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Veröffentlicht am 16.07.2019

Trockenes und schwer verdauliches Überraschungsmenü

Menu surprise
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Man nehme: ein noch nicht komplett von Touristen vereinnahmtes französisches Département , die kulinarischen Highlights dieser Region, literweise Wein, kleinstädtisches Savoir-vivre, einen Mord mit aktuellem ...

Man nehme: ein noch nicht komplett von Touristen vereinnahmtes französisches Département , die kulinarischen Highlights dieser Region, literweise Wein, kleinstädtisches Savoir-vivre, einen Mord mit aktuellem politischen Bezug, dessen Wurzeln aber auch in die Vergangenheit zurückreichen, einen sympathischen Protagonisten, der mit (fast) allen gut Freund ist – und voilà, schon hat man die Zutaten für eine Krimireihe, die mit „Menu surprise“ mittlerweile bei Band 11 angelangt ist.

Bruno Courrèges, viele Jahre als Polizeichef für das Städtchen St Denis im Périgord verantwortlich, muss sein Tätigkeitsfeld ausweiten. Er wurde im Zuge eines Pilotprojekts befördert, und neben einer neuen Uniform und einer neuen Pistole, obliegt ihm nun auch die Zuständigkeit für das gesamte Vézère-Tal in der Dordogne.

Natürlich dauert es nicht lange, bis er sich mit seinem ersten Fall in der neuen Rolle konfrontiert sieht: die Teilnehmerin eines Kulinarik-Kurses seiner Ex-Freundin Pamela ist nicht aufgetaucht. Bruno forscht nach und findet zwei Leichen, ihre und die eines Mannes, mit dem sie, in angeregter Unterhaltung vertieft, gesehen wurde. Ob Mord oder erweiterter Selbstmord kann nicht zweifelsfrei festgestellt werden. Hilft alles nichts, Brunos altmodische Polizeiarbeit ist gefragt. Seine Ermittlungen führen ihn zu einem Vorfall in Gibraltar, bei dem 1988 drei Mitglieder der Provisional IRA vom SAS getötet wurden. Aber was hat das zu bedeuten? Und welches Interesse haben britische und amerikanische Geheimdienste an der Aufklärung des Falls? Steht vielleicht ein terroristischer Anschlag bevor?

Nun ja, aus diesem Plot hätte man durchaus einen spannenden Thriller/Krimi stricken können, aber leider fehlt diesem „Überraschungsmenü“ der letzte Kick, was daran liegen mag, dass sämtliche Informationen zu dem 1988er Vorfall in Gesprächen transportiert werden. Das macht gerade diesen interessanten und für die Handlung wesentlichen Aspekt trocken und schwer verdaulich.

Leider verliert sich Walker, im früheren Leben Historiker und politischer Journalist, in (zugegebenermaßen) stimmungsvollen Landschaftsbeschreibungen des Périgord, endlosen Menüfolgen samt der dazugehörigen Kochrezepte, was zwar einen zukünftigen Dordogne-Urlauber in Vorfreude versetzen mag, für einen Krimileser aber auf Dauer äußerst ermüdend ist, weil so sowohl Tempo als auch Spannungsaufbau immer wieder ausgebremst werden. Frankreich-Liebhaber und/oder Gourmet hin oder her, hätte sich der Autor ähnlich intensiv seiner Story gewidmet, wäre daraus bestimmt ein spannendes Leseerlebnis geworden. So wirkt „Menu surprise“ leider eher wie eine Tourismusbroschüre von France Voyage – von einem Kriminalroman erwarte ich definitiv mehr.

Veröffentlicht am 02.07.2019

Dünne und anspruchslose Story

Something in the Water – Im Sog des Verbrechens
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Von der Presse in ihrem Heimatland gelobt, von Reese Witherspoon gepusht, die Filmrechte bereits verkauft – für die Schauspielerin und Autorin Catherine Steadman könnte es nicht besser laufen. Sie ist ...

Von der Presse in ihrem Heimatland gelobt, von Reese Witherspoon gepusht, die Filmrechte bereits verkauft – für die Schauspielerin und Autorin Catherine Steadman könnte es nicht besser laufen. Sie ist mit ihrem Debüt „Something in the Water – Im Sog des Verbrechens“ auf Erfolgskurs.

Frisch verheiratet verbringen Erin und Mark ihre Flitterwochen auf Bora Bora, einem Atoll im Südpazifik. Leisten können sie sich diesen Luxusurlaub mit Erster Klasse-Flug und Top-Hotel eigentlich nicht, denn Mark hat seinen gutdotierten Job verloren. Aber sie genießen es, haben sie doch lange genug darauf gespart. Sonne, Schirmchendrinks und kristallklares Wasser, so lässt sich’s leben. Bei einem Tauchausflug stoßen sie auf das Wrack eines abgestürzten Flugzeugs und finden eine große Tasche. Doch anstatt den Fund der Polizei zu melden, behalten sie diese. Hätten sie mal die Finger davon gelassen, denn damit nimmt das Unheil seinen Lauf…

Seien wir doch mal ehrlich, eine solche Geschichte haben wird in englischen Lady-Thrillern doch schon zigmal gelesen. Mit viel Drumherumgerede über Erins Trauma in der Vergangenheit, darüber wie sie ihren wunderbaren Ehemann kennengelernt hat, wie die Hochzeit geplant wurde, wird die dünne und anspruchslose Story aufgeblasen. Genießen kann man das nur, wenn man über Logiklücken hinwegsieht und seinen gesunden Menschenverstand an der Garderobe abgibt. Für mich gehört „Something in the Water – Im Sog des Verbrechens“ jedenfalls eindeutig in die Kategorie Bücher, die die Welt nicht braucht.

Veröffentlicht am 01.07.2019

Jenseits aller Realität

Das Licht der Toskana
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Die amerikanische Autorin Frances Mayes, die nächstes Jahr ihren achtzigsten Geburtstag feiert, erzählt in „Das Licht der Toskana“ von den Erlebnissen dreier Frauen zwischen Ende 50 und Anfang 60 (Camille, ...

Die amerikanische Autorin Frances Mayes, die nächstes Jahr ihren achtzigsten Geburtstag feiert, erzählt in „Das Licht der Toskana“ von den Erlebnissen dreier Frauen zwischen Ende 50 und Anfang 60 (Camille, Susan, Julia), die sich entschieden haben, einen Neuanfang zu wagen. Sie lernen sich bei der Besichtigung einer Senioren-Wohnanlage kennen, zwei sind Witwen, die Dritte ist auf dem Sprung aus einer unglücklichen Ehe. Und alle kommen aus finanziell gesicherten Verhältnissen. Sie kommen ins Gespräch, entwickeln Sympathien füreinander, treffen sich mehrmals und beschließen, gemeinsam für unbestimmte Zeit eine toskanische Villa zu mieten. Vor Ort lernen sie Kit kennen, ebenfalls Amerikanerin, Schriftstellerin, die seit über zehn Jahren in Italien lebt und ihnen in ihrer Eingewöhnungszeit hilfreich zur Seite steht. Camille, Susan und Julia gewöhnen sich schnell ein, finden neue Freunde, genießen ihr neues Leben in der Fremde, die schnell zur neuen Heimat wird. Aber sie finden auch zurück zu jenen Talenten, die sie in den vergangenen Jahrzehnten zugunsten des Alltags zurückgestellt haben. Camille betätigt sich künstlerisch, Susan widmet sich stilsicher den verschiedensten Dekorationen, und Julia versinkt im Zubereiten kulinarischer Köstlichkeiten. Also kein Grund, in das alte Leben zurückzukehren. Und so beschließen sie, die Villa zu kaufen und in der Toskana zu bleiben. So, das war jetzt die Inhaltangabe im Schnelldurchlauf. Alles eitel Freude und Sonnenschein. Und sie leben glücklich bis an ihr seliges Ende.

Mayes schöpft in ihrem Roman aus eigenen Erfahrungen, hat sie doch in den neunziger Jahren genau das gleiche erlebt. Während eines Urlaubs hat sie sich in eine toskanische Villa verliebt, diese restaurieren lassen und ihren Lebensmittelpunkt dorthin verlegt. Beschrieben hat sie dies in zahlreichen Veröffentlichungen.

Es geht sehr behäbig zu in diesem Roman (ist vielleicht dem Alter der Autorin geschuldet), langatmig, was aber wesentlich auffälliger ist, die drei Expats haben mit absolut keinen Schwierigkeiten in ihrem neuen Leben zu kämpfen. Keine Sprachprobleme, keine Orientierungsschwierigkeiten, alle bei bester Gesundheit. Und sie verfügen scheinbar über unerschöpfliche Geldreserven. Da werden Möbel angeschafft, neue Wäsche, antiquarische Dekorationen für den Garten, Bildbände (bei einem Einkauf für 1000 Euro !), hochpreisige Kochzutaten. Und was sie anpacken gelingt. Immer.

Und die Italiener. Überfreundlich, zugänglich, nehmen sie mit offenen Armen auf. Unterstützen sie in allem. Die Landschaft nur wunderbar. Von Zypressen gesäumte Straßen, pittoreske Straßencafés, üppige Märkte. Keine entvölkerten Dörfer mit verfallenen Häusern. Alles groß, schön, komfortabel und mit jeder Menge Flair – was ich leider nach mehrfachen Aufenthalten in der Toskana so nicht bestätigen kann.

„Das Licht der Toskana“ erzählt ein nettes Märchen, ausschweifend und realitätsfern aus der Sicht verwöhnter „Südstaaten-Magnolien“. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Als unterhaltsame, problemfreie Urlaubslektüre für Leserinnen, die toskanisches Flair jenseits der Realität genießen wollen, geeignet.

  • Einzelne Kategorien
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  • Geschichte
  • Erzählstil
  • Atmosphäre
  • Figuren
Veröffentlicht am 04.06.2019

Thema verfehlt!

SCHWEIGEPFLICHT
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Wenn James Ellroy sich vor Lobpreisungen förmlich überschlägt und Vergleiche zu Stieg Larsson zieht, lohnt ein Blick auf den neuen Thriller des ehemaligen Strafverteidigers Jens Lapidus allemal. Junge ...

Wenn James Ellroy sich vor Lobpreisungen förmlich überschlägt und Vergleiche zu Stieg Larsson zieht, lohnt ein Blick auf den neuen Thriller des ehemaligen Strafverteidigers Jens Lapidus allemal. Junge Anwältin vertritt einen im Koma liegenden Verdächtigen und wird bei ihren Nachforschungen von einem für die Kanzlei tätigen Ex-Häftling unterstützt. Klingt soweit ganz gut und weckt Interesse.

Aber offenbar gibt es unter schwedischen Autoren mittlerweile einen Trend, der meiner Meinung nach in die komplett falsche Richtung geht. Eine durchaus spannende Story wird zum Fortsetzungsroman. Zig Handlungsstränge, durch Nebensächlichkeiten aufgebläht und auf mehrere Bände verteilt, die den Leser bei der Stange halten und die Verkäufe der Nachfolger bis zum Finale garantieren sollen (sieh dazu auch die Fabian Risk-Reihe von Stefan Ahnhem).

Dabei verlieren sie völlig die Interessen der Leser aus den Augen, der am Ende eines Krimis/Thrillers eine Auflösung erwartet und nicht auf den nächsten Teil der, wie in diesem Falle, geplanten Trilogie warten mag. Ein Konzept, das zumindest in meinem Fall nicht aufgehen wird.

Die Protagonisten sind schablonenhaft angelegt, obwohl da durchaus Potenzial vorhanden gewesen wäre. Das könnte man allerdings noch verzeihen. Wofür ich aber absolut kein Verständnis habe, ist die Geschwätzigkeit, die diesen Thriller dominiert. Lapidus verheddert sich heillos in seinem vielschichtigen Geflecht der Handlungsstränge, was immer wieder den Lesefluss blockiert und schlussendlich die Spannung killt. Und dann noch am Ende nicht einmal eine zufriedenstellende Auflösung parat haben - das geht absolut nicht.

Absolut vermessen, diesen Autor mit Stieg Larsson zu vergleichen. Dieser würde wahrscheinlich, wenn er davon wüsste, ob des Vergleichs im Grab rotieren. Das war nichts, Herr Lapidus – Thema verfehlt, setzen Sechs!

Veröffentlicht am 02.06.2019

Enttäuschender Metzel-Thriller, simpel und ohne Raffinesse

Cari Mora
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Ich weiß ja nicht, was Stephen King dazu bewogen hat „Cari Mora“ in den höchsten Tönen zu preisen. Offenbar hat er einen völlig anderen Roman als ich gelesen. Oder es war eine Gefälligkeit für einen Kollegen, ...

Ich weiß ja nicht, was Stephen King dazu bewogen hat „Cari Mora“ in den höchsten Tönen zu preisen. Offenbar hat er einen völlig anderen Roman als ich gelesen. Oder es war eine Gefälligkeit für einen Kollegen, der vor über vierzig Jahren mit Hannibal Lecter ein literarisches Monster schuf, das bis heute seinesgleichen sucht, wozu mit Sicherheit auch die großartige Performance von Anthony Hopkins in Jonathan Demmes „Das Schweigen der Lämmer“ beigetragen hat.

Um es gleich vorweg zu nehmen: „Cari Mora“ hält dem Vergleich mit „Hannibal“ in keiner Zeile stand, und Hans-Peter Schneider, der „neue“ Psychopath, hat mit diesem etwa so viel gemeinsam wie eine Pferdekutsche mit einem Sportwagen. Dessen durch eine genetisch bedingte Erkrankung haarloser Körper ist das einzige Alleinstellungsmerkmal, welches ihn von den in zahllosen Thrillern beschriebenen Psychopathen unterscheidet, und das war es dann auch schon. Wo Lecter eine Faszination auf den Leser ausübt, ist Schneider nur ekelerregend und abstoßend.

Wesentlich interessanter ist die titelgebende Cari Mora, die Haushälterin der von Schneider und seiner Entourage gemieteten Escobar-Villa. Ehemalige Kindersoldatin mit kolumbianischen Wurzeln und großen Träumen für die Zukunft, eine mehr als ebenbürtige Gegnerin für Schneider. Über sie hätte ich gerne mehr erfahren. Und anstelle dessen hätte ich ohne weiteres auf diese ohne Sinn und Verstand beschriebenen ekelerregenden Metzeleien, die keinerlei Einfluss auf den Fortgang der Handlung hatten, verzichten können.

Die Story an sich ist dünn, nicht nur, was den Umfang angeht (knapp 230 Seiten, großer Schriftgrad, viele Auslassungen). Organhandel gepaart mit einer Schatzsuche, holzschnittartige Charaktere, breit ausgewalzte Nebenhandlungen ohne Relevanz. Simpel und ohne Raffinesse heruntergeschrieben, alles in allem enttäuschend.