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Veröffentlicht am 10.02.2021

Bis der Sturm kommt

Warten auf Wind
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Es ist der heißeste Sommer seit Ewigkeiten. Vinga ist zu ihrem Opa auf die Insel geflüchtet. Aus der Stadt, vor dem Vater und seiner neuen Frau, vor der Mutter, die nicht aufhört zu heulen, und vor dem ...

Es ist der heißeste Sommer seit Ewigkeiten. Vinga ist zu ihrem Opa auf die Insel geflüchtet. Aus der Stadt, vor dem Vater und seiner neuen Frau, vor der Mutter, die nicht aufhört zu heulen, und vor dem kaputten Leben zuhause. Auf der Insel steht die Zeit still. Auf dem Festland brennen die Wälder.

Vinga und ihr Opa, sie passen gut zusammen. Der schweigsame Seemann, der jeden Vogel benennen kann, und bei dem es Haferbrei zum Frühstück gibt. Und Vinga, die sich so schwertut mit Freundschaften, und die so maßlos enttäuscht wird von ihrer Familie.

Aus Vingas Sicht und ohne erzählerische Distanz erlebt man in Rückblicken die sich entwickelnde Trennung der Eltern, deren abstoßende Hilflosigkeit, das Anbiedern an ihr trauerndes Kind. Da ist man als Leser selbst erleichtert, wenn das Notwendigste erzählt ist und man endlich wieder auf die Insel darf.

Und dann kommt Rut. Sie bringt alles durcheinander. Um ihre Freundschaft muss Vinga sich bemühen. Ein Engel, sagt der Opa. Für Vinga ist sie „das schmale Schattenmädchen“. Während Vinga das Boot wieder seetüchtig macht, das sie vom Opa bekommen hat, leistet Rut ihr Gesellschaft.

Vinga muss im Laufe der Geschichte feststellen, dass man Wind braucht, wenn sich etwas bewegen soll. Und es kommt ein Sturm. Es ist eine regelrechte Vertreibung aus dem Paradies, nach der das Leben trotzdem weitergehen muss.

Ein schönes Buch mit Anspruch, das man nicht weglegen kann, und das seinen jungen Lesern noch lange im Kopf bleibt.

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Veröffentlicht am 28.12.2020

Leseschatz 2020

Was der Fluss erzählt
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Ein kleines Mädchen kommt im Wirtshaus „Swan“ wieder zu sich, nachdem sie leblos aus der Themse gerettet worden ist. Doch wo gehört sie hin? Das Ehepaar Vaughan vermisst ein Kind in dem Alter, ebenso der ...

Ein kleines Mädchen kommt im Wirtshaus „Swan“ wieder zu sich, nachdem sie leblos aus der Themse gerettet worden ist. Doch wo gehört sie hin? Das Ehepaar Vaughan vermisst ein Kind in dem Alter, ebenso der Bauer Armstrong und die Haushälterin Lily.

Mit dem Auftauchen des Mädchens brechen alte Wunden auf, es kommt aber auch Bewegung in festgefahrene Beziehungen und manches Leben nimmt eine komplett neue Richtung.

„Was der Fluss erzählt“ ist ein historischer, mystischer Kriminalroman, der von Nachsicht und Toleranz inmitten einer oft unwirtlichen Umgebung geprägt ist. Exquisit erzählt, gehört das Buch auf jeden Fall zu den Leseschätzen 2020.

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Veröffentlicht am 02.09.2020

Ganz famos!

Der falsche Preuße
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Mit dem Hauptmann Wilhelm Freiherr von Gryszinski schickt Uta Seeburg einen rundum freundlichen Zeitgenossen auf Verbrecherjagd. Gryszinski kommt aus Berlin, ist Reserveoffizier der preußischen Armee und ...

Mit dem Hauptmann Wilhelm Freiherr von Gryszinski schickt Uta Seeburg einen rundum freundlichen Zeitgenossen auf Verbrecherjagd. Gryszinski kommt aus Berlin, ist Reserveoffizier der preußischen Armee und das Schöne: Er ist einfach nur glücklich in München, wo er bei der Königlich Bayerischen Polizeidirektion arbeitet.

Ein Genießer ist er, verliebt in seine Frau und ein bisschen auch in München, das er sich bei seinen Ermittlungen gerne mal zu Fuß erwandert. Überhaupt entspricht dieser Ort so sehr seiner Wesensart, dass man sich fragt, wie er es jemals als Preuße ins Erwachsenenalter geschafft hat.

Auf den Punkt kommt diese Entwicklung bei einer privaten Abendgesellschaft mit seinen Jugendfreunden aus Berlin: Während die Kollegen in ihre Uniformen gewandet zur Soirée erscheinen, begnügt sich Gryszinski mit dem Anzug, vor allem, weil er sich aus der Dragonerkluft schon lange lustvoll herausgefuttert hat.

Als Leser sind wir staunender Begleiter Gryszinskis, der sich mit allen Sinnen durch die herbstliche Pracht seiner Wahlheimat bewegt. Wir schreiben das Jahr 1894, die Trambahn wird noch von Pferden gezogen, wenngleich man ab und an schon eins dieser neuartigen Automobile sichtet, für das es in München bereits einige wenige Fahrerlaubnisse gibt.

Und auch Gryszinski ist beruflich seiner Zeit voraus, denn er bedient sich neuester kriminalistischer Methoden. Der Spurensuche am Tatort etwa und ihrer akribischen Dokumentation sowie der Daktyloskopie, also der Feststellung von Fingerabdrücken, mit deren Hilfe Personen neuerdings tatsächlich identifiziert werden können.

Ach ja, und einen Mord gibt es auch. Das Opfer wird am Ufer der Isar gefunden, mittels einer Ladung Schrot erschossen und in einen Mantel aus Vogelfedern gewandet. Bei seinen Ermittlungen lernt Gryszinski Zeitgenossen unterschiedlichster Couleur kennen, unter anderem die dekadente Nervensäge Eduard Lemke, einen Emporkömmling und Angeber, der uns in seiner überkandidelten Prachtvilla mindestens so unerträglich wird wie unserem wackeren Ermittler. Durch Lemke handelt sich Gryszinski zu allem Überfluss auch noch eine missliebige Spionagetätigkeit für die preußische Regierung ein, bei der es um ein zurückliegendes Verbrechen in der Kolonie Deutsch-Ostafrika geht.

Alles in allem: Gryszinskis Kriminalgeschichte ist ein kompletter Genuss, und dazu als Serie angelegt. Das ist besonders erfreulich.

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Veröffentlicht am 11.08.2019

Von Einfalt, Sorgfalt und Vielfalt

Die geheime Mission des Kardinals
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Wie ermittelt man in einem Mordfall, wenn man in einer Diktatur lebt und arbeitet? Wenn man damit rechnen muss, dass überall der Geheimdienst mithört, Beweise verschwinden und die Beschuldigten am Ende ...

Wie ermittelt man in einem Mordfall, wenn man in einer Diktatur lebt und arbeitet? Wenn man damit rechnen muss, dass überall der Geheimdienst mithört, Beweise verschwinden und die Beschuldigten am Ende sowieso freikommen, weil sie um fünf Ecken mit dem Herrscherhaus verwandt sind?

Zakaria Barudi, Kommissar in Damaskus, in froher Erwartung seiner bevorstehenden Pensionierung, hat damit Erfahrung. Die braucht er auch, als er Ende 2010 seinen neuesten und aller Voraussicht nach letzten Fall übernimmt: Ein vom Vatikan ausgesendeter Kardinal wird ermordet und danach, symbolträchtig präpariert, in einem Fass bei der italienischen Botschaft angeliefert.

Dieser Kriminalfall bietet weder wilde Schießereien noch spektakuläre Verfolgungsjagden. Auch ist kein Mitspieler aus dem privaten Umfeld des Kommissars in das Verbrechen involviert. Ebensowenig bestimmen absichtlich gelegte Fährten geisteskranker Massenmörder den Fortgang der Handlung. Dafür gibt es vielfältige Einblicke in die syrische Gesellschaft und in die Abgründe religiösen Irrsinns – vom christlichen Wunderheiler bis zur islamistischen Terroreinheit.

Barudi geht mit viel Gelassenheit, Toleranz, Witz, Erfahrung und kriminalistischer Sorgfalt vor. Er spricht mit jedem, macht sich aber mit niemandem gemein. Eine moralische Stütze und geniale kriminalistische Ergänzung findet er in seinem italienischen Kollegen Marco Mancini, den man ihm für die Ermittlungen zur Seite stellt.

„Die geheime Mission des Kardinals“ ist ein erstklassiger Roman. Das atmet man auf jeder Seite ein, merkt es aber vor allem, wenn man das Buch zur Seite legt: Es fehlt, wie ein guter Freund, und schnell nimmt man es wieder zur Hand und liest einfach weiter.

Veröffentlicht am 13.05.2023

Wieder mal ganz außergewöhnlich

Die Insel der Unschuldigen
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Dies ist die Geschichte des Segelschiffs Batavia, das 1629 vor der Westküste Australiens gesunken ist. Es ist ebenso die Geschichte der neunjährigen Mayken, die auf der Batavia nach Java zu ihrem Vater ...

Dies ist die Geschichte des Segelschiffs Batavia, das 1629 vor der Westküste Australiens gesunken ist. Es ist ebenso die Geschichte der neunjährigen Mayken, die auf der Batavia nach Java zu ihrem Vater reist. Und es ist die Geschichte des gleichaltrigen Gil, der 1989 nach Beacon Island zu seinem Großvater gebracht wird - auf eben jenen Landflecken, den die Schiffbrüchigen der Batavia einst für eine rettende Insel gehalten haben.

Vor der Lektüre sei angeraten, die historische Rahmenhandlung zu recherchieren, denn der Roman gibt die Wahrnehmungen der Kinder wieder und lässt das aus, was sie nicht erleben oder was die Erwachsenen ihnen zu wissen ersparen. Andernfalls bleibt der sogenannte „Suspense“ aus, also die Spannung, die das Vorhersehbare beim Lesen erzeugt.

Dies wäre kein Jess Kidd-Roman, wenn übernatürliche Wesen und geisterhafte Verbindungen ausgespart und die Brücke zum Jenseits ausgelassen würde. Das Buch ist wieder mal außergewöhnlich und überhaupt ganz großes Kino.

Der Übersetzerwechsel tut dem Werk (Original: The Night Ship) allerdings nicht gut. Die Sätze rattern über weite Strecken eintönig voran, es fehlt die Finesse, der Wortreichtum und insgesamt der Schmelz, mit dem das Übersetzerpaar Wasel und Timmermann die drei vorhergehenden Romane der britischen Autorin überzogen haben.

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