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Veröffentlicht am 12.10.2020

Würdiges Finale

Die dreizehn Gezeichneten - Der Krumme Mann der Tiefe
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"Der krumme Mann der Tiefe" ist ein würdiger Abschluss für eine absolut lesenswerte Trilogie, die häufig nervenzerreißend spannend ist.

Zum Inhalt des Buches möchte ich gar nicht so viel sagen. Es ist ...

"Der krumme Mann der Tiefe" ist ein würdiger Abschluss für eine absolut lesenswerte Trilogie, die häufig nervenzerreißend spannend ist.

Zum Inhalt des Buches möchte ich gar nicht so viel sagen. Es ist ein Finalband und fast alle inhaltlichen Angaben würden Leserinnen und Leser, die noch die komplette Reihe oder zumindest den Abschluss vorliegen haben, spoilern. Was ich verraten kann: es gibt wie gewohnt unverhoffte Handlungen, die Kapitel enden auch weiterhin so, dass ich immer wieder dachte "nur noch ein Kapitel!" und noch eins, und noch eins, und noch eins...

Was ich an "Die 13 Gezeichneten" besonders mag, ist der Bezug zum politischen Alltag unseres Real Life. Die Phantastische Literatur wird ja gern als eskapistisch im Sinne von realitätsfern bezeichnet. "Die 13 Gezeichneten" ist der Beweis (neben anderen) dafür, dass dies definitiv nicht der Fall ist. Ich denke, dass ich im vergangenen Jahr keinen zeitgenössischen Roman gelesen habe, der sich so intensiv mit Demokratie auseinandersetzt, aber auch mit dem Druck, den Macht und der Wunsch nach Gleichberechtigung ausüben. Gehirnwäsche, psychologische Tricks, einimpfen von falschen Wahrheiten und Denkmustern. All das sind Themen, die Judith und Christian Vogt immer wieder auf den Tisch bringen. Verpackt in die sehr spannenden Handlungen der "Die 13 Gezeichneten" Trilogie.

Die Kritik, die sie anbringen wollen, liegt dabei offen zugrunde. Ganz weit voran:"Bilde dir selbst eine Meinung!" Bildung hilft dabei. Bildung nicht nur durch Sachtexte, sondern auch durch Romane wie diese, in denen Frauen und Minderheiten für ihre Rechte kämpfen, Politiker korrupt handeln und Abwertung von Menschen durch Manipulation weiterverbreitet wird. Das Ehepaar fordert auf mitzudenken. Eigene Ideen zu bekommen, was im Alltag umgesetzt werden kann. Wir haben keine geheimen Zeichen, wollen nicht mit Degen und Schwert aufeinander losgehen. Dass das aber auch keine Lösung ist, zeigt der Verlauf der Geschichte. Aber wir alle haben eine Stimme, eine Möglichkeit für unsere und die Rechte anderer einzustehen, sie laut auszurufen, immer wieder ins Gedächtnis der Menschen zu bringen.

Das Finale, und damit verrate ich nicht zu viel, gibt uns auch eine Idee davon, dass es Möglichkeiten gibt zu verhandeln, aufeinander zu zugehen. Dass es gar nicht schmerzt, alte Strukturen zu verlassen und neue Wege zu gehen. Auch, dass ein Umdenken dringen notwendig ist, um eben nicht in der Tiefe festgesaugt zu werden. Das Ende der Reihe, des dritten Bandes im speziellen hat mir richtig gut gefallen. Es ist nicht zu starr, nicht romantisiert, nicht zu speziell, aber auch nicht vorhersehbar.

Eine Trilogie, die gelesen werden sollte.

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Veröffentlicht am 24.03.2020

Wie kleine Tiere groß werden

Wie kleine Tiere groß werden: Die kleinen Rotkehlchen
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Es ist Frühling. Die Rotkehlchen bauen ein Nest. Sie legen Eier, bekommen Junge, müssen diese versorgen und beschützen. Bald schon sind die kleinen Vogelküken groß. Lernen fliegen und zwitschern vergnügt ...

Es ist Frühling. Die Rotkehlchen bauen ein Nest. Sie legen Eier, bekommen Junge, müssen diese versorgen und beschützen. Bald schon sind die kleinen Vogelküken groß. Lernen fliegen und zwitschern vergnügt im Sonnenschein.

Ein für uns Erwachsene altbekannter und scheinbar simpler Vorgang der Tierwelt, für die Kleinen aber ein spannender Ausschnitt aus dem Leben der hübschen kleinen Vögel.





Die Texte sind einfach, klar und gut zu verstehen. Sie sind aufs wesentliche beschränkt und trotzdem eingängig. Da sie die abgebildete Szene beschreiben, sind sie leicht zu merken und können von größeren Kindern nach kurzer Zeit auswendig mitgesprochen werden.

Das Highlight dieser Reihe ist die Gestaltung.

Auch die Illustrationen bedienen sich klarer Linien, wenig Schnörkel und einer natürlichen Farbgebung einer nicht zu breiten Farbpalette. Kleine Ausschnitte in den Seiten machen neugierig, lassen erahnen, was auf der nächsten Seite beschrieben werden könnte, bieten die Möglichkeit Formen zu erfühlen.






Meine Kinder mögen sowohl die taktilen Möglichkeiten, die das feine Büchlein bietet, als auch den Inhalt. Gerne verfolgen sie wie Vater Rotkehlchen die großen Vögel verjagt, um seine Kinder zu beschützen. Noch lieber schauen sie wie die Würmer aus der Erde gezogen werden.

Eine rundum gelungene Reihe, von der wir gerne noch mehr Bücher in unserem Regal haben möchten. Informativ und hübsch zugleich.

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Veröffentlicht am 31.01.2020

Meisterklasse

King of Scars
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Auf einen Protagonisten wie Nikolai Lantsov habe ich schon lange gewartet.

Bereits in der "Legenden der Grisha" - Trilogie konnte der Zarensprössling mit seiner charmanten Art mein Herz erobern. Ich mag ...

Auf einen Protagonisten wie Nikolai Lantsov habe ich schon lange gewartet.

Bereits in der "Legenden der Grisha" - Trilogie konnte der Zarensprössling mit seiner charmanten Art mein Herz erobern. Ich mag diese Kombination aus Ganove und irgendwie doch zu gut und zu herzlich zu sein, um als Bösewicht durchzugehen.

Dass er in "King of Scars" die Hauptrolle spielen darf, ist nur gerecht. An seiner Seite die kühle Zoya, der nicht gerade die Herzen ihrer Grishakolleginnen und -kollegen zufliegen, die mutig und stark wirkt, tief im Inneren aber schwer verletzt wurde. Von demjenigen, der ihnen allen Schaden zufügte, während er seine eigenen Wünsche durchsetzte: der Dunkle.

"King of Scars" schließt, obwohl im Handlungsstrang einige Zeit vergangen ist, nahtlos an "Lodernde Schwingen", den Finalband der Grisha-Trilogie an. Das Dunkle wütet in Nikolai, der versucht sein Land zu retten, der Einigkeit und Frieden möchte. Ein Wunsch, der nicht nur von seinen Feinden, sondern von seinem eigenen Ich untergraben wird.

Mit großer Begeisterung habe ich "King of Scars" gelesen, das sprachlich, handwerklich noch mehr kann, als die ebenfalls grandiosen Vorgänger der Autorin. Spitzzüngige Dialoge, ein perfekt aus den Figuren entspringender Humor und eine extrem spannende Handlung machen den Roman zu einem echten Lesegenuss.

Kurzweilig und unterhaltsam, aber nicht oberflächlich. Zwischen all der dunklen Magie, zwischen persönlichen Streitigkeiten und Liebeleien, zwischen all dem schreibt Bardugo auch über die Konflikte, mit denen Nikolai als Landesoberhaupt konfrontiert wird. Über die Schwierigkeit Frieden herzustellen ohne den Einsatz von Gewalt und der Berücksichtigung aller Hoffnungen und Wünsche von Nationen mit verschiedenen Wertvorstellungen. Sie schreibt über Gier, die größer ist, als der Respekt vor Menschenleben, darüber wie abhängig Macht und Geld machen und wie schnell wir politischen und religiösen Vorstellungen verfallen, ohne diese zu hinterfragen.

Bardugo denkt nicht schwarz-weiß und spiegelt das in ihren Figuren wieder. So ist ein lebhafter, fantasievoller, charmant humorvoller und extrem lesenswerter Roman entstanden, der sich ohne mit der Wimper zu zucken in die Riege meiner Lieblingsbücher einreiht.

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Veröffentlicht am 25.09.2019

Eindringlich, lesenswert

Wege, die sich kreuzen
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"Wege, die sich kreuzen" ist ein eindringlicher Roman. Vier Personen verschiedener Generationen, alle einer Familie zugehörig, werden dargestellt, spiegeln die Probleme ihrer jeweiligen Zeit, des zweiten ...

"Wege, die sich kreuzen" ist ein eindringlicher Roman. Vier Personen verschiedener Generationen, alle einer Familie zugehörig, werden dargestellt, spiegeln die Probleme ihrer jeweiligen Zeit, des zweiten Weltkriegs und seiner Folgen. Erzählt wird auf vier Ebenen, in sich überschneidenden Jahrzehnten.

Jede Handlung zieht einen Schweif an ungeahnten Folgen hinter sich her. Folgen, die sich manchmal über Generationen hinziehen, deren Last von mehreren Generationen getragen wird. Hin und wieder kommt es auch vor, dass etwas von einer Generation als Glück, von der anderen aber als schwere Bürde empfunden wird.

Maria ist Hebamme, alleinerziehend, weil sie es so wollte. Ein Kind, das war ihr Wunsch, nicht aber der Mann dazu. Sie muss sich durchboxen, kommt aber zurecht, in den Anfängen des 20. Jahrhunderts, in der ihre größten Gegner Kälte und Unwissenheit sind. Lebt nach ihren Vorstellungen, so gut wie möglich, getrieben von Wünschen und Hoffnung.

Ihre Tochter Lahja empfindet den Lebensstil der Mutter nicht als unangenehm. Zumindest nicht für die Mutter. Sie selbst möchte aber nicht so leben. Sie möchte einen Mann, der ihr unter die Arme greift, der ein guter Vater ist, der ihr zur Seite steht. Diesen Mann findet sie in Onni, der ihr all diese Wünsche erfüllt. Und doch gibt es eine tiefe Kluft zwischen ihnen. Eine Dunkelheit, die weder Lahja, noch sie beide als Paar füllen können.

Es ist diese Dunkelheit, die Lahja mehr und mehr einhüllt und mit ihr alle Beziehungsgeflechte zu kommenden Personen. Ihrer Schwiegertochter Kaarina, die ebenfalls eine der Erzählebenen einnimmt, wird nie richtig warm mit Lahja, die sich mehr und mehr in Starrsinn und negativen Gedanken verkriecht.

Onnis Erzählebene sorgt für erkennen, begreifen, verstehen. Kinnunen rundet damit, dass er ihn zuletzt zu Wort kommen lässt, das Buch perfekt ab. Hat bis dahin die Spannung hochgezogen und wirft dann den Leserinnen und Lesern die Geheimnisse von Onnis Seele vor die Füße. Die Dunkelheit, die ihn seit dem Krieg begleitet, die Schreie, das Blut, die ihn verfolgen und der Wunsch davon wegzukommen, ein Leben zu führen, das mit seinem nichts mehr zu tun hat.

Obwohl der Erzählstil während des kompletten Romans gleichbleibend klar ist, mit kurzen Sätzen, hinter denen viel steckt, gelingt es Kinnunen jeder der Personen eine eigene Sprache zu verleihen, jede Erzählebene mit einer eigenen Atmosphäre zu versehen. Mal kühl und düster, mal kraftvoll, mal verständnisvoll, mal hoffnungslos.

"Wege, die sich kreuzen" ist eine lesenswerte Annäherung an das was Krieg und Gewalt mit Menschen machen. Wie Schicksalsschläge Familien hinterlassen, wie sie Generationen beeinflussen. "Wege, die sich kreuzen" erzählt aber auch von der Kraft, die in einer Persönlichkeit steckt, und der Kraft von Wünschen, deren Erfüllung nicht immer zu einem positiven Verlauf führt, auch wenn der Gedanke dahinter noch so rein ist.

Veröffentlicht am 17.09.2019

Berührend und humorvoll

Wir von der anderen Seite
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Wir von der anderen Seite - diejenigen, die dem Tod von der Schippe gesprungen sind, aber auch diejenigen, die mit ihrer Krankheit so viel Lebenszeit verbringen, dass sie in einem eigenen kleinen Organismus ...

Wir von der anderen Seite - diejenigen, die dem Tod von der Schippe gesprungen sind, aber auch diejenigen, die mit ihrer Krankheit so viel Lebenszeit verbringen, dass sie in einem eigenen kleinen Organismus leben. So wie Anika Decker, die wie ihre Protagonistin Rahel, für einige Tage im künstlichen Koma lag. "Wir von der anderen Seite" ist kein autobiografischer Roman, aber Anika Decker weiß, was es bedeutet, wenn die andere Seite viel Raum einnimmt und das eigentliche Leben in der Warteschleife hängt.

Der Roman beginnt mit Rahels Erwachen aus dem Koma. Ihre Erinnerung an die Zeit davor ist blass und schemenhaft, ihre Eltern, die täglich an ihrem Bett saßen, über sie wachten, Rahels Lebenswillen einzäunten, damit er an ihr Haften blieb und sich nicht plötzlich davon schlich, können ihr nicht so Recht Auskunft geben. Rahel selbst kann ihren aktuellen Gesundheitszustand gar nicht so recht einordnen. Ist verblüfft, dass ihre Muskeln nicht mehr funktionieren, ihr Körper so schwach und auf technische, sowie menschliche Hilfe angewiesen ist. Nicht mal einen Löffel kann sie mehr heben. Das Koma hat all ihre Kraft aufgefressen, ihre Muskeln abgenagt, aber ihr Wille ist noch da und den versucht sie nach und nach wieder aufzubauen.

Nach wenigen Seiten des Romans habe ich einen Kloß im Hals. "So schnell kann's gehen" ist keine leere Phrase. Es kann tatsächlich so schnell gehen und von einem Moment auf den anderen steht dein Leben Kopf. Ist nicht mehr so wie es einmal war. Du bist nicht mehr der Mensch, der du einmal warst. Bist entkräftet, aber irgendwie auch gestärkt.

Anika Decker ist Drehbuchautorin und bekannt für heitere Filme wie "Keinohrhasen". Ihr Humor ist ihr zum Glück auch während ihrer Erkrankung nicht abhanden gekommen und so gibt es in "Wir von der anderen Seite" einiges zu lachen. Viel Ironie und Situationskomik. "Wir von der anderen Seite" ist aber keine Komödie. Das Buch dreht sich um ein sehr ernstes Thema. Ist tiefgründig und vermittelt einen sehr guten Einblick in den Alltag eines Menschen, der/die täglich mit einer schweren Krankheit oder mit Reha konfrontiert wird. Es macht mich nachdenklich, manchmal traurig und holt mich aus jedem Gedankentief, in das es mich stürzt, auch wieder heraus. Decker gelingt es in höchstem Maße Angst mit Humor zu begegnen.

"Wir von der anderen Seite" ist ein tolles Buch, das für Verständnis sorgt, das mich aber auch sehr berührt und toll unterhalten hat. Es ist ein Roman über die Höhen und Tiefen des Lebens, zeigt, dass wir eben jenes nicht vergeuden sollten, macht Mut und schürt Hoffnung, ohne zu ernst oder zu belehrend zu sein. Eine klare Leseempfehlung für Rahel Wald und ihren weg zurück ins Leben.