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Veröffentlicht am 05.10.2016

Geheimnis in der Friedhofsgruft

Die Finstersteins – Teil 1: Wehe, wer die Toten weckt…
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Neu an der Schule in Berlin-Köpenick hat es Fred nicht leicht, denn ausgerechnet der Miesling Aaron Bärbach mit seiner Bande hat es auf ihn abgesehen. Der einzige der zu ihm hält, ist der schrullige Außenseiter ...

Neu an der Schule in Berlin-Köpenick hat es Fred nicht leicht, denn ausgerechnet der Miesling Aaron Bärbach mit seiner Bande hat es auf ihn abgesehen. Der einzige der zu ihm hält, ist der schrullige Außenseiter Franz Ferdinand, nicht gerade der Typ, den man sich als Freund aussu-chen würde. Doch all das ist nichts gegen das Geheimnis, das Fred auf dem Waldfriedhof in der Gruft der Finstersteins entdeckt hat.

Das Hörbuch ist der Auftakt zu einer spannenden Kinderreihe. Locker, unterhaltsam und mit ei-nem Augenzwinkern in der Stimme wird die Geschichte vom Autor Kai Lüftner selbst gelesen. Empfohlen ist das Buch für Hörer ab 8 Jahren.

Mit viel Witz und Galgenhumor erzählt Fred seine eigentlich ausweglose Situation. Er ist neu in Berlin, wohnt zusammen mit seiner Mutter, der Friedhofswärterin, auf dem Waldfriedhof und wird von einer Schlägerbande (den Orks) terrorisiert. Sein Schicksal scheint besiegelt zu sein. Wäre da nicht die Gruft der Finstersteins auf dem Waldfriedhof, die ihn magisch anzuziehen scheint.

Gruselig und gleichzeitig schön wird die Atmosphäre auf dem Friedhof beschrieben. Man sieht die schimmernden Steinfiguren förmlich vor sich. Durch einen eher zufällig von Fred ausgespro-chenen Spruch, den er auf einem alten Pergament zusammen mit Franz Ferdinand entschlüs-selt hat, werden die Finstersteins samt Leistenkrokodil lebendig.

Chat-Gespräche zwischen Fred und Franz Ferdinand stören dagegen eher die Handlung. Außer immer neuen Nick-Namen für Fred, die ihn ärgern, erfährt der Hörer nicht viel.

Die Mischung aus Schulstress, Freundschaft und spannendem Abenteuer ist sehr gelungen und meine Kinder sind schon gespannt, wie es mit den Finstersteins weitergeht.

Veröffentlicht am 19.09.2016

Zen - mal ganz anders

Herr Yamashiro bevorzugt Kartoffeln
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Nach langen Jahren der Ausbildung in Japan kehrt 1988 Ernst Liesgang zurück nach Norddeutschland. Sein Ziel ist es, einen Original Anagama-Holzbrandofen zu bauen, um die japanische Keramikkunst auszuüben. ...

Nach langen Jahren der Ausbildung in Japan kehrt 1988 Ernst Liesgang zurück nach Norddeutschland. Sein Ziel ist es, einen Original Anagama-Holzbrandofen zu bauen, um die japanische Keramikkunst auszuüben. Ofenbaumeister Yamashiro hilft ihm das Vorhaben nach traditionellem Regelwerk in Angriff zu nehmen. Doch deutsches Baurecht und japanische Tradition passen nicht immer zusammen und so wird der Bau zu einer besonderen Herausforderung der Kulturen.

Bevor ich den Roman gelesen habe, hatte ich keinerlei Kenntnis über Anagama-Keramiken und die daraus resultierende Flugascheglasur. Diese alte traditionelle Kunst des Brennens bringt der Roman sehr gut zur Geltung. Dabei gelingt Christoph Peters der Spagat zwischen Wissensvermittlung und charmantem Humor, Zen-Poesie und Wirtshaus-Präsenz. Das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Ansichten ist sehr glaubwürdig beschrieben.

"Sind wir aber unseren Handlungen gegenüber erst einmal ohne Respekt, werden wir bald überhaupt keine Achtung vor uns selber mehr haben. Denn lange bevor wir mit unserem Denken zu dieser oder jener Überzeugung gelangen oder Gedankentürme errichten, sind wir die Bewegungen unserer Hände und Füße."

Die eigentliche Überraschung ist allerdings der Held des Romans: der japanische Ofen. Alles dreht sich um sein Entstehen, das Werden und am Ende seine Erweckung zum Leben.

Besonders charmanten Humor besitzen die Szenen in denen der ehrenwerte Ofenbaumeister Yamashiro seinen Auftritt hat. Angereist mit einem eigenen Team, das für sein leibliches Wohl sorgt, wird er mit allem nötigen Respekt behandelt. Bis die nachbarliche Gaststättenbetreibin feststellt, dass dem Mann eine ordentliche Mahlzeit fehlt. Sehr zum Verdruss der eigenen Köchin begeistert sich Herr Yamashiro für Mettbrötchen und Schnitzel.

"Herr Yamashiro hatte schon zugegriffen, furchtlos hineingebissen und nach ersten Kaubewegungen begann er abwechselnd zu lachen und zu nicken, hob immer wieder den Daumen und sagte:'Oishi'!"

Eingefahrene Vorstellungen beider Seiten werden ad absurdum geführt. Für mich eine Wochenend-Wohlfühlroman!

Veröffentlicht am 16.09.2016

Freundschaft - ein ganzes Leben lang

Meine geniale Freundin
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Verschwunden, nach 60 Jahren Freundschaft bleibt Elena nicht einmal ein Erinnerungsstück von ihrer besten Freundin Lila. So als hätte es sie niemals gegeben. Doch so leicht lässt Elena Lila nicht entkommen. ...

Verschwunden, nach 60 Jahren Freundschaft bleibt Elena nicht einmal ein Erinnerungsstück von ihrer besten Freundin Lila. So als hätte es sie niemals gegeben. Doch so leicht lässt Elena Lila nicht entkommen. Sie schreibt ihre gemeinsame Zeit auf, lässt die Jahrzehnte andauernde Freundschaft wieder aufleben und hält Lila so für immer in ihren Gedanken fest. Rückblickend erinnert sie sich an ihre Kindheit und Jugend in Neapel der 50er Jahre, an das ärmliche Stadtviertel mit all seinen Bewohnern und die Träume zweier kleiner Mädchen auf eine bessere Welt.

Elena Ferrante entführt den Leser in ein kleines ärmliches Stadtviertel, Rione, genannt. Hier, in Neapel der 50er Jahre, wachsen die Schustertochter Raffaella Cerullo, genannt Lila und die Tochter eines Pförtners, Elena Greco, auf. Durch den einfühlsamen und trotzdem sehr starken Schreibstil wird man direkt in die Gassen des Viertels katapultiert. Man hört die seit Generationen zerstrittenen Familien miteinander zetern, sieht die Hausfrauen hinter geschlossenen Türen tuscheln und die Testosteron gewichtigen Solares-Brüder mit ihrem Fiat Millecento ihr Revier markieren. Zwischen all den Beschimpfungen, der Armut, Gewalt und dem vorherrschenden Patriarchat finden sich zwei Mädchen, die unterschiedlicher nicht sein könnten und kämpfen mit ihren Mitteln gegen ihr vorbestimmtes Leben an.

Zu Beginn werden die handelnden Personen aufgeführt, was auch dringend nötig ist, denn man begegnet ihnen allen auf einmal und muss sich im RIONE erst einmal zurechtfinden.

Gefesselt vom Einstieg, in der Erzählerin Elena Greco vom Kennenlernen der Mädchen im Jahr 1950 erzählt, wurde ich von der andauernden Langsamkeit der Erzählung überrascht. Fast schon minutiös wird die Schulzeit und das Leben im Viertel wiedergegeben.

Mit Beginn der Pubertät verändert sich der Erzählstil, wird vielschichtiger, lebendiger. Die Freundschaft wird auf eine harte Probe gestellt, als Lila nicht weiter zur Schule gehen darf, obwohl sie die Klassenbeste ist.

Elena: "Ich widmete mich dem Lernen und vielen anderen schwierigen Dingen, die mir fernlagen, nur um mit diesem schrecklichen, strahlenden Mädchen Schritt halten zu können."

Durch Elenas Sicht erfährt man, was Freundschaft im wirklichen Leben bedeutet. Sie besteht auch aus Konkurrenz, Neid, Bewunderung, Selbstzweifeln, Stärke und Angst.

"Es gibt keine Gesten, keine Worte, keine Seufzer, die nicht die Summe aller Verbrechen in sich bergen, die die Menschen begangen haben und begehen."

Am Ende überrascht Lila nicht nur ihre Freundin mit einer für sie völlig unerwarteten Entscheidung für ihr zukünftiges Leben. Sie, die bisher gegen alle geltenden Regeln angekämpft hat, scheint sich mit dem vorbestimmten Leben arrangiert zu haben.

Aber wer ist Raffaella Cerullo wirklich, hat Elena sie so in Erinnerung, wie sie gewesen ist? Im nächsten Band hoffe ich es zu erfahren.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Liebe hat viele Facetten

Das Leuchten meiner Welt
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Das Leben der zehnjährigen Irenie gerät aus den Fugen, als ihre Mutter Yasmeen plötzlich verschwindet. Ihr Vater James gibt ihr keine Erklärung und auch ihre Verwandten in Pakistan schweigen. Fünf Jahre ...

Das Leben der zehnjährigen Irenie gerät aus den Fugen, als ihre Mutter Yasmeen plötzlich verschwindet. Ihr Vater James gibt ihr keine Erklärung und auch ihre Verwandten in Pakistan schweigen. Fünf Jahre später offenbart eine Kiste voller Briefe ein Geheimnis, das für immer verborgen bleiben sollte. Irenie erinnert sich an Ereignisse und setzt Puzzlesteine zusammen, um ihrer Mutter wieder ein Stück näher zu kommen.

Sophia Khan zeichnet eine Familiengeschichte, die nachdenklich stimmt. Nachdem Yasmeen Mann und Tochter verlassen hat, versuchen sie ihr Leben zu organisieren. Beide trauern und sind einsam, finden aber keinen gemeinsamen Weg.
Leise, aber eindringlich lässt die Autorin Vater und Tochter abwechselnd zu Wort kommen. Die Rückblenden helfen, die Protagonisten mit all ihren verletzten Gefühlen und den daraus resultierenden Missverständnissen zu verstehen. Ein wichtiger Punkt ist die Verbindung zweier unterschiedlicher Kulturen (Amerika und Pakistan), die andere Werte und sittliche Vorstellungen haben.

Irenies Kindheit ist geprägt von den Stimmungsschwankungen ihrer Mutter. Mal die beste Freundin, dann wieder ein hilfloses Wesen, das durch die sechsjährige Tochter gestützt werden muss. Doch vielmehr noch Irenies Lebensmittelpunkt, der plötzlich verschwindet.
Erst fünf Jahre später findet Irenie Briefe, die ihr helfen, ihre Mutter wirklich kennenzulernen. In ihr nicht nur die Mutter, sondern auch die junge Frau zu finden, die heimlich einen Freund in Pakistan hat und die zwischen Liebe, Verantwortung und Selbstzweifeln zerbricht.

"Jeder Brief zeugt von dem Versuch, die Fehltritte des anderen zu übertreffen, solange, bis sich ein Fehltritt nicht mehr rückgängig machen ließ und ihre Trennung schließlich ihr Leben wurde.“

Das gespannte Verhältnis zwischen Vater und Tochter wird gekonnt skizziert. James hatte nie die Chance eine enge Beziehung aufzubauen. Er fühlt sich ausgeschlossen. Irenie versucht ihre Mutter zu ersetzen. Sie lernt alle pakistanischen Gerichte aus dem Kochbuch ihrer Mutter zu kochen. Hält den Haushalt in Ordnung, aber bleibt für den Vater fremd. Eine Aussprache findet nicht statt und Gefühle werden von beiden verborgen.

Erst die Reise von Irenie nach Islamabad zur Familie ihrer Mutter bringt die Veränderung, die James dazu zwingt, sich seinen Ängsten und seiner Tochter zu stellen.

Am Ende bleibt die Frage, wann der richtige Zeitpunkt ist, um einem Kind die Wahrheit zu sagen und was passiert, wenn man diesen Zeitpunkt verpasst hat.

Es hat eine Weile gedauert, bis ich mich mit dem Schreibstil und der Geschichte anfreunden konnte. Dieser Roman ist nicht aufregend oder fesselnd, sondern besticht durch kleine besondere Momente.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Jeder findet hier seine eigene Insel

Septembermeer
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Eine Buchhandlung auf einer Ostseeinsel soll für Svea und ihren Mann David ein Neuanfang sein. Doch schon die Fahrt mit dem Segelboot dorthin bleibt nicht ohne Folgen. Von den Einheimischen nicht gerade ...

Eine Buchhandlung auf einer Ostseeinsel soll für Svea und ihren Mann David ein Neuanfang sein. Doch schon die Fahrt mit dem Segelboot dorthin bleibt nicht ohne Folgen. Von den Einheimischen nicht gerade begeistert aufgenommen, fällt der Start schwer und schnell zeigen sich erste Brüche in ihrer Beziehung. Die Insel hat ihren eigenen Rhythmus, an den sich alle mehr oder weniger angepasst haben.

Gabriela Jaskulla hat eine Hommage ans Meer, an eine Insel, an die Abgeschiedenheit geschrieben. Von dem Klappentext sollte man sich nicht in die Irre führen lassen, denn dieser wird diesem poetisch leisem Schreibstil nicht gerecht.

"Die Nacht kam in Fetzen auf der Insel an, als hätte einem, der sie malte, die Farbe nicht gereicht."

Man findet sich auf einer fiktiven Insel wieder, die jeder Leser sich durch die eindrucksvoll emotionalen Beschreibungen selbst erschaffen kann.

"Stiftsdorf, ein feiner Faden, der sich vom Dornbusch bis hinab auf den Inselgrund abspult, ein Dorf, das sich anschmiegt, das der Wellenbewegung der Insel folgt, das nachgibt, das die Zeiten mitmacht, das aber dennoch Beharren kennt und letztlich sogar: ein Bleiben. Das einzige Dorf der Insel, dem man Geschichte ansieht, und doch bleibt es schwerelos und hell, auch im Traum."

Mit der Handlung habe ich mich ein wenig schwergetan. Protagonistin Svea blieb für mich farblos, unsympathisch. Ihr Verhalten war schwer nachvollziehbar. Leichter fiel es mir David zu begleiten, der auf der Suche nach Fotomotiven langsam die Insel und deren Einwohner verstehen lernt.

Für mich ging es auch weniger um die Handlung als um die Charaktere. Die vermeintliche Idylle trügt, denn hier hat jeder seine Probleme und Geheimnisse. Besonders geheimnisvoll erscheint der Rabenmann, der immer wieder auftaucht und den doch keiner kennt.

Mein Favorit ist aber Madsen, der ruhige Hausmeister, der sich leise immer weiter in den Vordergrund bringt. Er scheint mehr als alle anderen für den Charakter der Insel zu stehen.

Am Ende ist es wieder das Wetter, das einen Wechsel herbeiführt. Ein Wintersturm mit einem Gewitter, dass alle Insulaner durchschüttelt, aufrüttelt.