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Veröffentlicht am 14.05.2019

„Teufelsbrut“ - Wenn ungewollt Schwangere verstoßen, missachtet und misshandelt werden

Das Haus der Verlassenen
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„Das Haus der Verlassenen“ (englischer Titel: The girl in the letter) ist der im März 2019 im Heyne Verlag erschienene Debutroman der englischen Autorin und Drehbuchschreiberin Emily Gunnis.
…. „Teufelsbrut“, ...

„Das Haus der Verlassenen“ (englischer Titel: The girl in the letter) ist der im März 2019 im Heyne Verlag erschienene Debutroman der englischen Autorin und Drehbuchschreiberin Emily Gunnis.
…. „Teufelsbrut“, ja so werden die unehelich und außerehelich geborenen Babys von den Nonnen im Mutter-Kind-Heim St. Margaret's genannt!...
Sussex, 1956: Die junge Ivy Jenkins wird von ihrer großen Liebe, einem angehenden Fußballstar schwanger. Es ist eine Schande! Und so schickt sie ihr kaltherziger Stiefvater – auch auf Anraten des Hausarztes – ins naheliegende Heim für ledige Mütter, das St. Margaret's. Schlimme, harte Jahre fristet sie dort ihr Dasein. Verlassen wird sie diese Höhle nie mehr.....
Ihr einziger Lichtblick in dieser Hölle ist ein junges, etwa 8-jähriges Mädchen namens Elvira, mit der sie sich anfreundet und zur Flucht aus dem Heim verhilft. Sie soll ein besseres Leben haben als sie und hofft, dass es ihr gelingt, ihre Zwillingsschwester Kelly aufzusuchen, die bei ihrer richtigen Familie wohnen darf. Die Flucht gelingt, aber...
Anfang Februar 2017 entdeckt die junge, alleinerziehende Journalistin Samantha (Sam) in der Wohnung ihrer seit einem Jahr verwitweten Großmutter (Nana) einen herzergreifenden Brief der jungen Ivy, geschrieben an den den Vater (Alistair) des gemeinsamen Kindes. Sam, ist neugierig und will wissen, wie und warum in aller Welt solch ein bewegender Brief im Besitz ihrer Großeltern geraten ist. Der journalistische Ehrgeiz packt sie und so beginnt eine spannende und aufreibende Recherche, die die Aufarbeitung der eigenen Familiengeschichte mit einbezieht, wobei grausige und auch blutige Details, die bis in die Gegenwart reichen ans Licht kommen.
Dieser Roman hat mich gepackt wie es seit langem kein anderer mehr geschafft hat. Von den ersten Sätzen an, die mit einem bewegenden Brief der jungen Ivy an Elvira beginnen, schafft es der Roman die absolute Aufmerksam zu erzielen. Man ist gleich mitten im Geschehen und kommt gar nicht mehr raus; ein hundertprozentiger rasanter Pageturner!
Schon allein das Cover-Bild hat mich richtig in den Bann gezogen!
Beim Cover bekommt der Name „Einband“ eine richtige Bedeutung, da das Umschlagbild sich vom Frontdeckel über den Buchrücken bis Rückdeckel erstreckt. Das gezeichnete Bild kommt mit seinen farblich abgestimmten Feinheiten schon einem Kunstwerk gleich. Man kann sich in dem Bild mit dem verlassenen Anwesen – welches das St. Margaret's-Heim darstellen soll - , eingegrenzt von einem schmiedeeisernen Zaun, richtig verlieren. So waren wohl auch die vielen ungewollt schwangeren, meist junge Frauen teils auch junge Teenager, in dem Haus verloren.
Der fiktive Roman, der der Kategorie „Romane und Erzählungen“ zugeordnet ist, ist meines Erachtens aber ein gelungenes Beispiel, genreübergreifend zu arbeiten:
Die historische Komponente kommt nicht zu kurz. So geht es in der Geschichte um die Darstellung und Aufarbeitung eines düsteren Kapitels des 20. Jahrhundert, die Magdalenenheime. Dies waren Mutter-Kind-Heime (meistens religiöse Träger), in die ungewollt Schwangere von ihren Familien abgeschoben wurden, um dort ihr Kind auf die Welt zu bringen, welches dann oftmals auf Druck der Familie, Ärzte und Sozialarbeiter zur Adoption freigegeben werden mussten. Die jungen Mütter waren in den Einrichtungen sämtlichen Schikanen ausgesetzt und wurden mit extremer Verachtung behandelt. Außerdem wird angedeutet, dass an vielen jüngeren Kindern, die z.B. aufgrund einer leichten Behinderung nicht adoptiert wurden, Medikamentenversuche durchgeführt wurden.
Des weiteren hat der Roman Züge eines Krimis (wenn nicht sogar Thrillers). Im Laufe der Erzählung stellt sich heraus, dass viele Menschen, die in den Briefen von Ivy an Alistair erwähnt wurden, auf mysteriöse Art und Weise in den letzten – etwa - 50 Jahren ums Leben gekommen sind. Aufgeklärt wurden diese Todesfälle damals nicht. Auch diesen düsteren Ereignissen forscht Sam mit Hilfe ihres Kollegen Fred nach. Aber sie hat nicht viel Zeit, denn das Geheimnis der Vergangenheit befindet sich im zum Abriss freigegebenen Heim St. Margaret's. Sam bleiben nur zwei Tage!
Man kann in dem Roman ebenfalls einen kleinen Frauen- und Liebesroman sehen, geht es doch um die vielen jungen Frauen, die in den Heimen ein hartes, unwürdiges Dasein fristeten. Es war ja kein Leben. Jeder Tag war ein Kampf ums Überleben. Seelische Grausamkeiten waren an der Tagesordnung, so durften sie nicht ihre Babys sehen und mussten immer das klägliche Schreien der Neugeborenen, die keine Geborgenheit erfahren haben, mit anhören. Ja, und wenn sich die Frauen nicht an die strengen Regeln der Einrichtung hielten, drohte man ihnen, dass man ihren Babys nichts mehr zu essen geben würde. Eine solches unmenschliches Verhalten ist unvorstellbar.
Und wenn man sich die zarten Annäherungsversuche von Fred und Sam anschaut, dann sieht man ebenfalls eine kleine Beziehungsgeschichte.
Der Roman hat grob zwei Zeitebenen – also Gegenwart und Vergangenheit. Während die Gegenwart sich an zwei Tagen im Februar 2017 abspielt, spielt die Vergangenheit von September 1956 bis ca. Dezember 1999.
Der Wechsel zwischen den Zeiten ist spannend aufgezogen. Werden in der Gegenwart Überlegungen/Andeutungen über vergangene Gegebenheiten genannt, wird im Folgekapitel, das immer ein konkretes in der Vergangenheit liegendes Datum nennt, das tatsächliche Geschehen oftmals atemberaubend und Gänshaut erzielend dargestellt. So erarbeitet man sich sich – wie es die Journalistin Sam auch tut – peu à peu an die grausame Wahrheit, die sich hinter den Mauern des Heimes abgespielt hat bzw. an die mit den Machenschaften der verschiedensten internen und externen involvierten Personen, heran. Es ist wie ein Puzzle und man macht sich selber wie ein Detektiv Gedanken, welche Überraschungen der Roman als nächstes auf Lager hat. Man ist somit nicht nur passiver sondern auch aktiver Leser. Und genau dieses ständige Grübeln und die gelegentliche Bestätigung mit seiner Vermutung richtig gelegen zu haben, macht das Lesen zu einem wahren Erlebnis. Ich habe nicht immer richtig gelegen, und somit sind diese überraschenden Wendungen ein große „Wow-Effekt“.
Mir hat das Buch extrem gut gefallen. Es hat einen flüssigen, gut zu lesenden Schreibstil und ist spannend von vorne bis hinten. Ich hatte keine Durststrecke und auch nicht das Gefühl, dass die Story in die Länge gezogen wird. Die Charaktere sind gut und authentisch herausgearbeitet und man kann sich gut in sämtliche Protagonisten hineinversetzen. Die Darstellung dieser Mutter-Kind-Heime und wie die Nonnen die in ihrer Obhut befindenden Frauen behandeln – bzw. misshandeln – ist ergreifend und extrem fesselnd dargestellt. Emily Gunnis hat es geschafft mit kriminalistischen Spürsinn ein sensibles und dunkles Thema der nahen Vergangenheit aufzugreifen und anhand der erfundenen Familiengeschichte Ivys darzustellen.
Es ist eine an die Nieren gehende und zu Tränen rührende Geschichte, die noch lange nachhallen wird und von mir die allerhöchste Leseempfehlung erhält. ✶✶✶✶✶
„Das Haus der Verlassenen“ (englischer Titel: The girl in the letter) ist der im März 2019 im Heyne Verlag erschienene Debutroman der englischen Autorin und Drehbuchschreiberin Emily Gunnis.
…. „Teufelsbrut“, ja so werden die unehelich und außerehelich geborenen Babys von den Nonnen im Mutter-Kind-Heim St. Margaret's genannt!...
Sussex, 1956: Die junge Ivy Jenkins wird von ihrer großen Liebe, einem angehenden Fußballstar schwanger. Es ist eine Schande! Und so schickt sie ihr kaltherziger Stiefvater – auch auf Anraten des Hausarztes – ins naheliegende Heim für ledige Mütter, das St. Margaret's. Schlimme, harte Jahre fristet sie dort ihr Dasein. Verlassen wird sie diese Höhle nie mehr.....
Ihr einziger Lichtblick in dieser Hölle ist ein junges, etwa 8-jähriges Mädchen namens Elvira, mit der sie sich anfreundet und zur Flucht aus dem Heim verhilft. Sie soll ein besseres Leben haben als sie und hofft, dass es ihr gelingt, ihre Zwillingsschwester Kelly aufzusuchen, die bei ihrer richtigen Familie wohnen darf. Die Flucht gelingt, aber...
Anfang Februar 2017 entdeckt die junge, alleinerziehende Journalistin Samantha (Sam) in der Wohnung ihrer seit einem Jahr verwitweten Großmutter (Nana) einen herzergreifenden Brief der jungen Ivy, geschrieben an den den Vater (Alistair) des gemeinsamen Kindes. Sam, ist neugierig und will wissen, wie und warum in aller Welt solch ein bewegender Brief im Besitz ihrer Großeltern geraten ist. Der journalistische Ehrgeiz packt sie und so beginnt eine spannende und aufreibende Recherche, die die Aufarbeitung der eigenen Familiengeschichte mit einbezieht, wobei grausige und auch blutige Details, die bis in die Gegenwart reichen ans Licht kommen.
Dieser Roman hat mich gepackt wie es seit langem kein anderer mehr geschafft hat. Von den ersten Sätzen an, die mit einem bewegenden Brief der jungen Ivy an Elvira beginnen, schafft es der Roman die absolute Aufmerksam zu erzielen. Man ist gleich mitten im Geschehen und kommt gar nicht mehr raus; ein hundertprozentiger rasanter Pageturner!
Schon allein das Cover-Bild hat mich richtig in den Bann gezogen!
Beim Cover bekommt der Name „Einband“ eine richtige Bedeutung, da das Umschlagbild sich vom Frontdeckel über den Buchrücken bis Rückdeckel erstreckt. Das gezeichnete Bild kommt mit seinen farblich abgestimmten Feinheiten schon einem Kunstwerk gleich. Man kann sich in dem Bild mit dem verlassenen Anwesen – welches das St. Margaret's-Heim darstellen soll - , eingegrenzt von einem schmiedeeisernen Zaun, richtig verlieren. So waren wohl auch die vielen ungewollt schwangeren, meist junge Frauen teils auch junge Teenager, in dem Haus verloren.
Der fiktive Roman, der der Kategorie „Romane und Erzählungen“ zugeordnet ist, ist meines Erachtens aber ein gelungenes Beispiel, genreübergreifend zu arbeiten:
Die historische Komponente kommt nicht zu kurz. So geht es in der Geschichte um die Darstellung und Aufarbeitung eines düsteren Kapitels des 20. Jahrhundert, die Magdalenenheime. Dies waren Mutter-Kind-Heime (meistens religiöse Träger), in die ungewollt Schwangere von ihren Familien abgeschoben wurden, um dort ihr Kind auf die Welt zu bringen, welches dann oftmals auf Druck der Familie, Ärzte und Sozialarbeiter zur Adoption freigegeben werden mussten. Die jungen Mütter waren in den Einrichtungen sämtlichen Schikanen ausgesetzt und wurden mit extremer Verachtung behandelt. Außerdem wird angedeutet, dass an vielen jüngeren Kindern, die z.B. aufgrund einer leichten Behinderung nicht adoptiert wurden, Medikamentenversuche durchgeführt wurden.
Des weiteren hat der Roman Züge eines Krimis (wenn nicht sogar Thrillers). Im Laufe der Erzählung stellt sich heraus, dass viele Menschen, die in den Briefen von Ivy an Alistair erwähnt wurden, auf mysteriöse Art und Weise in den letzten – etwa - 50 Jahren ums Leben gekommen sind. Aufgeklärt wurden diese Todesfälle damals nicht. Auch diesen düsteren Ereignissen forscht Sam mit Hilfe ihres Kollegen Fred nach. Aber sie hat nicht viel Zeit, denn das Geheimnis der Vergangenheit befindet sich im zum Abriss freigegebenen Heim St. Margaret's. Sam bleiben nur zwei Tage!
Man kann in dem Roman ebenfalls einen kleinen Frauen- und Liebesroman sehen, geht es doch um die vielen jungen Frauen, die in den Heimen ein hartes, unwürdiges Dasein fristeten. Es war ja kein Leben. Jeder Tag war ein Kampf ums Überleben. Seelische Grausamkeiten waren an der Tagesordnung, so durften sie nicht ihre Babys sehen und mussten immer das klägliche Schreien der Neugeborenen, die keine Geborgenheit erfahren haben, mit anhören. Ja, und wenn sich die Frauen nicht an die strengen Regeln der Einrichtung hielten, drohte man ihnen, dass man ihren Babys nichts mehr zu essen geben würde. Eine solches unmenschliches Verhalten ist unvorstellbar.
Und wenn man sich die zarten Annäherungsversuche von Fred und Sam anschaut, dann sieht man ebenfalls eine kleine Beziehungsgeschichte.
Der Roman hat grob zwei Zeitebenen – also Gegenwart und Vergangenheit. Während die Gegenwart sich an zwei Tagen im Februar 2017 abspielt, spielt die Vergangenheit von September 1956 bis ca. Dezember 1999.
Der Wechsel zwischen den Zeiten ist spannend aufgezogen. Werden in der Gegenwart Überlegungen/Andeutungen über vergangene Gegebenheiten genannt, wird im Folgekapitel, das immer ein konkretes in der Vergangenheit liegendes Datum nennt, das tatsächliche Geschehen oftmals atemberaubend und Gänshaut erzielend dargestellt. So erarbeitet man sich sich – wie es die Journalistin Sam auch tut – peu à peu an die grausame Wahrheit, die sich hinter den Mauern des Heimes abgespielt hat bzw. an die mit den Machenschaften der verschiedensten internen und externen involvierten Personen, heran. Es ist wie ein Puzzle und man macht sich selber wie ein Detektiv Gedanken, welche Überraschungen der Roman als nächstes auf Lager hat. Man ist somit nicht nur passiver sondern auch aktiver Leser. Und genau dieses ständige Grübeln und die gelegentliche Bestätigung mit seiner Vermutung richtig gelegen zu haben, macht das Lesen zu einem wahren Erlebnis. Ich habe nicht immer richtig gelegen, und somit sind diese überraschenden Wendungen ein große „Wow-Effekt“.
Mir hat das Buch extrem gut gefallen. Es hat einen flüssigen, gut zu lesenden Schreibstil und ist spannend von vorne bis hinten. Ich hatte keine Durststrecke und auch nicht das Gefühl, dass die Story in die Länge gezogen wird. Die Charaktere sind gut und authentisch herausgearbeitet und man kann sich gut in sämtliche Protagonisten hineinversetzen. Die Darstellung dieser Mutter-Kind-Heime und wie die Nonnen die in ihrer Obhut befindenden Frauen behandeln – bzw. misshandeln – ist ergreifend und extrem fesselnd dargestellt. Emily Gunnis hat es geschafft mit kriminalistischen Spürsinn ein sensibles und dunkles Thema der nahen Vergangenheit aufzugreifen und anhand der erfundenen Familiengeschichte Ivys darzustellen.
Es ist eine an die Nieren gehende und zu Tränen rührende Geschichte, die noch lange nachhallen wird und von mir die allerhöchste Leseempfehlung erhält. ✶✶✶✶✶

Veröffentlicht am 01.05.2019

Freundschaft: Sucht und Suche

Dschungel
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Der Debütroman von Friedemann Karig ist ein gelungener Abenteuerroman über eine außergewöhnliche Freundschaft.
Felix, aufgeschlossen und kontaktfreudig, der schon immer die Gefahr und das Extreme sucht ...

Der Debütroman von Friedemann Karig ist ein gelungener Abenteuerroman über eine außergewöhnliche Freundschaft.
Felix, aufgeschlossen und kontaktfreudig, der schon immer die Gefahr und das Extreme sucht und braucht, kommt von einer spontanen Reise nach Kambodscha nicht zurück. Weder seine Mutter noch sein bester Freund erhalten eine Nachricht. In Sorge um ihren Sohn bittet Dorothea Julius (den Erzähler), ihren Sohn zu finden, denn nur er, Felix' bester Freund, wird ihn finden können, wird herausfinden, warum er Deutschland den Rücken gekehrt hat. Und so reist Julius spontan – die Reisekosten übernimmt Dorothea, seine Freundin Lea ist halbwegs einverstanden – nach Kambodscha und beginnt, mit einem Foto von Felix auf dem Smartphone, die lange Suche: „Have you seen this guy?“

Bereits die ersten Sätze im Roman sind so packend, weil man sich gleich mitten im Geschehen einer mutigen Ferienaktion zweier 15-jährigen Jungen befindet. Sie stehen am Rand einer Klippe, einer 70 m hohen, senkrechten Felswand, „einen Schritt vom Tod entfernt“ (S.11). Was wollen die da? Und ab hat mich das Buch nicht mehr losgelassen!

Der Roman spielt im Jahr 2018 und ist in der Ich-Perspektive des Erzählers geschrieben. Der Schreibstil ist flüssig, jung und packend. Es ist aber keine Geschichte, die man mal so nebenbei liest; sie erfordert aufgrund vieler philosophischer Textpassagen und zum Nachdenken anregender Äußerungen, ein gewisses Maß an Konzentration. (Der Vorteil beim Buch ist hier, dass man die Lesegeschwindigkeit anpassen kann oder den ein oder anderen Satz erneut lesen kann.)
Das ist für mich auch ein großer Pluspunkt im Roman, da nicht nur allein die Handlung die Geschichte bestimmt, es sind ebenso die sprachlichen Raffinessen und die Kunst, mit Worten zu spielen, die die Geschichte lebendig machen.

Mir gefällt unwahrscheinlich gut, dass der Roman mit zwei Zeitebenen aufgebaut ist. Man pendelt immer zwischen Vergangenheit und Gegenwart. In der Vergangenheit erfahren wir, dass z.B. die besondere Freundschaft der beiden Protagonisten mit einem Faustschlag ins Gesicht beginnt, als sie sieben Jahre waren. Anschließend sieht man das Gespann in Zwei-Jahres-Zeitsprüngen die verschiedensten Dinge erleben: Mutproben, verrückte Ideen aushecken, heimliches Rauchen, Mädchengeschichten etc. In der Gegenwart begleitet man den Erzähler auf seinem durchaus nicht ungefährlichen, sonderbaren und teils extravaganten individuellen Tripp durch Kambodscha, auf dem er ungewöhnlichen Individualisten (in Hostels und einer Aussteiger-Kommune) begegnet, die ihm häppchenweise Hinweise auf das Verbleiben und Reisen von Felix servieren. Es ist beeindruckend, was der Erzähler alles in Kauf nimmt, nur um Felix auf den Fersen zu bleiben. Er will nicht einfach nur „suchen“. Er will Felix „finden“. Der Plan, der Wunsch, wird zu einer richtigen Obsession, bei der er sich selbst, aber aber auch sein „Zuhause“ vergisst. Es ist schon der helle Wahnsinn, wie weit er geht, um quasi weiterzukommen. Begleitet und getragen wird der suchende Erzähler auch immer von verschiedensten Liedern (Popsongs, Schlager, Filmliedern), die ihm immer passend zur Situation in den Kopf und über die Lippen kommen aber auch sonst so passend zur Handlungssituation auftauchen. Und immer wieder ist und hört er Felix in seinem Kopf.
Beim Lesen kommt man sich vor, als wäre man selbst in den Strudel der unermüdlichen Suche nach dem Besonderen der Freundschaft und der Rettung dieser geraten, da man sich - mit dem Wissen über die Vergangenheit der beiden - die Frage stellt: Was ist das für eine Freundschaft, wodurch wird sie geprägt? Hat sie eine Zukunft?

Der Hinweis, dass es sich hier um einen 'neu-erfundenen Reiseroman' handelt, ist eher irritierend und mag Enttäuschungen und Verwirrungen hervorrufen. Für mich ist es eher ein spezieller Roadtrip durch ein unbekanntes Land und deren Geschichte, aber ebenso eine Reise zu sich selbst und eine Auseinandersetzung mit dem eigenen 'Ich' der Vergangenheit und der Gegenwart.
Mich hat lange nicht mehr ein Roman so packen und fesseln können wie dieser hier. Die Haupt-Protagonisten sind authentisch ausgearbeitet und die besondere Freundschaft der beiden, wie der Erzähler fühlt und denkt, konnte ich sehr gut nachvollziehen.

Ich gebe 5 Sterne (- da leider nicht mehr auf der Skala zur Verfügung stehen).

Veröffentlicht am 08.03.2019

Eine spannende Geschichte zur aktuellen Wolfsproblematik in Deutschland

Ruf der Wölfe (Band 1)
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Der Wolf ist zurück – Unheil oder Glück?!

Es ist kurz vor Weihnachten. Jan soll bei den Vorbereitungen für die Geburtstagsfeier seiner Schwester eine Schnitzeljagd organisieren und beschließt, Süßigkeiten ...

Der Wolf ist zurück – Unheil oder Glück?!

Es ist kurz vor Weihnachten. Jan soll bei den Vorbereitungen für die Geburtstagsfeier seiner Schwester eine Schnitzeljagd organisieren und beschließt, Süßigkeiten im Wald zu verstecken. Als er am Abend in den Wald geht, begegnet er einem Wolf. Fast Auge in Auge stehen sie sich gegenüber! Jan brüllt, und der Wolf sucht das Weite. Am nächsten Tag ist Jan der Mittelpunkt der Schule und des Dorfes. Die meisten Bewohner sind sich einig: Der Wolf muss weg! Er ist eine Gefahr! Und als Hühner eines Bauern gerissen werden, ist für die Bewohner klar, dass der Schuldige nur der Wolf sein kann. Sie wollen das Problem selber lösen und organisieren eine Treibjagd, um den Wolf zu beseitigen.
Doch Jans Klassenkameradin Clara kann Jan überzeugen, dass Wölfe keine reißenden Bestien sind, sondern dass Wölfe seltene, schützenswerte Wildtiere sind. Gemeinsam wenden sie sich an einen Ansprechpartner, der mit einem Ministerium zusammenarbeitet, das sich für den Schutz des Wolfes einsetzt. Aber die Zeit drängt. Es steht für den Wolf Spitz auf Knopf! Jan beschließt, den Wolf zu retten und zieht alleine bei eisigen, winterlichen Temperaturen in den Wald. Hierbei begibt er sich in eine äußerst gefährliche Situation, die tödlich für ihn hätte enden können.

Dieses spannende und lehrreiche Kinderbuch ist absolut lesenswert, da es ein zur Zeit vieldiskutiertes Thema zur Sprache bring: Die Rückkehr des Wolfes!
Im Buch werden beide Positionen – Wolfs-Gegner und -Befürworter – gut dargestellt. Jedoch wird in der Geschichte mehr auf die Seite der Wolfs-Freunde eingegangen und klar veranschaulicht, dass der Wolf nicht das in unseren Köpfen – durch Märchen - manifestierte Monster ist.

Dieser Roman ist einem flüssigen, gut verständlichen und zudem packenden Schreibstil verfasst, man kommt schnell in die Geschichte rein. Es ist einfach, sich mit den Protagonisten zu identifizieren. Im letzten Drittel, beim Wettlauf gegen die Zeit, als es um das Aufspüren des Wolfes geht, nimmt die Geschichte so richtig Fahrt auf. Die Erzählung ist so rasant und fesselnd, da mag man das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen, so wird mitgefiebert.
Bemerkenswert ist auch, dass selbst in der Geschichte, durch Dialoge der Protagonisten, wissenswerte Informationen zum Thema Umwelt-/Wolfsschutz einfließen.

Im Anschluss an die Geschichte ist ein mehrseitiger, leicht verständlicher wissenschaftlicher Sachteil zum Thema „Wolf“ angefügt.
Ich kann das Buch nur empfehlen, da neben dem Punkt „Wolf retten“ auch aufgezeigt wird, dass man gemeinsam stark ist und gemeinsam etwas bewirken kann. Und wer wagt – der gewinnt. Und Jan gewinnt nebenbei ein tolle Freundin.

Veröffentlicht am 25.02.2019

In der Liebe kann man nicht scheitern; Liebe ist immer ein Erfolg!

Liebende
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Eine fabelhafte, tiefsinnige, herzergreifende Geschichte, die einen über das Wesen und den Wert der Liebe nachdenken lässt.

In dieser poetischen Liebesgeschichte geht es um die beiden Windspielfische ...

Eine fabelhafte, tiefsinnige, herzergreifende Geschichte, die einen über das Wesen und den Wert der Liebe nachdenken lässt.

In dieser poetischen Liebesgeschichte geht es um die beiden Windspielfische Blauperlenauge und Schwarzperlenauge, die in einem buddhistischen Tempel Insa-dong an Glöckchen hängen, um traurige Menschen, die vorbei kommen zu trösten oder zu erfreuen. Diese beiden Fische verlieben sich in einander und sind ein Herz und eine Seele. Sie fühlen eine tiefe Verbundenheit. Im Laufe der Jahre kehrt aber Routine in ihren Alltag und es wird ruhiger. Blauperlenauge möchte es nicht akzeptieren und ist der Meinung, dass die Liebe seitens Schwarzperlenauge nachgelassen hat. Er kann die Ansicht von Schwarzperlenauge, „wenn Liebe neu ist, spricht man viele Worte. Alte Liebe hingegen ereignet sich schweigend“, nicht teilen. So beschließt Blauperlenauge, sich von Schwarzperlenauge zu trennen, um die wahre Liebe zu finden.
Als Blauperlenauge eines Tages von seiner Glocke abreißt, nutzt er die Gelegenheit und begibt sich auf eine lange, gefährliche und begegnungsreiche Abenteuerreise und wird mit der schmerzlichen Erfahrung von Schmerz, Verlust, Tod, Verletzung und Abweisung konfrontiert. Immer wieder entkommt Blauperlenauge knapp seinem eigenen Tod, weil er gerettet wird oder weil sich jemand für ihn vollends einsetzt. So lernt und erfährt er auch: „Die Liebe ist stärker als der Tod. (...) Für die Liebe muss man alles opfern.“ Und ihm wird bewusst gemacht „Lieben musst du jetzt, in diesem Augenblick. Verschieb es nicht auf morgen.“ Bei seiner Reise führt er tiefe Gespräche mit Tieren und Menschen und dabei wird von Mal zu Mal die Wertschätzung seines eigenen Lebens größer und dass die eigene Einstellung ein wesentliches Element ist, sein Leben zufrieden und mit sich im Einklang leben zu können: „Wenn das Denken sich verändert, verändert sich auch das Verhalten, und wenn man sich anders verhält, fühlt das Leben sich anders an.“
Nach der langen Suche nach der Wahren Liebe wird ihm letztendlich bewusst, dass die Wahre Liebe zu Hause ist, dass Schwarzperlenauge sein Ein und Alles, seine Bestimmung ist. Er kehrt zurück zu seinem Tempel Insa-dong, wo Schwarzperlenauge geduldig und voller Liebe all die Jahre auf ihn gewartet hat und ihn mit offenen Herzen wieder empfängt.

Da die Illustrationen bei mir im Ebook nur schwarz-weiß zu sehen sind, habe ich mir die wunderschönen Zeichnungen auf dem Rechner angeschaut. Diese acht Aquarell-Illustrationen von Gisela Goppel sind eine Augenweide und beinhalten einen schönen asiatischen Charme und laden zum Innehalten ein.

Jeong Ho-seung ist einer der bekanntesten Autoren /Dichter in Süd-Korea. Das Buch „Liebende“ ist in Korea bereits im Jahr 2008 erschienen und befindet sich mit über 2 Mio. verkaufter Exemplare mittlerweile in der 32. Auflage.

Mich hat diese poetische, meditative Fabel sehr berührt. Sie hält auf ihren gerade mal 128 Seiten ein Menge von Weisheiten über den Kern der Liebe, das Leben, das Leiden und den Tod parat und man bekommt somit Anregungen, sich mal wieder mit dem Wert und Sinn seines eigenen Lebens auseinanderzusetzen.
Es gibt viele tolle Zitate und Weisheiten im Buch, die lange nachhallen, weil sie im Kopf und tief im Herzen Fuß fassen. Dieses hat mir sehr gut gefallen: „Du musst lernen, wie man Liebe schenkt, Blauperlenauge. Manche Leute können Liebe nur empfangen, wissen aber nicht, wie man sie schenkt. Und wenn das so ist, geht selbst die Liebe verloren, die sie empfangen haben.“
Das Buch ist ein literarisches Juwel, das sich hervorragend als Geburtstags- oder bestimmt auch als Hochzeitsgeschenk anbietet. Wer den „Kleinen Prinzen“ mag, wird auch in „Liebende“ eine Bereicherung finden.

Veröffentlicht am 15.02.2021

Sieben Yoga-Übungen für fünfzehn Minuten Badespaß

Sonnengruß im Badeschaum (Badebuch)
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Nicht nur in der Wanne lesen - sondern auch Körper und Geist durch Yoga in Einklang bringen. Eine tolle Idee!

Wer kennt sie nicht, diese kleinen mit Schaumstoff gepolsterten Kunststoff-Büchlein, die man ...

Nicht nur in der Wanne lesen - sondern auch Körper und Geist durch Yoga in Einklang bringen. Eine tolle Idee!

Wer kennt sie nicht, diese kleinen mit Schaumstoff gepolsterten Kunststoff-Büchlein, die man ein kleines Kind mit in die Badewanne mitgenommen, um sich Tiere oder Autos oder Pflanzen anzuschauen.
Und nun gibt es viele nette Wannenbücher für Erwachsene!
Dieses Wannenbuch ist sogar noch was Besonderes, denn es animiert nicht nur in der Wanne zu liegen….. Nein! Dieses acht Seiten umfassende handliche wasserfeste Büchlein (ca. 12,5 x 12,5 cm, 45 g) lädt ein, sieben abwechslungsreiche Yoga-Übungen während des Badegenusses durchzuführen.
Der Yoga-Lehrer Joachim Becker fasst sich kurz, wenn er anfangs auf wesentliche Elemente des Yoga hinweist. Auch die Übungen sind kurz und knapp und verständlich erläutert. In einer kleinen Einführung erklärt er, woher die Übung kommt und wozu sie gut ist. Dann gibt es eine Anleitung, wie und was man zu machen hat. „Und so geht’s: …“.
Mein Tipp ist allerdings: Bevor man das Buch mit in die Wanne nimmt, erstmal trocken auf der Couch lesen und dann ab ins wohlig-schaumige Nass und viel Spass!
Schade finde ich allerdings, dass kleine Abbildungen zu den Übungen fehlen, dann hätte man die Übung bildlich vor Augen.
Für mich war es jedenfalls - wie es das Buch prophezeit - ein (ent-)spannendes Erlebnis.
So ein Yoga-Buch ist ja auch kein Einmal-Buch; Yoga geht immer wieder mal!
Mir hat es viel Freude bereitet und in meinen Augen ist so ein Wannenbuch eine wunderbare Geschenkidee, ein tolles kleines Mitbringsel, denn mit 5,00 Euro finde ich so eine wertvolle Aufmerksamkeit eine günstige Angelegenheit.
Ich habe jedenfalls bereits einige andere Wannenbücher entdeckt, die mir (und lieben Freunden) viele schöne Wohlfühl-Bäder bereiten werden.
(4,5 Sterne)

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