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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.09.2019

Modern und intelligent

Der Sprung
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Der Sprung – Simone Lappert
Und ein weiteres Highlight aus dem Diogenes-Programm Herbst 2019!
Eine junge Frau steht auf einem Dach und weigert sich herunterzukommen. Einen Tag und eine Nacht lang. Die ...

Der Sprung – Simone Lappert
Und ein weiteres Highlight aus dem Diogenes-Programm Herbst 2019!
Eine junge Frau steht auf einem Dach und weigert sich herunterzukommen. Einen Tag und eine Nacht lang. Die ganze Stadt ist im Aufruhr. Die Frau spricht nicht, will sie springen? Warum hat sie es noch nicht getan? Am Ende der Nacht hat sich für viele Menschen alles verändert.
Ja, der Plot ist interessant und anders. Das eigentlich Herausragende an diesem Roman ist jedoch der tolle Schreibstil von Simone Lappert. Vermutlich könnte sie über jedes beliebige Thema schreiben, es würde elegant wirken. Sie erzählt von dem einen Tag aus dem Leben von elf! Menschen und beginnt damit eigentlich wirklich mit Banalitäten. Doch sie beschreibt sehr detailreich und liebevoll, es ist toll. Dabei könnten die Menschen, die wir begleiten dürfen, unterschiedlicher nicht sein. Vom Obdachlosen, zum Fahrradkurier, zum Polizisten bis zur Bürgermeisterkandidatin. Sie alle gehen unterschiedlich mit der Anwesenheit dieser Frau auf dem Dach um. Und gerade diese Tatsache, dass sie dort steht, beeinflusst ihrer aller Leben. Ein wirklich tiefgründiges, spannendes Thema, wunderbar erzählt.
Vielleicht hätte man sich zwei, drei Figuren sparen können. Die einzelnen Kapitel sind jeweils einer Person zugeordnet und besonders anfangs muss man da schon aufpassen, um den Faden nicht zu verlieren. Wahrscheinlich müssen es aber so viele sein um die Beliebigkeit des Einflusses auf jeden einzelnen zu unterstreichen.
Modern und intelligent. Insgesamt sehr gelungen. Klare Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 07.09.2019

Freundliche Geister

Spukalarm in der Schokofabrik
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Spukalarm in der Schokofabrik – Mascha Matysiak

Ein Kinderbuch, etwa ab 8 Jahren.

Klara musste mit ihrer Mutter aus der Stadt in einen kleinen Ort mit einer stillgelegten Schokoladenfabrik ziehen. Anfangs ...

Spukalarm in der Schokofabrik – Mascha Matysiak

Ein Kinderbuch, etwa ab 8 Jahren.

Klara musste mit ihrer Mutter aus der Stadt in einen kleinen Ort mit einer stillgelegten Schokoladenfabrik ziehen. Anfangs ist sie unglücklich darüber, doch bald lernt sie zwei Jungs aus der Nachbarschaft kennen, Matti und Theo. Gemeinsam machen sie eine sensationelle Entdeckung. Denn die Fabrik scheint doch nicht ganz so unbewohnt zu sein wie angenommen…

Was soll ich sagen, die Kinder waren begeistert, ich durfte das Buch kaum mehr aus der Hand legen. Tolle Charaktere mit denen sich die Kids identifizieren können. Und auch die Fantasie kommt nicht zu kurz. Es wurde fleißig mitgerätselt und spekuliert.
Mir persönlich haben die wunderschönen und kindgerechten Illustrationen von Monika Parciak am besten gefallen.

Ein rundum gelungenes Kinderbuch und ein toller Start für einen vielversprechenden neuen Verlag, den Hummelburg Verlag.
Von uns gibt es dafür die Höchstbewertung!



Veröffentlicht am 05.09.2019

Spannende und überzeugende Dystopie

Der Gott am Ende der Straße
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Der Gott am Ende der Straße – Louise Erdrich

Dies war mein erstes Buch dieser Autorin. Auch wenn es kein typisches Buch sein soll, ich mochte es sehr. Ich fand es fesselnd, spannend, furchtbar anspruchsvoll ...

Der Gott am Ende der Straße – Louise Erdrich

Dies war mein erstes Buch dieser Autorin. Auch wenn es kein typisches Buch sein soll, ich mochte es sehr. Ich fand es fesselnd, spannend, furchtbar anspruchsvoll fand ich es eigentlich nicht. Weder inhaltlich noch sprachlich.

Cedar schreibt in Briefen an ihr ungeborenes Kind. Denn die Zeiten verändern sich gerade beunruhigend und es sind schlechte Zeiten um schwanger zu sein. Etwas passiert gerade in den Vereinigten Staaten, aber keiner weiß etwas Genaueres. Die Grenzen nach Kanada und Mexiko sind längst dicht. Scheinbar betrifft das Problem nur die USA.
So genau benennt Erdrich das Problem aber gar nicht. Die Welt ist im Umbruch. Wie meistern die Menschen dies und wo bleibt dabei die Menschlichkeit? Das sind Erdrichs Themen.

Nach und nach kommt der Leser aber doch darauf, wo in etwa das Problem liegt. Die Evolution scheint sich rückwärts zu bewegen. Die Neugeborenen weisen seltsame Genmutationen auf. Viele kommen tot zur Welt. Als Folge werden Schwangerschaften genauestens überwacht. Überlebende Neugeborene der Forschung überantwortet. Die Selbstbestimmung der Frauen scheint dahin. Gerade dieses Thema erinnerte mich ganz stark an Margaret Atwoods Report der Magd.
Auch das Klima scheint sich innerhalb kürzester Zeit verändert zu haben.

Doch dieser Roman beinhaltet noch so viel mehr. Cedar ist Indianerin, von Weißen adoptiert und erzogen worden. Klar, dass insbesondere durch die Schwangerschaft die Frage nach den eigenen Wurzeln wieder auftaucht. Auch die Rolle des Glaubens und der Kirche in schweren Zeiten wird thematisiert.

Erdrich hat einen angenehmen Schreibstil. Knapp und schnörkellos, doch auf den Punkt. Es störte mich kaum, dass man gerade anfangs nichts Genaues über den Grund der Bedrohung erfährt. Schließlich ist man ist auf dem gleichen Stand wie die Hauptfigur. Es hat etwas Realistisches. Die Geschichte hat gezeigt, dass bei Katastrophen die Bevölkerung tatsächlich sehr gerne im Unklaren gelassen wird.

Eine spannende und überzeugende Dystopie. Ich mag den Schreibstil der Autorin und werde mich wohl nach weiteren ihrer Romane umsehen müssen.

Veröffentlicht am 28.07.2019

Traurig und wunderschön

Der Gesang der Flusskrebse
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Der Gesang der Flusskrebse - Delia Owens

Was für ein wunderbares Buch.
Nach wie vor kann ich mich gedanklich kaum vom Zauber der Marschlandschaft und seinen Bewohnern lösen.
Schaut euch das wunderschöne ...

Der Gesang der Flusskrebse - Delia Owens

Was für ein wunderbares Buch.
Nach wie vor kann ich mich gedanklich kaum vom Zauber der Marschlandschaft und seinen Bewohnern lösen.
Schaut euch das wunderschöne Cover an, das Mädchen in seinem Boot allein in der Wildnis. Dieses Bild sagt bereits so viel über die Geschichte aus. Genau diese Stimmung durchzieht das ganze Buch. Ein Meisterwerk.

Kya muss schon früh allein klarkommen. Erst ist die Mutter verschwunden, nach und nach die Geschwister, schließlich verlässt sie auch der gewalttätige und unzuverlässige Vater. Das Mädchen, von den Bewohnern der Stadt Marschmädchen genannt, gibt nicht auf und lebt mit der Natur in einer baufälligen Hütte mitten in der Marsch. Kya eignet sich jede Menge Wissen über Tiere und Pflanzen der Umgebung an. Hier spielt sicher mit rein, dass die Autorin auch Zoologin ist…
Kyas Leben in der Wildnis ist hart und einsam. Mit den Jahren wachsen eine tiefe Traurigkeit und das Gefühl verlassen worden zu sein immer mehr an. Als sie schließlich zwei Jungen bzw. jungen Männern näher kommt, kommt es zur Katastrophe. Einer der beiden wird tot aufgefunden und möglicherweise war es kein Unfall.

Ein grandioser Roman mit starker Sogwirkung. Die Geschehnisse entfalten eine unheimliche Kraft. Die Autorin schafft es, die Naturgegebenheiten derart realistisch zu schildern, dass man tatsächlich alles vor sich sieht und mit Kya mitleidet. Ab Seite hundert ungefähr hatte mich die Geschichte derart in seinen Bann gezogen, dass ich es nicht mehr weglegen konnte und den Rest in einem Rutsch verschlungen habe. Das ist mir schon länger nicht mehr passiert.

So viel Gefühl, so sensibel geht Owens mit ihren Figuren um. Dabei ist die Stimmung traurig und wunderschön. So sehr wünscht man Kya, dass sie endlich jemanden findet, endlich ihren Frieden findet.

Im Vordergrund steht über weite Teile der Geschichte nicht der Kriminalfall, der im Klappentext bereits angekündigt wird und mit dem der Roman auch beginnt. Vielmehr begleitet man über weite Teile Kya und ihren Überlebenskampf in der Marsch. Ihre Versuche, als Außenseiterin Kontakte zu anderen Menschen zu knüpfen. Eigentlich ein sehr sehr ruhiges Buch, in dem man langsam auf eine Eskalation der Situation hingeführt wird. Denn Kyas Lage spitzt sich erst gegen Ende zu.

Eine ganz dicke Leseempfehlung. Eine Geschichte zum darin Versinken, ich wollte gar nicht mehr auftauchen. Ein grandioses Debüt, ich bin gespannt auf weitere Werke von Owens.

Veröffentlicht am 19.07.2019

Eine gläserne Welt

Die Hochhausspringerin
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Die Hochhausspringerin - Julia von Lucadou

"Was macht den Menschen menschlich, wenn er perfekt funktioniert?" Klappentext

Riva und Hitomi, zwei junge Frauen, die es geschafft zu haben scheinen. Sie ...

Die Hochhausspringerin - Julia von Lucadou

"Was macht den Menschen menschlich, wenn er perfekt funktioniert?" Klappentext

Riva und Hitomi, zwei junge Frauen, die es geschafft zu haben scheinen. Sie leben in der Stadt ein perfektes und erfolgreiches Leben. Doch wie lange kann man perfekt sein, ohne daran zu zerbrechen? Denn glücklich sind sie beide nicht in dieser gläsernen Welt; das Damoklesschwert schwebt immer über ihnen. Bei Fehlern oder Nichtfunktionieren können die privilegierten Stadtbewohner jederzeit in die heißen, schmutzigen und stinkenden Peripherien ausgewiesen werden und sich selbst überlassen werden.
Riva, die berühmte Hochhausspringerin, weigert sich von einem Tag auf den anderen zu springen, auch nur zu trainieren. Hitomi soll sie dazu bringen, ihre Arbeit wiederaufzunehmen. Ein Scheitern Hitomis kann für beide die Ausweisung bedeuten. Aus einer effizienten Gesellschaft, die keinerlei Rücksicht auf Individuen nimmt.
In der Stadt ist es ungewöhnlich, seine Bioeltern zu kennen. Anpassung ist das oberste Gebot. Soziale Bindungen sind nicht erwünscht. Diese könnten schließlich das Leistungsvermögen mindern. Eine Horrorvorstellung.

Ein sehr gelungenes Debüt, die spannende Darstellung einer realistischen Dystopie. Wobei die Autorin nur einen kleinen Ausschnitt einer beklemmenden Zukunftsvision zeigt. Denn es geht nur um diese eine Stadt und ihre Peripherien. Auch darüber, wie es zu diesem Ist-Zustand kommen konnte, erfährt der Leser nichts. Doch es fehlte mir auch nichts. Denn die Charaktere sind gut ausgearbeitet und führen uns ganz aktuelle Fragen vor Augen. Was ist Glück? Kann man die Familie wirklich abschaffen? Wie weit darf eine Leistungsgesellschaft gehen? Welche Werte zählen? Sind wir überhaupt überlebensfähig ohne soziale Bindungen?

Dazu hat die Autorin das Ideal einer Hochhausspringerin erfunden. So spannend wie einfach. Und sie kommt ganz ohne Roboter oder KI aus. Gerade das macht diese Geschichte so beängstigend realitätsnah.

So schlicht so gut. Sprachlich und stilistisch recht einfach gehalten und trotzdem sehr berührend.
Ausnahmsweise möchte ich hier auch das Cover erwähnen. Denn es passt perfekt zur Geschichte. Silbern glänzender Hintergrund, eine Frau befindet sich im freien Fall. Es strahl Perfektion und Kälte aus.
Ich fand diesen Roman sehr beeindruckend und beklemmend. Von mir eine absolute Leseempfehlung.