik und theoretische Thesen angedeutet, was für den eigentlichen Kernpunkt der Geschichte nicht gebraucht wird und mich viel zu neugierig macht, dann aber leider ohne nähere Antworten zurückgelassen hat.


Fazit:
„Das vorläufige Ende der Zeit“ behandelt anhand von Horatios Zeitreisen die Frage, ob und wie die beiden Protagonisten ihre Vergangenheit ändern können. Der Autor hat die Lebenswege der beiden gekonnt dargestellt, was mich berühren konnte. Doch einige Aspekte hätte man getrost weglassen können, weil sie nichts für den Verlauf oder die Kernfrage der Geschichte beitragen.

Veröffentlicht am 23.09.2023

Verliert an Spannung

Der Porzellaner
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Gleich zu Beginn des Buches begleiten wir 1719 den flüchtenden Samuel, was zugleich die Frage aufwirft, wie es dazu kommen konnte und somit direkt Spannung bringt. Denn danach folgen die Kapitel von 1706 ...

Gleich zu Beginn des Buches begleiten wir 1719 den flüchtenden Samuel, was zugleich die Frage aufwirft, wie es dazu kommen konnte und somit direkt Spannung bringt. Denn danach folgen die Kapitel von 1706 an chronologisch, während der Bergmann Samuel nach Meißen in die Albrechtsburg kommt, um dort mit Kollegen bei der Herstellung von Gold helfen soll. Böttger hat dies dem Kurfüsten von Sachsen demonstriert, der ihn seitdem gefangen hält und auf das ersehnte Gold wartet, dass er so dringend für seinen teuren Krieg benötigt. Doch was bisher nur ein Trick war, ist nicht leicht zu entwickeln, weswegen Böttger nun zusammen mit Tschirnhaus zunächst hinter das Geheimnis der Porzellanherstellung kommt – das erste Mal außerhalb Asiens. Doch Tschirnhaus stirbt und Böttger leitet die Porzellanmanufaktur mit Nehmitz, der das Bindeglied zum Kurfürsten darstellt, die sich beide ständig uneins sind und streiten. Die erfolgreiche Produktion von vergleichbarem Porzellan aus China geht einen langen Weg.

"Und doch ist es zerbrechlich, das Porzellan, wie unser Glück, der Reichtum, unser Leben. Im Streit und ohne Frieden bleibt davon nicht mehr als ein paar Scherben.", S. 226

In diesen Roman wird auch die politische Lage von Sachsen und das Leben des Kurfürsten August aufgegriffen. Denn Augusts Gier auf das Gold und sein Umgang mit der Manufaktur sind genauso ausschlaggebend für das weiße Gold, wie die Erfindungen von Böttger und die Leitung von Nehmitz, sowie schlussendlich auch die Flucht und der Verrat von Samuel Stöltzel. Die politische Lage und Samuels Leben werden durch unterschiedliche Perspektiven dargestellt. Neben dem eigentlichen Protagonisten Samuel, kommt auch seine große Liebe Sophie in einigen Kapiteln zu Wort, genauso wie Constantia, die Mätresse des Kurfürsten Sachsens, und August selbst. Die unterschiedliche Sichtweise der Kapitel gefällt mir und gibt der Geschichte ein umfassendes Bild. Man erfährt die Motive und Wünsche der Charaktere, deren Beziehungen verwoben und anschaulich dargestellt sind, sodass alle Reibereien, Streit und Eifersucht nachvollziehbar werden. Constantia ist dabei eine der interessantesten Charaktere im Buch. Sie ist klug und wissenschaftlich interessiert, kein Wunder also, dass sie als die Mätresse Augusts sogar politisch auf ihn eingewirkt hat. Durch ihre Abhängigkeit und Augusts Eifersucht zeichnet die Autorin hier ein sehr gutes Bild über Constantias Leben.

Leider wird die Geschichte dann irgendwann ermüdend, denn die erfolgreiche Porzellanherstellung lässt auf sich warten. Viele Probleme, die dem im Weg standen, werden auch ausgeräumt, doch irgendwie kommt trotzdem nicht richtig Fahrt auf, irgendein Hindernis ist zur Stelle und verhindert eine funktionierende Manufaktur. Vielleicht empfand ich die Geschichte auch irgendwann als langwierig, weil das Potenzial der europäischen Porzellanherstellung zum Greifen nah war, aber doch nie genutzt wurde. Weil aus heutiger Sicht so ein Drama bei der Führung der Manufaktur und die große Gier nach Gold in Akkordherstellung einfach unvorstellbar sind. Auch politisches oder die einzelnen Charaktere nehmen immer mehr Raum ein, weshalb das Thema der Porzellanherstellung noch mehr in den Hintergrund rückt. Die Geschichte zieht sich also, bis am Ende doch wieder mehr Spannung aufkommt und man endlich erfährt, wie es zu Samuels Verlassen der Meißner Manufaktur kam. Andererseits hat mir das Ende nicht ganz gefallen und ich hätte mir zumindest einen Epilog zur Manufaktur gewünscht. Was ich mir auch sehr gewünscht hätte und eigentlich essentiell für einen Roman mit wahrem Hintergrund ist, ist ein Nachwort: Welche Charaktere sind real? Was ist genauso passiert, was wurde für die Spannung des Romans verändert? Nicht einmal die Dankesworte der Autorin lassen die Recherche erkennen, die sie doch gemacht haben muss. Nach dem Beenden des Buches habe ich direkt die Geschichte des Meißner Porzellans auf deren Website und in Wikipedia nachgelesen.


Fazit:
„Der Porzellaner“ ist die Geschichte über Samuel, der maßgeblich an der Erfindung und Entwicklung des europäischen Porzellans beteiligt war. Darüber hinaus wird auch die politische Seite zu Beginn des 18. Jahrhunderts durch den Kurfürsten August und seiner Maträsse Constantia erläutert, die auch in eigenen Kapiteln zu Wort kommen und den Aufbau der Porzellanmanufaktur beeinflusst haben. In diesem Buch geht es aber vielmehr über die erste Entdeck des Porzellans außerhalb Asiens, als um die Erfolgsgeschichte der Meißner Manufaktur. Mit der Zeit wird die Geschichte langwieriger und gipfelt in einem unzufrieden stellenden Ende. Das fehlende Nachwort und damit Informationen über tatsächliche Begebenheiten und Personen ist leider auch ein Defizit.

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