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Veröffentlicht am 14.11.2019

Wochenendhaus

Kintsugi
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Sie sind seit zwanzig Jahren zusammen und das wollen sie feiern. Eher begehen als feiern. Reik und Max fahren ins Wochenendhaus am See, da wo sie sich immer wohl fühlten. Ihre einzigen Gäste sind Tonio ...

Sie sind seit zwanzig Jahren zusammen und das wollen sie feiern. Eher begehen als feiern. Reik und Max fahren ins Wochenendhaus am See, da wo sie sich immer wohl fühlten. Ihre einzigen Gäste sind Tonio und seine Tochter Pega. Sie sind fast wie eine Familie. Im winterlichen Haus entwickelt sich das Festwochenende etwas anders als erhofft. Verborgene Wünsche und Gedanken drängen ans Licht. Eigentlich waren es Tonio und Reik die sich zuerst kannten schon als sie noch Jugendliche waren. Und dann war Max da, der Ruhige, bei dem sich der Künstler Reik ausleben konnte.

Kintsugi bezeichnet auf Japanisch, die Kunst zerbrochenes Porzellan mit Gold zu kitten. Und tatsächlich gibt es in dem Roman eine Teetasse, die auf diese Art repariert wurde und dadurch noch eine zusätzliche Schönheit bekommen hat. Auch die Beziehung von Max und Reik scheint gekittet. Und im Verlauf des Wochenendes offenbart sich, dass die Beziehungen zwischen den drei Männern und dem jungen Mädchen, das sie aufgezogen haben, nicht so glatt und friedlich sind wie es auf den ersten Blick wirkt. Risse durchziehen die Bande zwischen diesen Menschen, die doch so menschlich bleiben. Sie sind schon ein Trupp, Künstler, Professor, Klavierspieler und die junge Studentin.

Man muss fürs Lesen solch poetischer Beziehungsgeflechte geschaffen sein, um von diesem Roman eingenommen zu werden. Ist man das nicht, verliert sich die Lektüre in den Erzählungen und Gedanken der handelnden Personen. Man vermisst eine wirkliche Handlung. Dennoch kann man die Poesie genießen und der Gedanke an die Teetasse in ihren verschiedenen Daseinsformen hat was. Man beginnt sich zu fragen, ob die Menschen mit ihren Beziehungen ebenso zart umgehen wie mit der Tasse, ob sie sie ebenso hegen und nach Brüchen wieder zusammensetzen. Oder gibt es den Moment, an dem man einfach erkennen muss, dass es vorbei ist. Diese kluge und schöne Idee vermag wohl nicht jeden Leser zu packen, wird vielen aber ein besonderes Leseerlebnis bereiten.

Veröffentlicht am 28.09.2019

International

Brüder
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Mick wächst noch in der ehemaligen DDR auf. An seinen Vater kann er sich nicht erinnern. Der kam als Gaststudent aus Afrika und verließ Berlin bald wieder. Und so schlägt sich Mick durchs Leben. Irgendwie ...

Mick wächst noch in der ehemaligen DDR auf. An seinen Vater kann er sich nicht erinnern. Der kam als Gaststudent aus Afrika und verließ Berlin bald wieder. Und so schlägt sich Mick durchs Leben. Irgendwie hat er eine Künstlernatur, der es am besten in der Club-Szene gefällt. Was Mick nicht weiß, seinen Vater hat es auch nach Leipzig verschlagen und dort hat sein unbekannter Bruder Gabriel seine Jugend verbracht. Inzwischen ist er erfolgreicher Architekt in London. Gabriel ist der, der zielstrebig seine Karriere vorantrieb, geheiratet hat und einen Sohn zeugte.

Die Brüder Mick und Gabriel, nahezu gleich alt wissen sie nichts voneinander. Wegen ihrer dunklen Haut fallen sie auf. Doch sie lassen sich davon nicht beeinträchtigen. Wo Mick mit Leichtigkeit durchs Leben geht und irgendwann feststellen muss, dass er doch nicht mit allem durchkommt, ist Gabriel der Ernsthafte, der bei seinen Großeltern aufwächst und anscheinend viel von der Durchsetzungskraft seines Großvaters übernommen hat. Wo Mick manchmal lügt oder sich die Wahrheit zurechtbiegt, kennt Gabriel keine Lüge. So unterschiedlich die Brüder sind, so suchen sie doch beide nach etwas. Ihr Vater Idris, der ehemalige Medizinstudent, müsste inzwischen in die Jahre gekommen sein. Denkt er noch an seine Zeit in Deutschland.

Eine kunterbunt zusammengewürfelte Familie hat sich die Autorin ausgedacht. Die Geschichte zweier Brüder, die nichts voneinander wissen, ist ein spannender Ansatzpunkt, der die Phantasie beflügelt. Kann ein Zufall sie zusammenführen, werden sie den Vater suchen oder wird der Vater sie suchen. Die Brüder wirken in ihrer Gegensätzlichkeit etwas extrem. Jeder ist auf seine Art eigen und eigentlich kein Familienmensch. Mick als Bruder Leichtfuss erscheint erst spät gesetzt und Gabriel, dem eher drögen, könnte mehr Spontanität gut tun. Die Geschichte entwickelt sich ganz anders als nach dem ersten Gedanken vermutet werden kann. Zwei getrennte Lebensläufe, die auf ihre Art einen unfertigen Eindruck erwecken. Die kluge Idee dieses heutzutage zum Glück nicht mehr so ungewöhnlichen Hintergrundes ist dennoch ansprechend beschrieben.

Veröffentlicht am 17.09.2019

Der Aufrechte

Die geheime Mission des Kardinals
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Im Jahr 2010 leben Christen und Muslime relativ friedlich nebeneinander in Damaskus. Kommissar Zakaria Barudi blickt nach über 40 Dienstjahren seiner Pensionierung entgegen. Noch einen Fall möchte er aufklären. ...

Im Jahr 2010 leben Christen und Muslime relativ friedlich nebeneinander in Damaskus. Kommissar Zakaria Barudi blickt nach über 40 Dienstjahren seiner Pensionierung entgegen. Noch einen Fall möchte er aufklären. Es geht um den Tod eines Kardinals, der in einem Ölfass an die italienische Botschaft geliefert wurde. Warum war der Kirchenvertreter im Land und weshalb wurde er ermordet? Zunächst gibt es wenige Anhaltspunkte und der Kommissar stößt bei seinen Nachforschungen auf Widerstand.

Obwohl man meinen könnte, es handelte sich bei diesem Handlungsrahmen um eine kriminalistische Geschichte, greift diese Beschreibung wohl zu kurz. Am Ende seines Arbeitslebens angelangt, zieht Kommissar Barudi Bilanz. Der Enthusiasmus zu Beginn seiner Laufbahn ist der harten Realität gewichen. Dem Regime ist nicht immer an einer ordentlichen Aufklärung gelegen. Etwas, was der Kommissar nicht vermissen wird. Seine allzu früh verstorbene Frau vermisst er dagegen immer noch schmerzlich. Doch ist mit dem Eintritt ins Pensionärsdasein nicht auch eine Zäsur des Lebens verbunden? Könnte er nicht einen Neubeginn wagen? Erstmal jedoch muss er herausfinden, von wem der Kardinal getötet wurde. Hilfe findet er bei dem italienischen Kommissar Mancini.

Über die reine Krimihandlung hinaus wird ein Bild der Gesellschaft in Damaskus gezeichnet. Kommissar Barudi, der mit Religion nicht mehr viel am Hut hat, ist abgeklärt und desillusioniert. Seine Arbeit war ihm zwar immer wichtig und er hat sie gewissenhaft ausgeführt, aber den Anforderungen des Regimes mochte er nie genügen. Nun freut er sich schon auf die kommende Pensionierung. Sein Kollege aus Italien ist ein echter Lichtblick, wobei die beiden durchaus Parallelen in der Organisation ihrer Behörden feststellen können. Noch ist alles relativ friedlich, doch der kommende Bürgerkrieg wirft erste Schatten voraus. Die eindringliche, schonungslose und ausführliche Schilderung der Verhältnisse bietet einen interessanten Überblick über das Leben in Damaskus. Gekonnt wird dieses Hörbuch vorgetragen von Udo Schenk und Jürgen Tarrach. Ist man mit arabisch-stämmigen Autoren nicht so vertraut bietet das Hörbuch eine sehr gute Alternative zum Buch.

Veröffentlicht am 07.09.2019

Die Morgenröte

Bis ihr sie findet
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Vor dreißig Jahren machten sie sich auf zu einer Tour, eine Gruppe Jugendlicher. Sie kehrten zurück, aber eine fehlt. Die vierzehnjährige Aurora ist verschwunden und ihre sterblichen Überreste werden erst ...

Vor dreißig Jahren machten sie sich auf zu einer Tour, eine Gruppe Jugendlicher. Sie kehrten zurück, aber eine fehlt. Die vierzehnjährige Aurora ist verschwunden und ihre sterblichen Überreste werden erst viele Jahre später entdeckt. Damals selbst noch ein Jugendlicher übernimmt DCI Jonah Sheens nun die Untersuchung. Was ist damals wirklich passiert? Ist das junge Mädchen ermordet worden oder war es ein Unfall? Verheimlichten die anderen aus der Gruppe etwas? Alles, was vor Jahren schon erfragt wurde, muss noch einmal gesichtet werden. Sollte es Lücken geben oder sind Fehler passiert. Die Beteiligten von vor dreißig Jahren werden nochmals eingehend befragt.

Gut verfolgen kann man, wie schwierig es ist, die Ermittlungen nach so langer Zeit wieder aufzunehmen. Für die verwaisten Eltern ist das Leben irgendwie stehen geblieben, doch das Leben der anderen ging weiter. Sie leben nicht mehr am Ort, sie haben Karriere gemacht, sie erinnern sich nicht mehr. Die junge Kollegin Hanson übernimmt es unter anderem, die alten Akten zu sichten. Mit ihrer frischen Sichtweise entdeckt sie tatsächlich ein zwei Ungereimtheiten, die zu neuen Ansätzen führen. Doch die Befragungen ergeben zunächst nicht viel. Die Ermittler müssen einfach tiefer graben.

Der Gedanke, ein Verschwinden könnte auch nach dreißig Jahren noch aufgeklärt werden, ist sehr phantasieanregend. Gleich beginnt man zu überlegen, was wohl wirklich passiert ist. Die geschickt eingestreuten Rückblenden tun ihr übriges, um den einen oder anderen Verdacht zu wecken, um ihn bald wieder ad absurdum zu führen. Hier spielt die Autorin gekonnt mit dem Leser. Sehr wirklichkeitsgetreu schildert sie die Puzzlearbeit, die die Polizei zu leisten hat. Da muss tatsächlich beinahe jeder Stein wieder und wieder umgedreht werden. Dass dabei auch irreführende Spuren aufgetan werden, ist kein Wunder. Zu Beginn zwangsläufig etwas langsam nimmt die Handlung schließlich immer mehr an Fahrt auf, um weiter in eine Art Traumwelt zu führen, die nur schwer nachvollzogen werden kann. Teilweise fragt man sich, wieso einige Ereignisse nicht einfach im Laufe der ersten Ermittlung geklärt wurden. Doch insgesamt bietet dieser Roman eine interessante Handlung, die auf einer tollen Grundidee basiert.

Veröffentlicht am 18.08.2019

Darker

Sieben Arten Dunkelheit
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Die Geschwister Krigk und R’hee haben eine Begegnung mit einer anderen Dunkelheit, einer gefährlichen Dunkelheit. Sie müssen ihre Heimat verlassen, um selbst geschützt zu werden und die Welt zu schützen. ...

Die Geschwister Krigk und R’hee haben eine Begegnung mit einer anderen Dunkelheit, einer gefährlichen Dunkelheit. Sie müssen ihre Heimat verlassen, um selbst geschützt zu werden und die Welt zu schützen. In einer Welt, die uns bekannt vorkommt, lebt David, der es nicht so mit der Dunkelheit hat. In der Schule lernt er Ayumi kennen, die irgendwie zu leuchten scheint und doch nicht sehen kann. Sie macht ihn bekannt mit einer anderen Dunkelheit und mit ihrem Großvater, der David hilft, verschiedene Arten der Dunkelheit zu durchdringen. Der Großvater will alles tun, um die Dunkelheit im Zaum zu halten und er hofft, dass David und Ayumi ihm dabei eine Hilfe sein können.

Es gibt verschiedene Arten von Dunkelheit, von einem leichten Grau bis zum tiefsten Schwarz. Schon immer wurde über die Dunkelheit gewacht, damit sie im Herzen der Menschen keine Überhand gewinnt. Doch das Gefüge aus Dunkelheit und Licht scheint aus dem Gleichgewicht zu kommen. Ein übermächtiger Gegner hat sie an sein übles Werk gemacht. Ist es überhaupt möglich, dass ein alter Herr und zwei Jugendliche die Welt retten können? Und wird das Vielnachtamulett sie schützen können? Die Dunkelheit ist eine große Macht.

Man wird dem Autor zustimmen, das es verschiedene Arten der Dunkelheit gibt. Daraus eine Romanidee zu generieren, hat etwas Faszinierendes. Neugierig widmet man sich den Worten und findet eine Geschichte von jungen Menschen, die einen Weg durch die Dunkelheit zu gehen haben. Gut gefällt dabei, wie unterschiedlich die Persönlichkeiten herausgearbeitet sind und welche Entwicklung sie durchmachen. Es gibt nicht nur schwarz und weiß, sondern viele Schattierungen dazwischen. Sorgen und Nöte stehen neben Hoffnung und Energie. Zwar wird das Buch als All-Age-Fantasy beschrieben, allerdings könnte man den Eindruck gewinnen, dass es sich doch eher für jüngere Leser eignet. Und manchmal kommt die Frage auf, ob einzelne Punkte, die nur angerissen werden, wirklich schon auserzählt sind. Doch insgesamt überwiegt die Freude an einer fesselnden Idee bei Weitem.