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Venatrix

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Veröffentlicht am 14.09.2019

Dynastie Habsburg - wahrlich kaiserlich

Kaiserlicher Glanz
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Was haben Rudolf von Habsburg (1219-1291) und Karl von Habsburg-Lothringen (1887-1922) außer den klingenden Namen noch gemeinsam?

Keiner mochte sie. Im ersten Fall die deutschen Fürstentümer die einen ...

Was haben Rudolf von Habsburg (1219-1291) und Karl von Habsburg-Lothringen (1887-1922) außer den klingenden Namen noch gemeinsam?

Keiner mochte sie. Im ersten Fall die deutschen Fürstentümer die einen leicht lenkbaren und harmlosen Kaiser suchten, im anderen Fall die Bewohner des Vielvölkerstaates, die nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg genug von der Monarchie hatten.

Rudolf I. steht am Beginn einer langen Reihe von Habsburgern, die Gebiete eroberten und auch wieder verloren. Karl I. ist der letzte regierende Habsburger.

Dazwischen finden wir eine lange Reihe von fähigen, unfähigen, langlebigen, kurz regierende Erzherzöge bzw. Kaiser. Franz Stephan von Lothringen tanzt hier aus der Reihe. Er ist „nur“ angeheiratet. Seine Gemahlin ist niemand Geringerer als Maria Theresia, Erzherzogin von Österreich, Königin von Böhmen, Ungarn usw..

Fast ununterbrochen sind die Habsburger gleichzeitig auch Kaiser „des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation“ bis sich 1804 ein französischer Parnvenü aufschwingt, Kaiser der Franzosen zu sein. Da wirft Kaiser Franz II./I. die Deutsche Kaiserkrone 1806 hin. Immerhin ist er zwei Jahre lang Doppel-Kaiser.

Sigrid-Maria Größing ist eine gute Kennerin von Habsburgs Geschichte und „G‘schichtln“. Wer sich in der langen Reihe von regierenden Habsburger auskennt, wird wenig Neues erfahren. Für alle jene, die sich in der Dynastie (noch) nicht gut auskennen, ist dieses Buch ein gelungener Einstieg.

Ich hätte mir zu jedem Herrscher noch ein Porträt gewünscht, denn die Autorin beschreibt die Physiognomie der Personen recht anschaulich. Selbst auf die Gefahr hin, dass die Bildnisse geschönt sind.

Fazit:

Amüsant geschrieben. Ein gutes Geschenk für alle, die große Dynastien mögen.

Veröffentlicht am 14.09.2019

Ich bin kein Jude, ich bin ein Mensch

Vergesst unsere Namen nicht
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Als Simon Strangers kleiner Sohn buchstäblich über den Stolperstein für Hirsch Komissar stolpert, und nachfrägt, was diese in den Straßen eingelassenen Messingplatten bedeuten, beginnt Stranger sich mit ...

Als Simon Strangers kleiner Sohn buchstäblich über den Stolperstein für Hirsch Komissar stolpert, und nachfrägt, was diese in den Straßen eingelassenen Messingplatten bedeuten, beginnt Stranger sich mit der jüdischen Geschichte seiner Frau Rikke zu beschäftigen.

"Warum wurde er ermordet, Papa?
"Weil er Jude war. "
"Ja, aber warum?"

Rikke, ist eine Nachfahrin von Hirsch Komissar, der von den Nazis ermordet worden ist. Über 80 Jahre und vier Generationen erstreckt sich der Roman, der ein beredtes Zeugnis einer dunklen Zeit beleuchtet.

Die Geschichte der Familie Komissar ist eng mit der Vita von Henry Oliver Rinnan verknüpft. Rinnan, aus einfachen Verhältnissen, kleinwüchsig, unscheinbar und fies, ist Spitzel der Nazis, schleimt sich bei seinen norwegischen Landsleuten ein und liefert
Widerständler und Juden den Deutschen aus.


Meine Meinung:


„Ich bin kein Jude, ich bin ein Mensch“ - das Menschsein haben die Nazis den Juden mehrfach abgesprochen.

Über die Nazis und ihre Gräueltaten sind schon viele Bücher geschrieben worden. Die meisten beschäftigen sich mit den Schicksalen deutscher Juden. Diesmal liegt der Fokus auf Norwegen, das von 1940 bis 1945 von der deutschen Wehrmacht besetzt war. Um an Mitglieder des norwegischen Widerstands zu kommen, bedient sich die Wehrmacht, wie in allen besetzten Gebieten, einiger Einheimischer wie Rinnan. Ob aus Überzeugung oder „nur“ wegen einer kriminellen Ader, lässt sich nicht ganz herausfinden. Rinnan fühlt sich das erste Mal in seinem Leben bedeutend. Er wird Kopf einer Verbrecherbande, die vor Folter und Mord auch in den eigenen Reihen nicht zurückschreckt.

Autor Simon Stranger verknüpft geschickt Fakten mit Fiktion. Ein interessantes Detail sind die Kapitelüberschriften, die lediglich aus einem Buchstaben des Alphabets bestehen. So steht das A für Antisemitismus, das H für Hirsch oder Hoffnung.

Zuerst wollte der Simon Stranger nur den Namen Hirsch Komissar vor dem Vergessen bewahren, denn die jüdische Tradition glaubt, dass ein Mensch erst dann richtig tot ist, wenn sich keiner mehr an ihn erinnert. Doch dann entdeckt er, dass seine Schwiegermutter Grete Komissar, im „Bandenkloster“ genannten aufgewachsen ist. Es ist das Haus von Henry Oliver Rinnan, der Hirsch und zahlreiche andere Juden denunziert hat. Die Geschichte des Hauses liest sich ebenso spannend wie die Geschichte der Personen.

Während Hirsch 1942 ermordet wird, gelingt seinen Söhnen Gerson und Jacob die Flucht nach Schweden. Gerson wird später Ellen heiraten und in das „Bandenkloster“ einziehen. Während Gerson den Einzug in das Haus eher pragmatisch sieht, da es billig zu haben ist, leidet Ellen unter der gewalttätigen Aura des Gebäudes.

Obwohl es interessant ist, wie aus einem unscheinbaren, nicht beachteten Jungen ein brutaler Verbrecher wird, nimmt die Lebensgeschichte von Rinnan weit mehr Raum in diesem Roman ein, als ihm meiner Ansicht nach zusteht. An manchen Stellen tritt die Familiengeschichte Komissar in den Hintergrund und jene von Rinnan plustert sich ungebührlich auf. Das eine oder andere Mal hat sich bei der Gedanke aufgedrängt, dass aus dem gehänselten, missachteteten Rinnan, also einem Opfer, nichts anderes werden konnte als ein Täter. Denn mit der Unterstützung der Nazis ist sein Name endlich in aller Munde, wenn schon nicht geachtet, so denn gefürchtet.

Der Schreibstil ist dem Thema angemessen: Sachlich, bisweilen, ob der Monströsität der Verbrechen, distanziert wirkend, begeben wir uns mit dem Autor in die wohl dunkelste Zeit der Historie.

Mehrfache Perspektivenwechsel lassen die Erzählstränge deutlich erkennen.

Fazit:

Eine interessante Familiengeschichte, der ich gerne 4 Sterne gebe.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Authentizität
  • Geschichte
Veröffentlicht am 12.09.2019

Eintauchen in das London von 1888

Hurenmord - Die Rose von Whitechapel
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In „Hurenmord - Die Rose von Whitechapel“ erzählt Tabea Koenig nun Christines Gillards Geschichte. Sie entführt uns ins London von 1888.

Nach ihrer Heirat mit dem viele Jahre älteren Henry ist aus der ...

In „Hurenmord - Die Rose von Whitechapel“ erzählt Tabea Koenig nun Christines Gillards Geschichte. Sie entführt uns ins London von 1888.

Nach ihrer Heirat mit dem viele Jahre älteren Henry ist aus der ehemaligen Prostituierten eine respektable Person geworden, die sich mit dem „Renfield Eden“ sozial engagiert. „Renfield Eden“ ist ein Frauenhaus in dem misshandelte Frauen mit ihren Kindern Zuflucht finden. Auch Prostituierte, die aus diesem Job aussteigen wollen, werden hier aufgenommen.

Während Christine um ihren eben verstorbenen Ehemann trauert, treibt ein Seri-enmörder sein Unwesen. Ausgerechnet Frauen aus „Renfield Eden“ sind seine Op-fer. Will hier jemand das soziale Werk Christines diskreditieren? Oder steckt hier mehr dahinter?

Der Trauerfall und die Morde bescheren Christine ein Wiedersehen einerseits mit Emily, die nun mit Liam verheiratet ist und ein Kind erwartet und anderer-seits mit Inspektor John Pike, der wieder mit den Ermittlungen betraut ist.

Meine Meinung:

Die Autorin nimmt sich eines bereits vielfach verfilmten bzw. beschriebenen Themas an: Den Frauenmorden in Whitechapel durch Jack the Ripper. Nachdem der Serienmörder niemals gefasst wurde, ranken sich allerlei Mythen um diese Ver-brechen. Die Geschichte ist nach wie vor nicht „auserzählt“, sondern feuert nach wie vor Autoren an, ihre Gedanken zu Papier zu bringen.

Wir erfahren von haarsträubenden Ermittlungspannen und den aussichtlosen Kampf der unterbezahlten und unterbesetzten Londoner Kriminalpolizei gegen den Seri-enmörder.

Neben der Jagd nach dem Verbrecher darf auch Persönliches nicht fehlen. So muss John Pike erleben, dass seine geschiedene Frau Judith, einen neuen Ver-lobten, Herbert, hat, von dem sie bereits schwanger ist. Herbert ist ein rei-cher Geschäftsmann, der sein Vermögen nicht immer ganz sauber erworben hat. Zwischen John und Herbert entspinnt sich ein Kampf um Eddie, John und Judiths gemeinsamen Sohn. Auch hier ist die verlogene Moral des Viktorianischen Zeit-alters deutlich zu spüren. Ein Frau, die außerhalb einer Ehe ein Kind erwar-tet, gilt jedenfalls als leichtes Mädchen und wird von allen geächtet.

Apropos Viktoria: hier konnte ich mir ein Grinsen nicht verkneifen als Chris-tine in Johns Büro kommt und statt des Gemäldes der Queen, eine Landkarte mit den Tatorten an der Wand hängt. Das Bildnis der Königin steht im Abstellraum.

Autorin Tabea Koenig hat die Lebensbedingungen der Menschen, und vor allem jene der Frauen, penibel recherchiert. So erfährt man, dass auch verheiratete Frauen unter der Fuchtel ihrer Ehemänner stehen und über keinerlei Geschäfts-fähigkeit verfügen. Für alles und jedes brauchen sie die Zustimmung der Män-ner.

Obwohl dieses Buch der zweite Teil der „Blumen-Trilogie“ ist, lässt sich die-ser Band gut ohne Vorkenntnisse lesen. Relevante Hinweise auf die Vergangen-heit werden dezent eingeflochten.

Fazit:

Ein fesselnder historischer Roman, dem ich gerne 4 Sterne gebe.

Veröffentlicht am 07.09.2019

Nachkriegszeit - Hochsaison für dubiose Gestalten

Die im Dunkeln sieht man nicht
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Karl Wieners hat im Krieg alles verloren: die geliebte Frau und seine Töchter. Desillusioniert kehrt er in das München von 1950 und zu seiner Familie zurück. Einerseits um zu vergessen und einen neuen ...

Karl Wieners hat im Krieg alles verloren: die geliebte Frau und seine Töchter. Desillusioniert kehrt er in das München von 1950 und zu seiner Familie zurück. Einerseits um zu vergessen und einen neuen Anfang als Journalist zu wagen. Andererseits behagt es ihm gar nicht, im Gasthaus seiner Eltern Quartier zu beziehen, das von seinem Bruder Veit geführt wird. Bei der neu gegründeten Zeitschrift „Blitzlicht“ erhofft er sich einen Job.
Man setzt ihn auf das Thema „Raubkunst“ an. Wobei hier das Verschwinden von arisierten Kunstwerken aus dem Führerbunker gemeint ist.
Gemeinsam mit seiner Nichte Magda, die Verbindungen zum Schwarzmarkt und allerlei zwielichtigen Gestalten hat, beginnt er zu recherchieren.

Dabei kreuzt Ludwig Gruber, ein ehemaliger Schulkollege und nunmehriger Kriminalbeamter, Karls Weg. Ludwig ist mit dem Mord am Fuhrwerksunternehmer Otto Brandl beschäftigt. Das Motiv ist unklar, aber es scheint, als hätte dieser Tod mit den verschwundenen Kunstwerken zu tun. Neben diesem Mord muss sich Ludwig mit dem Sonderermittler Emil Brennicke herumschlagen, der ihm einigermaßen suspekt vorkommt, aber von den Vorgesetzten einige Unterstützung erhält. Dazu kommt, dass sich Brennicke an Magda heranmacht.

Doch nicht nur Karl und Brennicke haben Interesse an Magda. Da ist noch der mächtige Schwarzhändler Walter Blohm, der seine illegalen Geschäfte nun auf seriöse Beine stellen will.

Je weiter Karl und Ludwig in ihre eigenen Recherchen eindringen, desto offensichtlicher wird, dass hier Kräfte am Werk sind, die buchstäblich über Leichen gehen und die aus dem Dunklen ihre Fäden ziehen.


Meine Meinung:

„Die im Dunklen sieht man nicht“ - mit diesem Zitat aus Bertold Brechts „Dreigroschenoper“ hat Autor Andreas Götz den Nagel auf den Kopf getroffen. Es dauert recht lange, bis sich der Schleier etwas lüftet und der Leser kann sich nicht sicher sein, ob die Drahtzieher wirklich erkannt werden.

Der Schreibstil ist flüssig und gut zu lesen. Die Stimmung im München von 1950 ist recht authentisch eingefangen. Dazu tragen so kleine Details wie die Erwähnung der Zeitschrift „Burda Moden“ bei, die 1949 von Aenne Burda gegründet wurde, und vielen Frauen die Möglichkeit gab, Kleider selbst zu nähen, ohne Schneiderei gelernt haben zu müssen.

Die Krimi-Handlung tritt ein wenig zu Gunsten der Zeitgeschichte zurück, so dass man sich eher in einem historischen Roman wähnen könnte.
An manchen Stellen könnte das Buch ein wenig Straffung vertragen. Die Liebesgeschichte zwischen Karl und Magda nimmt für meinen Geschmack ein bisschen zu viel Raum ein.

Das Ende ist für mich nicht wirklich überraschend, obwohl der Autor versucht, die Leser durch allerlei Umwege und Sackgassen zu verwirren.

Die Charaktere haben Ecken und Kanten. Gut sind das nach wie vor vorhandenen braune Gedankengut und das nicht vorhandene Unrechtsbewusstsein geschildert.

Fazit:

Mehr historischer Roman denn Krimi, der einen guten Einblick in die Zeit von 1950 bietet. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Veröffentlicht am 31.08.2019

EIn Appell

Rettet die Berge
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Ich bin ja zugegebener Maßen kein richtiger Fan von Reinhold Messner. Zwar zolle ich ihm Respekt vor seinen Leistungen sowohl beim Bergsteigen als auch später, bei der Errichtung seiner Museen. Allerdings, ...

Ich bin ja zugegebener Maßen kein richtiger Fan von Reinhold Messner. Zwar zolle ich ihm Respekt vor seinen Leistungen sowohl beim Bergsteigen als auch später, bei der Errichtung seiner Museen. Allerdings, ist er ein begnadeter Selbstdarsteller. Und genau das macht ihn für mich ein wenig unsympathisch. Für sich nimmt er in Anspruch als erster Mensch alle Achttausender mit oder ohne Sauerstoff zu besteigen, sich der Stille der Berge hinzugeben und spricht diese Herausforderung anderen Menschen ab.

Erst durch seine Bücher, Filme und Vorträge, die wirklich grandios sind, hat er viele Bergsteiger animiert auf die interessanten Berge zu steigen. Jetzt, findet er, ist es an der Zeit, die Massen von den Bergen fern zu halten. Der moderne Alpinismus ist 250 Jahre alt und Reinhold Messner hat einen großen Anteil daran, dass es diese Auswüchse gibt, die es eben gibt. Hunderte Menschen im Gänsemarsch aneinandergereiht, um auf den Mount Everest zu steigen, ist schon recht krank. er vor wenigen Tagen sind solche Fotos durch die Presse gegangen.

Wenn jetzt Reinhold Messner mit diesem Buch einen Appell an die Welt richtet, die Berge zu retten, ist wenig Substantielles oder Konkretes zu finden. Z.B. den Nepalesen verbieten, eine Art Eintritt zu verlangen? Obwohl das die einzige Möglichkeit ist, zu Devisen zukommen?
Da gefällt mir sein Ansatz „heile Berge bestehen aus der Summe von Kulturlandschaft und Landschaft“ (S. 8) schon viel besser.

Gut beschreibt er, wie die Alpinisten der frühen Jahre in einer besonderen Art „bescheiden“ waren. Sie haben Entbehrungen auf sich genommen und waren nicht so gierig auf den „ultimativen Kick“, wie viele Menschen heute, die glauben, mit dem entsprechenden Kleingeld jeden Gipfelsieg für sich in Anspruch nehmen zu können.

Gut gefällt mir die Sammlung diverser Fragen an den Autor, die manchmal ein wenig kurios wirken.

Fazit:

Das Buch hat meine Erwartung erfüllt, denn aus jeder Zeile spricht ein authentischer Reinhold Messner, wenn auch sein Appell die wenigsten erreichen wird. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.