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Veröffentlicht am 01.12.2019

"Schnitzeljagd" auf Mitford Manor

Die Schwestern von Mitford Manor – Gefährliches Spiel
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Es handelt sich hier um Band 2 der Reihe der "Schwestern von Mitford Manor" - UT Gefährliches Spiel, das im Pendo-Verlag (broschiert, 2019) erschienen ist.



Mitford Manor und London, 1925:

Zur Feier ...

Es handelt sich hier um Band 2 der Reihe der "Schwestern von Mitford Manor" - UT Gefährliches Spiel, das im Pendo-Verlag (broschiert, 2019) erschienen ist.



Mitford Manor und London, 1925:

Zur Feier des 18jährigen Geburtstages von Pamela wird eine Party organisiert, die auch eine Schnitzeljagd beinhalten soll, da diese in London 'en vogue' sind: Was weder die Familie Resdesdale, der die 6 Schwestern von Mitford Manor entstammen, noch die Partygäste wissen: Ein Teilnehmer, der junge charismatische, wenn auch nicht sonderlich beliebte Adrian Curtis, wird von einer der zu bewältigenden Aufgaben nicht mehr zurückkehren:

Das junge Dienstmädchen Dulcie Long findet ihn unter dem Kirchturm mit verdrehten Gliedmaßen und mausetot: Der Verdacht des ermittelnden Inspectors in Hampshire fällt sofort auf sie und sie wird in Untersuchungshaft verbracht: Einzig Louisa Cannon, ebenfalls Dienstmädchen im Hause der Redesdales, glaubt an Lucies Unschuld und ist überzeugt, dass diese zwar vorhatte, Schmuck mitgehen zu lassen, aber nicht, Adrian vom Kirchturm gestoßen zu haben.

Mit den Ermittlungen zum Fall ist Guy Sullivan, LeserInnen des ersten Bandes bereits bekannt, zwar nicht direkt betraut, steht dieser jedoch (aufgrund seines Ehrgeizes und Beförderungswillens, aber auch, weil er Louisa sehr zugetan ist), Louisa zur Seite und beide nehmen sich in diesem Roman des sprichwörtlichen Falles von Adrian Curtis an. Wer von den Partygästen könnte ein Motiv haben? Was ist an jenem Abend wirklich geschehen und wer hat Adrian zuletzt lebend gesehen?

Um diese Fragen geht es in "Gefährliches Spiel", das teils auf Mitford Manor, dem Landsitz der Redesdales in den Cotswolds spielt und auch in London, wo Alice Diamond und ihre 40 Diebinnen ihr Unwesen treiben. Die Autorin hat hier gekonnt historische Fakten mit fiktionalen Handlungen verknüpft, was auch aus dem Anmerkungen zu den historischen Fakten ersichtlich ist.

Die Sympathieträger und Hauptprotagonisten Louisa Cannon als auch Guy Sullivan, der nun nicht mehr bei der Bahn arbeitet, sondern bei der Londoner Polizei, ermitteln sozusagen im Verborgenen und versuchen, den wahren Mörder zu finden: Einige Spuren führen nach Soho und in den lasterhaften Club "43", in dem sich die berüchtigte "Königin der Diebinnen" gerne aufhält. Louisa, intelligent und mit scharfer Beobachtungsgabe, versucht Alice Diamond und ihren Diebinnen nahezukommen und begibt sich dabei in höchste Gefahr; doch sie möchte Dulcie helfen, die eine sehr ähnliche Biografie aufweist wie sie selbst und an deren Unschuld sie fest glaubt.

Neben der Krimihandlung geht es auch in Band 2 um den Einblick in das (teils recht mondäne) Leben der Redesdales; um Bälle, Empfänge und das Leben der Upperclass, das in diesen Jahren entscheidende Veränderungen erfährt: Viele Adelige können es sich nicht mehr leisten, unzählige Bedienstete zu haben und im gleichen Zeitraum der "Roaring 20ies" emanzipieren sich immer mehr Frauen, in dem sie arbeiten, Stenografie und Schreibmaschine erlernen und in Büros z.B. tätig sind, ihr eigenes Leben führen wollen und sich nicht mehr von einem Mann abhängig machen wollen. In London beeindrucken solche Frauen Louisa so sehr, dass sie die Abgeschiedenheit und ihre Aufgaben in Mitford Manor nunmehr mit anderen Augen sieht: Am liebsten würde sie es diesen Frauen gleichtun...

Während Louisa sehr kreativ und erfinderisch ist, wenn es um ihre Ziele geht, ist der akribische Guy Sullivan sehr darauf bedacht, befördert zu werden und in seinem Beruf die Karriereleiter zu erklimmen. So liest er sich im Zug von London nach Shipton auf dem Weg nach Mitford Manor sorgfältig seine Notizen durch und ist überzeugt, den wahren Mörder von Adrian Curtis zu stellen....

Ein unterhaltsamer Roman mit kriminalistischen Elementen, der zum Miträtseln anregt und durch die sich abwechselnden Kapitel, in denen entweder Louisa und die Mitfords oder Guy und Mary, seine Kollegin präsent sind, sich mehr und mehr Spannung aufbaut; der aber auch gesellschaftliche Verhältnisse in den 20er Jahren mit all ihren Umbrüchen in England (und auf dem Kontinent) zum Thema hat. Ich bin sehr gespannt, ob Louisa nach London ziehen wird und ihre Ziele ansteuert (was ich ihr durchaus zutraue) und freue mich auf Band 3! 4*

Veröffentlicht am 01.12.2019

Frauenfreundschaften

Freundinnen
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Wie der stimmige Titel schon besagt, geht es in "Freundinnen" von Corinne Luca um die Freundschaft - in diesem Fall zwischen Frauen. Die Idee zum Buch - Freundschaften, warum wir sie schließen, wie sie ...

Wie der stimmige Titel schon besagt, geht es in "Freundinnen" von Corinne Luca um die Freundschaft - in diesem Fall zwischen Frauen. Die Idee zum Buch - Freundschaften, warum wir sie schließen, wie sie sich entwickeln, was sie mit uns machen - schlummerte schon lange in der Autorin.

Schön, dass sie die Idee zum vorliegenden tiefsinnigen, zuweilen humorvollen und einfach schönen Buch umsetzte, die jedes Herz einer wahren Freundin höher schlagen lässt: Findet man sich an vielen Stellen wieder in eigenen Freundschaften, in Erinnerungen, in Bildern, die einen erstaunen und auch oftmals schmunzeln lassen. Die aber allesamt eines besagen: (Fast) nichts geht über wahre Freundschaft!

Es geht um Kinderfreundschaften, Freundschaften in der Adoleszenz und später im Erwachsenenalter, die die Hauptthemen des Sachbuchs sind. Die Autorin lässt ihre eigenen Erfahrungen bildhaft einfließen und beschreibt eigene Freundschaften als Kind, als Heranwachsende - und später dann als Erwachsene. Hierbei wird klar, dass die Erfahrung, eine Freundin oder einen Freund zu haben, sehr positiv für die seelische Entwicklung eines Menschen ist. Bereits als Kind kann man die Erfahrung machen, verstanden und angenommen zu werden - ohne wenn und aber - gemeinsam zu lachen, Pläne zu schmieden, Unfug anzustellen, "Mutproben" zu bestehen wie auch Abenteuer zu erleben. Auch Gemeinsamkeiten verbinden.

Nicht alle Kinderfreundschaften überstehen das gesamte Leben, jedoch gehören sie für mich zum Kostbarsten, was es gibt: Trotz der Gefahr von Entfremdung späterer Lebensphasen (Ausbildung, Beruf, Studium) und Ortswechseln gelingt es mancher Freundschaft, aufrechterhalten werden zu können! Andere werden mit der Zeit nebensächlicher oder verlieren an der tiefen Bedeutung, die sie einmal hatten.

Zu alten Freundschaften aus der Kindheit oder Schule gesellen sich BerufskollegInnen oder Studienfreundinnen, die man nicht missen möchte und ohne die alles viel weniger Spaß machen würde. Zuweilen reicht diese Verbundenheit und gemeinsame Lebensphasen, um das ganze Leben über Freunde zu bleiben, was ich besonders schön finde (auch wenn es nicht immer möglich ist).

"Freundschaften brauchen Empathie, man muss die Perspektive der anderen einnehmen können", so die Autorin (Zitat S. 103). Dies ist vermutlich die Basis einer tiefen und ehrlichen Freundschaft, die auch Kritik vertragen kann und sich nicht beleidigt zurückzieht, sondern an der gemeinsamen freundschaftlichen Beziehung arbeitet. Denn Freundschaft, die auch eine Form von Liebe impliziert, bedeutet auch, stetig daran zu arbeiten; ohne Gegenleistung und bedingungslos für die andere einzutreten.

Die Studienergebnisse im Buch fand ich sehr interessant, zumal sie meine These bestätigen, dass "Freunde die Entschuldigung Gottes für (manche) Verwandten sind". Tiefgehende Gespräche erhöhen das Wohlgefühl und fördern die Gesundheit, stärken laut einer Studie unser Immunsystem.

Entscheidend ist auch, ob eine Freundschaft wandelbar ist - und in der Lage, sich der jeweiligen Lebensbedingungen, die verändernd bei den meisten Menschen eintreten, anpassen zu können. D.h. dass eine plötzliche Entfernung oder das Mutter werden einer der beiden Freundinnen nicht zwangsläufig bedeutet, dass die Freundschaft hier ein Ende findet: Sogar Krisensituationen überstehen starke Freundschaften, da wahre Freundinnen offen über anstehende Probleme sprechen können und ein großes Verständnis für das Gegenüber vorhanden ist.

"Liebe ist ein Gefühl, das wir für diejenigen empfinden, die tief in unseren Herzen wohnen" (S. 184); einer der schönen Schlusssätze, die Corinne Luca diesem sehr lesenswerten Buch mitgibt. Es ist leicht autobiografisch und sehr gut zu lesen; inhaltlich wird sich jede Frau hier und da darin wiederfinden und eigene Erinnerungen zutage fördern. Am meisten zum Schmunzeln brachte mich persönlich (meine Freundin hat morgen Geburtstag und das Nachfolgende ist DER passende Spruch überhaupt ;)

""Kann man etwas Gutes daran finden, dass die Zeit verstreicht?

Mindestens dieses eine:

Es ist die einzige Möglichkeit, um alte Freundinnen zu werden".

Ich empfehle "Freundinnen" gerne weiter, um das Buch selbst zu lesen und es an die beste Freundin weiterzuschenken! 4*

Veröffentlicht am 08.11.2019

Ein literarisches Denkmal für Edith Sitwell

Die Dame hinter dem Vorhang
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"Die Dame hinter dem Vorhang" von Veronika Peters erschien (HC, gebunden) 2019 im Verlag Wunderraum (Randomhouse) und ist in die Kategorie biografische Romane einzuordnen, da der Roman einer schillernden ...

"Die Dame hinter dem Vorhang" von Veronika Peters erschien (HC, gebunden) 2019 im Verlag Wunderraum (Randomhouse) und ist in die Kategorie biografische Romane einzuordnen, da der Roman einer schillernden Persönlichkeit des 20. Jahrhunderts gewidmet ist, deren Lebensverlauf sich die Autorin annimmt und, wie sie im Anhang schreibt, zahlreiche Motive und Begebenheiten aus dem Leben der Dichterin und Schriftstellerin verwendete, sich aber auch alle Freiheiten der Literatur nahm, was in diesem Fall auf die Weise geschieht, dass sie

Edith Sitwell (1887-1964)

ein fiktives Dienstmädchen zur Seite stellt. Der Leser betrachtet nun "Dame Edith", die aus aristokratischem Hause kommend, bereits zu Lebzeiten durch ihr exzentrisches Auftreten, aber auch ihr dichterisches Können Furore machte, durch die Augen der Jane Banister, die bereits in der dritten Generation der Ladyschaft dient und deren Vater einst leitender Gärtner im Anwesen der Sitwells in Scarborough, Grafschaft North Yorkshire, England war.

Bereits als Kind entwickelt Edith, die Erstgeborene, einen expressiven Charakter, der sich (laut ihrer Mutter ist sie ein häßliches Baby) auch im Alter von 12 Jahren nicht durch einen sog. "Korrigierapparat", der sowohl die Nase als auch den schiefgewachsenen Rücken "begradigen" soll, verändern lässt und der sich später in einen messerscharfen Verstand und in eine Scharfzüngigkeit entwickelten, gepaart mit einem starken Drang und Willen zu einer Unabhängigkeit (in dieser Zeit für eine Frau eher die Ausnahme), die für ihren Erfolg im schriftstellerischen und dichterischen Bereich sorgen würden. Diese starken inneren Kräften von Dame Edith sind außergewöhnlich ausgeprägt und man kann sie dafür nur bewundern: Nachdem sie das Elternhaus verlassen konnte (im Gegensatz zu ihren beiden Brüdern Osbert und Sachevell, denen sie sehr zugetan war und auch Stücke gemeinsam aufführte in London, hatte sie von ihren reichen Eltern nicht viel zu erwarten), empfand sie die erste Zeit in London als ungeheuer befreiend, "eine Erlösung für ihren sprühenden Geist, der sich fortan in die Dichtung stürzte", so berichtet sie Jane während ihrer Jahre in Paris, wohin sie mit Helen Rootham und Jane, der Dienstbotin und Erzählerin, übersiedelte. Es sollten Jahre skandalumwitterter Aufführungen, Lesungen und Vortragsreihen folgen (teils auch in Amerika) und die Meinungen der Kritiker waren geteilt. Ein Markenzeichen von Dame Edith war jedoch, dass sie sich gerne mit diesen stritt und recht unverblümt ihre Meinung kundtat.

Während man im Buch diese Jahre verfolgt, den Tatendrang teils auch in sehr bescheidenen Verhältnissen sowohl in London als auch später in Paris bewundert und ihr dichterisches Schaffen (im Krieg verfasste sie Gedichte, die zu ihren besten gehören sollten, in dem sie ihre Gedanken und Gefühle - wie sicher auch Ängste - "in Verse goss", begleitet man das Trio (Edith, Jane und Helen, die zur besten Freundin neben Jane von Edith wurde und der sie sehr verbunden war) auch nach Italien, da Helen schwer erkrankte und nach ihrem Tode stellt man als Leser fest, wie sehr Dame Edith um diese Freundschaft trauert. In Liebesdingen hat die Exzentrikerin, die sehr groß gewachsen ist und nicht dem "Schönheitsstandard" der damaligen Zeit entspricht, wenig Glück: Der Künstler Pavel Tchelitchew, den sie sehr fördert, nutzt sie aus und hier ist sie ausnahmsweise einmal eine recht willenlos "Ergebene", sonst überhaupt nicht ihrer Persönlichkeit entsprechend. Er sollte später nach Amerika auswandern, weshalb sie lange Zeit litt. Doch in Freundschaftsbeziehungen ließ sie niemals jemanden im Stich, der ihr freundschaftlich verbunden war, was mir Dame Edith sehr sympathisch machte. Auch war ihr Ton gegenüber Jane nie herrisch und das einander Brauchen schaut aus vielen Seiten hervor.

Etwas schade fand ich, dass die Persönlichkeit von Jane Banister so gut wie keine Rolle spielte; jedoch ließ die Autorin die Gefühlsregungen und Gedanken der Bediensteten von Dame Edith bewusst aus. So entstehen bei mir zwei vollkommen unterschiedliche Frauenbilder des 20. Jahrhunderts; während die eine ihre Neigungen und ihr schriftstellerisches Leben, ihre zahlreichen guten Kontakte auslebt, bleibt die andere - dienend bis zur Selbstaufgabe - im Hintergrund.

Fazit:

Ich nehme an, dass Edith Sitwell in England sehr bekannt ist; mir war die Dame zuvor nicht bekannt, doch ich konnte sie beim Lesen dieses sehr flüssig und atmosphärisch geschriebenen, tiefgründigen Romans ein wenig kennenlernen: Intelligent, eigenwillig und charakterstark trotz schwierigster Kindheit, verletzbar, selbstbewusst - entwickelte sich Edith nicht grundlos zur Exzentrikerin und genialen Schriftstellerin ihrer Zeit. Gesellschaftliche Hintergründe und der Zeitgeist, die Kriegsjahre und Politik fließen ebenfalls mit ein und werden aus Sicht der Familie Sitwell beleuchtet. Der Autorin gelingt so ein bildhaftes Portrait von Edith Sitwell, der sie damit ein Denkmal setzt. Lesenswert!

Veröffentlicht am 01.09.2019

Authentischer Blick hinter die Kulissen eines Buchhändlers

Tagebuch eines Buchhändlers
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Im "Tagebuch eines Buchhändlers" von Shaun Bythell begleiten wir den schottischen Besitzer des Buchladens "The Bookshop" in dem schottischen Bücherstädtchen Wigtown, im südlichen Schottland gelegen, ein ...

Im "Tagebuch eines Buchhändlers" von Shaun Bythell begleiten wir den schottischen Besitzer des Buchladens "The Bookshop" in dem schottischen Bücherstädtchen Wigtown, im südlichen Schottland gelegen, ein Jahr lang bei seinen vielfältigen (und nicht immer leichten oder lustigen) buchhändlerischen Tätigkeiten.
Erschienen ist das Buch im btb-Verlag, Verlagsgruppe Randomhouse als TB (2019) und es umfasst 446 Seiten, die einen Blick "hinter die Kulissen" eines Buchhändlers durchaus gewähren; inklusive eines kurzen Blicks in die Persönlichkeit des Autors sowie seiner Leidenschaft für Bücher (ohne die man auch sicherlich keinen Buchladen führen sollte ;)

Ausser dem Autor und Inhaber von "The Bookshop" selbst lernt man viele weitere Menschen kennen, die als Verkäufer von Büchern auftreten (täglich mehrere) und natürlich den Kunden, die nach seltenen Büchern suchen. Mitarbeiter gibt es wenige; da ist Nicky, die zum Laden gehört wie die Bücher, die als bescheiden und großzügig mit dem, was sie hat, (besonders an den Feinschmeckertagen freitags ;) dargestellt wird, aber auch chaotisch ist und eigene Themen auf Schildern anbringt, die Shaun hinterher wieder entfernen muss. (Sie ist persönlich in einem youtube-Video zu sehen; zudem ein wirklich sehenswertes Video namens "Reader's Delight", das von Shaun Bythell und anderen produziert und bei youtube eingestellt wurde, das sich musikalisch aus dem bekannten Song "Rapper's Delight" ableitet - sehr köstlich und absolut sehenswert nach Beendigung der Lektüre!

Ausser nörgelnden und auch netten Kunden wie Mr. Deacon wird auch klar, dass der Ankauf der Bücher, die sich zum Wiederverkauf im Laden (oder auf ebay oder beim bösen Riesen amazon lohnen), für den erklärten und leidenschaftlichen Freizeitfischer Bythell ein ähnliches Beuteschema aufweist, das ihm sehr gefällt (was man sich als Leser nur allzu gut vorstellen kann;)

Der Autor beschreibt "die Vorfreude, Bücher anzukaufen wie ein Netz, das er auswirft und nie weiß, was sich darin verfangen hat" (Zitat S. 56).

Er setzt sich u.a. dafür ein, dass Wigtown und Galloway - ein bisher von "Visit Scotland" sehr vernachlässigter, aber schöner Teil im Süden Schottlands, mehr in den Fokus gerückt wird und in Wigtown gibt es ausser einem Frühlingsfest auch ein Festival, das immer Ende September stattfindet und in das alle Buchhändler involviert sind. Eine Menge Arbeit, viele Menschen (auch Schauspieler und Theatermacher), die auftauchen und - nach dem Festival wieder verschwinden. Diese Phase fand ich interessant und man bekommt als bibliophiler Leser große Lust, einmal dabei zu sein und alle Buchläden und Events während des Festivals zu besuchen.

An Skurrilitäten mangelt es dem Tagebuch von Shaun Bythell nicht; sei es der ewig griesgrämige Postbeamte aus Nordirland oder die blinde 93jährige Frau, die immer telefonisch Bücher für ihre Enkel bestellt; sei es "Handtaschen-Dave" oder die deprimierte Waliserin - Unterhaltungswert und schottischer Charme vereinen sich grandios in diesem Buch. Aber auch die Schattenseiten des Buchhändlerberufs spart Bythell nicht aus:

Durch das Internet und vor allem die Branchenriesen (Verlagsketten) sowie amazon (wobei er besonders auf amazon und Kindle-E-Reader nicht gut zu sprechen ist, was ich durchaus mit ihm teile) haben es sowohl kleinere Verlage als auch Autoren schwerer als früher, besonders auch die kleinen und unabhängigen Buchhandlungen, wirtschaftlich am Leben zu bleiben. Früher wurden seltene Bücher über Antiquariate gesucht: Heute bestellt der Kunde selbst im Internet sein gesuchtes Buch - auch "Print-on-Demand" zeigt sich als Feind der Antiquariate.

Diese Hintergründe fand ich sehr spannend und interessant. Ein Highlight stellt das Foto des abgeschossenen Kindle dar (selbsterlegt vom Besitzer ;), das Shaun in einem der Räume aufhängte. An Selbstkritik mangelt es ihm auch nicht, da er wohlweislich feststellt, dass er eine Umgestaltung des Ladens vornahm - mit einer großen Eichentheke, um "sich vor den Kunden besser schützen zu können" ;)

Im Gegensatz zu vielen BerufskollegInnen spezialisierte sich Bythell nicht, jedoch stellt er fest, dass bestimmte Themen sehr gut über die Ladentheke gehen: Z.B. alles über Eisenbahnen....

Jedes Kapitel beginnt mit einem Zitat aus George Orwell's "Erinnerungen an eine Buchhandlung" sowie mit der Nennung der online-Bestellungen und der gefundenen Bücher. Nach jedem Tag im Jahreszyklus hält er in seinem Tagebuch die Einnahmen (sehr variierend!) und die Anzahl der Kunden fest (dito). Eine Menge Enthusiasmus, ein Gespür für Bücher und sehr viel Leidenschaft ist vonnöten, um diesen Beruf mit Begeisterung und über Jahre auszuüben, scheint mir. Im täglichen Kampf gegen die Konkurrenz im Internet und dem Schwanken des Ratings in den Online-Portalen, denen sich heutige Antiquariate anschließen müssen, um zu überleben.

Ein sympathischer Einblick in die Sonnen-, aber auch in die Schattenseiten heutiger Buchhändler, den ich sehr interessant fand, auch ein wenig über den Autor erfahren habe und feststellte, dass ich dessen Abneigungen gegen das elektronische Lesen und E-Reader (noch immer) durchaus teile:

Irgendwo schrieb er, dass es einen Trend gebe, "wieder mehr mit Schallplatten und richtigen Büchern gesehen zu werden" - ich bin mir da nicht so sicher. Doch wenn es ihn gibt, hoffe ich sehr, dass er anhalten möge ;)
Ich empfehle allen Lesern, die gerne selbst eine Buchhandlung betreiben würden (und wer würde das nicht gerne) und allen an der Thematik interessierten Lesern dieses Buch sehr gerne weiter; ich fand es aufschlussreich, skurril, teils witzig - und unterhaltsam!

Veröffentlicht am 20.08.2019

Grausam und schön zugleich....

Die Kinder des Borgo Vecchio
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"Die Kinder des Borgo Vecchio" von Giosuè Calaciura ist ein eher schmales Buch, das es jedoch in sich hat und dem interessierten Leser einiges abverlangt. Es erschien im Aufbau-Verlag (HC, gebunden, 2019).

Ort ...

"Die Kinder des Borgo Vecchio" von Giosuè Calaciura ist ein eher schmales Buch, das es jedoch in sich hat und dem interessierten Leser einiges abverlangt. Es erschien im Aufbau-Verlag (HC, gebunden, 2019).

Ort des Geschehens ist ein Viertel namens Borgo Vecchio irgendwo im Süden Italiens; die Menschen sind arm und es gilt das Gesetz der Straße. Hier wachsen die HauptprotagonistInnen Domenico (genannt Mimmo), Christofaro und Celeste auf.
Mimmo ist der Sohn des Fleischers, der seine Waage manipulierte und die Kunden beim Abwiegen der Mortadella betrügt; Cristofaro hat einen Trinker zum Vater, der ihn allabendlich so verprügelt, dass die Schreie des Jungen das ganze Dorf hört - die Blessuren werden jedoch erfolgreich mit Lügen übertüncht (auch von der Mutter). Celeste's Mutter Carmela ist eine sehr hübsche Frau und die Dorfprostituierte, weshalb das Mädchen in der Arbeitszeit ihrer Mutter (die für die Freier daran zu erkennen ist, ob die Läden geöffnet oder geschlossen sind), stets auf den Balkon ausweichen muss und dort bei Wind und Wetter ausharrt; auch ihre Schulaufgaben dort erledigt. Die Erwachsenen dieses Dorfes lieben es, zu wetten und selbst ein Pferd, das eigentlich nicht mehr für Rennen zu gebrauchen ist (dafür aber sprechen kann), wird ein Opfer der Kaltblütigkeit, die Armut zuweilen aus Menschen macht....

Es geht nun um die Freundschaft der drei Halbwüchsigen und die Ereignisse im Dorf; um die Solidarität, wenn Polizei anrückt, da die Bewohner allesamt stehlen und auch der Pfarrer hier keine Ausnahme macht; um sintflutartige Regenfälle und illegale Rennen, aber auch um die - und das im Besonderen - Sehnsüchte und Hoffnungen von Mimmo, Cristofaro und Celeste. Ein weiterer Hauptprotagonist taucht auf, der das gleiche Schicksal ereilt, das einst sein Vater hatte - und von dem sich jeder Junge im Dorf wünscht, sein Sohn zu sein, da er eine Pistole besitzt und damit in der Lage ist, die jeweilige Lage zu verändern bzw. zu verbessern...
Auch die Freunde dieses Mannes stehen hinter ihm, wobei niemand sieht, dass auch er leidet und sich im Grunde ein anderes Leben wünscht. Als er verkündet, seine eigene Situation zu verändern (und damit auch die persönliche Notlage von Cristofaro, Celeste und Carmel, ihrer Mutter, ist es bereits zu spät: Nach dem Verrat durch einen seiner Freunde verändert sich die Situation, jedoch nicht zum Guten.... Einzig zwei junge Menschen werden in der Lage sein, endgültig etwas zum Guten zu verändern und danach die Flucht zu ergreifen, die ihnen mehr Hoffnung schenkt als das Bleiben...

Der Stil des Autors ist melancholisch und poetisch. In eindringlichen Sätzen versteht er es, die Sehnsüchte und Hoffnungen der Bewohner des Dorfes einzufangen und subtil zu schildern.

Ein Roman, der betroffen macht und den Leser in ein zeitlos existierendes Milieu entführt, in dem es keine Perspektive, keine Hoffnung auf positive Veränderungen gibt, der Täter und Opfer schmerzhaft zeichnet und die Willkür, die letztere oftmals ausgesetzt sind, wenn sie sich nicht wehren (können). Der jene Kaltblütigkeit zur Schau stellt, die Menschen besitzen können und vor der es nicht immer ein Entkommen gibt. Der Roman zeigt auf erschreckende Weise, wozu Menschen fähig sind, die in die Ecke gedrängt, einzig am persönlichen Gewinn für sich interessiert sind und kein Gerechtigkeitsempfinden mehr existiert. Besonders Nanà, das sprechende Pferd, ist ein Beispiel dafür, das mich entsetzt hat. Calacuira zeigt aber auch bei aller Ausweglosigkeit einen Ausweg: Mut zu haben und die Flucht nach vorne anzutreten, wenn es angezeigt ist. Ich kann das Buch sehr empfehlen und vergebe 4*