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Julia_Matos

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.11.2019

Nie langweilig, aber auch kein Highlight

Das Artefakt 2
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Band 2 der temporeichen Verschwörungs-/Agenten-Thriller-Dilogie rankt sich um Marcus, Maya, Thor und (als neue Figuren) Bob und Michelle, meistens im Bewusstseinshorizont von Thor, Bob oder Michelle. Zwischengeschaltet ...

Band 2 der temporeichen Verschwörungs-/Agenten-Thriller-Dilogie rankt sich um Marcus, Maya, Thor und (als neue Figuren) Bob und Michelle, meistens im Bewusstseinshorizont von Thor, Bob oder Michelle. Zwischengeschaltet sind dramatische Geschehnisse anderswo auf der Welt, zu denen sich erst nach und nach ein Gesamtbild formt.
Individualist Thor näher kennenzulernen hat mir gefallen, wobei ich gern noch mehr Gedanken und Gefühlsregungen des an Asperger-Symptomen leidenden Charakters wahrgenommen hätte. Ganz toll die bildhafte Besprechung des Thor-Maya-Gespanns in Kapitel 19: „Sie ist irgendwie rastlos und zerstreut, aber süß, und du bist wie ein Roboter mit Sozialprogramm, das irgendwo einen Bug hat, der für seltsame Ausfälle sorgt.“
Super auch US-Präsident Walker. Die Seitenhiebe dürfte wohl jeder verstanden haben.
US-Politiker Bob und Investigativjournalistin Michelle lassen spannenderweise zusätzliche Einblicke auf politische und wirtschaftliche Verstrickungen zu. Ein Manko ist jedoch, dass sie nicht sympathisch sind und mich nicht mitfiebern ließen.
Dass Marcus zur Nebenfigur wird, befürworte ich. Weinerlich und teils mit Brett vor’m Kopf (Auflösung kam mir recht früh in den Sinn), wirkt er jünger und naiver als er ist. Dass er demgegenüber starke Momente hat, ist allzu vorhersehbar.
Zum Vatikan als Handlungsort und Rolle im Gesamtgefüge wurde das Potenzial meines Erachtens nicht ausgeschöpft.
Die Storyline sehe ich zwiespältig. Einerseits ist eine gewisse Plausibilität/Realismusbezug nicht von der Hand zu weisen, andererseits wirken manche Entwicklungen und das Zusammenfallen von Ereignissen ziemlich gewollt. Schade auch, dass einige Figuren nur als Statisten und Alibi herhalten.
Insgesamt flüssig lesbar, in junger Sprache, gut verständlich, unterhaltsam, bei mittlerem Spannungs- und Überraschungslevel, liest sich gut weg, bleibt aber nicht im Gedächtnis. Mein Eindruck ist, dass es dem Gesamtwerk gut täte, wenn sich Joshua Tree mehr Zeit nimmt, an Details zu feilen.
Das Ende ist in Ordnung und liegt im Bereich des Möglichen, ist abgeschlossen, mit Potenzial für eine Fortsetzung, klärt offene Fragen, hätte gern ausführlicher gefasst werden können.
Insgesamt ist dies nicht mein bevorzugtes Genre. Zu viel Kampf, Schießereien, Flucht. Zu wenig Charakterzeichnung, Innovation, Humor. Denkanstöße diesmal nicht subtil verpackt, sondern mit Holzhammermethode verklickert, ist nicht meins. Drei Sterne mit Tendenz zu vier Sternen sollen hier zum Ausdruck bringen, dass ich die anderen Reihen von Joshua Tree mit SF-Einschlag (Fossil, Signal, Wall, Ganymed) literarisch wertvoller und spannender fand und lieber gelesen habe.

Veröffentlicht am 28.10.2019

Ungekünstelt und erschütternd

Der lange Schatten der Nacht
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Den Erzählteil im Jahr 2001 habe ich überwiegend nicht gemocht. Dieser nimmt viel vorweg, mindert dadurch die Spannung, unterbricht emotionale Szenen, bei denen ich gern länger verweilt hätte, zudem sind ...

Den Erzählteil im Jahr 2001 habe ich überwiegend nicht gemocht. Dieser nimmt viel vorweg, mindert dadurch die Spannung, unterbricht emotionale Szenen, bei denen ich gern länger verweilt hätte, zudem sind mir die auftretenden Figuren unsympathisch.
Die beiden zeitgenössischen Erzählperspektiven der 1923 in der Ukraine geborenen Jungen zeichnen sich nicht durch Heldenmut, sondern durch Bodenständigkeit und Pragmatismus aus, können über weite Strecken durchaus sinnbildlich verstanden werden für die allermeisten Familien, die unpolitisch waren und eigentlich nur ein bescheidenes und friedvolles Leben führen wollten.
Die authentisch und ehrlich anmutenden Wahrnehmungen, Gedanken und Gefühle berühren, ohne Effekthascherei. Die Fokussierung auf Selbsterhaltung erschwert allerdings das Sympathisieren. Nebenfiguren, allen voran Izabella, sind greifbar und interessant. Die Szenen in der Ukraine sowie in Warschau finde ich besonders gut, sie zeigen Kontraste auf, bilden und gehen zu Herzen.
Was dann folgte, war für mich persönlich zu viel, obwohl ich kein Sensibelchen bin und schon viele historische Romane und Filme kennengelernt habe. Den Detailierungsgrad, mit dem in mehreren Kapiteln das V***************r Treblinka dargelegt wird, fand ich verstörend. Schwer zu sagen, welchen Anteil der Umgang der Protagonisten mit diesen Situationen am Gesamteindruck hat. Ob man sich das antut und darauf aufbauend Gewissensfragen (Schuld, Recht und Unrecht, wie würde man selbst handeln, …) stellt, weil es ein Stück Geschichte abbildet, muss jeder für sich selbst entscheiden. Mich beschäftigte es, brachte mich aber auch auf emotionale Distanz. Das letzte Drittel des Buches habe ich nicht mehr mit der vorangegangenen Sorgfalt gelesen. Ich wollte vorrangig wissen, wie es ausgeht und ob ich mit meinen Vermutungen richtig liege. Das Ende konnte mich nicht gänzlich versöhnen oder mit großen Wow-Momenten beschenken, ist aber stimmig, in Ordnung, hinreichend ausführlich und klärt die offenen Fragen.
Obwohl es kein Nachwort gibt, habe ich m. E. gut zwischen Fakten und Fiktion unterscheiden können.
Nach meinem Empfinden ist es ein tieftrauriges, deprimierendes Werk. Meine 3-Sterne-Bewertung soll nicht die Gabe des Autors schmälern, es ist eine sehr subjektive Wahl.
In positiver Weise haben mich folgende Werke rund um den Ersten und Zweiten Weltkrieg angerührt und gebildet: Unter blutrotem Himmel (Sullivan), Sturz der Titanen (Follett), Was wir zu hoffen wagten (Saalfeld), Tage des Sturms (Zeiss).

Veröffentlicht am 15.07.2019

Band 1 von 2 - seichte Unterhaltung um kriminelle Machenschaften

Nimand ist perfeckt
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Die Autoren kenne ich als beheimatet in den Genres Fantasy, Nahe-Zukunft- und Science-Fiction-Thriller. Diesmal spielt sich alles ab im Düsseldorf der Gegenwart. Im Mittelpunkt stehen die temperamentvolle ...

Die Autoren kenne ich als beheimatet in den Genres Fantasy, Nahe-Zukunft- und Science-Fiction-Thriller. Diesmal spielt sich alles ab im Düsseldorf der Gegenwart. Im Mittelpunkt stehen die temperamentvolle Erzieherin Joe, der steinreiche Mordermittler Roman, kriminelle Familienclans und eigensinnige Omas.
Ein Mix aus Humor, Familiengeschichte, Krimi, Romanze und Spirituellem.
Das Cover ist auffällig, bunt, gewollt fehlerbehaftet und kann sinnbildlich verstanden werden für in der Geschichte vorkommende Figuren.
Der Klappentext hält durchaus was er verspricht. Es trifft bloß nicht meinen Geschmack, denn es handelt sich um seichte Unterhaltung in einfacher Sprache mit vielen Wiederholungen, ohne Denkanstöße. Die Gesellschaftskritik gerät nicht so unterschwellig-scharfzüngig wie ich es aus anderen Werken von Thariot und Sam Feuerbach kenne.
Abwechselnd schlüpft man in den Bewusstseinshorizont zweier Charaktere. Die Haupt- und Nebenfiguren sind skurril und überzeichnet. Interessant, aber wenig tiefgründig, wenig nachdenkend und reflektierend. Viele Handlungen wirken konstruiert. Auch die positiven Gefühlsregungen füreinander wirken sehr gewollt angesichts sonstiger Differenzen. Irgendwie nicht ernst zu nehmen. Mitfiebern konnte ich nicht.
Es gibt viele lustige Momente, die sich weniger aus schwarzem Humor und Wortwitz ergeben, sondern mehr aus Situationskomik und lockeren Sprüchen. Oft geht dies mit Klischees einher. Manchmal habe ich geschmunzelt oder gelacht, aber viele Gags wollten auch partout nicht zünden bei mir. Sehr schwer tue ich mich mit dem geschilderten rechtswidrigen Verhalten von Charakteren, die eigentlich sympathisch sein sollen. Während man vorsätzlich begangene Ordnungswidrigkeiten mit viel Wohlwollen noch als kreativen und der fiktiven Story zuträglichen Lösungsweg verstehen kann, hört der Spaß auf, wenn der Tod von Menschen mehrfach billigend in Kauf genommen wird.
Dass ein reales Verbrechen eingebettet ist, hat mir gefallen. Ansonsten gilt auch für den Krimi-Anteil, dass kein Thriller-Feeling aufkommen wollte, weil es zu oberflächlich und wenig glaubhaft abgehandelt ist.
Meine Lieblingsszenen sind solche mit Oma Eni und mit den Nashörnern.
Dies ist der erste Band einer Dilogie, der die allermeisten Fragen offen lässt.
Zwei meiner Lieblingsautoren haben es diesmal nicht geschafft, mich zu beeindrucken und mitzureißen.

Veröffentlicht am 15.03.2019

Knapp und leidenschaftslos, mit würdigem Ende, für Sci-Fi-Fans

Paradox 3
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Ich vergebe nur drei Sterne, weil Handlung, Gedanken- und Gefühlswelten der Protagonisten und Wissensvermittlung gefühlt zu kurz waren und dementsprechend schnell bei mir durchgerauscht sind.
Mein persönlicher ...

Ich vergebe nur drei Sterne, weil Handlung, Gedanken- und Gefühlswelten der Protagonisten und Wissensvermittlung gefühlt zu kurz waren und dementsprechend schnell bei mir durchgerauscht sind.
Mein persönlicher Eindruck als Noch-Sci-Fi-Neuling (mit geringfügigen Spoilern):
Es empfiehlt sich, vorher Band 2 gelesen zu haben. Den vier bekannten Weltraumabenteurern David, Ed, Wendy und Grace wird mit fragwürdigem Motiv eine monumentale Mission aufgenötigt. Kurzentschlossen und irritierenderweise ohne irgendwen zu informieren, geht’s los. Die Reise ist weit, textlich aber kurz, mit für meinen Geschmack zu wenig Details, ohne besondere Überraschungen und mit flacher Spannungskurve. Für’s Kopfkino gibt’s immerhin ein paar Abschnitte mit anschaulichen Umgebungsbeschreibungen.
Während ich von Paradox 2 durchaus Kenntniszuwachs mitgenommen hatte, wird hier viel bloß angerissen oder in fragwürdigem Kontext abgebildet, sodass sich wahrscheinlich nur Fragmente in meiner Erinnerung verfestigen.
Die Figuren zeigen bei dieser abenteuerlichen Expedition erstaunlich wenig Ehrfurcht, erstaunlich wenig Hinterfragen (z. B. zur Beschaffenheit der vorgefundenen Welt) und vergleichsweise oberflächliche Gefühle. Es wirkt auf mich episodenartig und leidenschaftslos abgespult. Die Charakterzeichnung überzeugt mich nach wie vor nicht, insbesondere die Motive der weiblichen Akteure bleiben im Dunkeln. Dass die Eignung für solche Unterfangen fraglich ist (z. B. cholerisches Auftreten), sei hier bloß erwähnt. Mehr als Interesse an den Einzelschicksalen der bekannten Figuren vermag ich nicht aufzubringen. Einen Lichtblick (endlich mal Emotionen im Spiel) und durchgehenden roten Faden bildet die Sorge um eins der Crewmitglieder.
Charmant finde ich den Querverweis auf Petersons Roman „Transport“.
Faszinierend gestaltet sich das Ende. Nicht gänzlich neuartig und wiederum kurz gehalten, aber doch ein stimmiger, gelungener Trilogie-Abschluss mit reizvollen Denkanstößen. Ich finde es nicht schlimm, dass die Beantwortung einiger Fragen der eigenen Vorstellungskraft überlassen bleibt.
Fazit: Ich nehme an, wer echter Sci-Fi-Fan ist, der gern Unterhaltung mit wissenschaftlichem Anspruch und experimentellen Ansätzen verbindet und Abstriche in der Charakterzeichnung in Kauf nimmt, ist gut bedient.
Der im März 2019 veröffentlichte Hard-Sci-Fi-Roman „Der Untergang des Universums“ von Kollege Brandon Q. Morris scheint zur Paradox-Trilogie einen geeigneten Anknüpfungspunkt zu bilden.

Veröffentlicht am 26.02.2019

Eigenständig lesbar; Spannungskurve und Hauptfiguren flach; Kenntniszuwachs zu 1880ern

Der weiße Ahorn
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Warnung vorab: Das Verzeichnis zu den wichtigsten Figuren sollte aufgrund von Spoilern nicht gelesen werden. Dies ist auch nicht nötig, weil die Anzahl der Figuren überschaubar bleibt.
Dargestellt werden ...

Warnung vorab: Das Verzeichnis zu den wichtigsten Figuren sollte aufgrund von Spoilern nicht gelesen werden. Dies ist auch nicht nötig, weil die Anzahl der Figuren überschaubar bleibt.
Dargestellt werden - kapitelweise wechselnd - von 1881 bis 1883 die Perspektiven von Hermann, Leitung eines erfolgreichen Schuhfertigungsfamilienbetriebs in Berlin, sowie seinen Kindern, den jungen Erwachsenen Theodor, Georg und Rosa.

Wirkt stimmig recherchiert, ohne Wow-Effekte auszulösen (z. B. hat mich die Hansen-Saga von Ellin Carsta mehr fasziniert): Leben der „gehobenen“ arbeitenden Bürger in den 1880ern in Berlin, Geschlechterrollen, Ozeanüberquerung und weiterer Weg gen Westen, Pionierstimmung der Europäer, Natur in den bis dato wenig erschlossenen Teilen der USA.
Emanzipation im Wilden Westen, Gleichbehandlung unterschiedlicher Hautfarben und Religionen, Familientradition und familienübergreifendem Zusammenhalt verleiht die Autorin Mina Baites dabei eine persönliche Note. Es ist spürbar, dass ihr die Vermittlung dieser universell wichtigen Themen viel bedeutet.

Der Roman lässt sich flüssig und ohne Verständnis- und Orientierungsschwierigkeiten lesen. Für meinen Geschmack allerdings stilistisch zu seicht geraten. In Bezug auf Emotionen und Spannung wollte der Funke bei mir nicht überspringen. Die Fährten zur Auflösung von Rätseln sind plakativ. Dementsprechend wurde ich nie überrascht oder beeindruckt.

Einige Figuren machen eine charakterliche Entwicklung durch. Das empfand ich manchmal als sprunghaft bzw. fühlte mich vor vollendete Tatsachen gestellt, weil mir die Gedanken- und Gefühlswelt auf dem Weg dahin zu kurz kam. Oder sprachlich zu melodramatisch oder gekünstelt war, z. B. Ausdrücke wie „Das Herz wurde ihr schwer.“ „das Brennen in ihrem Inneren wollte nicht verebben“, „ihr Blut in Wallung" (alles Zitate aus Kapitel 2). Die Autorin scheint Taten für sich sprechen lassen zu wollen. Dabei fallen Unstimmigkeiten umso mehr auf. Beispielsweise gibt sich Rosa freiheitsliebend, ist aber auch auf ihre äußerliche Erscheinung bedacht und sucht regelmäßig Schutz und Unterstützung ihrer männlichen Begleiter.
Die Hauptfiguren sind als tolerante und herzensgute Menschen skizziert. Eigentlich Garant, um Sympathien zu gewinnen (vgl. z. B. Harry und Maisie Clifton in der bekannten Saga von Jeffrey Archer). Hier nahm das aber manchmal Formen an, die bei mir Kopfschütteln verursachten, das Mitfühlen erschwerten und das Identifikationspotenzial minderten. Beispielsweise Beinahe-Vergewaltiger ungeschoren davonkommen lassen zu wollen. Innere Konflikte klingen an, kommen insgesamt aber zu kurz.
Die Perspektive von Georg ist mein Favorit. Allerdings aufgrund des exotischen Umfelds, nicht wegen eines außergewöhnlichen Charakters, denn mir blieb über weite Strecken schleierhaft, was er fühlt und welche Vorstellungen er vom persönlichen Glück hat.
Die Nebenfiguren sind weniger bieder, stattdessen individuell und greifbar.
Ab der Mitte, wenn es über den Klappentext hinausgeht, wird es interessanter.

Da mich der Auftakt zur Saga nicht vom Weiterlesen überzeugen konnte, freue ich mich umso mehr, dass es ein zufriedenstellendes und stimmiges Ende gibt, welches alle aufgeworfenen Fragestellungen beantwortet. Gefreut habe ich mich außerdem über das Nachwort, in dem die Autorin darauf eingeht, welche Figuren historischen Persönlichkeiten nachempfunden sind. Wer besonders wissbegierig ist, kann obendrein auf ein Quellenverzeichnis zurückgreifen.
Diese Transparenz und faires Marketing lässt mich den Roman mit positivem Gefühl abschließen.