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Veröffentlicht am 27.11.2016

Der Zukunftsmensch

HELIX - Sie werden uns ersetzen
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Die Kurzbeschreibung oben offenbart bereits die wichtigsten Eckpunkte dieses Wissenschaftsthrillers von Marc Elsberg. Ich mag die brisanten Themen, die der Autor in seinen Romanen behandelt, denn sie sind ...

Die Kurzbeschreibung oben offenbart bereits die wichtigsten Eckpunkte dieses Wissenschaftsthrillers von Marc Elsberg. Ich mag die brisanten Themen, die der Autor in seinen Romanen behandelt, denn sie sind äußert erschreckend und oft ziemlich nah an der Zukunft...oder doch schon fast Realität? Das fragt man sich bei jedem seiner Bücher, nachdem man es zugeklappt hat! Schon in "Black Out" und "Zero" hat er diese Szenarien großartig beschrieben. Auch "Helix - Sie werden uns ersetzen" ist wieder ziemlich komplex.
Die ersten Kapitel sind zunächst etwas verwirrend, da sie an verschiedenen Schausplätzen spielen. Die verschiedenen Handlungsstränge mit unterschiedlichen Personen sind zu Beginn schwer einzuordnen und auch die Namen der Protagonisten nicht einfach zu merken. Trotzdem war ich sehr schnell gefesselt vom Thema Genmanipulation. Leider war dieses Thema im Bezug auf CETA oder TIPP dieses Jahr sehr oft in den Medien zu finden, denn genmanipulierte Lebensmittel sind ja leider keine Zukunftsvision mehr. Doch Marc Elsberg hat hier ein wirklich erschreckendes Szenario beschrieben, denn in "Helix" geht es nicht nur an Manipulationen an Lebensmittel, sondern an Menschen.

In mehreren Handlungssträngen, die am Ende perfekt zusammenführen, wird der Leser in die Welt der Genmanipulation und dessen Auswirkungen versetzt. Diese Einblicke und Zukunftsszenarien sind erschreckend und manchmal gar nicht so weit hergeholt.
Bereits der Prolog beginnt spannend, denn der US Außenminister stirbt bei einem Staatsbesuch in München. Die offizielle Todesursache ist Herzversagen, doch die inoffizielle: ein personifizierter Killervirus. Jessica Roberts, leitende Stabmitarbeiterin wird von der Präsidentin als Sonderbeauftragte eingesetzt und kämpft bald gegen Windmühlen. Sie setzt sich mit den führenden Wissenschaftler Richard Allen auf diesem Gebiet in Verbindung und beginnt der Sache auf den grund zu gehen.

In einem weiteren Handlungsstrang lernen wir diejenigen kennen, die man in diesem Buch noch am ehesten als Hauptprotagonisten bezeichnen könnte: Jill und Eugene, zwei zehnjährige "moderne" Kinder. Beide besitzen genetische Anlagen, die sie im Vergleich zu "normalen" Kinder deutlich überbevorteilen. Während Eugene noch aussieht, wie ein Kind, aber wissenschaftlich ein Superhirn ist, sieht Jill bereits aus wie eine 18-jährige. Auch sie ist ein Designerkind und hyperintelligent. Die beiden sind die Vorreiter einer ganz neuen Generation, die in einer Klinik in San Diego unter Doktor Stanley Winthorpe und seinem Team "gezeugt" wurden. Hierhin verschlägt es auch Helen und Greg, ein reiches Paar, die sich ihren Kinderwunsch erfüllen wollen. Bei Doktor Winthorpe haben sie die Möglichkeit ihr "Designerkind" zu bestellen. Während sich weitere reiche Eltern ihre maßgeschneiderte Kinder aussuchen, arbeiten Jill und Eugene aber schon an weiteren Genveränderungen. Sie wollen mittels GeneDrive (die Vererbungslehre, die Mendelschen Gesetze, werden damit außer Kraft gesetzt) bereits veränderte Gene vom Mann auf die Frau übertragen lassen, sodass in kürzester Zeit nur noch genetisch "optimierte" Menschen auf der Welt leben.

Währenddessen werden in Brasilien, Tansania und Indien Nutzpflanzen und –tiere, die resistent gegen Schädlinge oder Krankheiten sind von Mitarbeiter eines internationalen Chemiekonzerns entdeckt. Auch ihr Weg führt schlussendlich in dieselbe Richtung, wie die der anderen Protagonisten.

Obwohl das wissenschaftliche Thema den Kern der Geschichte bildet, wird es mitunter auch ziemlich rasant und actionreich. Es kommt zu Verfolgungsjagden mit einem Hubschrauber und man fühlt sich manchmal fast wie in einem Actionfilm.
Interessant fand ich auch, dass der Autor in seinem Roman bereits einen weiblichen US Präsidenten, die namenslos bleibt und nur "die Präsdidentin" genannt wird, mit dieser Stelle betraut hat. Tja, in Wirklichkeit dürften die Amis noch nicht bereit für eine Frau als Präsidentin sein....
Obwohl das Thema sehr kompliziert ist, werden die wissenschaftlichen Aspekte auch für Laien wie mich, klar und verständlich erklärt. Marc Elsberg versucht aber nicht nur alle Möglichkeiten, die diese Genveränderungen mit sich bringen, darzustellen, sondern stellt gleichzeitig auch moralische Fragen.
Auf jeden Fall gibt es auch im neuersten Roman des Autors wieder viel Diskussionsstoff und seineThemen bleiben im Hinterkopf.

Schreibstil:
Marc Elsberg hat einen sehr klaren und prägnanten Schreibstil. Man merkt, dass er über das Thema, das er ausgewählt hat, ziemlich lange recherchiert und sich in die Materie eingearbeitet hat. Sein Hintergrundwissen zu den Themen, die er in seinen Büchern beschreibt, ist für mich als Laie sehr komplex. Die Kapitel sind kurz und die Handlungsstränge und -orte wechseln sich ab.
Die Charaktere fand ich etwas reserviert dargestellt. Sie wurden zwar gut beschrieben und auch ihre Handlungen waren nachvollziehbar, jedoch fühlte ich eine gewisse Distanz. Das ist aber für mich nicht unbedingt negativ bei dieser Art Roman.

Fazit:
Wieder ein gelungener Thriller, der diesmal das Thema Genmanipulation behandelt. Der Autor bietet mit seinen Inhalten sehr viel Diskussionsstoff und beeindruckt mich mit seinem Schreibstil, der auch uns Laien komplexe Themen vereinfacht und logisch erklärt. Beklemmend, brisant und gar nicht weit weg von der Realität! 4 1/2 Sterne für ein weiteres Top-Buch des Autors.

Veröffentlicht am 15.11.2016

Abschluss der Familiensaga

Das Versprechen der australischen Schwestern
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Letztes Jahr habe ich Band 2 rund um die deutschstämmige Familie Lessing in Australien gelesen, die mir sehr gut gefiel, aber für mich doch einige Fragen zu viel offen ließ. Mit Band 3 schließt die Geschichte ...

Letztes Jahr habe ich Band 2 rund um die deutschstämmige Familie Lessing in Australien gelesen, die mir sehr gut gefiel, aber für mich doch einige Fragen zu viel offen ließ. Mit Band 3 schließt die Geschichte nun sehr rund ab und hat viele meiner Fragen beantwortet. Ein toller Abschluss der Trilogie, den ich nur empfehlen kann!

Die Autorin erzählt über einen Zeitraum von 20 Jahren die weiterführende Geschichte der Lessings und te Kloots. Diesmal stehen Carola, Elsa und Mina im Vordergrund der Familiensaga. Obwohl sich Carola in Deutschland gut eingelebt und regen Briefkontakt zu ihren Schwestern Elsa und Mina, sowie zu Großmutter Emilia hat, bedrückt sie großes Heimweh. Ihr Platz in der gehobenen Schicht lässt ihr zwar ein viel sorgenfreieres Leben als ihren australischen Verwandten, aber die Sehnsucht nach Down Under bringt sie nah an eine Depression. Mina, die nach langen Jahren des Wartens endlich ihren William Black heiraten darf, zieht zu ihm in die Pfarrgemeinde und Elsa kämpft um ihre Liebe zu Otto. Auch Billy, Elsas kleiner Bruder und der beste Freund Ottos, hat diesmal eine sehr wichtige Rolle.
Während in Deutschland die ersten politischen Unruhen beginnen und der erste Weltkrieg vor der Tür steht, erleben Mina und Elsa ihre eigenen Hochs und Tiefs in Australien. Als jedoch der Krieg ausbricht stehen sich Deutschland und Australien als Feinde gegenüber. Auch die deutschstämmigen Familien müssen sich entscheiden, ob sie kaisertreu sind oder dem Commonwealth angehören wollen. Obwohl Australien nicht unmittelbar am Krieg beteiligt ist, fordert dieser auch Opfer in der Familie Lessing.
Auch die Aborigines und dessen Geschichte sind wieder ein großes Thema. Besonders durch Mina's Handlungen, die sich mit William den Menschen im Reservat annimmt, erzählt uns die Autorin über die geplante Ausrottung der Ureinwohner Australiens. Ein trauriges Kapitel des Kontinents!
Gerne hätte ich etwas mehr über den ersten Weltkrieg gelesen, der für die Familie eigentlich eine große Rolle spielt, vorallem durch Carola, die in Deutschland direkt im Zentrum des Geschehens sitzt. Dieser wird jedoch eher am Rande gestreift, obwohl der Konflikt zwischen den verfeindeten Ländern da gewesen wäre.

Obwohl ich die Protagonisten bereits aus Band 2 kannte, musste ich doch hin und wieder nach vorne zum Familienstammbaum blättern. Die vielen ähnlichen Namen verwirren immer noch. Da es sich aber um reale Charaktere handelt, konnte die Autorin die Namen nicht ändern.
Andererseits war es wieder toll mit den Lessings und te Kloots mitzufiebern und den großartigen Familienzusammenhalt durch die Zeilen zu spüren. Während ich im zweiten Buch das Band zwischen den Geschwistern nicht richtig spüren konnte, sondern mehr das Gefühl hatte lauter Einzelgeschichten zu lesen, war es im Abschlussband ganz anders. Man spürt die tiefe Verbundenheit zwischen den Geschwistern, Tanten und zur Großmutter sehr gut.
Die Autorin hat diesmal auch das Thema Homosexualität aufgegriffen, die Vertreibung bzw. Ausrottung der Aborigines und das damalige Tabuthema Sex vor der Ehe.

Nachdem ich selbst mit Band 2 in diese Familiensaga eingestiegen bin, werde ich mir nun den ersten Band "Die Australierin" zulegen und nachlesen, wie Großmutter Emilia nach Australien gekommen ist....

Charaktere:
Die unterschiedlichen Charaktere und Lebenswege von Mina, Carola und Elsa sind sehr authentisch und vielschichtig beschrieben. Man fühlt ihre Ängste und Sorgen, die Trauer um einen geliebten Menschen oder den Zorn gegen politische Machenchaften.

Schreibstil:
Ulrike Renk hat wahre und fiktive Begebenheiten gekonnt verknüpft. Die Geschichte ist atmosphärisch und sehr dicht und trotzdem fliegt man nur so durch die 600 Seiten und fiebert mit den einzelnen Familienmitgliedern mit. Durch die vielen, aber keineswegs langweiligen, Alltagszenen wirkt die Familie authentisch.
Die Kapitel haben eine angenehme Länge und sind mit Ort und Datum gekenntzeichnet. So weiß man sofort, ob man sich in Deutschland oder Australien befindet und wie viel Zeit vergangen ist.
Auch die sehr bildhaften Beschreibungen des australischen Hinterlandes, der Kultur der einheimischen Aboriginies und deren Bräuche, sind gelungen.

Fazit:
Der Abschlussband der Familiensaga hat mich absolut überzeugt und die Familie Lessing - te Kloot hat nun einen fixen Platz in meinem Herzen. Eine wunderbare Geschichte, trotz vieler verwirrender Namen, wobei der vorangestellte Stammbaum eine große Hilfe bedeutet. Ich kann diese Trilogie wirklich empfehlen!

Veröffentlicht am 07.11.2016

Was wird aus dem Büchernest?

Wintersonnenglanz
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In Gabriella Engelmanns Weihnachtsroman "Wintersonnenglanz" treffen wir auf alte Bekannte aus ihren Syltromanen "Inselsommer" und "Inselzauber". Die Geschichte ist jedoch abgeschlossen und kann auch ohne ...

In Gabriella Engelmanns Weihnachtsroman "Wintersonnenglanz" treffen wir auf alte Bekannte aus ihren Syltromanen "Inselsommer" und "Inselzauber". Die Geschichte ist jedoch abgeschlossen und kann auch ohne Vorkenntnisse dieser beiden Romane gelesen werden.

Lissy, unsere Hauptprotagonistin in diesem Buch, das uns wieder auf die Insel Sylt und ins Büchernest führt, ist bereits voll im Weihnachtsfieber. Sie liebt diese Zeit ganz besonders, auch wenn sie die Arbeitsintensivste des Jahres ist. Doch dieses Jahr hält ihre kleine Tochter sie zusätzlich auf Trab und ihre Großtante Bea scheint in letzter Zeit etwas vergesslich zu werden. Als dann auch noch ihre berufliche Zukunft auf dem Spiel steht, ist es vorbei mit der Weihnachtsstimmung....

Wer schon eines oder beide Bücher aus der Reihe kennt, freut sich auf ein Wiedersehen mit Lissy, Bea und Nele. Durch das Weihnachtssetting und die wunderbaren Beschreibungen der Insel in der Vorweihnachtzeit stellt sich der Wohlfühlfaktor sofort ein. Natürlich haben unsere Protagonistinnen diesmal wieder jede Menge zu tun, denn Gabriella Engelmann hat ihnen doch einige Steine in den Weg gelegt. Vorallem die Probleme rund ums Büchernest, das wir Leser und Buchliebhaber so lieben, sind groß. Die Charaktere sind liebenswert und aus dem Leben gegriffen. Man teilt die Sorgen und Ängste der Frauen und durchlebt mit ihnen alle möglichen Emotionen.
Einige traditionelle vorweihnachtliche Brauchtümer der Insel wurden von der Autorin ebenfalls mit eingebaut. Und ganz am Ende findet man als kleines Extra noch einen Adventkalender. 24 kleine Geschichten, Gedichte und Rezepte versüßen uns die Vorweihnachtszeit und runden das Buch ab.
Ich hoffe sehr, dass es noch weitere Bücher rund um Larissa, Bea und Nele auf Sylt geben wird.

Schreibstil:
Gabriella Engelmann erzählt wieder wie gewohnt in sehr bildhafter Sprache von Freundschaft und dem Leben auf Sylt. Wie schon in "Inselzauber" (meine Rezi hier) haben mich die Beschreibungen der Insel, seiner Bewohnern und dessen Eigenarten mitgerissen. Als Österreicherin ist die deutsche Nordsee für mich leider noch immer unbekanntes Terrain. Die liebevoll erstellten Charaktere überzeugen und sind direkt aus dem Leben gegriffen.

Fazit :
Ein richtiges Wohlfühlbuch, das Freunde der Autorin und der Reihe lieben werden. Hier wird nicht nur "Friede, Freude, Eierkuchen" gelebt, sondern es wird das Leben mit all seinen Höhen und Tiefen realistisch dargestellt. Mit den tollen Beschreibungen der Insel und dem winterlichen Setting kommt auch die Weihnachtsstimmung nicht zu kurz! Für Fans ein MUSS!

Veröffentlicht am 07.11.2016

Vom Ende der Einsamkeit

Vom Ende der Einsamkeit
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Dies ist die Geschichte von Jules, der nach dem frühen Tod seiner Eltern gemeinsam mit seiner Schwester Liz und seinem Bruder Marty in einem Internat aufwächst. Getrennt von seinen älteren Geschwistern, ...

Dies ist die Geschichte von Jules, der nach dem frühen Tod seiner Eltern gemeinsam mit seiner Schwester Liz und seinem Bruder Marty in einem Internat aufwächst. Getrennt von seinen älteren Geschwistern, die in einem anderen Trakt der Internatschule untergebracht sind, findet er nur in der Klassenkollegin Alva eine Freundin. Das rothaarige aufmüpfige Mädchen, deren Schwester von einem Tag auf den anderen verschwunden ist, fühlt sich zu Jules hingezogen, da er dieselbe Traurigkeit austrahlt, die sie fühlt. Sie werden beste Freunde, verlieren sich aber nach Jahren aus den Augen. Auch Jules Geschwister sind einsam und jeder auf seine eigene Art gebrochen. Im Laufe der Jahre, die sie erwachsen werden, müssen alle von ihnen einige Höhen und Tiefen durchleben....

Der Einstieg in den Roman ist mir eigentlich sofort gelungen, obwohl dies mein erstes Buch von Benedict Wells ist. Seine wundervolle Sprache und die Beschreibung der Umstände, sowie der Charaktere hat mich sofort gefesselt. Der Roman ist eine Mischung aus Familiengeschichte, Drama und einer Liebesgeschichte. Der Autor schickt seine Figuren auf die Suche nach der eigenen Identität, die nach dem frühen Tod der Eltern straucheln und nicht wissen wohin. Obwohl der Roman sehr ruhig und melancholisch ist, man ab und zu das Gefühl hat, dass er kurz auch mal ein bisschen dahinplätschert, so hat mich die Entwicklung von Jules Leben fasziniert. Es gibt Höhen und Tiefen wie im realen Leben und man verliert sich aus den Augen, auch wenn man denkt, dass man sein ganzes Leben lang befreundet sein wird. So passiert es mit Alva und Jules und viel zu spät erkennt er, dass Sie viel mehr für ihn bedeutet, als er dachte. Und er muss endlich erkennen, dass er seinem Leben einen Sinn geben und er selbst dafür sorgen muss. Aber auch die Geschwister driften auseinander, die generell sehr unterschiedlich sind. Trotzdem finden sie am Ende alle wieder zusammen und geben einander, nicht nur in schweren Zeiten, Halt.


Charaktere:
Die Charaktere sind wunderbar gezeichnet und voller Leben. Während Liz schon als Teenager um ihre Ausstrahlung weiß und alle Aufmerksamkeit auf sich zieht, äußerst extrovertiert und ruhelos durchs Leben geht, ist Marty das komplette Gegenteil. Er ist ein Einzelgänger, ein Nerd und Vorzeigeschüler, der sich voll und ganz der Wissenschaft widmet. Mit Elena hat er bald seine große Liebe gefunden, die ein sehr herzlicher und gefühlvoller Mensch ist. Doch auch ihr Leben gestaltet sich nicht so einfach, wie sie es sich vorgestellt hatten. Jules scheint als Einziger nicht zu wissen, was er eigentlich mit seinem Leben anstellen soll. Er hat einen coolen Job bei einem Plattenlabel, der ihn jedoch nicht erfüllt. Die Fotografie, die er Dank seines Vaters verfolgt hat, hat er nach dem Tod der Eltern aufgegeben. Er ist orientierungslos. Nur das Schreiben gibt ihm ab und zu Halt, doch dazu fehlt ihm oft die Überzeugung, dass er es kann.
Alle Charaktere bilden sich im Laufe der 368 Seiten weiter und runden den Roman hervorragend ab.

Schreibstil:
Der Roman ist aus der Sicht von Jules in der Ich-Form geschrieben. Alle Charaktere sind sehr unterschiedlich Persönlichkeiten und ganz wunderbar beschrieben. Sie werden erst durch die wundervolle poetische und ausdrucksstarke Sprache des Autors lebendig. Obwohl die Geschichte direkt aus dem Leben gegriffen ist und sich ähnlich woanders genauso abspielen könnte, lebt der Roman vorallem durch Benedict Wells Sprachkunst.

Fazit:
Ein sehr ruhiger, aber eindringlicher Roman, der vorallem durch den wunderbaren Schreibstil des Autoren glänzt. Mich hat die Geschichte noch nachhaltig beschäftigt und wer tiefgründige Bücher mit tollem Schreibstil mag, sollte hier zugreifen!

Veröffentlicht am 29.10.2016

Incendo

Totenlied
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Als Thrillerleser bin ich ein großer Fan von Tess Gerritsen. Auf jedes neues Buch, das von ihr veröffentlicht wird, freue ich mich schon tierisch. Gott sei Dank wurde ich bei "Totenlied" schon vorgewarnt, ...

Als Thrillerleser bin ich ein großer Fan von Tess Gerritsen. Auf jedes neues Buch, das von ihr veröffentlicht wird, freue ich mich schon tierisch. Gott sei Dank wurde ich bei "Totenlied" schon vorgewarnt, dass es sich hier eher um einen (Spannungs-)roman handelt und nicht um einen Thriller, wie man normaler Weise von der Autorin gewöhnt ist. So ging ich gänzlich unbedarft an die Geschichte, die mir wirklich sehr gut gefallen hat - dass kann ich schon mal verraten!

Ebenso ungewöhnlich für die Autorin ist, dass sie diesmal auf zwei Zeitebenen erzählt. Da ich ein großer Fan von Literatur über die beiden Weltkriege bin, gefiel mir natürlich der Part aus der Vergangenheit wieder ausgesprochen gut. Hier geht es um Lorenzo Tedecso, einem sehr begabten jüdischen Geigenspieler aus Venedig. Der Leser steigt jedoch zuerst in der Gegenwart ein. Hier begleiten wir Julia Ansdell, eine erfolgreiche Violinistin, die in einem Antiquitätenladen in Rom ein altes Notenbuch kauft. In diesem findet sie handgeschriebene Walzernoten eines unbekannten Komponisten. Die Musik wühlt sie auf und fordert sie heraus, da einige Stellen sehr schwierig zu spielen sind. Als sie zurück in den Vereinigten Staaten diesen Walzer das erste Mal spielt, fühlt sie etwas Bedrohliches und Düsteres und plötzlich beginnt sich ihre kleine Tochter Lilly zusehends zu verändern. Doch ihr Ehemann Rob und die restliche Familie glauben Julia nicht. Immer wieder fragt man sich, was hinter den seltsamen Reaktionen von Lilly steckt oder ob sich Julia alles nur einbildet. Ebenso rätselt man, auf welcher Seite ihr Ehemann steht und wankt zwischen Unglauben und Furcht. Aber vorallem ist man neugierig was hinter all dem steckt und wie die Autorin die Geschichte lösen wird. Und auch Julia möchte herausfinden, wer diesen Walzer geschrieben hat und was es mit diesem Stück auf sich hat, dass so ihre Gedanken beherrscht, aber ihr auch Kummer bringt. Gemeinsam mit ihrer Freundin Gerda fliegt sie nach Venedig um den geheimnisvollen Komponisten oder einen seine Nachfahren zu finden.

Man verfolgt nun abwechselnd die Suche von Julia in der Gegenwart und erfährt durch die Rückblicke in der Vergangenheit die Geschichte von Lorenzo und die Zeit der Judenverfolgung in Italien. Durch meine Liebe zur Musik, zu Weltkriegsthemen und Thriller ist dieser Spannungsromn für mich die perfekte Mischung. Man lernt die Autorin von einer ganz anderen Seite kennen. Tess Gerritsen bringt nämlich nicht nur ihre chirurgischen Fähigkeiten in ihre Romane ein, sondern auch ihre Musikalität. Sie spielt selbst Klavier und Geige und hat das Musikstück selbst komponiert.

Die Auflösung rund um das Geheimnis des Musikstückes und um Julias Ängste fand ich gut gelungen, trotzdem war das Ende für mich etwas zu unglaubwürdig und deswegen vergebe ich keine 5 Sterne für die sehr wohl packende Geschichte.

Schreibstil:
Der Schreibstil der Autorin ist gewohnt ausdrucksstark, flüssig und packend. Auch wenn es sich hier nicht um einen Thriller handelt, blieb für mich die Spannung die ganze Zeit aufrecht.
Der Part in der Gegenwart rund um Julia wird in der ersten Person geschildert und so erlebt man ihre Angst und Gefühle sehr gut mit. Man glaubt ihr jede Verunsicherung und möchte wie sie der Geschichte auf den Grund gehen.
Der Vergangenheitsanteil wird in der 3. Person erzählt und erzeugt so die nötige Distanz. Trotzdem litt ich mit Lorenzo und seiner Familie und vorallem auch mit seiner Freundin Laura mit. Die grausamen Methoden während des Zweiten Weltkrieges sind für mich ja aus vielen Büchern bekannt und trotzdem nimmt es mich jedes Mal wieder sehr mit, wie auch hier bei "Totenlied".
Die Autorin vermerkte noch am Ende ihres Romans, dass im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, in Italien nicht so viele Juden in Vernichtungslagern ermordet wurden, wie beispielsweise in Deutschland oder Polen. Trotzdem bedauert man natürlich jedes Einzelschicksal....


Fazit :
Eine etwas andere Tess Gerritsen, die mich mit diesem Roman auf zwei Zeitebenen genauso überzeugt hat, wie mit ihren erfolgreichen Thriller, die sie schreibt. Bis auf die kleine Schwäche am Ende der Geschichte im Gegenwartsstrang ist "Totenlied" ein großartiges Buch, das ich gerne weiterempfehle.