Profilbild von TochterAlice

TochterAlice

Lesejury Star
offline

TochterAlice ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit TochterAlice über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.09.2019

Der Alltag in der DDR

Wie Frau Krause die DDR erfand
0

Isabella Krause, ihres Zeichens Schauspielerin, wenn auch seit Jahrzehnten mehr als erfolglos, erhält einen Auftrag: sie soll 10 ehemalige DDR-Bürger finden, die bereit sind, über ihr damaliges ...

Isabella Krause, ihres Zeichens Schauspielerin, wenn auch seit Jahrzehnten mehr als erfolglos, erhält einen Auftrag: sie soll 10 ehemalige DDR-Bürger finden, die bereit sind, über ihr damaliges Leben zu berichten. Das Ganze soll eine Art Retrospektive anlässlich der nahenden 30jährigen Wiedervereinigung beider Deutschlands werden.

Gesagt, getan - da Frau Krause, wie sie schon im Titel heißt, ihr gesamtes Leben "davor" in der Zone verbracht hat, ist diese Aufgabe für sie absolut lösbar. Mehr als das. Allerdings sind die Macher des Films alles andere als zufrieden mit ihrer Auswahl; sie halten sie nicht für repräsentativ. Schlimmer noch, all das, was die ehemaligen Wegbegleiter der Isabella Krause berichten, soll nicht realistisch, nicht zutreffend sein!

Frau Krause weiß aber ganz genau, dass es so ist. Was also ist passiert?
Isabella Krause entstammt einer Familie von Tanzlehrern, das ist passiert! Ihr Leben und das der von ihr angeheuerten Protagonisten spielte sich in der elterlichen Tanzschule ab, zwischen Proben und Bällen. Auch das war DDR, auch wenn man das nicht glauben kann!

Sie haben es sicher bereits erraten: die Filmemacher sind Wessis und wissen genau, was sie von der DDR sehen wollen. Das jedenfalls nicht! Und tatsächlich hat Frau Krause noch was in petto, einen Plan B sozusagen. Aber ob der aufgehen wird?

Kathrin Aehnlich ist wieder da und mit ihr ihr besonderer, unverwechselbarer Erzählstil. Sentimental, teilweise auch morbide, aber immer voller Respekt, ja voller Andacht. Und mit warmherzigem Humor. Ach, es fällt mir schwer, diesen Stil zu beschreiben, Kathrin Aehnlich muss man lesen! Und dann wird man sie auch stets wiedererkennen.

Ich hatte befürchtet, es würde hier West gegen Ost gehen, im Sinne einer Verherrlichung - oder gar zweier. Doch das ist nicht der Fall, die Autorin nimmt sich und ihre ehemaligen Landsleute ebenso auf die Schippe wie diejenigen westlich der Mauer - es bekommen also alle derzeitigen Bewohner von Deutschland ihr Fett weg, egal, wo sie früher lebten. Nicht in Form einer Posse, oh nein, Frau Ähnlich widmet all diesen Menschen - und somit auch sich - einen Roman, wenn auch einen kurzen. Wer Kathrin Aehnlich kennt, weiß: kurz und lakonisch - das ist ihre Art.

Dennoch beileibe kein Romänchen für zwischendurch. Nein, einer den man sich ordentlich zur Brust nehmen und genießen sollte!

Veröffentlicht am 08.09.2019

Ab in die Einöde

Die Einsamkeit der Seevögel
0

Dorthin, nämlich nach Finnmark, also in den äußersten Norden Norwegens, hat sich eine junge Wissenschaftlerin begeben, deren Leben gerade etliche Schleifen vollführt hat - sie hat sich von S., dem Vater ...

Dorthin, nämlich nach Finnmark, also in den äußersten Norden Norwegens, hat sich eine junge Wissenschaftlerin begeben, deren Leben gerade etliche Schleifen vollführt hat - sie hat sich von S., dem Vater ihrer Tochter Lina, getrennt, um mit Jo zu leben.

Mit Jo, in den sie sich Hals über Kopf verliebt hat und für den sie ihr bisheriges Leben - auch das Zusammenleben mit Lina - hinter sich gelassen hat. Mit Jo, der ihr eigentlich in den Norden nachfolgen, dort mit ihr verweilen sollte. Doch auch er ist Vater einer Tochter, nämlich Maria, die er nicht allein zurücklassen mag.

Es wird nicht ganz klar, wie genau sich die ganze Geschichte zusammensetzt, denn die namenlose Wissenschaftlerin wirft uns immer nur Gedankenfetzen, kleine Brocken, hin, aus denen wir uns einen Gesamtüberblick zu verschaffen haben. Auf mich persönlich wirkt sie wie jemand, der sich einfach nimmt, was er will - den Forschungsaufenthalt unter schwierigen Umständen, den Mann, der ein anderes Leben führt und anderes, was sie nicht mehr braucht, einfach zurück lässt.

Es wird nicht klar, was in der Einöde Realität, was Vorstellung ist, denn der jungen Frau gehen viele Gedanken durch den Kopf. Zeitweise könnte man sogar meinen, ihr Verstand habe sie verlassen oder spiele zumindest ein Verwirrspiel mit ihr.

Das Ende ist ähnlich unklar und zu einem Großteil der Interpretation des Lesers überlassen. Ein wenig greifbares Werk, das mir gerade deswegen auch zugesagt hat. Denn die Autorin versteht es, Stille und Einsamkeit zu transportieren, sie (be)greifbar zu machen, wie keine andere. Ihre Stille verbirgt nichts, sie legt alles offen, stellt die Protagonistin bloß - nicht zuletzt vor sich selber. Ein bemerkenswerter Roman, auf den man sich während der Lektüre vollständig einlassen sollte.

Veröffentlicht am 06.09.2019

Logan kehrt zurück

Ganz aus Versehen verliebt
0

Logans Familie wurde alles geraubt, nämlich das Zuhause. Schuld daran: die Spielsucht seines Vaters, die diesen vor Jahren leichtsinnig werden ließ - er wurde um Haus und Hof betrogen. Und zwar von dem ...

Logans Familie wurde alles geraubt, nämlich das Zuhause. Schuld daran: die Spielsucht seines Vaters, die diesen vor Jahren leichtsinnig werden ließ - er wurde um Haus und Hof betrogen. Und zwar von dem jungen Zach Hamilton, der ihn beim Pokerspielen betrog und seitdem mit seiner merkwürdigen Familie, bestehend aus Bruder und Schwester, die ihm überhaupt gar nicht ähnlich sehen, dort wie eine Made im Speck haust.
Logan erwirbt zunächst das Grundstück nebenan und versucht, mehr über die Familie herauszubekommen. Wenn er genug weiß, will er Zach mit dessen eigenen Mitteln, nämlich dem Pokerspiel, schlagen.

Was er nicht eingeplant hat, ist das gewinnende Wesen von Zacks jüngerer Schwester Eva, dem er sich einfach nicht entziehen kann. Bald schon brennt er innerlich für sie und fühlt sich zwiegespalten. Wird es Eva gelingen, ihn von seinem Plan abzubringen? Und wird er überhaupt Zach, der seit Jahren nicht mehr gespielt hat, zum Pokern kriegen?

Was zunächst als überaus neckische Western-Romantasy anmutet, entwickelt sich zu einem anspruchsvollen Drama vor einem Hintergrund aus grundlegenden Gewissens- und vor allem Glaubensfragen.

Denn Eva hat es faustdick hinter den Ohren! Hinter ihr, für die ich zunächst Matth. 5, 8, also " Selig sind, die reines Herzens sind; denn sie werden Gott schauen." als Charakterisierung passend empfand, steckt wesentlich mehr als dies.

Natürlich ist sie auch reines Herzens, doch versteht sie es zudem, im Namen der Bibel und des christlichen Glaubens klug und verantwortungsbewusst zu argumentieren und zieht damit Logan quasi die Schuhe aus. Er bekommt kein Weibchen, sondern eine kraftvolle Christin, die nicht für ihren Glauben kämpft, denn in dem steht sie sicher wie ein Fels. Nein, sie kämpft mit ihm für Gerechtigkeit, Frieden und vor allem Liebe und beweist dabei Mut und Stärke.

Ein unterhaltsamer und kluger christlicher Roman, der auch immer mal wieder für einen Lacher gut ist!

Veröffentlicht am 01.09.2019

Hope.- Hoffnung - Esperanza

Die andere Hälfte der Augusta Hope
0

Ein Mädchen, das die Welt anders sieht als alle anderen: das ist Augusta, die eine Hälfte der Hope-Zwillinge. Auch ihre Schwester Julia hat eine andere Wahrnehmung, aber sie versteht sie wenigstens. Als ...

Ein Mädchen, das die Welt anders sieht als alle anderen: das ist Augusta, die eine Hälfte der Hope-Zwillinge. Auch ihre Schwester Julia hat eine andere Wahrnehmung, aber sie versteht sie wenigstens. Als Einzige.

Die Eltern sind liebevolle britische Kleinbürger, die bis zu einem bestimmten Punkt tolerant sind, aber nicht anders sein wollen als andere und bloß nicht zu viel Fremdes an sich heranlassen wollen. Das beginnt mit dem schwerbehinderten Sohn der Nachbarsfamilie, mit dem die Mädchen nicht spielen sollen und endet mit dem Brexit von dessen Durchbruch sie begeistert sind.

Aber da ist Augusta schon längst nicht mehr zu Hause, sondern in einem der so fremden Länder. Allerdings einem europäischen, einem, das die Eltern schon besucht haben. Nicht in Burundi, ihrem Lieblingsland, seitdem sie sieben Jahre alt ist. Einem, in dem die Eltern sie erreichen können, wenn sie wollen. Wollen sie?

Die Geschichte der Familie Hope wird aus Augustas Perspektive erzählt, doch es gibt einen weiteren Erzählstrang, in dem Parfait berichtet. Parfait, der aus einem fremden afrikanischen Land kommt und den es nach Spanien verschlagen hat.

Auf überaus unerwartete, ja eigenartige Art und Weise verweben sich die Geschichten der beiden Protagonisten, wenn auch erst zum Ende hin. Und sie lernen ebenso wie die Leser, warum es sich lohnt, die Hoffnung nicht aufzugeben.

Ich habe die erste Auflage der deutschsprachigen Ausgabe gelesen und mich sehr darüber geärgert, dass im Klappentext schon so viel Entscheidendes verraten wird. Das spielt sich nämlich erst im letzten Viertel des Romans ab. Mein Wunsch wäre, dass dies in späteren Auflagen geändert wird - die Leser werden dadurch viel gewinnen.

Ein ungewöhnlicher Roman über gewöhnliche und ungewöhnliche Menschen, der mich ab und zu sowohl in seinem Stil als auch in der Handlung sehr befremdete. Doch insgesamt habe ich ihn gern gelesen und vor allem die sperrige Augusta schätzen gelernt - kein Wunder, denn wir im August geborenen sollten zusammenhalten.

Wenngleich ich ihn auch den Juligeborenen ans Herz lege und es auch gut nachvollziehen könnte, wenn ein Leser, der in einem der restlichen zehn Monate geboren wurde, ihn sich zu Gemüte führt. Es lohnt sich allemal!

Veröffentlicht am 28.08.2019

Unter den Franzosen

Rheinlandbastard
0

bzw. in ihrem Besatzungsgebiet befand sich das Rheinland nach dem Ersten Weltkrieg eine ganze Weile und die Ansichten der Bewohner des Gebietes dazu waren sehr unterschiedlich: die meisten Rheinländer ...

bzw. in ihrem Besatzungsgebiet befand sich das Rheinland nach dem Ersten Weltkrieg eine ganze Weile und die Ansichten der Bewohner des Gebietes dazu waren sehr unterschiedlich: die meisten Rheinländer waren dagegen und fühlten sich unterdrückt, es gab aber auch solche, die die Anwesenheit der westlichen Nachbarn durchaus schätzten: bspw. wegen deren "Savoir vivre", mehr noch allerdings aufgrund der Tatsachen, dass dadurch aufkeimende radikale politische Strömungen - nicht zuletzt die Anfänge des Nationalsozialismus - in Schach gehalten wurden.

Dem ehemaligen Polizisten Dieter Aurass ist mit seinem historischen Krimi "Rheinlandbastard" eine ganz besonders atmosphärische Schilderung der damaligen Zeit - die Handlung spielt im Jahr 1924 - gelungen. Er gewährt seinen Lesern einen Einblick in die Situation in Koblenz in der damaligen Zeit und die Situation ist eine heftige - es werden nacheinander mehrere Leichen französischer Soldaten aufgefunden, die brutal ermordet wurden. Was wohl dahinter steckt?

Nach kurzer Zeit sieht sich die französische Seite gezwungen, deutsche Kollegen mit ins Team zu nehmen und hier kommt Adalbert Wicker, ein junger deutscher Kommissar und "Star" des Krimis ins Spiel - eine wunderbare Figur, warmherzig und sonnig, dabei scharfsinnig und klug. Er ist keineswegs ein Feind der Franzosen, was ihm aber Mißtrauen von deren Seite keineswegs erspart - zumal er doch ein Fisternöllchen (wie man das in meinem Teil des Rheinlands, in Köln, nennt) mit einer französischen Krankenschwester hat. Wobei es mehr ist: die jungen Leute lieben einander aufrichtig und wünschen sich eine gemeinsame Zukunft in dieser gespaltenen Welt.

Nun, Adalbert Wicker und sein französischer Kollege, Didier Anjou - dieser ist aus mehreren Gründen keineswegs ein Freund der Deutschen - haben einige ausweglose Schleifen zu drehen, bevor sie doch noch die Kurve kriegen. Wobei das aus meiner Sicht ziemlich vorhersehbar, was die Lektüre des Krimis aber nicht weniger lohnenswert werden lässt.

Denn Dieter Aurass schreibt unterhaltsam, lehrreich, warmherzig und mit Humor. Ein Buch, das alle, die in der deutsch-französischen Kooperation in irgendeiner Form aktiv sind, unbedingt in die Hand nehmen sollten: allen voran Madame Merkel und Herr Macron!