Ein überdrehter Beamter und ein überraschendes Wiedersehen
»Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten« und »Einladung zum Klassentreffen«„Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten“
Vorweg möchte ich anmerken, dass ich selber im Öffentlichen Dienst arbeite und mir das Beamtentum nicht ganz fremd ist.
Hans Fredenbek steht mitten in ...
„Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten“
Vorweg möchte ich anmerken, dass ich selber im Öffentlichen Dienst arbeite und mir das Beamtentum nicht ganz fremd ist.
Hans Fredenbek steht mitten in seinem spartanisch eingerichteten und veralteten Beamtenbüro und ergeht sich in einem Monolog unter Einbeziehung des Publikums. Einzig das Laufband im Büro zeugt von einer gewissen Modernität. Herr Fredenbek referiert teils absturs, bisweilen sehr amüsant über Rechtschreibung bis Allgemeinwissen und kommt dabei vom Hundertsten ins Tausendste. Auch die zwischenmenschlichen Beziehungen kommen durch eine Art Flirtanleitung zur Sprache – wobei die Fantasie weitaus größer erscheint als die Realität. Das Verschwinden bzw. Nichtvorhandensein eines Radiergummis bringt seinen herrlichen Monolog erst ins Rollen und sein starres Verharren in der Enge seines Büros, in dem sich seit Jahren nichts geändert hat, ins Wanken.
Der Autor bedient sich dem „vermeintlich typischen Klischee eines staubtrockenen Beamten“ und macht daraus ein Feuerwerk an Abstrusität, wirren Gedankengängen, völlig neuen Einblicken in die Seele der Frau und auch ins Beamtendasein an sich. Von unterhaltsam bis urkomisch erstreckt sich die Bandbreite des Monologs eines eingeschworenen Beamten, dem (fast) nichts wichtiger ist als die Einhaltung von Gesetzen, Vorschriften und Vorgängen, außer sie verlangen ihm ausgesprochen viel Einsatz ab. Die Einbeziehung des Publikums in diesem Theaterstück finde ich genauso ansprechend und gekonnt inszeniert, wie die Stimmen aus dem Off. Herrlich!
„Einladung zum Klassentreffen“
Dieses Stück ist so ganz anders als das erste. Hier geht es um zwei Menschen, die sich einst sehr nahe waren und sich verloren haben – warum auch immer. Das digitale Zeitalter spielt hier eine große Rolle und auch die Neugier der Mitmenschen, die alleine schon durch ein Telefonat im Zugabteil befördert wird. Doch es hat nichts Übergriffiges, sondern ein Wohlwollen, mit dem die Fahrgäste im Zug an dem Telefonat von ihm und ihr teilhaben. Am meisten hat mich überrascht, dass mit ganz wenig Bühnenbild oder erklärenden Worten, ein so warmherziger Ton erzeugt werden kann. So ergibt sich für mich eine schöne Liebesgeschichte, die auch auf die Unwägbarkeiten und Enttäuschungen des Lebens eingeht, so dass der Dialog nicht ins Kitschige abdriften kann. Dazu eine Prise Humor … Dieses Theaterstück kann ich mir sehr gut auf der Bühne vorstellen. Was mich zu der Frage bringt, ob es bereits aufgeführt wurde oder noch darauf wartet.
Beiden Stück ist anzumerken, dass der Autor a) weiß wovon er schreibt (ich sage nur Beamter), b) mit Worten sehr gut umgehen und mit wenig Aufwand ganz unterschiedliche Stimmungen erzeugen kann, c) sich in die Situationen und Emotionen der Schauspieler hineinversetzen kann – steht er doch selbst auf der Bühne und schließlich d) auch vor Irrungen und Wirrungen in einem ausufernden Monolog nicht zurückschreckt und dabei den roten Faden stets im Blick behält.
Es war mir eine Freude und Genuss, diese beiden Stück zu lesen. Bisher kannte ich Theaterstücke aus der Schule und durfte sogar schon selbst als Werther (Die Leiden des jungen Werther) in einer Dreiviertelbergsteigerhose (in Ermangelung einer Knickerbocker) vor der Schulkamera jede Menge Text zum Besten geben. Danach saß ich lieber vor der Bühne und habe mich vom musikalischen und schauspielerischen Talent (manchmal auch Unvermögen) anderer Personen berieseln lassen. Nachdem ich ein bekennender Krimi-Thriller-Junkie bin, ist meine Neugierde geweckt, was den Kurzkrimi „Schöne Bescherung“ betrifft.