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Veröffentlicht am 08.07.2019

„Was man nie hatte, kann man auch nie vermissen“

Alles, was passiert ist
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Als Jugendliche reist die schwangere, gerade mal 14-jährige Marcia Daley-Ward zu ihren Eltern in den hohen Norden von England nach Chorley. Um ihren eigenen Weg zu gehen, weg von ihren Eltern, arbeitet ...

Als Jugendliche reist die schwangere, gerade mal 14-jährige Marcia Daley-Ward zu ihren Eltern in den hohen Norden von England nach Chorley. Um ihren eigenen Weg zu gehen, weg von ihren Eltern, arbeitet sie als Krankenschwester in zwei Schichten, bald nicht mehr fähig, ihre beiden Kinder, die der ersten Schwangerschaft gefolgt sind, zu betreuen. So werden Yrsa und ihr kleiner Bruder Roo zu den streng gläubigen Großeltern abgeschoben und führen hier ein Leben, das durch Verbote geprägt ist. Kino, Partys, Schmuck, Halloween, Kaffee und Fleisch werden strikt abgelehnt. Mit 17 begehrt Yrsa, der man immer wieder sagt, wie schön sie ist, auf. Sie beschließt nicht zu studieren, sondern will Modell, Schauspielerin oder Sängerin werden. Dabei gelingt es ihr aber nicht, die Kontrolle über ihr Leben zu bekommen. Alkohol, Drogen und größtenteils ältere Männer bestimmen ihr Leben. Erst nach dem Krebstod ihrer Mutter findet sie langsam zu sich selbst und nimmt ihr Leben in die Hand.

Es hat schon ein paar Seiten gedauert bis mich an den so poetischen, alles auf den Punkt bringenden, so ganz anderen Schreibstil gewöhnt hatte. Aber dann hat er mich einfach gefesselt. Oft legt sie mir zu einem Thema nur ein paar knappe Sätze vor. Mal deutet sie nur an, vieles bleibt unklar und ich muss mir selbst meine Gedanken machen.

Yrsa Daley-Ward beschreibt ihr bisheriges Leben ohne Schnörkel, beschönigt nichts, fördert bei mir Bilder ihres Lebens zutage, die für mich oft nicht leicht zu verdauen sind. Vor allem die Berichte ihrer Kindheit als schwarzes Mädchen in einer weißen Gesellschaft haben mich stark beschäftigt. In kurzen knappen Sätzen lässt sie mich teilhaben, an dem, was sie alles erlebt hat, was ihr widerfahren ist. Egal ob gut oder schlecht. Nichts wird beschönigt. Ich erlebe ihren Schmerz, aber auch ihr Glück.

Eine so ganz anders erzählte Lebensgeschichte einer jungen Frau, die trotz der widrigsten Umstände ihr Leben meistert und zu sich selbst findet.
Keine alltägliche Lektüre, aber wenn man sich auf sie einlässt absolut lesenswert.

Veröffentlicht am 07.07.2019

Kubanerin zu sein heißt stolz zu sein

Nächstes Jahr in Havanna
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Havanna 1958:
Elisa Perez lebt mit ihren Eltern und ihren Schwestern Isabel, Maria und Beatriz in einer Familienvilla am Meer in Varadero bzw. in einem feudalen Stadthaus in Havanna. Beatriz´Zwillingsbruder ...

Havanna 1958:
Elisa Perez lebt mit ihren Eltern und ihren Schwestern Isabel, Maria und Beatriz in einer Familienvilla am Meer in Varadero bzw. in einem feudalen Stadthaus in Havanna. Beatriz´Zwillingsbruder Alejandro hat sich den Freiheitskämpfern um Fidel Castro angeschlossen und fast keinen Kontakt mehr zur Familie. Ihr Vater Emilio leitet ein bedeutendes Zuckerunternehmen. Bis zu dem Zeitpunkt, als die Familie beschließt, geschlossen das Land zu verlassen. Danach hat Elisa, die sich in einen Freiheitskämpfer verliebt hat, keinen Fuß mehr in ihr Heimatland gesetzt.

Miami 2017:
Marisol Ferrera, eine Enkelin von Elisa, will den letzten Wunsch ihrer verstorbenen Großmutter erfüllen und ihre Asche nach Kuba zurück bringen. Bei Ana, der ehemals besten Freundin ihrer Großmutter, die immer noch direkt neben dem ehemaligen Haus der Familie Perez wohnt, fühlt sich Marisol sofort zuhause. Durch Ana erfährt sie viel über das Leben ihrer Großmutter. Als Ana ihr eine Schachtel übergibt, die sie mit Elisa kurz vor der Ausreise nach Amerika vergraben hat, ist das der Beginn, an dem sich Merisol tiefer auf die alte Familiengeschichte einlässt und beginnt, nach dem Mann zu suchen, den ihre Oma so geliebt hat. Auch ihre Wurzeln will sie endlich finden und kennenlernen. Dabei lernt auch sie einen Mann kennen, der ihr Herz im Sturm erobert.


In diesem Familienroman über die Industriellenfamilie Perez nimmt mich Chanel Cleeton mit auf die wunderschöne Karibikinsel Kuba. Abwechselnd lerne ich Land und Leute einmal an der Seite von Elisa kennen, dann wieder aus heutiger Sicht durch ihre Enkelin Marisol. Durch die eindringlichen und farbenfrohen Beschreibungen meine ich sehr bald direkt vor Ort und mittendrin zu sein. Durch Ana lerne ich, wie schwer es auch heute noch ist, in diesem scheinbaren Paradies zu leben. Versorgungsengpässe bestimmen das Leben und organisieren ist lebenswichtig. Ich erfahre auch Vieles über die politische Lage, z.B. aus der Zeit als Fidel Castro und Freiheitskämpfer Che Guevara die Batista-Regierung stürzen wollen und Folter, Gewalt und Unterdrückung an der Tagesordnung sind. Aber auch heute ist die politischen Lage noch immer angespannt.

Ich mag die Menschen, denen ich hier begegne. Allen voran Elisa und Pablo, Marisol und Luis. Die Liebesgeschichten der beiden Frauen gleichen sich sehr und bringen neben den Sorgen, die die beiden Frauen, jede in ihrer Zeit haben, den Touch Romantik in die Geschichte. Auch die anderen Charaktere sind glaubwürdig, menschlich, liebevoll und mit den verschiedensten Eigenschaften ausgestattet, gut vorstellbar gezeichnet. Ich konnte ihre Sorgen, ihren Kummer, die Trauer, Hoffnungslosigkeit, Angst und Unsicherheit gut nachempfinden. Aber auch die Hoffnung, die ich gut verstehen kann, nimmt einen großen Teil der Geschichte ein.

„Nächstes Jahr in Havanna“ spült so viele Emotionen an die Oberfläche, hat mich gefesselt und in mir den Wunsch geweckt, dieses Land, von dem ich nicht so Vieles wusste, einmal zu besuchen. Vielleicht gelingt es mir auf Elisas und Marisols Spuren zu wandeln.

Veröffentlicht am 03.07.2019

Spannend und sehr familiär

MÖWEN, MEER UND TOD
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Auf der Insel Rügen häufen sich die Todesfälle von jungen, scheinbar gesunden Menschen. Es schaut nach Herzversagen aus, was die Pathologen aber nicht bestätigen. Was verband diese Menschen? Kriminalhauptkommissarin ...

Auf der Insel Rügen häufen sich die Todesfälle von jungen, scheinbar gesunden Menschen. Es schaut nach Herzversagen aus, was die Pathologen aber nicht bestätigen. Was verband diese Menschen? Kriminalhauptkommissarin Luna Maiwald, die nach einer „Zwangspause“ wieder ihren Dienst angetreten hat, hat mit ihrem Team nicht nur diese Toten am Hals. Am Strand wurde eine Frau gefunden, ebenfalls tot. Dass es ein Reitunfall war ist ziemlich unwahrscheinlich für eine Westernreiterin. Hat ihr ungewöhnlicher Beruf etwas mit ihrem Tod zu tun? Oder steckt doch etwas ganz anderes dahinter?
Aber nicht nur die vielen Toten machen Luna das Leben schwer. Auch Ingmar Wolf tritt wieder in ihr Leben...


Wow, das war wieder so ein Buch, das ich kaum aus der Hand legen konnte.

Spannung ab der ersten Seite, die auch nicht darunter leidet, dass ich sehr viel familiäres von Luna und ihren Lieben erfahre.
Luna Maiwald, starrköpfig, chaotisch, bestimmend, mit einem Faible für Hüte und bunte Gummistiefel und unkonventionellen Ermittlungsmethoden habe ich sofort ins Herz geschlossen. Sie verliert sich allerdings zu oft in ihrer Arbeit, vernachlässigt dadurch ihren Ehemann Fred und vor allem ihre Tochter Marcia. Und sie sollte sich endlich ihren Ängsten stellen.
Bei ihrer Arbeit wird sie von einem kompetenten Team unterstützt. Hier mag ich ihren Kollegen Schröder sehr gerne, mit dem sie sich witzige und informative Schlagabtausche liefert.

Ich finde es sehr interessant, wie ausgefeilt und gut vorstellbar mir Emma Bieling die Polizeiarbeit, die Arbeit der Pathologie und der Spusi nahe bringt. Ich kann mir alles sehr gut vorstellen, bin mittendrin und schaue jedem Einzelnen über die Schulter. Leider haben meine eigenen Ermittlungsergebnisse mich nicht zum Täter geführt. Gut gemacht, Frau Bieling.

Auch der Flair von Rügen und der kleinen Insel Hiddensee hat mich eingefangen. Macht Lust auf Inselurlaub.

Obwohl man das Buch auch ohne Kenntnis der Vorgängerbandes verstehen kann, hätte ich den ersten Band doch lesen sollen. Es macht einiges, von dem hier gesprochen wird, bestimmt noch klarer.

Mir hat der Krimi sehr gut gefallen. Sehr abwechslungsreich, voller Familiengeschichte und spannungsgeladen. Ich hoffe doch sehr, dass ich Luna und die Menschen um sie herum bald wiederlesen darf.

Veröffentlicht am 30.06.2019

Regt zum Nachdenken an

Helenas Verfolger
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Ein Mann wird tot aus dem Rhein geborgen. Der Obdachlose Karl Stammer hatte an einer Pharmastudie für ein neues Antibiotikum teilgenommen um mit dem Geld für sich, seine ebenfalls obdachlose Verlobte Helena ...

Ein Mann wird tot aus dem Rhein geborgen. Der Obdachlose Karl Stammer hatte an einer Pharmastudie für ein neues Antibiotikum teilgenommen um mit dem Geld für sich, seine ebenfalls obdachlose Verlobte Helena Kramer und ihr ungeborenes Kind ein neues Leben aufzubauen. Nun ist er tot. Helena sieht, wie sie ihn aus dem Rhein ziehen und verliert zu allem Unglück auch noch ihr Kind. Ab diesem Zeitpunkt will sie nur noch den Tod ihres Lebensgefährten aufklären. Zusammen mit Karls Bruder Jakub meldet sie sich selbst als Testperson für dieses Medikament und bringt sich damit in allerhöchste Gefahr.


Das Thema multiresistente Erreger z.B. in Krankenhäusern und nicht mehr wirksame Antibiotika wird immer aktueller und ich habe leider schon selbst damit Erfahrungen machen müssen. Hier zusammengeführt mit dem Thema menschliche Testpersonen bekomme ich einen hoch explosiven, spannenden und interessanten Thriller vorgesetzt. Es geht um Macht, Geld, Mauscheleien unter der Hand und Korruption. Aber auch um Freundschaft, Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe.
Bei einem Gespräch zwischen einem Vertreter der Pharmaindustrie und einem Arzt hat mich direkt die Wut gepackt. Darin steht das Geld weit über einem Menschenleben. Sabine Giesen schildert die Gegebenheiten und die Umstände so real, dass ich mir gut vorstellen kann, dass es irgendwann so weit kommt. Wenn es nicht sogar schon so weit ist.

Helena Kramer ist trotz ihrer widrigen Lebensumstände, über die ich gerne noch viel mehr erfahren hätte, eine so starke, taffe Frau mit viel Herz, die mir sofort sympathisch ist. Ebenso ins Herz geschlossen habe ich Anna und Andi, zwei junge Menschen, die ungewollt mit Helena zusammentreffen und sofort helfen. Obwohl es daraufhin auch mit ihrem stillen Leben vorbei ist. Genau so gibt es die absoluten Unsympathen, die im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen gehen um an Geld oder Macht zu kommen.

Die Geschichte lässt sich leicht und flüssig lesen. Sabine Giesen zieht mich schnell in den Thriller hinein. An manchen Stellen macht sie mich durch die Schilderungen richtig wütend aber auch nachdenklich. Die Unterschiede zwischen reich und arm, zwischen High Highsociety und Obdachlosigkeit werden sehr deutlich.

„Helenas Verfolger“ machen mich sprachlos, nachdenklich und wütend, haben mich aber auch für einige Stunden sehr gut unterhalten und sind es absolut wert gelesen zu werden.

Veröffentlicht am 28.06.2019

Kein Buch nur so mal für zwischendurch

All die unbewohnten Zimmer
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Aus einem Fenster in einem Haus am Weißenburger Platz in München wird eine Frau erschossen. Ein Polizist wird durch eine weitere Kugel verletzt. Kriminaloberkommissarin Fariza-Marie Nasri hat im Nachbarhaus ...

Aus einem Fenster in einem Haus am Weißenburger Platz in München wird eine Frau erschossen. Ein Polizist wird durch eine weitere Kugel verletzt. Kriminaloberkommissarin Fariza-Marie Nasri hat im Nachbarhaus einen Bekannten besucht und ist als erste am Tatort. Ermittelt ist der Schütze schnell, nur finden kann man ihn nicht. Bei ihren Recherchen stößt Fariza auf einen ungeklärten Polizistenmord, der das K111 vor eine wie es scheint unlösbare Aufgabe stellt.


Bereits in der dritten Zeile, bei der Begegnung von Tabor Süden und Fariza Nasri, fühle ich als Münchnerin mich durch den Lauf über den Marienplatz mitten in die Geschichte hineingezogen.
Über jedem Kapitel steht ein kleiner Satz, den man dann während des Lesens in den Abschnitt zuordnen kann. Eine gute Idee, die die komplexe Story etwas auflockert.
Zu Beginn eines jeden der fünf Teile bleibt es noch im Dunkeln, wer hier die Hauptperson ist. Das ergibt sich erst während des Lesens. Ich lerne nicht nur die vier Ermittler kennen: den ehemaligen katholischen Mönch Polonius Nikolai Maria Fischer, Jakob Franck, den „Verschwundenensucher“ Tabor Süden und
Kriminaloberkommissarin im K11 Fariza-Marie Nasri, sondern auch die einzigartigen Ermittlungsmethoden eines Jeden.

Ich liebe die bunte, facettenreiche, ruhige, blumige Sprache mit der Friedrich Ani mir seine Protagonisten und die Geschichte näher bringt. Obwohl die Spannung hier nur unterschwellig immer da ist, hat sie mich gefesselt. Man muss sehr viel mitdenken und vor allem aufmerksam lesen, damit man auch die kleinsten Feinheiten mitbekommt.
Vier Wochen bin ich mit den Ermittlern unterwegs, lerne sie und die verschiedensten Menschen kennen und bekomme einen tiefen Einblick in ihr Innerstes. Manches hat mich schockiert, anderes hat mich berührt. Alles zusammen ergibt einen Sinn und zeigt einfach, wie breit gefächert die menschlichen Eigenschaften und Abgründe sind.

Ich habe diese Geschichte, die mir Friedrich Ani hier vorlegt, wie ein Puzzle betrachtet. Immer neue Erkenntnisse füllen nach und nach die noch offenen Stellen. Bis sich schließlich ein klares, verständliches Bild vor meinen Augen präsentiert.

Der Autor legt mir hier aber nicht nur einen spannenden und interessanten Fall vor. Er beleuchtet auch den gegenwärtigen Stand in Deutschland. Friedrich Ani nimmt die derzeit herrschenden politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse auseinander und hält mir einen Spiegel vor. Unfähige Polizei, Fremdenhass, Vorurteile, verschwundene Kinder, Altersarmut, der immer breiter werdende Graben zwischen Ost und West, zwischen arm und reich, ergeben einen spannenden Krimi und einen interessanten Gesellschaftsroman.

Kein Buch zum schnell mal weglesen, sondern eine besondere Lektüre zum Genießen und zun Nachdenken.