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Veröffentlicht am 22.10.2019

Großartig geschrieben, aber insgesamt zu lang geraten

Die Altruisten
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"Ich würde lieber sterben, als ein überflüssiges Leben zu führen."

"Die Altruisten" ist einer dieser Romane, die geradezu entspannend auf mich wirken, obwohl doch einiges erzählt wird. Aber die Sprache ...

"Ich würde lieber sterben, als ein überflüssiges Leben zu führen."

"Die Altruisten" ist einer dieser Romane, die geradezu entspannend auf mich wirken, obwohl doch einiges erzählt wird. Aber die Sprache und Herangehensweise ist so entspannt und ruhig, dass selbst eine permanent unruhige Person wie ich plötzlich so etwas wie Entspanntheit erlebt. Mir hat dieser Roman auch deshalb sehr gefallen. 

Sprachlich ist "Die Altruisten", das Debüt von Andrew Ridker, eine Wucht. Ridker nutzt eine tendenziell bildhafte Sprache, bleibt dabei aber stets präzise und passt seine Wortwahl den jeweiligen Charakteren an und schreckt dabei nicht davor zurück, Wortgebilde zu nutzen, um Beschreibungen zu verkürzen.

Herausgekommen ist dabei ein Werk, das einerseits eine sehr akademische, andererseits eine stark ironisierte Sprache verwendet, die mir einen Riesenspaß bereitet hat. 

Die Geschichte selbst lässt sich kurz zusammenfassen mit: Arthur, ein Narzisst vor dem Herrn, steht kurz davor, das Haus zu verlieren, in dem er viele Jahre mit seiner Frau und seinen beiden Kindern verlebt hat. Die Frau - Francine - starb vor zwei Jahren, die Kinder - Maggie und Ethan - sind nach New York gezogen. Per Brief lädt er für ein Wochenende zu sich ein... und setzt alles daran, seine Kinder emotional an sich zu binden, damit sie ihm das Geld, das sie von Francine geerbt haben, überlassen. 

Ridker geht es inhaltlich langsam an. Immer wieder gibt es Rückblenden, in denen wir nach und nach die Hintergründe zu Francine, Arthur, Maggie und Ethan erfahren. Das Puzzle, wie alle Personen durch ihr Umfeld geprägt wurden, was es aus ihnen machte, setzt sich nach und nach zusammen. Mir hat das sehr gefallen, auch wenn es die Geduld der Leser*innen teilweise stark fordert - so sehr übrigens, dass ich mir zwischendurch die Frage stellte, worauf Ridker eigentlich hinaus will. Und doch ergibt alles Sinn.

Psychologen dürften ihre Freude mit dem Buch haben, zumal nicht nur mit Francine eine Figur des Romans Psychologin ist bzw. war, sondern Ridker Ahnung von der Sache hat und die Charaktere Sinn ergeben. 

Leider ist ausgerechnet das Ende die Schwäche des Romans, der in drei Teilen untergliedert wurde. Schon das Ende des 2. Teils - das Finale - war mir ansatzweise zu viel und einen Tick zu unrealistisch in Bezug auf Ulrikes Erscheinen. Und doch musste ich so sehr lachen. Es war so absurd, so herrlich, dass ich trotz zwischenzeitlichen Augenbrauen-Zuckens meinen Spaß hatte. Hätte Ridker hier den Roman beendet, hätte er echten Mut bewiesen.

Aber leider fügt er noch einen dritten Teil an. Und der war mir endgültig zu viel. Es sind 25 Seiten, die besser weggelassen oder - wenn er schon nicht darauf verzichten kann - besser auf 5 Seiten gekürzt hätte. Es ist so schade, weil es so furchtbar langweilig und vor allem nutzlos ist, dass es den dritten Teil gibt. Schade.
Trotzdem ist das Buch alles in allem gut und lesenswert - gerade dann, wenn man sich für Sprache und ein bisschen Psychologie interessiert. Die Familiengeschichte ist interessant, die Entwicklungen der Personen ergaben für mich Sinn, die Rückblenden peppen alles ein bisschen auf, die Sprache ist grandios. Mir hat es im Großen und Ganzen Spaß gemacht, "Die Altruisten" zu lesen. 

Veröffentlicht am 17.07.2019

Sehr spannender Pageturner, der allerdings zum Ende in zu konstruiert ist

The Mayfly - Die Chemie des Bösen
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Dieser Thriller hat mich über weite Strecken gut unterhalten. James Hazel hat einen guten Schreibstil und die Grundidee des Ganzen ist durchaus interessant. Allerdings muss ich zugeben, dass Nazis als ...

Dieser Thriller hat mich über weite Strecken gut unterhalten. James Hazel hat einen guten Schreibstil und die Grundidee des Ganzen ist durchaus interessant. Allerdings muss ich zugeben, dass Nazis als Schurken bei mir immer gehen. Aber auch abseits davon hat Hazel einen in der Summe spannenden Thriller geschaffen, der vor allem mit einem ausgesprochen angenehmen Protagonisten und einigen interessanten Nebenfiguren aufwartet.

Hazel fackelt nicht lange: Bereits im ersten Kapitel werden die LeserInnen mit einem überaus grausamen "Selbst"mord konfrontiert und auch im weiteren Verlauf schafft es Hazel, das Tempo zu halten und damit die LeserInnen an das Buch zu fesseln. Mir hat das sehr gefallen, zumal trotzdem Zeit bleibt, die verschiedenen Charaktere ordentlich zu positionieren. Die Zeitsprünge sind durch die Kapitelüberschriften, die in der Vergangenheit spielen, gut nachzuvollziehen, so dass der Lesefluss nicht unterbrochen wird.

Das einzige nennenswerte Manko des Romans ist das letzte Viertel, das mir persönlich zu viele Unwahrscheinlichkeiten bot und dadurch konstruiert wirkte. Auch die Handlungen der Bösewichter, die sich jahrzehntelang bedeckt hielten, sind plötzlich erschreckend dilettantisch. Es ist fast so, als hätte James Hazel im letzten Viertel zum Ende kommen müssen und das Konstrukt, das er so sorgfältig aufgebaut um der Seitenzahlen willen aufgegeben. Das ist tatsächlich ein bisschen schade.

Trotzdem hat mir "The Mayfly" in der Summe gefallen und ich bin einem zweiten Teil nicht abgeneigt.

Veröffentlicht am 17.07.2019

Solider Krimi

Nachts schweigt das Meer
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Kate Penrose - die auch unter dem Namen Kate Rhodes Bücher veröffentlicht - hat mit "Nachts schweigt das Meer" den Auftakt zu einer Krimiserie rund um Ben Kitto vorgelegt. Alles in allem hat mir der Krimi ...

Kate Penrose - die auch unter dem Namen Kate Rhodes Bücher veröffentlicht - hat mit "Nachts schweigt das Meer" den Auftakt zu einer Krimiserie rund um Ben Kitto vorgelegt. Alles in allem hat mir der Krimi gefallen, der für mich vor allem wegen des Settings auf den Scilly-Inseln in Cornwall interessant war. Und für das Setting, für die beschriebenen Menschen, die Landschaft, die Inseln, lohnt es sich absolut. Ich habe mich während des Lesens oft dabei ertappt, dass ich in Gedanken zu den Scilly-Inseln gereist bin.

Ben Kitto - seines Zeichens Detective Inspector und spezialisiert auf Undercover-Einsätze - nimmt eine längere Auszeit von seinem Job in London und kehrt zu seinen Wurzeln auf Bryher - einer kleinen Insel - zurück, um sich Gedanken um seine Zukunft zu machen. Allerdings steht seine kurze Rückkehr unter keinem guten Stern, denn ein Mädchen wurde ermordet und Kitto kann es nicht lassen, sich auf die Suche nach dem Mörder zu machen.

Ben Kitto ist ein angenehmer Zeitgenosse. Er ist eher zurückhaltend und besonnen, aber auch zäh. Das kommt ihm bei den Ermittlungen zugute. Da er aber auch Ich-Erzähler ist und Kate Penrose zudem die Gegenwartsform gewählt hat, wirkt der Roman oft eher wie ein Bericht. Die Schreibweise ist sehr nüchtern und das hat mir anfangs auch gut gefallen. Allerdings führt diese Nüchternheit dazu, dass es bis zum Ende keine echten Höhepunkte gibt. Vielmehr ist vor allem das finale Viertel dermaßen nüchtern erzählt, dass es geradezu emotionslos wirkt. Das nimmt dem Fall leider gänzlich die Spannung.

Auch wenn das Buch wegen des Schreibstils - der zu Ben Kitto passt - leider wenig Spannung bietet und teilweise ein bisschen zäh geraten ist, habe ich es bis zum Ende gelesen, weil Kate Penrose es erfreulicherweise geschafft hat, keinen allzu offensichtlichen Täter zu präsentieren. Das führte dazu, dass ich als Leserin immerhin bis zum Ende nicht sicher war, wer hinter den Morden steckt und ich weiterhin Interesse an dem Fall hatte.

Die Auflösung ist okay, auch wenn sich Penrose kurz an einem (meiner Meinung nach unnötigen) Twist versucht, der mich kurz irritiert hat, aber nicht weiter ärgerlich ist.

Ein zweiter Teil ist bereits in Planung und auch wenn ich "Nachts schweigt das Meer" gern gelesen habe, kann ich mir zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorstellen, ihn zu lesen. Sicher, Cornwall und die Scilly-Inseln sind tolle Handlungsorte, die im Krimi auftretenden Menschen haben mir sehr gefallen, mir persönlich war aber der Fall selbst zu emotionslos geschrieben. Mir fehlten dadurch Höhepunkte.

"Nachts schweigt das Meer" ist ein guter Krimi, aber er hat mich nicht genug gefesselt, um einen weiteren Teil lesen zu wollen.

Veröffentlicht am 17.04.2019

Völlig anders als erwartet, aber trotzdem toll!

Die Frauen von Salaga
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„Die Frauen von Salaga“ habe ich mir aufgrund der Inhaltsangabe ehrlich gesagt völlig anders vorgestellt. Meiner Meinung nach ist das wieder einmal ein Beispiel dafür, wie Verlage ihre (potentiellen) Kunden ...

„Die Frauen von Salaga“ habe ich mir aufgrund der Inhaltsangabe ehrlich gesagt völlig anders vorgestellt. Meiner Meinung nach ist das wieder einmal ein Beispiel dafür, wie Verlage ihre (potentiellen) Kunden an der Nase herumführen. Und ich finde das nicht witzig und ich habe vor allem überhaupt kein Verständnis dafür. Es nützt den Autor/innen herzlich wenig, wenn die Verlage mit den Klappentexten/Inhaltsangaben Erwartungen schüren, die hinterher nicht erfüllt werden. Vor allem wird es weder den angepriesenen Büchern noch den Autor/innen gerecht. Die Enttäuschung vieler Leser/innen ist bei diesem Vorgehen vorprogrammiert. Lesen diejenigen, die die Klappentexte schreiben, überhaupt die Bücher?

Genug lamentiert, es soll schließlich um „Die Frauen von Salaga“ und nicht etwa mäßige bis schlechte Verlagsarbeit gehen.

„Die Frauen von Salaga“ erzählt die Geschichten von Aminah und Wurche. Aminahs Schicksal nimmt seine Lauf, als ihr Vater sich mal wieder mit einer Karawane auf den Weg macht, um Stiefel zu verkaufen, aber nicht zurückkehrt. Schlimmer noch: Eines Tages ziehen Räuber durch das Dorf und brennen es nieder, nachdem sie die Menschen gefangen genommen haben, um sie als Sklaven zu verkaufen – darunter Aminah und ihre Geschwister. Der Leidensweg beginnt. Derweil wird Wurche, ihres Zeichens Königstochter, aus politisch-strategischen Gründen mit Adnan verheiratet, obwohl sie bis zu diesem Zeitpunkt davon ausging, sich ihren Mann selbst aussuchen zu können.

Das Zusammentreffen beider Frauen, das ich wegen des Klappentextes permanent erwartete, findet letztlich erst im letzten Drittel des Buches statt. Davor lernen wir über die Lebenswege der beiden Frauen ein wenig über die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse Ghanas des 19. Jahrhunderts kennen. Was mir sehr gefallen hat, ist die Tatsache, dass ich nie das Gefühl hatte, dass Ayesha Harrunah Attah dieses Buch für Europäer geschrieben hat. Sie reißt viele Themen nur an und setzt ganz offensichtlich Hintergrundwissen zur Geschichte des Landes voraus. Sie richtet sich an ihre Landsleute, nicht an potentielle Leser/innen jenseits von Afrika. Dadurch hat für mich das Buch an Authentizität gewonnen.

Es sind Kleinigkeiten wie die Mahlzeiten, die nicht bis ins letzte Detail beschrieben werden, aber eben auch die verschiedenen Begriffe wie „Clans“, „Stämme“ etc., die sie nicht näher erläutert, weil sie davon ausgeht, dass die Leser wissen, was sie meint, die in mir den Eindruck erweckt haben, dass sie primär für ein Publikum geschrieben hat, das das nötige Hintergrundwissen hat. Das hat mir ganz ehrlich sehr gut gefallen. Wer mehr wissen möchte, kann sich andere Bücher über Ghana und/oder Afrika kaufen. Dies ist ein Roman, kein Sachbuch, auch wenn Ayesha Harruna Attha einen sehr sachlichen Schreibstil verwendet. Die Sätze sind knapp – trotzdem verwendet sie eine sehr bildhafte Sprache.

Das Wesentliche ist aber der jeweilige Weg von Aminah und Wurche. Für mich waren sie ein bisschen wie Yin und Yang – Gegensätze, die sich anziehen. In gewisser Weise sind sie das genaue Gegenteil voneinander und ergänzen sich doch gut. Und so wie ihr Lebensweg bis zu ihrem Treffen – und auch danach – total gegensätzlich ist, so sind das ihre Charaktere und ihr Äußeres. Anders als es der Klappentext suggeriert, ist es nicht so, dass Wurche und Aminah sich quasi besprechen, für ihre Freiheit zu kämpfen. Es ergibt sich mehr aus ihrer Situation. Und dieser Kampf wird auch nicht nach Absprache und gemeinsam geführt, sondern die Frauen führen ihn jeder für sich. Sie treffen nur zufällig aufeinander und verbringen als Sklavin und Herrin einige Jahre miteinander, ehe sich ihre Lebenswege wieder trennen.

Aber: Beide Frauen sind auf ihre Weise stark. Sie erleiden viel – bei Aminah ist das für uns Leser/innen vielleicht leichter nachzuvollziehen, aber auch Wurche muss einiges ertragen. Und doch zerbrechen sie nicht, sondern finden ihren Weg. Am Ende bleibt die Hoffnung.

Das Buch ist wie das Leben – am Ende des Romans bleiben viele lose Fäden, nicht alles wird aufgeklärt. Auch hier bleibt sich Ayesha Harruna Attah ihrem Stil treu.

„Die Frauen von Salaga“ ist ein unterhaltsamer, teilweise spannender, vor allem aber interessanter Roman, der für viele Leser/innen sicher gewöhnungsbedürftig ist (schon allein wegen der Namen), aber letztlich eine tolle Geschichte erzählt.

Veröffentlicht am 12.02.2019

Solider Thriller

Ich bin die Angst
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Mit "Ich bin die Angst", dem zweiten Teil rund um Marcus Williams, Francis Ackerman jr. und die Shepherd-Organisation, ist Ethan Cross ein solider Thriller gelungen. Allerdings muss man sich zunächst mit ...

Mit "Ich bin die Angst", dem zweiten Teil rund um Marcus Williams, Francis Ackerman jr. und die Shepherd-Organisation, ist Ethan Cross ein solider Thriller gelungen. Allerdings muss man sich zunächst mit dem Gedanken anfreunden, dass eine Organisation wie Shepherd tatsächlich existieren könnte, um einigermaßen Spaß am Buch zu haben.


Wer eine knallharten, realistischen Thriller erwartet, sollte die Finger von der Reihe lassen, denn bereits die Existenz der Shepherd-Organisation und insbesondere ihre Möglichkeiten, sind nicht besonders realistisch. Aber dieser Aufhänger funktioniert für alle anderen Leser recht gut. So erklärt sich auch, dass die Reihe nach wie vor erfolgreich läuft.

Diesmal also wird "der Anarchist" gesucht. Schon sehr früh erfährt der Leser, wer tatsächlich der Mörder ist und was sein Motiv ist, daher ist es im Wesentlichen wichtig, wie der Mörder gefasst wird. Das zu erzählen, gelingt Ethan Cross recht gut. Das Tempo ist durchweg gut.

Mich hat positiv überrascht, dass Marcus Williams immer noch mit sich und seiner Entscheidung - für die Shepherd-Organisation zu arbeiten und zu töten - hadert. Das wird ganz gut herausgearbeitet und stellt damit auch die Motive der Organisation in Frage. Ich bin gespannt, ob Cross dieses Infragestellen auch im nächsten Roman verfolgt. Ich wünsche es mir fast, obwohl es dann auch irgendwann gut ist.

Etwas bedauerlich ist die Entwicklung von Francis Ackerman jr. War er im ersten Band noch das (mehr oder weniger) personifizierte Böse, wandelt sich sein Charakter nun. Er foltert und ermordet nicht mehr unschuldige Menschen, sondern tut dies Menschen an, von denen der Großteil der Leserinnen wohl ausgeht, dass sie es verdient haben. Nun ja. Kann man machen. Ist dann aber ein bisschen langweilig, weil man mit den Opfern nicht mitfühlt. Schließlich haben die alles verdient, was Ackerman jr. denen antut.

Was die diversen Überraschungen am Ende angeht: Die sind soweit okay - zumindest eine sehr vorhersehbar, aber trotzdem alles in allem in Ordnung. Dass es Überraschungen geben würde, war klar, und die größte Überraschung versteckt sich im letzten Satz des Buches, so dass garantiert wird, dass die Leser
innen dem nächsten Band entgegenfiebern.

Alles in allem ist "Ich bin die Angst" ein solider Thriller, den man durchaus lesen kann, so lange der Anspruch nicht zu hoch ist.