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Veröffentlicht am 22.05.2019

Hatte mir mehr erwartet

Der weiße Ahorn
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Im Reihenauftakt der Breitenbach-Saga von Mina Baites befinden wir uns im Jahre 1881 in Berlin. Schuhfabrikant Hermann Breitenbach wird von seiner Vergangenheit eingeholt und vom Konkurrenten Meißner ...

Im Reihenauftakt der Breitenbach-Saga von Mina Baites befinden wir uns im Jahre 1881 in Berlin. Schuhfabrikant Hermann Breitenbach wird von seiner Vergangenheit eingeholt und vom Konkurrenten Meißner erpresst. Dieser schreckt vor nichts zurück, denn sein Ziel ist es, die gesamte Schuhfabrikation der Breitenbachs zu übernehmen. Während der älteste Sohn, Theodor, seinem Vater zur Seite steht und früher oder später die Produktion übernehmen muss, soll sein Bruder Georg ein zweites Standbein - eine Tochterfirma - in Amerika aufbauen. Gemeinsam mit seiner Schwester Rosa und dem langjährigen Mitwarbeiter Wendelin brechen die drei nach Amerika auf, wo ihre Tante Fanny in Colorado ein Häuschen besitzt. Während Georg die Tochterfirma aufbauen möchte, träumt Rosa von einer Schule für Kinder aller Rassen und Religionen. Die anstrengende und abenteuerliche Überfahrt ist erst der Anfang, denn nachdem die Drei im "gelobten Land Amerika" angekommen sind, warten nicht nur viele Strapazen und Probleme, sondern vorallem für Georg, eine große Überraschung. In Berlin versuchen hingegen Hermann und Theodor Breitenbach alles, die Schuhfabrik und die Familientradition unter ihrem Wappen mit dem weißen Ahorn zu erhalten....

Schnell ist man mitten in der Geschichte der Familie Breitenbach. Der angenehme und flüssige Schreibstil lässt dem Leser durch die Seiten fliegen. Man verfolgt nicht nur gespannt die Vorkommnisse in Berlin, sondern begibt sich mit Georg, Rosa und Wendelin auf große Überfahrt. Abwechselnd erzählen die vier Protagonisten in der dritten Person aus ihrem Leben. Die Handlungsstränge wechseln ebenso zwischen Deutschland und den USA.
Familientradition, Zusammenhalt, die Gleichstellung von Mann und Frau im Wilden Westen, sowie unterschiedlicher Religionen und Rassen sind die Themen, die Mina Baites in ihrem Roman immer wieder anspricht. Jedoch hätte ich mir gewünscht, dass die Autorin einige Problematiken nicht nur oberflächlich behandelt hätte. Für mich lösten sich die meisten Probleme viel zu schnell (im positiven Sinne) auf. Oft fehlte es mir an Spannung und überraschenden Wendungen. Hier hätten 100 Seiten mehr einige zu übereilte Passagen aufwerten und ihnen mehr Tiefgang verleihen können. Aber oftmals hätte ich mir einfach nur gewünscht mehr über ein bestimmtes Thema zu lesen und zu erfahren. Die Hoffnung, dass diese in einem der weiteren Bände aufgegriffen werden, habe ich noch....

Die Charaktere sind sehr unterschiedlich dargestellt. Einige sind sehr lebendig beschrieben, andere hingegen blieben mir großteils fremd.
Rosa ist für ihre Zeit eine junge Frau, die sich durchzusetzen versteht und gegen Konventionen ankämpft. In Amerika sieht sie für sich die Möglichkeit ohne Mann und Trauschein an Landbesitz zu kommen. Sie versucht ihre Träume, die sie in Berlin nicht umsetzen kann, in Colorado real werden zu lassen. Nicht nur die geplante Schule, sondern auch eine eigene kleine Farm zum Bewirtschaften, sind ihr Wunsch. Den Herausforderungen im Wilden Westen steht sie kompromisslos gegenüber.

Theodor versucht zunächst erfolglos seinen Vater zu überreden zu investieren und ihm die Firma zu überschreiben. Seine Ehe ist eine einzige Farce. Seine Frau Elena und er bleiben für den gemeinsamen Sohn Felix zusammen, bis er die junge Vanda kennenlernt.

Georg nimmt die Herausforderung in den Staaten an und baut die Tochterfirma auf, nachdem er in Berlin stets im Schatten seines Bruders stand. Georg erscheint sympathisch, jedoch hatte ich große Probleme ihn einzuordnen bzw. seine Gefühle zu nachzuempfinden.

Im letzten Drittel ist mir aufgefallen, dass die Namen von Georg und Theodor öfters vertauscht wurden. Hier hat das Lektorat eindeutig geschlafen.

Schreibstil:
Mina Baites schreibt sehr bildhaft und lebendig. Die geschilderten Landschaften während der Überquerung einiger US-Staaten wurde bildgewaltig beschrieben. Hier hätte ich allerdings gerne noch mehr davon gelesen.

Im Nachwort geht die Autorin noch darauf ein, welche historischen Persönlichkeiten sie als Vorbilder für ihre Figuren verwendet hat.

Fazit:
Ein netter Beginn der Familiensaga rund um die Breitenbachs, die sich sowohl in Berlin, als auch im fernen Colorado behaupten müssen. Mir fehlt hier allerdings noch "das gewisse Etwas" bzw. fand ich einige Themen nur angerissen. Viele Probleme erledigten sich wie von alleine, was ich etwas unglaubwürdig fand. Trotzdem denke ich, dass ich auch den zweiten Teil lesen werde und hoffe auf etwas mehr Seiten und Tiefgang.

Veröffentlicht am 18.05.2019

Eine neue Weltwirtschaftskrise?

GIER - Wie weit würdest du gehen?
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"GIER" von Marc Elsberg - ein Buch, das in den letzten beiden Monaten sehr viel Aufmerksamkeit und Publicity bekommen hat. Zurecht frage ich mich? Jein, möchte ich sagen.

Marc Elsberg bleibt seinen Stil ...

"GIER" von Marc Elsberg - ein Buch, das in den letzten beiden Monaten sehr viel Aufmerksamkeit und Publicity bekommen hat. Zurecht frage ich mich? Jein, möchte ich sagen.

Marc Elsberg bleibt seinen Stil treu und widmet sich der nahen Zukunft, wobei viele seiner angesprochenen Themen bereits von der Wirklichkeit überholt werden. Diesmal geht es um das Aufkommen einer neuen Weltwirtschaftskrise und der immer weiter auseinanderklaffenden Schere zwischen Arm und Reich.
Gewarnt durch einige Rezensionen wusste ich bereits, dass wir es zu Beginn mit vielen Figuren zu tun haben. So wappnete ich mich und versuchte zu lokalisieren, wer wichtig war. Das gelang mir ganz gut.
Im ersten Kapitel stellt sich der Autor bereits die Frage, wie es möglich wäre die Missverhältnisse zwischen den Reichen und den Armen zu ändern. Mit mathematischen Beispielen, die teilweise sogar gezeichnet sind, versucht Elsberg (auch mir Mathematik-Null) seine Formel für die Lösung dieses Problems zu erklären. Darauf folgt noch die mathematische Grundlage zur Spieltheorie, die er im Buch durch illegales Wettspiel so erklärt, dass auch ich es verstehe - hurra!
Bevor wir als Leser aber in einer Bar diesem Wettstreit verfolgen können, lernen wir den jungen Pfleger Jan kennen, der Zeuge eines Unfalls und eines darauffolgenden Mordes wird. Im Fond des Wagens, der verunglückte, saß der Nobelpreisträger Herbert Thompson und ein weiterer unbekannter Mann. Sie waren auf dem Weg zum Weltwirtschaftsgipel in Berlin. Einer der Männer überlebt den Unfall schwer verletzt. Zwei gehauchte Namen, der eines Mannes und einer Bar, konnte Jan noch von einem der Insassen vernehmen, da fliegt das Auto in die Luft und die Killer sind ihm auch schon auf den Fersen. Jan sieht sich in einer auswegslosen Situation, aus der ihm nur Fitzroy Peel helfen kann...der Name, den der unbekannte Tote geflüstert hat. Diesen trifft er in genau der Bar beim illegalen Kartenspiel, das ich vorhin erwähnt habe. Jan erfährt, dass Fitzroy, ehemaliger Investmentbanker, und der unbekannte Tote Freunde waren, als die Söldner wieder auftauchen....

Immer wieder sind Jan und Fitzroy vor den muskelbepackten Killern und der Polizei auf der Flucht. Genau diese seitenlangen Verfolgungsjagden, die mich an amerikanische Actionfilme erinnern, habe ich schon in "Helix" bemängelt. Für Jan steht die Polizei, Kommissarin Maya Paritta mit dem sehr voreingenommenen Kollegen Jörn, auf der falschen Seite, denn er wird als Verdächtiger gehandelt. Nun folgen weitere Verfolgungsjagden - sogar über den Dächern von Berlin, Schießereien mit Profikillern, Entführungen.....für mich einfach TOO MUCH!

In einem anderen Handlungsstrang befinden wir uns auf dem Weltwirtschaftsgipfel inmitten hochrangiger Diplomaten und Minister aus dem In- und Ausland. Hier sind Milliardär Ted Holden und seine Assistentin Jeanne Dalli unsere wichtigsten Protagonisten. Ted erhofft sich aus dem erwarteten Zusammenbruch der Banken einen Gewinn für sich und weiteren spekulierenden Multimilliardären. Was planen diese Herrschaften?


Ein weiterer Handlungsstrang behandelt die Aktivisten und Demonstranten, die die Straßen von Berlin bevölkern. Sie fordern ihren Anteil am Wohlstand, den sich die Reichsten der Reichen einverleiben. Die drohende große Finanzkrise scheint den Mittelstand zu zerstören und die Kluft noch größer zu machen. Hier lernen wir einige Hausbesetzer kennen, bei denen Jan und Fitzroy Unterschlupf finden.

Die Wichtigkeit des Themas ist unumstritten, jedoch mangelt es etwas bei der Umsetzung. Es wird sehr wissenschaftlich erzählt, aber man muss dem Autor zugute halten, dass er die Thesen des sozialen Kapitalismus so anschaulich erklärt, dass es auch Laien wie ich verstehen, die mit Marktanalyse und dem Finanzmarkt nichts zu tun haben.

"Aus Egoismus sollte man zusammenarbeiten. Aus Gier sollte man teilen." (…) "Das sind keine Ideologien, keine vagen Ideen, keine gefühligen Wolkenkuckucksheim-Tanzereien, die keine ihrer Behauptungen belegen können", erklärte Fitz. "Das ist simple Mathematik, wie Sie sehen. Berechenbar. Vorhersagbar." - ZITAT

Schreibstil:
Die Geschichthe ist rasant und wendungsreich, wobei der Schreibstil doch manchmal etwas holprig und abgehackt ist. Durch die vielen mathematischen Formeln und physikalischen Erklärungen entstehen manchmal einige Längen.
Die Charakter sind etwas stereotyp ausgefallen und bleiben ziemlich an der Oberfläche.

Fazit:
Marc Elsberg bietet mit seinen Themen immer wieder Diskussionsstoff und Denkanstöße. Das alleine ist schon ein Grund sich seinen Büchern zu widmen. Einordnen lässt sich "Gier" allerdings sehr schwer. Es ist weder ein reiner Thriller, keine dystopische Geschichte, aber auch kein Lehrbuch über Mathematik und Wirtschaft. Auch wenn mir seine anderen Thriller besser gefallen haben, hat "Gier" neben dem sehr actionlastigen Verfolgungsjagden und den wissenschaftlichen Themen auch zahlreiche Überraschungen und Wendungen zu bieten. Aber vorallem regt es zum Nachdenken an, während Elsberg der breiten Masse zu erklären versucht wie man die Welt besser machen könnte...

Veröffentlicht am 13.05.2019

Ich bleibe lieber bei der anderen Reihe und Erik Donner

Der Todesschöpfer
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Von Elias Haller kenne ich bereits einige Fälle rund um Kriminalhauptkommissar Erik Donner. Dies ist jedoch mein erster Fall mit Klara Frost, ebenfalls ihres Zeichens Kriminaloberhauptkommisarin. Wie Donner ...

Von Elias Haller kenne ich bereits einige Fälle rund um Kriminalhauptkommissar Erik Donner. Dies ist jedoch mein erster Fall mit Klara Frost, ebenfalls ihres Zeichens Kriminaloberhauptkommisarin. Wie Donner ist auch sie keine gewöhnliche Ermittlerin. Man spricht von ihr als "Die Exorzistin". Klara ist Millionenerbin und lebt im Hotel. Auch Ihr Aussehen ist auffällig: Ihr Körper ist überfüllt mit Tattos. Sie ist Einzelgängerin und eine brilliante Ermittlerin, sie ist kompromisslos und geht bis zum Äußersten.Klara Frost ist auf jeden Fall eine sehr interessante Figur. Doch worum geht es in "Der Todesschöpfer"?

Nach einem Autounfall wird im Kofferraum eines gestohlenen Autos eine Buddha-Statue aus Glas gefunden. Das Besondere daran ist, dass sich darin ein menschlicher Schädel befindet. Durch die spezielle Glaskunst und einer eingeritzten Seriennummer kommt Klara Frost auf die Spur eines Serienmörders. Kurze Zeit später wird die Ehefrau des Geschäftsführers von LoLa Glas entführt. Und was hat das Verschwinden von David Schlotter, dem Sohn eines ehemaligen Konkurrenzunternehmens von LoLa Glas zu tun? Sein Vater versucht seit Jahren David zu finden und hat eine Detektivin darauf angesetzt, als plötzlich eine Geldforderung im Darknet auftaucht. Als weitere Glasfiguren mit menschlichen Knochen auftauchen sind sowohl BKA und LKA alarmiert....

Ich muss sagen, dass sich für mich in diesem Thriller zu viele Figuren tummelten, die mir zu extravagant waren. Dass Ermittler meistens eigene Menschen mit diversen Schwächen und Eigenheiten sind, ist man ja bereits gewohnt und einige davon gehören auch bei mir zu Lieblingscharakteren. Dass sich aber im ganzen Krimi kein einziger "Normalsterblicher" bewegt, fand ich nicht wirklich glaubhaft. Da ist einerseits der BKA Beamte Gerhard Rammler, der auch bei Klara seinen Namen Ehre macht; ihre Kollegin Fanny Kowalczyk, die aus dem Comic-Heft entsprungen zu sein scheint und besser bei einer Cosplay-Veranstaltung aufgehoben wäre; der extentrische Ex-Rocker, der so viel Testosteron versprüht, dass mit durch die Seiten im Buch kotzübel wird. Außerdem hat er im Keller noch eine Folterkammer für sexuelle Spielchen versteckt und dann gibt es noch die alkoholkranke Alt-Detektivin Roswitha Mengel, die ihren einzigen noch ungelösten Fall klären möchte. Und das sind nur die Hauptakteure in diesem Thriller. Sorry, als Österreicherin bin ich wohl etwas zu bodenständig und normal (wird uns ja auch nachgesagt), aber vielleicht leben in Leipzig, wo dieser Thriller spielt, genau diese Menschen?

Der Fall an sich wird sehr temporeich und spannend erzählt. Haller spart auch nicht mit blutigen Details oder Grausamkeiten. Tatverdächtige gibt es einige, doch immer wieder führen die Spuren zurück zu LoLa Glas. Überraschende Wendungen und falsche Fährten erhöhen die Spannung. Ein Handlungsstrang führte für mich ins Leere und wurde nicht mehr weiter ausgeführt, was ich schade fand. Der letzte Abschnitt beinhaltet nochmals eine weitere Portion an Dramatik und Spannung. So konnte ich trotz meiner Kritik diesen temporeichen Thriller nur schwer aus der Hand legen.

Schreibstil:
Die Sprache ist derb und eher einfach. Die Sätze sind kurz, aber verfügen über eine sehr prägnante und plastische Beschreibung. Oft kommt auch eine leichte Ironie durch, die die düstere Stimmung auflockert. Die kurzen Kapitel lassen den Spannungsbogen stetig ansteigen und das rasante Tempo lässt einem durch die Seiten fliegen.

Fazit:
Leider konnte mich dieser Thriller mit Klara Frost nicht so überzeugen, wie Hallers Reihe rund um Erik Donner. Mir waren zu viele Charaktere überspitzt dargestellt. Ich finde es genügt, wenn wir es schon mit einer außergewöhnlichen Ermittlerin zu tun haben. Das rasante Tempo und der steigende Spannungsbogen lassen einem trotzdem durch die Seiten fliegen und das Buch am Ende zwar mit Augenrollen, aber nach einer guten Portion Nervenkitzel zufrieden zuklappen.

Veröffentlicht am 05.05.2019

Dein Herz oder sein Herz?

Dein fremdes Herz
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Bewertung: 3 1/2 Sterne

Dies ist mein erstes Buch der Autorin, obwohl ich gerade bemerkt habe, dass ich einen weiteren Roman von Kati Seck in meinem Bücherregal stehen habe, den ich mir für meine gesammelten ...

Bewertung: 3 1/2 Sterne

Dies ist mein erstes Buch der Autorin, obwohl ich gerade bemerkt habe, dass ich einen weiteren Roman von Kati Seck in meinem Bücherregal stehen habe, den ich mir für meine gesammelten Punkte bei der Lesejury geholt habe. In der aktuellen Geschichte, die ich eben beendet habe, nimmt sich die Autorin dem wichtigen Thema der Organspende an.

Zu Beginn war ich sofort gefangen von der wunderschönen poetischen Sprache und den bildhaften Beschreibungen der Landschaft. Dadurch habe ich die 320 Seiten eher langsam gelesen und Satz für Satz genossen. Mit der Figur von Nela, die nur für ihre Arbeit lebt und unter einer Zwangstörung leidet, wurde ich aber leider nicht wirklich warm. Die junge Frau hat noch immer am Verlust ihres Vaters zu knabbern. Dieser hat vor 15 Jahren die Familie von einem Tag auf den anderen ohne ein Wort verlassen und sein "geliebtes Meermädchen" zurückgelassen. Er hat nochmals geheiratet und ist bald darauf verstorben. Nelas Mutter leidet an Demenz und lebt im Heim. Die beiden Frauen hatten nie ein herzliches Verhältnis zueinander, wodurch Nela noch einsamer wirkt. Eines Tages erhält sie ein Paket mit alten Briefen, die ihr die zweite Frau ihres Vaters zugeschickt hat. In diesen Briefen schreibt Ellen an ihrem Mann Hannes, Nelas Vater. Darin teilt sie ihre Gedanken und Gefühle ab ihren ersten Zusammentreffen bis zu seinem Tod mit. Im ersten Brief erfährt Nela, dass das Herz ihres Vaters gespendet wurde. Beigelegt ist ein Zeitungsartikel über einen Teenager, der ein Herz just am selben Tag bekommen hat, als ihr Vater starb. Damit schickt Ella sie auf die Reise zu diesem Jungen, in dessen Brust Hannes Herz schlägt. Nela nimmt diese Herausforderung an und reist ans Meer zu Maximilian, der das Spenderherz erhalten hat..

Das Hauptaugenmerk der Geschichte liegt auf dem zerütteten Familienleben und dem Verlust des Vaters. Das Thema Organspende nahm für mich vorallem in der Mitte des Romans zu wenig Raum ein, obwohl es der eigentliche rote Faden sein sollte, wenn man vom Titel und Klappentext ausgeht.
Mit der Reise an die Ostsee und den Briefen von Ellen im Gepäck versucht Nela sich ihrer Vergangenheit zu stellen. Nach und nach liest Nela die Briefe an Hannes und taucht tief in die Vergangenheit ihres Vaters ein. Diese werden in einer Schriftart dargestellt, die einer Handschrift gleicht und sich leider etwas schlecht lesen lässt. Trotzdem sind die Worte, die Ellen an ihren Mann richtet, voller Liebe und Traurer und offenbaren für Nela immer mehr über ihren Vater. Die Erzählungen von Ellen berührten mich sehr und sind sehr intensiv. Die Gefühlslage von Nela stellt die Autorin sehr authentisch dar. Sie ist eher ein Kopfmensch, sucht noch immer nach ihrer Identität und spürt auch eine besondere Anziehungskraft zu Maximilian. Ihre innere Zerissenheit steht im Vordergrund.

"Aber dann erinnerte ich mich an das Schweigen im Auto zurück, und dass es in Ordnung war wenn wir kein Wasserfall waren, sondern ein stiller See."- Seite 48

In der Mitte wurde mir die Geschichte etwas zu langatmig. Es herrscht eine eher düstere und traurige Stimmung vor, auch das Wetter ist kalt und regnerisch. So hat man trotz der poetischen Worte ein klammes Gefühl. Auch Maximilian ist eher der melancholische und depressive Typ. Er ist ein Einzelgänger und kann mit seinem "Wunder in der Brust" schwer umgehen. Die aufkeimende Beziehung zwischen Nela und Maximilian wirkte für mich etwas zu gewollt.
Das Ende war mir zu vorhersehbar, war etwas zu viel an Dramatik und wurde schnell abgehandelt, wo ich zuerst über 2/3 des Buches eher das Gefühl hatte nicht voranzukommen. Das hört sich jetzt alles eher negativ an, war es aber absolut nicht.

Der Roman regt zum Nachdenken an. Unglücke passieren doch immer nur anderen....selbst rechnet man nie mit einer Situation in der man lebenswichtige Entscheidungen für andere Menschen treffen muss. Deshalb sollte sich jeder einmal im Leben mit dem Thema Organspende auseinandersetzen.

Fazit:
Ein Roman voller Poesie, indem aber auch viel Schwermut steckt. Das wichtige Thema der Organspende wurde mir etwas zu wenig intensiv behandelt. Mit den Charakteren wurde ich nicht ganz warm und das Ende war mir zu vorhersehbar. Trotzdem ein kleines Leseerlebnis. Ein Roman der leisen Töne, der zum Nachdenken anregt und berührt.

Veröffentlicht am 24.04.2019

Die erste Hälfte top, danach flaute es leider ab

Mehr als tausend Worte
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Seit der Veröffentlichung des Erscheinungstermins von Lilli Beck's neuem Roman "Mehr als tausend Worte" fieberte ich den Tag entgegen, an dem ich endlich darin lesen durfte. Auf meinem Blog gab es auch ...

Seit der Veröffentlichung des Erscheinungstermins von Lilli Beck's neuem Roman "Mehr als tausend Worte" fieberte ich den Tag entgegen, an dem ich endlich darin lesen durfte. Auf meinem Blog gab es auch noch mit zwei weiteren Bloggerinnen eine kleine Leserunde zum Buch. Leider hat mich Lilli Becks neuerstes Werk etwas zwiegespalten zurückgelassen. Warum das ist so ist, erzähle ich euch gleich.

Die Geschichte beginnt in der Progromnacht, den 9. November 1938, mit dem Sturm der Gestapo in das Haus des jüdischen Arztes Samuel Landau und seiner Familie mitten in Berlin. Die 16jährige Aliza erfährt, dass ihr Großvater abgeholt wurde. Ihr Bruder Harald musste sein Medizinstudium abbrechen und arbeitet nun als Leichenschieber um Geld zu verdienen. Er fleht seine Familie an das Land zu verlassen, doch sein Vater fühlt sich als Arzt verpflichtet zu helfen. Anfangs darf er noch jüdische Patienten behandeln, doch nach und nach wird ihm jegliches Recht entzogen. Blockwart Karoschke nutzt dies zu seinen Gunsten und verspricht ihm zu helfen, wenn er das Haus überschrieben bekommt.
Die schleichende Brutalität gegen die Juden und die Enteignungen werden sehr plastisch erzählt. Die Bemühungen das Land zu verlassen werden immer geringer. Samuel gelingt es zumindest Aliza mit einem Kindertransport nach Großbritannien zu schicken. Aliza bricht das Herz. Sie möchte weder ihre Familie noch ihren Freund Fabian verlassen. Doch auch Fabian hat seinen Einberufungsbefehl bereits erhalten. Die Beiden verloben sich und schwören nach dem Krieg zu heiraten...

Sehr berührend waren die Szenen des Kindertransportes nach Großbritannien. Darüber hatte ich noch nicht viel gelesen und Lilli Beck hat diese Szenen so anschaulich beschrieben, dass einem besonders als Mutter die Tränen in den Augen brannten. Ganz kleine Kinder wurden von ihren Familien in die Fremde geschickt - mutterseelenallein und ohne die Sprache zu sprechen, um ihnen das Leben zu retten. Als Aliza in London ankommt wird sie liebevoll von einer befreundeten jüdischen Familie aufgenommen. Dort trifft sie auf Mizzi, die ebenfalls eine geflohene Jüdin ist. In der lebenslustigen jungen Frau findet Aliza eine gute Freundin.Doch als der Krieg immer näher kommt, werden die Jüdinnen auch in Großbritannien als Nazis beschimpft. Es wird nicht differenziert und man merkt, dass die Engländer gar nicht genug über das Grauen, das den Juden in Deutschland angetan wird, wissen. Aliza und Mizzi kämpfen um Quartier und eine Anstellung, werden aber oftmals als feindliche Ausländerinnen vertrieben.
Bis hierhin hat mich der Roman mitgerissen und wirklich überzeugt. Die Erzählungen waren lebendig und haben mich berührt. Ebenso habe ich einiges Neues, vorallem betreffend dem Kindertransport, erfahren.

Doch dann wandelt sich Alizas Charakter. Als noch eher naives, aber liebenswertes Mädchen lernt man sie noch in Berlin kennen. Die große Liebe zu Fabian lässt sie hoffen und nicht verzweifeln. In der lebenslustigen Mizzi findet sie eine wunderbare Freundin, die Aliza sehr oft über die Runden hilft. Obwohl sie immmer mehr als Feinde verachtet werden, geht es ihr relativ gut. Doch Aliza träumt von Reichtum und während andere hungern, hat sie schöne Kleider und genug zu essen...und findet es gerechtfertigt. Sie wirft mit Geld und Zigaretten um sich, während sie in Stöckelschuhen und eleganter Kleidung durch das völlig zerbombte Berlin stapft. Nein, das war nicht die Aliza, die man zu Beginn kennenlernen durfte.

Wiederum wunderbar beschrieben fand ich eben genau diesen Gang durch das völlig zerbombte Berlin kurz vor Ende des Krieges. Der Schwarzmarkt und die ersten Versuche Wiederaufbau zu betreiben wurden so emotional und bildreich erzählt, dass ich Aliza durch die Ruinen der Stadt begleitet habe.

Die restlichen Charaktere sind sehr gut gezeichnet und lebendig. Als Leser verachtet man die Habgier von Blockwart Karoschke, leidet mit Samuel und seiner Frau, zürnt mit Herbert und wünscht sich für Fabian, dass er überlebt.
Die extreme Wandlung einer bestimmten Figur fand ich hingegen absolut unglaubwürdig. Vermisst habe ich einen Strang um Fabian und weitere Einblicke aus dem Leben der Landaus. Letzterer riss völlig ab. Der Liebe zu Fabian wurde immer wieder Raum gegeben, jedoch ohne Fabian selbst einen eigenen Erzählstrang zu geben. Das Ende fand ich zu konstruiert. Für mich hat der Roman auf den letzten 200 Seiten seine anfängliche 5 Sterne Bewertung verloren. Sehr, sehr schade!

Fazit:
Die erste Hälfte des Buches fand ich wirklich sehr, sehr gut, doch leider wurde mir im Laufe der Zeit die Protagonistin immer unsymapthischer und eine Wendung fand ich ziemlich an den Haaren herbei gezogen. Auch das Ende war mir zu konstruiert. Ich wollte diesen Roman wirklich lieben, aber im letzten Drittel war es mir nicht mehr möglich! Sehr schade!