Profilbild von read_love_write

read_love_write

Lesejury Profi
offline

read_love_write ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit read_love_write über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.10.2019

Psychologisches Drama mit kaputten Seelen

Worüber wir schweigen
0

--- Kurzinhalt ---
Nina kommt nach zwölf Jahren in ihren Heimatort zurück und begegnet ihren ehemaligen Freunden. Doch schon bald stellt sich heraus, dass Nina nicht ohne Grund zurückgekehrt ist. Sie und ...

--- Kurzinhalt ---


Nina kommt nach zwölf Jahren in ihren Heimatort zurück und begegnet ihren ehemaligen Freunden. Doch schon bald stellt sich heraus, dass Nina nicht ohne Grund zurückgekehrt ist. Sie und ihre Freunde sind in eine tödliche Sache verwickelt, die sich vor zwölf Jahren abgespielt hat, dessen Ursachen anscheinend jeder für sich geheim hält.

--- Lesefluss ---


Das Buch wechselte zwischen drei Perspektiven in der Ich-Erzählperspektive hin und her. Zusätzlich gab es zahlreiche Zeitsprünge. Das war manchmal etwas verwirrend, aber irgendwann habe ich mich mehr oder minder zurechtgefunden. Das Pferd wurde von hinten aufgezäumt, wodurch von Beginn an der Leser im Dunkeln tappte.

Der Schreibstil war sehr gut, es las sich flüssig und es gab so einige sehr interessante Metaphern. Allgemein war die Sprache eher rau, was zur Grundstimmung des Buches passte.

Es gab keine Kapitel, sondern Umbrüche fanden in der Form statt, dass wieder eine Perspektive gewechselt wurde. Auch das war etwas gewöhnungsbedürftig.

--- Protagonisten ---


Die Protagonisten sind eigentlich allesamt unsympathisch, vollbehaftet mit negativen Gefühlen oder Eigenschaften, wie Schuld, Eifersucht, Hass, Bitterkeit, Boshaftigkeit, Kälte, Unberechenbarkeit. Allein voran die Hauptakteurin Nina. Sie und ihre Freunde sind auf die ein oder andere Art kaputt, und falls sie doch noch am Anfang als in Ordnung gelten, werden sie irgendwann ab der Hälfte des Buches ins Verderben gerissen. Das war schon ne ziemlich krasse Nummer, ein Buch zu lesen, wo mir eigentlich niemand sympathisch war. Dennoch fand ich das psychologisch gesehen sehr interessant und auch irgendwie mutig.

--- Meine Meinung ---


Ich habe das Buch sehr zügig durchgelesen, weil es sich wirklich gut las. Die Sprache war zwar an einigen Stellen sehr derb, aber Thriller sind ja allgemein nicht in Blümchenworten verfasst – und da gibt es definitiv schlimmere Varianten. Die Stimmung war sehr beklemmend, was sehr zur Thematik gepasst hat.

Ich bin kein Fan von Massakern oder endlosem Blutvergießen, Bücher mit Mordopfern und Kriminalkommissaren lese ich nur ganz selten. Dafür liebe ich es, wenn ein Thriller psychologisch gut aufgebaut ist. Dies war hier der Fall. Im Grunde begegnet man drei Jugendlichen, die sich ihre eigene Zukunft verbauen, aus Gründen der Eifersucht und des Hasses. Das tat mir manchmal weh zu lesen. An einigen Stellen fand ich es auch übertrieben, dass so viele Menschen auf einen Haufen anscheinend so kalt und kaputt sind. Zudem gab es ein paar Reaktionen, die ich nicht glaubwürdig fand. Aber insgesamt, war die psychologische Dramatik sehr gut dargestellt.

Während des gesamten Buches, aber insbesondere dem Ende hingegen, habe ich gedacht, dass da doch noch irgendetwas kommen muss. Etwas, das so richtig spannend ist und mich in einen Sog zieht. Zugegeben, das gab es nicht. Ich habe schon relativ früh erkannt, worauf das Ganze hinausläuft und wäre irgendwie enttäuscht gewesen, wenn nicht am Ende wenigstens noch eine kleine Wendung gekommen wäre. Und tatsächlich kam mit dem letzten Satz des Buches zumindest noch etwas, das mich gleichermaßen schockiert als auch nachdenklich zurückgelassen hat. Sehr gut!

--- Mein Fazit ---


Alles in Allem ist ein psychologisches Drama mit kaputten Protagonisten. Das Buch zeigt ganz deutlich auf, dass das, was man sät auch erntet. Es war zwar nicht hochgradig spannend und dennoch sehr interessant aufgebaut. Von mir gibt es vier Sterne.

Veröffentlicht am 11.09.2019

Gefährlich, kurzweilig und tausende Geheimnisse

Sinful Prince
0

--- Kurzinhalt ---
Da möchte Temperance „nur“ Whiskey verkaufen und befindet sich plötzlich in einem Sexclub. Als sie dann beobachtet, wie ein anderes Pärchen Sex hat, ist sie auf einmal super angeturnt. ...

--- Kurzinhalt ---


Da möchte Temperance „nur“ Whiskey verkaufen und befindet sich plötzlich in einem Sexclub. Als sie dann beobachtet, wie ein anderes Pärchen Sex hat, ist sie auf einmal super angeturnt. Ein geheimnisvoller Mann kommt in den Raum und verführt Temperance zu etwas, wovon sie selbst nicht geglaubt hat, dass sie dazu fähig sei.

Die Begegnung mit diesem Mann war der Auftakt zu einem gefährlichen Unterfangen, dessen Ausmaße sich Temperance nicht einmal ansatzweise vorstellen kann.

--- Lesefluss ---


Das Buch liest sich super flüssig. Die Seiten fliegen nur so dahin. Manchmal gefallen mir die Ausdrücke (im sexuellen Sinne) zwar nicht, aber ansonsten schafft die Autorin eine wahnsinnige Neugierde. Es kommen so einige Fragen auf, was mir immer unglaublich gut gefällt in Romanen.

--- Temperance ---


Temperance ist eine junge Geschäftsfrau, die Whiskey verkauft. Sie scheint schon seit längerem keinen Sex mehr gehabt zu haben und hat wilde, dunkle Fantasien. Sie hat einen dubiosen Bruder und möchte selbst sehr verantwortungsbewusst zu handeln. Doch als sie den männlichen Counterpart kennenlernt, sind alle guten Vorsätze dahin. Sie fühlt sich von der Gefahr, die diesen Mann umgibt, wie von einem Magneten angezogen.

--- Was mir sehr gefallen hat ---


Das Buch war sehr kurzlebig und man könnte es gut und gerne in einem Rutsch weglesen. Ich habe mich keine einzige Minute gelangweilt (aber gut, es hat auch nur 256 Seiten). Die Autorin schafft Neugierde bis zum geht nicht mehr.

--- Was mir weniger gefallen hat ---


Das Wort »Pussy« ist mein Unwort in diesem Buch geworden. Ich habe das Wort noch nie gemocht, aber hier wurde ich richtig davon abgeturnt. Gott sei Dank kam es nur wenig vor. Es gab letztendlich nur zwei Sexszenen und somit hielt es sich Grenzen.

Das Buch endet damit, dass mega viele bedeutsame Fragen nicht beantwortet werden, sondern stattdessen auf einen riesengroßen Cliffhanger gebaut wird, um Neugierde für die Fortsetzung zu schaffen. Das ist natürlich eine Methode, aber mir hat das nicht gefallen, zumal ich dann beim zweiten Buch, mich erstmal wieder reinfinden muss. All die Fragen werden vermutlich erst im Band 3 vollständig aufgelöst werden.

--- Mein Fazit ---


Alles in allem kann ich das Buch total empfehlen. Es liest sich super gut, ist stellenweise sehr amüsant und schafft Neugierde. Aber Vorsicht: wenn man Band 1 gelesen hat, wird man definitiv die anderen beiden Bände auch lesen wollen – Suchtgefahr!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
  • Gefühl/Erotik
Veröffentlicht am 28.08.2019

Tiefe rührende Botschaft – ein sehr empfehlendes Buch

Someone New
0

--- Kurzinhalt ---
Auf einer lahmen Veranstaltung ihrer Eltern, trifft Micah auf den Kellner Julian. Die beiden verstehen sich von Anhieb, doch dann wird Julian kurzerhand von Micahs Mutter gefeuert, weil ...

--- Kurzinhalt ---


Auf einer lahmen Veranstaltung ihrer Eltern, trifft Micah auf den Kellner Julian. Die beiden verstehen sich von Anhieb, doch dann wird Julian kurzerhand von Micahs Mutter gefeuert, weil diese denkt, dass die beiden miteinander rumgemacht haben. Zwei Monate später zieht Micah in ihre eigene Wohnung nahe ihrer Universität und Julian ist unerwartet Micahs Nachbar. Doch Julian ist nicht der, den er vorgibt zu sein – ein gewaltiges Geheimnis bringt ihn dazu, Micah vorerst auf Abstand zu halten.

--- Lesefluss ---


Das Buch liest sich sehr flüssig. Wir erleben die Ich-Perspektive von Micah, die sehr erfrischend ist. Ich konnte von Anfang an den Druck, unter dem sie steht, sehr gut nachvollziehen. Ihre Gefühle haben mich direkt erreicht.

--- Protagonisten ---


Micah ist die Tochter reicher Anwälte und steht unter besonderer gesellschaftlicher Beobachtung. Ihre Eltern erwarten von ihr, dass sie ebenfalls Jura studiert und das Kanzlei-Erbe eines Tages antritt. Sie hat sich einzufügen, soll in den konservativen Rahmen passen - was sie durch ihre Liebe zu Superhelden, Mangas, Comics und vor allem Graphic Novels allerdings nicht tut.

Julian ist ein Einzelgänger und wirkt in den ersten Begegnungen mit Micah sehr distanziert, gleichgültig, auch ein bisschen herablassend. Er ist 24 und studiert im ersten Semester Architektur. Er hat unglaublich viele Narben und ein dunkles Geheimnis, weshalb sein Charakter am Anfang sehr verschlossen wirkt.

--- Was mir sehr gefallen hat ---


Micah hat eine unglaublich tolle Art. Wenn ich ihr während meines Studiums begegnet wäre, hätte ich sofort mit ihr Freundschaft geschlossen. Mir hat ihr frecher Charakter von Anfang an gefallen, wie sie verbal Grenzen überschreitet und sich immer wieder gegen ihre starren Eltern (humorvoll) auflehnt. Manches Mal machte ich selbst große Augen bei dem was sie so von sich gab. Gleichzeitig liebt sie aber ihre Eltern und das fand ich bewunderswert – andere Teenager an ihrer Stelle hätten ihre Eltern vermutlich gehasst.

Laura Kneidl versteht es, die Neugierde aufrecht zu erhalten. Das ganze Buch über war ich extrem gespannt darauf, was denn nun das besagte Geheimnis um Julian wäre. Ich habe mir wirklich allerhand ausgemalt und dennoch wurde ich dann, als es aufgelöst wurde, sehr überrascht! Das fand ich extrem genial – denn als ich so drüber nachdachte, gab es eigentlich unzählige kleine versteckte Hinweise. Selbst der Titel ist nicht willkürlich. Das ist für mich Talent. Die Botschaft, die dann hinter diesem Geheimnis stand, war für mich sehr berührend. Ganz großes Lob!

--- Was mir weniger gefallen hat ---


Das Buch zog sich sehr hin. Viele Gedankengänge seitens Micah wiederholten sich mehrere Male und obwohl das natürlich menschlich ist, hätte ich das in einem Roman nicht unbedingt gebraucht.

Als das Geheimnis dann (endlich!) gelüftet wurde, ging mir anschließend alles ein bisschen zu schnell, paradoxerweise. Micahs Auseinandersetzung damit war dann extrem harmonisch und verständnisvoll. Das fand ich zwar bewunderswert, aber leicht unrealistisch – zumindest ein kurzer Schock hätte mir persönlich gut getan. Ihre Reaktionen waren so voller Liebe, was natürlich auch die wichtige Botschaft dieses Buches war, aber dennoch nahm ich das nicht ab – es ging mir einfach zu schnell. Ich glaube die realistischere Auseinandersetzung damit hätte mehr Zeit gebraucht. Liebe und Verständnis sind natürlich wichtige Schlüssel dafür, worauf Laura Kneidl auch sehr gut aufmerksam gemacht hat, aber Zeit wäre noch der realistischere (dritte) Schlüssel dazu gewesen.

--- Mein Fazit ---


Das Buch wird vermutlich aus ewig in meinem Herzen bleiben, weil ich die Thematik dann zum Schluss doch sehr berührend und wichtig fand. Einzig und allein die Langatmigkeit der ersten 400 Seiten und dann die schnelle Akzeptanz (die zwar auf der einen Seite meinen Respekt verdient, aber irgendwie auch unrealistisch war) haben mich etwas gestört. Alles in allem aber ein ganz wunderbares Buch, das die Aufmerksamkeit, die es bekommen hat, verdient.

Veröffentlicht am 15.08.2019

Schwarzer Humor vom Feinsten!

Achtsam morden
0

--- Kurzinhalt ---
Björn Diemel ist Strafverteidiger und deklariert sich selbst als sogenannter »Bäh«-Anwalt, denn sein Hauptmandant, Dragan, ist ein widerlicher Drogenboss, der zugleich mit Waffen und ...

--- Kurzinhalt ---


Björn Diemel ist Strafverteidiger und deklariert sich selbst als sogenannter »Bäh«-Anwalt, denn sein Hauptmandant, Dragan, ist ein widerlicher Drogenboss, der zugleich mit Waffen und Frauen handelt. Weil Björns Frau der Meinung ist, dass er allein an dem Zusammenbrechen der Ehe schuld sei, schickt sie ihn kurzerhand zu einem zwölfwöchigen Achtsamkeits-Seminar. Die Weisheiten, die er dort lernt, nimmt Björn dann allzu genau und setzt sie auf makabre Art und Weise bei Dragan ein: nachdem dieser gemordet hat und Björn bedroht, beschließt Björn Dragan einfach ebenfalls aus dem Weg zu schaffen. Damit haben sich für Björn die Pforten ins kriminelle Leben geöffnet.

--- Lesefluss ---


Wir erleben die Ich-Perspektive von Björn Diemel, der aus jetziger Sicht (wo er bereits den Mord begangen hat) erzählt, wie alles angefangen hat. Das Buch liest sich wahnsinnig flüssig und überall hüpft ein Schalk hervor und treibt seine Späße. Der schwarze Humor ist unverwechselbar – man darf das Buch bloß nicht zu ernst nehmen, es ist allen voran Unterhaltungslektüre.

Die Kapitel sind kurz und knackig und vor jedem Kapitel gibt es ein Leckerbissen in Form eines Zitates aus dem Weisheiten-Repertoire des Achtsamkeits-Coachs. Diese, muss ich sagen, sind in der Tat gar nicht mal so schlecht. Nun gut, ich mache auch Yoga und fühle mich von so einem Kram in der Regel eh sehr angesprochen. Wie Björn diese Achtsamkeitsregeln dann für sich umsetzt, ist ein Beweis dafür, dass jeder Mensch sich seine eigene Wahrheit so zurechtdreht, dass es mit seinem eigenen Gewissen vereinbar ist.

--- Der Mörder als Protagonist ---


Björn Diemel, 42, ist erfolgreicher Strafverteidiger. Er sorgt dafür, so berichtet er selbst, dass »Arschlöcher nicht den Ärger bekommen, der angebracht wäre.« Er ist wahnsinnig gut in seinem Job, hasst ihn aber gleichermaßen, was sich darin äußert, dass er Nackenschmerzen und Magenprobleme hat und völlig gestresst ist. Zudem ist er Vater und Ehemann. Diesem Mann würde man im echten Leben niemals begegnen wollen: er ist egozentrisch, unsympathisch, skrupellos und ohne Gewissen. Er sagt selbst: »Als Strafverteidiger ist man nicht der Wahrheit verpflichtet, sondern man muss nur Zweifel säen.« Wenn man das so liest, bekommt man natürlich einen sehr schlechten Eindruck von Anwälten überhaupt – aber ich vermute, dass Karsten Dusse absichtlich diese Aussagen streut, um Kritik an dem Rechtssystem zu nehmen. Zurück zu Björn: Einzig seine kleine fast 3-jährige Tochter scheint ihm etwas zu bedeuten. Und obwohl dieser Mann fast schon ekelhaft ist, fand ich es trotzdem interessant, dass ich als Leser die Story in der Ich-Perspektive von Björn genossen habe.

--- Was macht das Buch besonders ---


Die Weisheiten der Achtsamkeit, die sich eigentlich positiv auf das Leben auswirken sollen, werden hier in Verbindung gesetzt mit mörderischer Kriminalität. Das macht das ganze natürlich unglaublich interessant und lustig.

--- Was mir sehr gefallen hat ---


Der schwarze Humor war einmalig. Das Buch ist völlig überspitzt, unrealistisch, makaber, voll von Weisheiten, verdreht und hat einen mega unsympathischen Protagonisten. Im Normalfall wäre ich ggf. von derlei Dingen, insbesondere einem ekelhaften Protagonisten, abgeschreckt, aber zu dieser Satire passt es wie Faust aufs Auge.

Karsten Dusse hat einen sehr gelungenen Schreibstil, der zu der absurden Geschichte perfekt abgestimmt ist. Ich musste das ein oder andere Mal richtig lachen. Natürlich gab es hier und da mal ein paar Rechtschreibfehler, aber über die konnte ich hinwegsehen.

--- Meine (kleinen) Kritikpunkte ---


Die Personen, die mit Dragan (dem Mafioso) dubiose Geschäfte abwickeln, wurden ausgiebig benannt und erklärt. Zum Anfang hatte ich da ein paar Probleme, da ich diese Personen nicht kennengelernt habe. Es war dadurch sehr trocken und ich sah nicht wirklich durch, wer welche Stellung hat, warum wer angepisst von wem war und wer wen umlegen wollte. Aber irgendwann hatte auch ich den Durchblick, aber halt erst sehr spät im Buch.

- Achtung Spoiler –
Das Ende des Buches war, genauso wie der Anfang, sehr abstrus. Dass Björn mit all diesen Tötungsdelikten durchgekommen ist und selbst der einst so clevere Polizist (Nebendarsteller) irgendwie völlig naiv und ignorant über wichtige Tatbeweise hinweggesehen hat, war für mich doch etwas merkwürdig.

--- Mein Fazit ---


Der Roman ist fernab von Realität, völlig überzogen und überspitzt, aber genau darin findet sich auch sein Reiz: denn auf diese Art versucht Karsten Dusse Kritik am Rechtssystem zu äußern (zumindest interpretiere ich das so). Wer schwarzen Humor liebt, wird mit diesem Roman wunderbare, herzlich vergnügte Stunden verbringen. Eine klare Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 28.07.2019

Nette Liebesgeschichte mit ein paar Ungereimtheiten

Pearl – Liebe macht sterblich
0

--- Kurzinhalt ---

Pearl ist zweihundert Jahre alt. Vor etwa hundertachtzig Jahren ist sie gestorben, doch dann schlug ihr Herz plötzlich wieder und sie wurde zu einer Suchenden. Nur die wahre Liebe, ...

--- Kurzinhalt ---



Pearl ist zweihundert Jahre alt. Vor etwa hundertachtzig Jahren ist sie gestorben, doch dann schlug ihr Herz plötzlich wieder und sie wurde zu einer Suchenden. Nur die wahre Liebe, besiegelt mit einem Kuss, kann die Suchenden vom einsamen Schicksal der Unsterblichkeit befreien. Doch seit jener Zeit findet Pearl ihre wahre Liebe nicht. Sie ist verzweifelt, verliert zunehmend die Hoffnung. Doch falls Pearl jemanden küssen sollte, der nicht ihre wahre Liebe ist, wird demjenigen auf ewig die Erfahrung der Liebe verwehrt. Aus diesem Grund gibt es Jäger. Sie jagen die Suchenden und wollen sie aufhalten, die Liebe aus unschuldigen Menschen herauszusaugen. Eines Tages rettet Pearl jemanden das Leben, unwissend, dass es sich bei diesem verführerischen Mann mit der lieblich-gefährlichen Herzensaura um einen Jäger handelt...

--- Lesefluss ---



Das Buch liest sich sehr flüssig. Es gibt viele mündliche Reden und die Sprache ist sehr einfach, sodass die Seiten nur so verflogen. Die Kapitel sind kurz, was ich persönlich mag.
Manchmal hat die Autorin wunderschöne Metaphern und Vergleiche kreiert: »Überraschend nehme ich in der Nähe eine Herzensaura wahr. Frisch und leicht wie warme Sonnenstrahlen, die auf taufeuchtes Gras scheinen. Frech wie der Wind, der über das Meer fegt und das Wasser zum Hüpfen bringt. Und gleichzeitig so eiskalt wie ein zugefrorener See im schneebedeckten, finsteren Wald.«

--- Protagonisten ---



Pearl: Sie ist eine Suchende, die trotz zweihundert Jahre ohne Liebe nicht aufgibt. Sie fühlt sich verzweifelt, einsam und man spürt förmlich, wie ihr Herz blutet. Sie kann sich an nichts mehr so richtig erfreuen, schließlich ist sie es Leid alles bereits unzählige Mal erlebt zu haben.

Noah: Er ist Jäger. Düster, sexy, geheimnisvoll. Er trägt eine Last auf seinen Schultern und gleichzeitig geht von ihm eine hell-leuchtende Wärme aus. Im Grunde ist er jedoch ein herzensguter Mensch. Leider lässt er sich ständig von Hubertus sagen, was er zu tun hat. Das ist schade, lange Zeit hat er anscheinend kein Empfinden dafür, was richtig und was falsch ist.

Hubertus: Ebenfalls Jäger, doch verbittert bis aufs Äußerste. Seine wahre Liebe ist gestorben, weshalb er kein Glück mehr empfinden kann. Er hat nur noch das Ziel, Suchende den Garaus zu machen. Etwas irrwitzig, denn sein Grund, warum er Suchende töten will ist, weil sie böse sein könnten – merkt er nicht, wie böse er selbst durch seine Verbitterung inzwischen geworden ist?

--- Was mir sehr gefallen hat ---



Ich konnte mich sehr gut in Pearl hineinversetzen, ihre Gefühle der Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit. Oftmals sind wir Menschen ja schon verzweifelt, wenn wir über wenige Jahre unsere wahre Liebe nicht finden. Unvorstellbar, wenn diese Sehnsucht knapp zweihundert nicht erfüllt wird.

Das Buch war für mich definitiv ein Pageturner. Der Sprachstil hat mir sehr gut gefallen, sowie die Spannung, die im Buch ab der ersten Seite aufgebaut wurde. Ich musste oft vergnügt schmunzeln.

Gleichzeitig mochte ich den Wissensvorsprung, den man als Leser hatte: dass Noah ein Jäger ist weiß man als Leser, doch Pearl nicht.

--- Was mir weniger gefallen hat ---



Die Ich-Perspektive wird hin und wieder gewechselt, von Pearl auf Hubertus – einem Jäger. Da das vorher quasi nicht angekündigt ist, war ich dann zu Anfang immer etwas verwirrt, bis ich bemerkte, dass es sich wieder um Hubertus Gedanken handelte und nicht Pearls. Aber mit der Zeit habe ich keine Probleme mehr gehabt.

Ganz selten konnte ich Pearl’s Verhaltensweisen nicht nachvollziehen. Noch einen Tag zuvor hat sie unermüdlich für die Hoffnung auf Liebe gekämpft, und dann, als sie Noah kennenlernt, sich eigentlich wahnsinnig zu ihm hingezogen fühlt, schüttelt sie ihn ständig ab. Die Autorin wollte so sicherlich Spannung erzeugen, aber es hat nicht so wirklich Sinn ergeben.

Es gibt für mich persönlich ein paar Ungereimtheiten. Zum Beispiel findet irgendwann eine Party ausschließlich für Suchende statt. Wie erfahren diese Suchenden denn von dieser Party? Schließlich haben die Suchenden es ja untereinander ebenfalls teilweise schwer sich zu erkennen. Zudem kann man dies ja nicht beflyern oder im Internet bekannt geben – das wäre ja fatal, da man ja schließlich so die Aufmerksamkeit der Jäger auf sich ziehen würde.
Ebenfalls konnte ich nicht wirklich nachvollziehen, warum ein Suchender, der die wahre Liebe erfahren hat und somit vom Bann der Unsterblichkeit befreit wurde, zu einem Jäger wird. Vielleicht noch bei Hubertus, da er verbittert bis zum geht nicht mehr ist, da er seine wahre Liebe verloren hat. Aber Noah? Er hat ein gutes Leben – müsste er nicht eigentlich dafür einstehen, Suchenden eine Chance auf Hoffnung zu geben, da er die ja selbst erfahren hat? Zwar hat er Zweifel, ob Hubertus immer richtig liegt, aber diese bilden sich in der Geschichte sehr schwach ab.
Zum Schluss tritt auch noch Gott kurz auf und erzählt etwas davon, dass jeder ein Recht darauf hat, irgendwann die wahre Liebe zu erfahren. Aber wer hat sich dann ausgedacht, dass die Liebe denjenigen entzogen wird, die von Suchenden nach einem (falschen) Liebesgeständnis geküsst werden? Auch irgendwie widersprüchlich.

--- Mein Fazit ---



»Pearl« kommt natürlich mit vielen Klischees, doch diese haben mich nicht allzu sehr im Lesevergnügen beeinflusst. Es hat dennoch geprickelt und ich habe mit Pearl mitgelitten und gefiebert. Für mich gab es allerding ein paar kleine Ungereimtheiten, wie oben erwähnt (z.B. warum wird ein erlöster Suchender zu einem Jäger?) Und so vergebe ich 4 von 5 Sternen.