Ich hab mich riesig auf dieses Buch gefreut, denn neben dem wirklich gelungenen Cover, klang es für mich nach einer super emotionalen Jugendgeschichte mit viel Tiefgang.
In der Geschichte geht es um Helena, die erst vor kurzer Zeit erfahren hat, dass sie gar kein Einzelkind ist, denn sie hat einen Bruder namens Lukas. Doch bereits drei Wochen nachdem sie von ihm weiß, verstirbt er bei einem Unfall. Für Helena, die kurz vor ihrem Abi steht, gerät alles aus den Fugen, doch sie hat niemandem verraten, dass sie einen Bruder hat und so kann sie auch nun niemandem von dessen Tod erzählen. Als Helena in den Sommerferien mit ihrem Freund Ole Zelten fährt, trifft sie dort auf drei Jugendliche, die ihr Leben auf den Kopf stellen.
Es handelt sich bei dem Buch um eine LGBTQ+ Geschichte von einer Own-Voice-Autorin, das heißt, dass die Autorin selbst lesbisch/queer/bi etc ist.
Ich hatte mich wirklich enorm auf die Thematik gefreut und mir viel davon versprochen, doch leider wurde ich wirklich enorm enttäuscht.
Das Buch wurde für mich schon nach wenigen Seiten schwierig zu lesen, denn obwohl der Schreibstil an sich zwar ungewöhnlich aber dennoch irgendwie leicht zu lesen ist, haben mir viele Dinge daran gar nicht gefallen.
Es gibt so einige Zitate, die ich euch rausgesucht habe, um zu verdeutlichen, was ich meine. Vorweg, sie spoilern nicht für die Geschichte.
"Wir sind in Brandenburg Baby. Egal, ob dein Hund oder dein Pferd braun ist, du nennst ihn besser wie den guten alten Führer. Und wenn du ein richtiger deutsche Vorzeigebürger bist, dann bringst du ihm den Hitlergruß bei." (S. 92)
Also ich weiß wirklich nicht was das sollte. Ich wusste an diesem Punkt nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Denn sorry, aber sollte das in irgendeiner Weise witzig sein? Also ich kann über so etwas absolut nicht lachen.
"Du hast Dyskalkulie! [...] Du bist Mathebehindert, Mann! Glückwunsch!"(S. 184)
Auch an dieser Stelle musste ich schlucken, denn ich finde es ziemlich grausam, dass eine Schwäche eines anderen Menschen derart gefeiert wird, wo die Betroffene doch enorme Probleme damit hatte und es ihr sichtlich zu schaffen macht und unangenehm ist. Ich meine klar, man kann versuchen die Betroffene Person aufzuheitern, aber ich finde diese Reaktion ziemlich unangebracht.
"Wickel dich doch um ´nen Baum, du dreckiger Wichser! Du Vollspast!" (S. 234)
Mit diesem Zitat wollte ich euch verdeutlichen, wie aggresiv und beleidigend die Sprache der Jugendlichen in diesem Buch ist. Dazu muss gesagt werden, dass die Szene, aus der das Zitat stammt, enorm emotional war und man einen Gefühlsausbruch verstehen könnte, aber dennoch finde ich diese Formulierung nicht sonderlich in Ordnung.
Worte wie "Fotze", "Arsch", "Wichser" und "Schlampe" findet man zahlreich in dem Buch und ich konnte absolut nicht nachvollziehen wieso. Klar, die Jugendsprache besteht teils wirklich viel aus solchen Wörtern, aber muss es denn in einem Jugendbuch derart extrem vorhanden sein?
"Kur?" […] "Machen das nicht bloß überforderte Mütter?"[…] Er hatte natürlich vollkommen recht. [..]" (S. 33)
Ich weiß wirklich nicht, wie sich Menschen, beim Lesen solcher Sätze fühlen sollen, die erkrankt sind, ein Trauma erlitten haben oder Unfälle und in Kur gehen mussten. Was soll das? Wieso muss man dieser Aussage dann zu allem Überfluss auch noch zustimmen? Wie sollen sich die Betroffenen denn hier fühlen?
In diesem Buch werden Menschen diskriminiert, abgestempelt aufgrund ihres Äußeren und es wird mit Beleidigungen um sich geworfen. Dabei wird alles so "witzig" dargestellt, das es mich einfach nur wütend gemacht hat.
Ich konnte die Geschichte leider gar nicht genießen, denn die Sprache der Charaktere hat mir den Spaß wirklich genommen. Ich habe oft überlegt, ob ich das Buch abbrechen soll, aber ich hatte die Hoffnung, dass die Handlung noch was raus reißt.
Tatsächlich kann ich sagen, dass es auf den letzten 100 Seiten etwa besser wird. Es wird etwas emotionaler und die Aussagen bessern sich ein wenig. Jedoch kamen für mich die großen Gefühle nicht rüber, sei es weil es an der Ausdrucksweise lag oder daran, dass ich nicht warm wurde mit den Charakteren. Ich dachte wirklich, dass man die Trauer von Helena enorm spüren würde und das die Liebesgeschichte einfach absolut ergreifend sein würde, aber selbst das Knistern habe ich nicht spüren können. Die Gefühle die Helena entwickelt, kamen für mich quasi aus dem Nichts und plötzlich ging es super schnell, während am Anfang alles super langsam voranging.
Fazit:
Leider kann ich dieses Buch absolut nicht weiterempfehlen.
Ich habe die Emotionen nicht gespürt, bin mit den Charakteren nicht warm geworden und der Schreibstil war leider auch nicht meins. Aber am meisten kaputt gemacht haben mir die in meinen Augen diskriminierenden, total unangebrachten Aussagen. Ich denke auch, dass man das Ende ausführlicher hätte schreiben können und lieber im Mittelpart, der sich für mich sehr gezogen hat, was weggelassen hätte, um so vielleicht die Liebesgeschichte etwas auszubauen.
Von mir gibt es grade so noch 1,5 von 5 Sterne, da ich das Ende ganz nett fand.