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Julia_Matos

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.08.2020

Dramatisch, einfühlsam, sympathisch und berührend

Cinder & Ella
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Die Handlung zu diesem Liebesroman ist nur in groben Zügen dem Klassiker Cinderella nachempfunden (verstorbene Mutter, Stiefmutter, zwei garstige Stiefschwestern, begehrtester Junggeselle weit und breit), ...

Die Handlung zu diesem Liebesroman ist nur in groben Zügen dem Klassiker Cinderella nachempfunden (verstorbene Mutter, Stiefmutter, zwei garstige Stiefschwestern, begehrtester Junggeselle weit und breit), ist vielschichtiger, mit mehr Akteuren und diversen Schauplätzen, spielt glaubhaft in der jetzigen Zeit in den USA, bietet reichlich Unvorhergesehenes.

Ella ist ein warmherziges, bescheidenes, kluges Bücherwürmchen. Aufgrund körperlicher Beeinträchtigungen infolge eines schweren Unfalls ist sie nicht das typische Supermodel/Prinzesschen, sondern punktet mit ihrem Wesen. Sie war mir auf Anhieb sympathisch und ich konnte mich mit ihr identifizieren. Auch Schauspieler Brian alias Cinder habe ich schnell ins Herz geschlossen.
Kapitelweise wechselnd taucht man in die Gedanken- und Gefühlswelten dieser zwei Protagonisten ein, nimmt an inneren Kämpfen teil, ohne störende Wiederholungen oder Wissenslücken. Mag es auch noch so klischeebehaftet sein: Durch die einfühlsame Erzählweise und den Detailreichtum war es spannend und wunderschön, alles mitzuverfolgen. Der Schlagabtausch zwischen den beiden ist charmant, witzig und aufbauend. Ich habe kräftig mitgelitten, gebangt, gehofft, mich mitgefreut.
Es gibt auch tolle Nebenfiguren, z. B. die individuelle Vivian mit ihren Vätern und den netten Physiotherapeuten Daniel. Die Bausteine fügen sich stimmig zusammen. Mir gefallen die Überraschungen in der Charakterzeichnung, welche das Schwarz-Weiß-Schema zum Ende hin durchbrechen.

Behinderung, Aussehen, Wiedereingliederung, Mobbing, Meinungsbildung u. a. in sozialen Medien, wahre und trügerische Freundschaft, Ausgrenzung, Freundschaft zwischen Frau und Mann, Scheidungskind-/Patchwork-Problematik, Neid und Vergebung spielen eine Rolle. Hierdurch können Denkanstöße vermittelt und Toleranz gefördert werden, was ich sehr gut finde.

Es ist nicht mein bevorzugtes Genre. Umso froher bin ich, dieses zu Herzen gehende Buch kennengelernt zu haben.

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  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.02.2020

Intelligent, visionär, faszinierend: Sex, Kriminalität und Künstliche Intelligenz in 2091

Qube
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“Qube” knüpft an die Handlung von “Hologrammatica” drei Jahre später an mit einer bisherigen Nebenfigur als Hauptfigur sowie neuen interessanten Persönlichkeiten. Es ist für Verständnis und Lesefluss förderlich, ...

“Qube” knüpft an die Handlung von “Hologrammatica” drei Jahre später an mit einer bisherigen Nebenfigur als Hauptfigur sowie neuen interessanten Persönlichkeiten. Es ist für Verständnis und Lesefluss förderlich, Weltenbau und Begrifflichkeiten bereits zu kennen. Das Glossar im Anhang bildet eine willkommene Erinnerungsstütze. Als Fan habe ich mich über Bezugnahmen auf die im Vorgängerband im Fokus stehenden Charaktere Galahad Singh und Juliette Perotte gefreut.
Kapitelweise wechselt man - oft mit Cliffhanger - zwischen fünf Perspektiven, die ich alle gemocht habe: Calvary Doyle (Investigativjournalist), Torus Clifford (Millionär), Fran Bittner (Agent), Persia (Profi-Gamerin), Franek (Erwählter). Eine davon liest sich wie Fantasy. Ich musste mich zunächst einlesen und orientieren. Bei den rasch aufeinander folgenden Kapiteln, dem Vokabular und Ausführungen zu Zukunftstechnik gar nicht so einfach. Dann machte es mir riesigen Spaß, zu rätseln und mitzuverfolgen, wie sich die Handlungen verknüpfen. Dabei musste ich häufig breit grinsen, weil es nicht vorhersehbar, sondern wendungsreich und m. E. genial umgesetzt ist.
Ich liebe nach wie vor den Weltenbau. Autor Tom Hillenbrand beschränkt sich nicht auf realistischen Near-Future-/Science-Fiction-Flair bei für die Handlung wesentlichen Belangen. Auch beiläufig und in Alltagssituationen (Gestaltung von Mode, Wohnraum, Lebensmittel, Unterhaltung, Fortbewegung, …) ist es spürbar, sich im Jahr 2091 zu bewegen. Trotz dieses Detailreichtums schreitet die Geschichte zügig voran.
Abwechslungsreiche Elemente spielen eine Rolle: mafiöse Strukturen, nebulöse Motive, Macht und Geldgeschäfte, Agenten mit unterschiedlichen Identitäten, Reisen zu Himmelsgestirnen, digitalisiertes Bewusstsein, Chancen und Risiken künstlicher Intelligenz, zeitgenössische Quests/Jump-and-Run-Games, virtuelle städtebauliche Alternate History Szenarien, …
Ich mag auch sehr die Bezugnahmen auf heute aktuelle Trends.
Das Buch vermittelt mir den Eindruck: Das bringt mich weiter. Es erweitert dank toller Gedankenspiele meinen Horizont und ist gleichzeitig lustig, spannend, extrem unterhaltsam.
Ich hoffe sehr auf weitere Bände im Hologrammatica-Universum.

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Veröffentlicht am 14.11.2019

Mitfiebern im dystopischen Athen und bei Alien-Mission im afrikanischen Dschungel

Vernichtung 1
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Neben der Signal-Reihe ist dies bisher das Beste, was ich von Joshua Tree gelesen habe.
Die erste Hälfte wird erzählt aus der Perspektive des Erziehers Nikos im dystopischen, abgeriegelten Athen. Ich empfand ...

Neben der Signal-Reihe ist dies bisher das Beste, was ich von Joshua Tree gelesen habe.
Die erste Hälfte wird erzählt aus der Perspektive des Erziehers Nikos im dystopischen, abgeriegelten Athen. Ich empfand das als sehr atmosphärisch, wie in einem guten Apokalypse-, Endzeit- oder Zombie-Thriller. Es wurden bei mir z. B. positiv gemeinte Assoziationen zu Maze Runner und 28 Weeks Later hervorgerufen, wobei ich nicht um die Grübelei herumkam, ob ich einigen Menschen hier Zombies vorgezogen hätte … Strapazen werden einfühlsam beschrieben. Ich habe mit Freude gerätselt und war vor allem dank der sympathischen, authentischen Gefühle und Gedanken des Protagonisten und der realistischen, greifbaren Umgebung emotional voll dabei, habe mitgelitten, mitgehofft und mich gefragt, wie ich mich verhalten würde.
Stark und prägnant sind philosophische Exkurse eingebettet, z. B. „Jeder Mensch besaß eine solche Grenze, die eine Trennwand zwischen dem, was sich zu leben lohnte, und dem, was das Leben zu etwas Unaushaltbarem machte, darstellte.“
In der zweiten Hälfte wird linear weitererzählt, anderenorts rund um ein militärisches Fünfergespann plus Zivilist auf Erkundungs- und Kampfmission. Das Team versteht sich auf familiär anmutenden Zusammenhalt und derben Witz, der auf die Lachmuskeln geht (besonders „Uffe“) und ins Herz trifft. Viel mehr als Materialschlacht. Joshua Tree versteht sich auf Stilmittel, die zum Ende hin Tempo und Spannung anziehen. Die bildmalerische Sprache bis hin zu Geräuschen generiert dabei allerbestes Kopfkino.
Trotz der ungewöhnlichen Idee und der exotischen Schauplätze gewinne ich den Eindruck, dass es sich in der Realität tatsächlich so abspielen könnte.
Wie vom Autor gewohnt, sei es dennoch lobend erwähnt: Es gibt Nachwort, Glossar und Personenverzeichnis. Ich bestätige, dass spürbar geworden ist, dass Joshua Tree mit Leidenschaft geschrieben hat. Band 1 bildet einen Abschluss der im Mittelpunkt stehenden Mission, klärt also fairerweise viele Fragen und endet nicht auf einem Spannungshöhepunkt. Gleichzeitig ist für mich klar, dass ich wissen muss, wie es mit der Welt und den liebgewonnenen Helden weitergeht. Übrigens bildet der Alienkontakt die Initialzündung zur Story, der Fokus liegt in Band 1 aber eindeutig auf menschlichen Schicksalen. Auch für Neulinge im SF-Genre geeignet.
Die Fortsetzung ist bereits für November 2019 angekündigt – juchu! Weil mir dieser Roman so gut gefiel, habe ich mir ergänzend das optionale Werk von Pascal Wokan gekauft. Zwar habe ich keine Wissenslücken verspürt, bin aber umso gespannter, welcher größere Kontext sich hieraus ergeben wird.

Veröffentlicht am 01.11.2019

Authentisch, menschlich, detailreich, mit laienkompatiblen Bildnissen

Permanent Record
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Snowden erzählt chronologisch, mit prägnanten Kapitelüberschriften. Dabei setzt er die Geschehnisse, Wahrnehmungen und Gefühle ständig in Relation zu späteren Empfindungen. Diese Reflektionen bilden eine ...

Snowden erzählt chronologisch, mit prägnanten Kapitelüberschriften. Dabei setzt er die Geschehnisse, Wahrnehmungen und Gefühle ständig in Relation zu späteren Empfindungen. Diese Reflektionen bilden eine große Stärke der Biografie.
Es ist ein sympathischer Zug, dass er sich nicht als Übermenschen darstellt. Zu Fehlern, die er z. B. unter dem Deckmantel der Anonymität über’s Internet begangen hat, steht er und betrachtet diese als Teil seiner persönlichen Entwicklung.
Ich halte es für eine gute Wahl des Übersetzers Kay Greiners, mit dem „Du“ zu arbeiten. Hierdurch fühlte ich mich adressiert, konnte mich hineindenken und -fühlen.
Sehr eindringlich und bildhaft finde ich angeführte laienkompatible Gleichnisse. Anspruchsvolle Technik, Funktionsweisen und Prozesse werden hierdurch verständlich und greifbar.

Zu Beginn geht Snowden auf die patriotische Prägung seiner Vorfahren ein und schlägt sodann den Bogen zu seiner Kindheit und Jugend. Sein Vater ermöglicht ihm im Alter von sechs Jahren erste Berührungspunkte mit Computern und do-it-yourself. Dies liest sich süß, witzig und fesselnd. Man nimmt daran teil, wie ihn die Technik anfangs überfordert, dann fordert, zunehmend fasziniert, mit Leidenschaft erfüllt und fortan prägt.
Er beschreibt zudem auf interessante Weise die Entwicklung vom nutzerorientierten zum kommerzorientierten Internet.
Des Weiteren beschreibt er seine Beobachtungen zu den Auswirkungen des 11. September 2001 auf Bevölkerung und Staatsapparat, dessen Zeuge er bei verschiedenen beruflichen Stationen wird. Schlimm muss es gewesen sein, als er begriff, dass es sehr wohl einen Unterschied macht, dem Staat oder der Gesellschaft zu dienen. Dieser schleichende Prozess, das Gefühl des Zerrissenwerdens, wird eindringlich geschildert. Erstaunlich, dass viele Bedienstete von der Massenüberwachung wussten, aber weggesehen oder zu ihrem eigenen Vorteil missbraucht haben.
Der Mittelteil ist versachlicht und wirkt streckenweise ein bisschen trocken. Das ist aber keine Kritik, sondern eine Feststellung. Snowden erläutert die Strukturen der US-Militär- und Geheimdienstbehörden und angegliederter Privatunternehmen und die Wirkungsweise der vielfältigen eingesetzten Programme. Ich nehme an, dies belegt die umfassende Expertise und gehört für Interessierte so dargestellt, auch wenn ich als Laie diesen hohen Detailierungsgrad nicht benötigt hätte. Deutlich wird im weiteren Verlauf, wenn auf das monatelange zielgerichtete Zusammentragen und Herausschmuggeln der sensiblen Informationen eingegangen wird, dass er große Risiken auf sich genommen hat. Er hätte ein privilegiertes Leben führen können, hat stattdessen idealistisch, mutig und uneigennützig gehandelt.
Als besonders reizvoll und gut nachvollziehbar empfinde ich den Abwägungsprozess, welche Form der Veröffentlichung er wählt (u. a. Bezüge zu Assange und Wikileaks), wo und gegenüber wem er sich offenbart. Spannend sind auch Einblicke zu darauf folgenden Tagen, selbst wenn man das Ergebnis kennt.

Der Fokus der Biografie liegt auf Snowdens Enthüllungen und vor allem dem Weg dahin. Zum Privatleben geht er auf das Kennenlernen von Lindsay ein, ansonsten kommen seine Freundin, Familie und Freundschaften nur beiläufig vor. In diesem Aspekt war phasenweise sogar der Hollywood-Film ergiebiger. Nichtsdestotrotz: Der elementare Beitrag dieser Mitmenschen, Edwards Snowdens Dankbarkeit und seine eigene Menschlichkeit kommen klar zum Ausdruck. Ich mag die uneitle Art und den hervorblitzenden Humor. Darin kann man sich auch selbst wiederfinden. Als bereichernde, packende Ergänzung empfand ich das vorletzte Kapitel, in dem Tagebucheinträge seiner Freundin wiedergegeben werden.

In Ausführungen zu Jahren im Exil, zum Status Quo und einem Ausblick hält sich Snowden bedeckt. Hierzu werden nur 3,5 Seiten geliefert, mit geringem Erkenntnisgewinn. Soll wohl heißen: Es lebe die Gedankenfreiheit, und es gilt, wachsam zu bleiben und sich auf vielfältigen Wegen informiert zu halten. Übrigens: Zu aktuellen politischen Geschehnissen (z. B. Trump, Hongkong) äußert sich Snowden verständlicherweise als Asylsuchender nicht explizit. Nichtsdestotrotz dürfte im größeren Kontext seine Meinung bei allen findigen Lesern angekommen sein.

Auch wenn die Fokussierung nicht ganz meinem Geschmack entspricht und das Allermeiste bereits bekannt ist, fünf Sterne für die packende, hochinteressante und flüssig lesbare Biografie eines der wichtigsten Freiheitskämpfer unserer Zeit.

Veröffentlicht am 01.11.2019

Großartiges Finale: ideenreich, unerwartet, lustig, packend

Nebula Rising 4
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Band 4 von 4 ist ein echtes Thariot-Original. Man liebt ihn oder man hasst ihn.

Die Charaktere sind in vielen Fällen überzeichnet, eben sehr speziell, und dabei ungekünstelt, ehrlich, direkt und (zumindest ...

Band 4 von 4 ist ein echtes Thariot-Original. Man liebt ihn oder man hasst ihn.

Die Charaktere sind in vielen Fällen überzeichnet, eben sehr speziell, und dabei ungekünstelt, ehrlich, direkt und (zumindest mittelfristig) zum Liebhaben. Sie sind anhand des prägnanten Gedanken- und Sprachmusters leicht zu identifizieren und bleiben mir dauerhaft im Gedächtnis. In Emma konnte ich mich diesmal besonders gut hineinfühlen. Kenan und Jonah, immer politisch inkorrekt drauf, sorgen auf derbe Weise für gute Laune. Auch wenn ich mich wohl an die menschlichen Kollateralschäden, wie sie in der SF gängige Praxis sind, nie ganz gewöhnen werde. Nebula, Kono und Liz entführen in aufregende, andersartige Welten. Auch diesmal lässt es sich Thariot nicht nehmen, im finalen Band noch eine neue Hauptfigur zu etablieren. Trotz dieser späten Einführung erlebe ich auch Nerd/Intelligenzbestie Roger als reizvollen Charakter mit Persönlichkeit und glaubhaften Hintergründen und Motiven. Toll und immer wieder erwähnenswert ist der trockene Humor. Beispiel: „Ansonsten kannte Carl den General als rücksichtsloses und geldgieriges Arschloch. Mit ihm konnte man sehr gut arbeiten.“ Cool sind auch unauffällige Anekdoten, die von einer gewissen Detailverliebtheit zeugen, z. B. das Dackel-Poster.

Dankenswerterweise war die Wartezeit seit dem zweiten und dritten Band nicht allzu lang und der werte Autor hat Erinnerungsstützen im Text eingebaut. Angesetzt wird wieder sieben Jahre später an unterschiedlichsten Orten. Die Handlung ist schwer vorhersehbar. Dabei empfinde ich jede einzelne Perspektive als megaspannend, mit vielen Wendungen und Überraschungen.

Die technischen und naturwissenschaftlichen Beschreibungen habe ich als Laie nachvollziehen können. Von der Umgebung habe ich ein lebhaftes Bild bekommen.

Was erneut nicht fehlt, sind Denkanstöße und Botschaften für geneigte Leser. Freiheit im weitesten Sinne fällt als Motiv aller Thariot-Romane auf. Es werden Chancen und Risiken der Digitalisierung und künstlicher Intelligenz aufgezeigt. Und nicht zuletzt, wie erstrebenswert es ist, der Klimakrise zu begegnen und eine Erde zu bewahren, in der Flora, Fauna und nachfolgende Generationen einen schönen Ort zum Leben vorfinden.

Man möchte immer weiterlesen, wissen, wie es weitergeht und ist andererseits traurig, dass immer weniger Buch übrig ist. Das Ende hat mich dann auch überzeugt. Wenn man das so wahrnimmt, sind fünf Sterne fällig. Auf weitere Werke freue ich mich schon sehr.