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Veröffentlicht am 02.04.2019

Paul Colossa, Anwalt

Jagdtrieb
1

Oscar Colossa ist tot. Selbstmord. Ein offenbar langer geplanter Schritt, denn nicht nur der Nachlass ist geordnet, sondern auch die Einladungen zur Beerdigung sind bereits geschrieben.
Sein Neffe Paul ...

Oscar Colossa ist tot. Selbstmord. Ein offenbar langer geplanter Schritt, denn nicht nur der Nachlass ist geordnet, sondern auch die Einladungen zur Beerdigung sind bereits geschrieben.
Sein Neffe Paul Colossa erbt nun nicht nur Oscars Kanzlei, sondern auch seine Mandanten. Maja Rivinius, Tochter eines russischen Unternehmers, ist eine von ihnen. Die junge Frau wird von ihrem Ex-Geliebten verfolgt und bittet Paul um juristische Unterstützung. Die, und noch viel mehr, gewährt ihr der Anwalt nur zu gern, ist er doch vom ersten Moment an, fasziniert von der jungen Frau. Dabei gerät Paul sehr viel tiefer in Majas Bann und ihre Probleme als gut für ihn ist.

Dieser Debütroman von Hendrik Esch wird als Kriminalroman verkauft, ist aber weit entfernt von einem „klassischem“ Krimi. Wer also den obligatorischen Toten, mit anschließender Mörderjagd erwartet, wird vielleicht enttäuscht.
Wer aber einen launigen, unterhaltsamen Roman über einen schrägen, sympathischen Anwalt lesen möchte, der kaum ein Fettnäpfchen auslässt, und der den Leser mit skurrilen Gedanken zum Schmunzeln bringt, der sollte es unbedingt einmal mit „Jagdtrieb“ versuchen. Einen Kriminalfall gibt es zwar irgendwie auch, aber dieses Buch lebt eindeutig von seinem Protagonisten.

Und das ist Paul Colossa. Der tut sich schwer mit dem Selbstmord seines Onkels, war dieser doch fast ein Vaterersatz für ihn. Und jetzt muss er nicht nur dessen Kanzlei übernehmen, sondern auch sein gewohntes Leben in München aufgeben, um in die bayerische Provinz zu ziehen. Er ist zu Anfang ziemlich unsicher, in der Kanzlei und auch im Privaten. In Bezug auf Frauen, scheint er sogar ein absolut hoffnungsloser Fall zu sein. Aber gerade diese etwas unbeholfene Art, macht ihn auch unglaublich authentisch und sympathisch. Und die kuriosen und schrulligen Gedanken, die er sich zu allem und jeden macht, und die er großzügig mit seinen Lesern teilt, sind ausgesprochen unterhaltsam.

Doch auch die Nebenfiguren sind liebevoll ausgearbeitet und tragen ihren Teil zur Geschichte bei. So zum Beispiel sein forscher Kumpel Attila und die patente Kanzleivorsteherin Christiane, die zum Inventar der Kanzlei gehört.

Die Handlung baut sich eher langsam auf. So findet Paul nach und nach immer mehr über das Leben seines Onkels heraus. Und je mehr er erfährt, desto mehr Fragen stellen sich ihm.
Und auch Majas „Stalking-Fall“ nimmt nur langsam Fahrt auf. Langweilig ist es aber zu keiner Zeit und der Spannungsbogen steigt und steigt.
Dass der Autor selbst Anwalt ist, hat der Geschichte sicher auch nicht geschadet, denn der Alltag eines Juristen wird hier ziemlich anschaulich geschildert.

Alles in allem: Ein liebenswerter, humorvoller Anwalt mit skurrilen Gedankengängen, in einer originellen, unterhaltsamen Story. Kein typischer Krimi, aber auf jeden Fall ein Roman, der Lust auf eine Fortsetzung macht.

Veröffentlicht am 05.03.2019

Paris 1954

Ein Tropfen vom Glück
1

Paris, September 2017 , ein Mehrfamilienhaus in der Rue Edgar-Charellier 18.
Vier Menschen, sitzen beisammen und genießen ein guten Wein aus dem Jahr 1954.
Bob, der Tourist aus den USA, der sich mit dem ...

Paris, September 2017 , ein Mehrfamilienhaus in der Rue Edgar-Charellier 18.
Vier Menschen, sitzen beisammen und genießen ein guten Wein aus dem Jahr 1954.
Bob, der Tourist aus den USA, der sich mit dem Besuch von Paris einen lang gehegten Traum erfüllt. Die Restaurateurin Magalie, die alle wegen ihres Cothic-Aussehens nur Abby nennen. Der Barmann Julian, der ganz angetan von Magalie ist, und Hubert, dessen Familie das Haus einst erbaut hat und der eine enge Verbindung zur Familengeschichte und dem Haus hat.
Am nächsten Morgen ist nichts mehr wie es war. Die vier sind ins Jahr 1954 zurückversetzt worden.

Wer jetzt aber eine spannende und atemlose Suche nach einem Weg zurück ins Jahr 2017 erwartet, wird wohl enttäuscht werden. Natürlich suchen auch unsere vier Protagonisten einen Weg zurück, aber das spielt hier nur eine Nebenrolle. Die Hauptrolle spielt hier eindeutig das Paris der 50er Jahre. Der Autor Antoine Laurain lässt diese Zeit wieder auferstehen. Und das macht er großartig. Man hat die Stadt und ihre Bewohner förmlich vor Augen.
Auch die Firguren sind ihm hervorragend gelungen. Nicht nur die Hauptcharaktere, sondern auch die Nebenfiguren sind sehr liebevoll beschrieben.

Mit Bob besucht der Leser nicht nur den Eiffelturm und die Mona Lisa, sondern auch die Basilika Notre-Dame-des-Victoires, in der dieser um ein Wunder bittet. Magalie begleiten wir auf der Suche nach ihrer geliebten Großmutter, die damals im gleichen Alter wie Magalie ist. Julian kreiert in der berühmten „Harry’s New York Bar“ nicht nur einen neuen Cocktail, sondern trifft den legendären Barkeeper Harry persönlich. Und Hubert lernt Mitglieder seiner Familie kennen und kommt einem Geheimnis auf die Spur.
Zusammen treffen die vier auf viele bekannte Persönlichkeiten, wie Dalí, Claude Chabrol, Audrey Hepburn, Édith Piaf oder Jean Gabin.
Im Verlauf der Geschichte kommen sich die vier Zeitreisenden, die sich bisher kaum kannten, näher und werden sogar zu Freunden.

Antonine Laurain erzählt auf leichte, gefühlvolle und bezaubernde Weise und zieht den Leser sofort in seinen Bann. Ein wunderbares Buch, das nicht nur seine Protagonisten, sondern auch seine Leser in eine andere Zeit entführt.

Veröffentlicht am 28.02.2019

4825 Tage

Liebes Kind
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Vor 4825 Tagen verschwand die damals 23 jährige Studentin Lena aus München und bisher fehlte jede Spur von ihr. Doch jetzt wird eine Frau ins Krankenhaus eingeliefert. In einem Waldgebiet in der Nähe der ...

Vor 4825 Tagen verschwand die damals 23 jährige Studentin Lena aus München und bisher fehlte jede Spur von ihr. Doch jetzt wird eine Frau ins Krankenhaus eingeliefert. In einem Waldgebiet in der Nähe der tschechischen Grenze, ist sie vor ein Auto gelaufen und die Vermisstendatenbank weist etliche Übereinstimmungen mit Lena auf. Bei ihr ist Hannah. Ihre Tochter.

„Dieser Thriller beginnt, wo andere enden.“
Und das stimmt. Lena kann ihrem Entführer entkommen, doch damit ist ihr Martyrium noch lange nicht vorbei.
Die Autorin lässt die Geschichte aus der Perspektive von drei Personen erzählen. Lenas Vater Matthias, Lena und Hannah. Und das tut sie unglaublich spannend, eindringlich und berührend.

Da ist zum einen das traumatisierte Opfer Lena, die tapfer versucht ihre Würde zu bewahren und wieder ein halbwegs normales Leben zu führen. Eine mühselige, und manchmal aussichtslos, erscheinende Aufgabe. Nach und nach erfährt der Leser was ihr zugestoßen ist.
Und Matthias, der die Hoffnung nie aufgegeben hat, seine über alles geliebte Tochter wiederzufinden. Er ist über die Jahre verbittert und zornig auf alles und jeden.
Dann Hannah. Sie hat bei mir den nachhaltigsten Eindruck hinterlassen. Sie zitiert wörtlich aus „dem Buch das alles weiß“, und erzählt von Ausflügen, die nie stattgefunden haben. „Robotorhaft“ und emotionslos.

Der Entführer kommt nicht zu Wort. Trotzdem ist er allgegenwärtig. „Er macht den Tag. Und die Nacht. Wie Gott.“

Wirken diese verschiedenen Blickwinkel anfangs noch etwas verwirrend. Fügen sie sich doch recht bald zu einem schlüssigen, fesselnden aber gleichzeitig auch beklemmenden Ganzen zusammen.

Ein Thriller, der den Leser ab der ersten Seite in seinen Bann zieht und auch nicht wieder loslässt. Nie wird es langweilig, es gibt immer neue Wendungen und auch das Ende war nicht vorauszusehen.
Ein großartiges Thrillerdebüt von Romy Hausmann.


Veröffentlicht am 02.04.2019

Der 9. Fall für Dave Robicheaux

Nacht über dem Bayou
1

Louisiana.
Aaron Crown wurde, für den lange zurückliegenden Mord, an einem schwarzen Bürgerrechtler verurteilt. Niemand zweifelte damals an seiner Unschuld. Doch jetzt hat ein Fernsehteam den Fall neu ...

Louisiana.
Aaron Crown wurde, für den lange zurückliegenden Mord, an einem schwarzen Bürgerrechtler verurteilt. Niemand zweifelte damals an seiner Unschuld. Doch jetzt hat ein Fernsehteam den Fall neu aufgerollt und dabei einige Ungereimtheiten entdeckt. Und Crown,
der seine Unschuld beteuert, bittet Dave Robicheaux um Hilfe. Robicheaux ist zunächst gar nicht bereit, dem ungehobelten und abstoßenden Mann zu unterstützen. Aber als immer mehr Menschen ihm dazu raten, sich aus der Sache herauszuhalten, darunter der Kandidat für das Gouverneursamt Buford LaRose, weckt das sein Misstrauen und er fängt doch an zu ermitteln. Denn gerade an den LaRoses hat Robicheaux ein ganz persönliches Interesse. War er doch einmal mit Karyn liiert, Bufords Ehefrau. Doch die LaRoses sind nicht die einzigen, die etwas zu verbergen haben.

„Nacht über dem Bayou“ von James Lee Burke ist der 9. von 21 Romanen um Dave Robicheaux, stammt aus dem Jahr 1996, und wurde jetzt vom Pendragon Verlag neu aufgelegt.

Der Autor lässt die Sümpfe Louisianas, vor den Augen des Lesers, auferstehen. Er hat eindeutig ein Talent dafür, die Umgebung zum Leben zu erwecken. Man hat das Gefühl, als stünde man gerade mitten in der Handlung. Und gleichzeitig möchte man doch irgendwo anders sein. Denn Burke zeichnet ein dermaßen düsteres Bild von den Sümpfen und New Orleans, so voller Gewalt, Korruption und Verbrechen, dass man dieser trostlosen Atmosphäre am liebsten entfliehen möchte. Diese bedrückende Stimmung begleitet den Leser durch den ganzen Roman.

Doch so wunderbar dicht Burke auch die Atmosphäre einfängt, so wenig gelingt ihm das mit seinem Protagonisten Dave Robicheaux. Dave ist der Erzähler dieses Buches, und auch wenn er uns einige der handelnden Personen näherbringt, von sich selbst erfahren wir so gut wie gar nichts.

Nun ist das der 1. Band, den ich aus dieser Reihe gelesen habe, und vielleicht hat er uns in den vorausgegangen Bänden mehr über sich und seine Gefühle verraten, in diesem bleibt er leider sehr distanziert. Seine Handlungen und Beweggründe erscheinen deshalb manchmal nicht wirklich nachvollziehbar. Dazu kommt, dass er in den anderen Bänden wohl schon einiges erlebt hat, was hier nur angedeutet wird, und dem „Neueinsteiger“ schnell das Gefühl vermittelt, einiges verpasst zu haben. Deshalb ist es wohl besser, mit dem 1. Buch aus dieser Reihe anzufangen.

James Lee Burke kommt mit wenigen Worten aus. Umständliche Umschreibungen und Abschweifungen gibt es bei ihm nicht. Ein knapper, klarer Stil, der mir sehr gut gefallen hat. Allerdings hätte ich mir bei einigen Begebenheiten doch ein paar weitere, erklärende Worte gewünscht. Denn die Geschichte ist an manchen Stellen ziemlich verworren, viele Charaktere tauchen auf, und hier und da fällt es schwer, den Überblick zu behalten.

Zur Verwirrung tragen auch die fehlenden Absätze innerhalb der Kapitel bei. Ich habe viele Sätze zweimal lesen müssen, weil sie im Zusammenhang mit dem vorausgegangen Satz plötzlich keinen Sinn mehr ergeben haben. Konnten sie auch nicht, den inzwischen waren wir längst in einer anderen Szene, an einem anderen Schauplatz.

Doch trotz des wenig greifbaren Protagonisten, der fehlenden Absätze und der mangelnden Vorkenntnisse meinerseits, hat mich der Roman in seinen Bann gezogen und war nur schwer aus der Hand zu legen. Nichts ist so wie es zu Anfang scheint, nichts ist leicht zu durchschauen, nichts ist nur schwarz oder weiß. Ein vielschichtiger, spannender Roman.


Veröffentlicht am 02.04.2019

Miranda und Roscoe

Eine Lady riskiert alles
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Miranda Clifford führt ein beschauliches, ruhiges Leben. Bis ihr Bruder Roderick verschwindet und sie sich, Hilfe suchend, an ihren skandalumwitterten Nachbarn Neville Roscoe wendet. Der ist Londons berühmtester ...

Miranda Clifford führt ein beschauliches, ruhiges Leben. Bis ihr Bruder Roderick verschwindet und sie sich, Hilfe suchend, an ihren skandalumwitterten Nachbarn Neville Roscoe wendet. Der ist Londons berühmtester Spielhöllen-Besitzer und eigentlich überhaupt nicht der richtige Umgang für eine unverheiratete, respektable Dame. Trotzdem machen sich die beiden zusammen auf die Suche.

Stephanie Laurens versteht es, ihre Leser in ihren Bann zu ziehen. Interessante Charaktere und eine gefühlvoll geschriebene Story, zeichnen auch diesen Roman aus.

Zum einen ist da Miranda. 29 Jahre, unverheiratet und ihr einziger Lebensinhalt schien bisher die Sorge um ihren jüngeren Bruder Roderick zu sein. Unter dem strengen Regiment der Tante lebend, unentwegt auf Anstand und Respektabilität bedacht, erkennt sie langsam, dass das Leben für sie noch einiges mehr bereit hält. Es macht wirklich Spaß zu verfolgen, wie Miranda langsam aufblüht.

Und Roscoe ist nicht ganz der Mann, als der er zu Anfang erscheint. Um seine Familie vor dem gesellschaftlichen und finanziellen Ruin zu schützen, hat der vor langer Zeit sein altes Leben hinter sich gelassen und ist zu Londons Glücksspielkönig geworden.

Das sich Miranda und Roscoe auf der Suche nach Roderick ziemlich nah kommen, dürfte ja jedem klar sein.

So spannend und mitreißend der Roman auch ist, so hat er doch auch einige Längen. Es wird viel spazieren gegangen und vor Fenstern gestanden und dabei gegrübelt. Sogar in den Sexszenen wird gegrübelt. Vor dem Sex, dabei und auch danach. Und es wird immer über die gleichen Dinge nachgedacht. Dadurch gerät nicht nur die Handlung ins Stocken, es ist schlicht ermüdend und langweilig. Irgendwann habe ich diese Seiten einfach nur kurz überflogen.

Aber alles in allem, eine tolle Story, gute Charaktere und ganz viele Gefühle. Genau das richtige für Fans historischer Liebesromane.