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Veröffentlicht am 15.01.2023

Über unsere Arbeitswelt

Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten?
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„Wir versuchen in einer übermäßig fordernden, Workaholic-Kultur zu überleben, die Menschen dafür niedermacht, grundlegende Bedürfnisse zu haben.“ (5%)

Schon vor vielen Jahren gab es die Mutmaßung, dass ...

„Wir versuchen in einer übermäßig fordernden, Workaholic-Kultur zu überleben, die Menschen dafür niedermacht, grundlegende Bedürfnisse zu haben.“ (5%)

Schon vor vielen Jahren gab es die Mutmaßung, dass wir heutzutage deutlich weniger arbeiten müssten als zu Beginn der Industrialisierung, da viele Aufgaben von Maschinen übernommen werden können. In der Tat wurde sehr vieles übernommen. Und wir sind mehr Menschen geworden. Aber der Arbeitsumfang ist nicht weniger, sondern mehr geworden. Warum? In welch absurdem Hamsterrad stecken wir da fest?

Sara Weber geht dieser Frage nach und führt viele Analysen und Zitate zu unserer Arbeitswelt zusammen. Das ist eine fleißige Arbeit gewesen und ihr Buch liest sich auch ganz interessant. Es stellt allerdings kaum mehr als eine Paraphrase bereits bestehender Ideen und Theorien dar. Sprachlich flüssig aufbereitet, aber auch nicht spektakulär. Der gelungenste Satz ist der Titel des Buches.
Dieser führt allerdings auch ein wenig in die Irre. Erwartet hätte ich nämlich ein Buch, dass unsere Arbeits- und Wirtschaftswelt in den direkten Kontext zur Klimakrise stellt. Sie wird aber nur als eine von vielen Krisen immer mal wieder am Rande erwähnt.

Ich denke, dass Sara Weber ein wichtiges Thema aufgreift, das uns auch künftig noch mehr beschäftigen wird. Ihr Buch bietet einen guten Einstieg, wenn man den heutigen Arbeitsalltag hinterfragen möchte und eine Wissensgrundlage braucht. Darüber hinaus gibt es wenig Neues zu erfahren.

Das Zitat ist im Original aus „Laziness Does Not Exist“ von Devon Price.

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Veröffentlicht am 02.06.2021

Mehr Biografie als Sachbuch

Fairknallt
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„Die Welt lässt sich also verändern, indem wir uns selbst ändern, indem wir unsere Kinder im Bewusstsein für die begrenzten Ressourcen des Planeten erziehen und unsere Mitmenschen für einen nachhaltigen ...

„Die Welt lässt sich also verändern, indem wir uns selbst ändern, indem wir unsere Kinder im Bewusstsein für die begrenzten Ressourcen des Planeten erziehen und unsere Mitmenschen für einen nachhaltigen Lebensstil begeistern.“ (9%)

Vielleicht kennt ihr den Blog fairknallt.de? Marie Nasemann schreibt dort seit einigen Jahren über nachhaltige Mode und Kosmetik. Nun hat sie ein Buch mit demselben Titel rausgebracht. Sie schreibt darin nicht nur über faire Mode, sondern auch über andere Alltagsthemen. Außerdem erklärt sie ganz nebenbei einiges über die Klimakrise und all die Zusammenhänge. Hauptsächlich aber geht es im Buch um ihren persönlichen Lebensweg.

Generell freue ich mich über jedes Buch, das zu einem nachhaltigen Lebensstil inspirieren kann. Am besten von den unterschiedlichsten Autoren, aus den unterschiedlichsten Lebensbereichen und mit den unterschiedlichsten Schwerpunkten. Marie Nasemann ist eine junge Frau und Mutter, die als Model berühmt geworden ist. Inzwischen ist sie „die wichtigste Botschafterin für faire Mode in Deutschland“.

Entsprechend hatte ich mir von ihrem Buch vor allem das gewünscht: Einen Ratgeber zum Thema nachhaltige Mode. Denn das ist gar nicht so einfach. Das nachhaltigste Kleidungsstück ist immer noch das, was man bereits besitzt. Wie kann man also trotzdem seine Freude an Mode ausleben?

Ein großes Kapitel in „Fairknallt“ behandelt auch tatsächlich dieses Thema. Die meisten Tipps diesbezüglich habe ich allerdings dem umfangreichen Anhang entnommen, in dem die Autorin viele Links zu nachhaltigen Marken und auch hilfreichen Blogs und Websites gibt. Außerdem sind hier auch noch einige spannende Dokus und Filme gelistet, sowie weiterführende Literatur.

Insgesamt war „Fairknallt“ aber leider nicht ganz das, was ich erwartet hatte. Zum einen habe ich mich daran gestört, dass die Erzählstimme sehr tonlos und nett-naiv scheint. Und zum anderen beschreibt Marie Nasemann eben hauptsächlich ihren eigenen Weg. Und den ging und geht sie in einem sehr privilegierten Umfeld. Da werden dann doch einige Kompromisse gemacht, mit denen viele von uns sich gar nicht erst befassen müssen. Z.B. mit dem SUV des Vaters zum Gardasee zu fahren oder die große Wohnung.

Vielleicht muss man der Autorin hier aber auch zu Gute halten, dass sie sehr ehrlich ist. Auch glaube ich, dass ihr Buch für viele Menschen sehr motivierend sein kann. Und das ist das Wichtigste.

Außerdem ist „Fairknallt“ super recherchiert und die schon erwähnten Klick-Tipps sind Gold wert. Ich freue mich, dass Marie Nasemann sich dem wichtigen Thema der Nachhaltigkeit angenommen hat.

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Veröffentlicht am 16.09.2020

Eine schöne Liebesgeschichte

Just Like You
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„Die Zukunft des Landes ist für dich sinnlos?« »Ziemlich. Sind wir nicht sowieso alle am Arsch?« »Warum das denn?« »Wenn der Meeresspiegel um dreißig Zentimeter steigt und wir alle überschwemmt werden? ...

„Die Zukunft des Landes ist für dich sinnlos?« »Ziemlich. Sind wir nicht sowieso alle am Arsch?« »Warum das denn?« »Wenn der Meeresspiegel um dreißig Zentimeter steigt und wir alle überschwemmt werden? Das ist mir nicht egal.“ (85%)

Das sagt Joseph, 22, zu Lucy, 42, als sie ihn fragt ob er für oder gegen den Brexit stimmen wird. Die beiden kommen aus unterschiedlichen sozialen Milieus, haben unterschiedliche Hautfarben und einen großen Altersunterschied. Doch sie verlieben sich ineinander und beginnen eine Beziehung.

Natürlich ist das eine Beziehung, die auf recht wackeligen Beinen steht. Vor allem Lucy denkt zunächst viel über all die möglichen Probleme dieser Partnerschaft nach. Und die Probleme sind mannigfaltig: Sie bewegen sich in unterschiedlichen Kreisen und befinden sich in unterschiedlichen Lebenssituationen. Ganze Lebensplanungen wie z.B. eine mögliche Familiengründung auf Josephs Seite könnten in dieser Beziehung nicht umgesetzt werden. Hinzu kommt, dass die beiden oftmals nicht auf Augenhöhe kommunizieren und sind.

Die Darstellung dieser komplexen Partnerschaft und Liebe finde ich recht gelungen. Sie ist ganz und gar unkitschig. Wir sehen hier zwei Menschen, die sich lieben - egal, wie unterschiedlich sie sind - und die versuchen, diese Liebe zu leben.

Deshalb drei von fünf Sternen.

Doch dann kommt noch eine ganze Menge an wirklich großen Themen hinzu. Allen voran der Brexit. Leider bleibt dieses Thema im Roman ziemlich auf der Strecke. Am Ende sind die Aussagen dazu dann etwa: Leute aus der Arbeiterschicht sind für den Austritt, Bildungsbürger nicht. Zwei Kreuze zu machen ist besser als gar nicht wählen zu gehen. Und Trump ist ein größeres Problem als der Brexit.

Wenn Hornby einen jungen Engländer mit dunkler Hautfarbe über den Brexit nachdenken lässt und dabei aufzeigt, dass Rassismus viele Facetten haben kann, und warum der EU-Austritt auch für unter dem Rassismus leidende Briten in Frage kommen konnte - dann ist das wiederum sehr klug und spannend.

Es kommen aber noch Themen wie das Altern, Scheidung, Trennungskinder, Alkoholismus, Musik, das Schulwesen und das Bildungssystem hinzu. Ach ja, und dann noch... Sex, Sex, Sex. (Darüber wird die ganze Zeit geredet, ohne dass es wirklich spannend wäre oder was Aufregendes passieren würde.)

Der Roman will zu viel auf einmal und Hornby bleibt hinter seinen Möglichkeiten zurück. Finde ich. Und bin deshalb ein bisschen enttäuscht.

Doch wie gesagt: Die Liebesgeschichte ist ganz schön und dafür lohnt sich der Roman dann doch.

„Sie war glücklich, glücklich in einer Blase, und der einzige Grund, sie platzen zu lassen, war, dass Blasen nicht das wahre Leben waren. Aber Blasen ließen das Leben erträglich werden, und der Trick bestand darin, so viele wie möglich zu machen.“ (33%)

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Veröffentlicht am 07.03.2019

Ein Fuchs ist ein Fuchs!

Vom Fuchs, der ein Reh sein wollte
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"Ein Fuchs ist ein Fuchs!“

Oder vielleicht ist es doch nicht ganz so einfach?

Nach einem großen Waldbrand haben sich die Tiere aus dem Wald heraus gerettet. Doch nicht alle scheinen es geschafft zu haben. ...

"Ein Fuchs ist ein Fuchs!“

Oder vielleicht ist es doch nicht ganz so einfach?

Nach einem großen Waldbrand haben sich die Tiere aus dem Wald heraus gerettet. Doch nicht alle scheinen es geschafft zu haben. Ein kleiner Fuchs bleibt verängstigt zurück, er hat seine Familie verloren.
Ob er sie wiederfinden wird? - Doch zunächst muss ihm geholfen werden. Es ist noch zu klein, zu unwissend und zu hilflos, um allein in der gefährlichen großen Welt - noch dazu außerhalb des Waldes - zurecht zu kommen. Mama Reh nimmt ihn schließlich in ihre Familie auf und der Fuchs bemüht sich sehr, wie seine Rehgeschwister zu werden. Aber einige Tiere bleiben skeptisch: Ein Fuchs bleibt ein Fuchs! Was, wenn er groß wird und sich seiner Feindschaft zu den schwächeren Tieren besinnt?
Mama Reh glaubt an das Gute in jedem und hält zu dem kleinen Fuchs, der sich mit einem neuen Bruder auf die Suche nach seiner Fuchsfamilie macht.

Kirsten Boie ist eine sehr… zauberhafte Geschichte gelungen. Es geht um Freundschaft, Zusammenhalt, um das gegenseitige Helfen und um Toleranz. Besonders herausstechend ist die etwas aufgeblähte und kitschige Sprache, die aber gleichzeitig auch sehr melodisch ist. Letzteres macht sie für den Vorleser zu einem Vergnügen.

Auch die Illustrationen von Barbara Scholz sind schön. Sehr zart und hübsch. Man sieht ihnen an, dass sie von einer bekannten Kinderbuchillustratorin sind. Sehr moderne Zeichnungen, die deshalb allerdings auch nicht besonders herausragen.

Das Lesealter wird für Kinder ab sechs Jahren angegeben. Für Erstleser würde ich es nicht empfehlen, denn das Buch ist lang, die Sprache schwülstig - zu viel für erste eigene Leseversuche.
Die Story selbst ist dagegen eher langweilig und sehr vorhersehbar. Für ältere Kinder dürften es wohl mehr Spannung und weniger Naivität sein.

Jüngere Kinder dagegen werden von einer Riesenmenge an eher langweiligem Text erschlagen und finden zu wenige Illustrationen im Buch. Außerdem finde ich einige Handlungsverläufe zu grausig für kleine Kinder.

Wir waren wohl leider nicht das richtige Vorleser-Zuhörer-Gespann für dieses Buch. Es hat uns gelangweilt und manche besonders naive Textstelle war mir einfach viel zu kitschig und blöd.
Aber ich denke, dass dieses Buch dennoch seine Leser finden wird und wir da einfach einen anderen Geschmack haben.

Drei Sterne für dieses hochwertig gestaltete und freundlich erzählte Kinderbuch.

Veröffentlicht am 11.07.2017

Eine Hausfrau klagt an

Bring deinen Mann nicht gleich um, du könntest ihn noch brauchen
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"Wenn es nach meinem Mann und dem Baby ginge, könnte ich niemals pinkeln gehen, mir die Zähne putzen, duschen oder was essen." (30)

So zitiert Jancee Dunn eine Freundin und viele junge Mütter können ...

"Wenn es nach meinem Mann und dem Baby ginge, könnte ich niemals pinkeln gehen, mir die Zähne putzen, duschen oder was essen." (30)

So zitiert Jancee Dunn eine Freundin und viele junge Mütter können dieser Aussage vermutlich von ganzem Herzen beipflichten. Ein Baby oder Kind kann seine Mutter komplett in Anspruch nehmen. Der kleine Mensch fordert 100 Prozent Nähe ein und oftmals würde man sich als Mutter doch nur die paar Minuten zum friedlichen Zähneputzen wünschen. Der junge Papa allerdings ist von der neuen Situation ebenfalls gestresst und kann sich den Leidensdruck der Mama oftmals gar nicht so genau vorstellen.
Hier liegt großes Konfliktpotential und die Ankunft eines Kindes kann die Paarbeziehung der Eltern auf die Probe stellen.

Um diese Problematik soll es in "Bring deinen Mann nicht gleich um " gehen. Die Autorin holt sich Hilfe und einschlägige Tipps bei diversen Experten wie z.B. Therapeuten, Ordnungshelfern oder einer Feministin. Dabei geht sie immer von ihrer eigenen Situation aus und schreibt im Stile eines Erfahrungsberichtes.

Der Schreibstil ist der große Pluspunkt des Buches. Es ist äußerst unterhaltsam und liest sich fast von selbst innerhalb kürzester Zeit. Außerdem geben einige zu Rate gezogenen Experten, Verwandte und Freunde durchaus interessante und verwertbare Ratschläge.

Allerdings verfehlt die Autorin im Großen und Ganzen die eigentliche Thematik des Buches. Ihr geht es immer wieder darum, dass ihr Mann sich nicht genügend am Haushalt beteiligt. Und sie macht dieses Problem zu einem generellen und allumfassenden. Das lässt meiner Meinung nach sehr viele andere Dinge im Zusammenhang mit der Familiengründung und den Problemen, die das für die Paarbeziehung bedeuten kann, außen vor.

Was mich darüber hinaus an einigen Stellen stört, ist die Zielsetzung "Mein Kind soll als Erwachsener anpassungsfähig und erfolgreich im Job sein". Darauf ist das ganze Streben der Autorin in der Erziehung ihrer Tochter ausgerichtet.

Ich gebe dennoch drei Sterne, da das Buch trotz der genannten Kritikpunkte äußerst unterhaltsam ist und mit ein paar guten Ratschlägen aufwarten kann.