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Veröffentlicht am 16.11.2019

Humorvolle Erinnerung

Der Mauergewinner oder ein Wessi des Ostens
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„...Die alten Lehrer fragten, was wir in unseren Urlaub erlebt hatten, und die neuen interessierten sich für die Berufe unserer Eltern. Voller Stolz konnte ich immer allen erzählen, dass mein Vater Trainer ...

„...Die alten Lehrer fragten, was wir in unseren Urlaub erlebt hatten, und die neuen interessierten sich für die Berufe unserer Eltern. Voller Stolz konnte ich immer allen erzählen, dass mein Vater Trainer im Radsport und meine Mutter Sekretärin im Außenhandel war...“

Der Autor war ca. 18 Jahre, als die Mauer fiel. Er lebte bis dahin in Ostberlin und begriff schon in seiner Kindheit, dass er zu den Privilegierten gehörte. In 30 kurzen Geschichten schildert er seine Sicht auf die DDR. Das Besondere an dem Buch ist, dass er sein Erleben wiedergibt, ohne zu beschönigen, aber auch ohne zu werten. Gleichzeitig sind Erlebnisse nach der Wende mit eingeflochten, die ebenfalls nicht nur Schwarz oder Weiß sind.
Schon die erste Geschichte zeigt, worum es dem Autor geht. Unsere Erinnerungen sind nicht immer so, wie die eigentliche Realität war. Die Eltern hatten einen Schrebergarten. Für einen Jugendlichen waren die Ausflüge in den Garten ein Muss und kein Vergnügen. Die Bilder des Albums aber sprechen eine andere Sprache. Sie zeigen die positiven Seiten.
Das Buch zeichnet sich durch einen humorvollen Schriftstil aus, wie das folgende Zitat belegt:

„...Damit ich wenigsten eine Zwei bekam, schlug ich meinem Meister vor, dass ich die vier Stunden jeden Mittwoch auch gern damit zubrächte, diverse Schrauben und Muttern zu sortieren. Die handlichen Exportschlager wurden somit ordnungsgemäß montiert und ich, das ostdeutsche Aschenputtel, hatte auch einen Beitrag zum Bruttosozialprodukt geleistet...“

Kenner ahnen, dass es sich um den Unterrichtstag in der Produktion handelte, der für Schüler mit zwei linken Händen eine Katastrophe war.
Typische Ereignisse der Kindheit in der DDR werden beschrieben, sei es die Sportförderung, Altstoffsammlung, das GST-Lager oder die Jugendweihe.
Beim Lesen des Buches wird Insidern schnell klar, dass das Leben in Berlin sich in einigen Punkten von dem im Rest der Republik unterschied. Das ging schon damit los, dass der Empfang von Westfernsehen kein Problem war. Auch die Versorgungssituation war tendenziell besser. Mit einem Lächeln habe ich an mehreren Stellen registriert, dass die Berlinern nichts für die Sachsen übrig hatten. Das galt auch im umgekehrten Fall.
Ungeschminkt schreibt der Autor auch über seine Jugendstreiche. Aus Kaufhallen ließ sich eine Menge unbezahlt herausholen, wenn man clever und unerschrocken war. Hier dürfte sich ein Jugendlicher in Ostberlin kaum von den Altersgenossen im westlichen Teil der Stadt unterschieden haben. Nur beim Thema Drogen war die Wahl stark eingeschränkt. Sie reduzierte sich auf Zigaretten und Alkohol.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es zeigt eine besondere Sicht auf die DDR, weil es von jemand geschrieben wurde, der in dieses Land hineingeboren wurde. Er kannte kein Vorher, nur das hier und Jetzt und die Bilder des Fernsehens.
Mit einem Zitat möchte ich meine Rezension beenden.

„...Ich habe eine geteilte Vergangenheit mit Eltern, die sich über die DDR definieren und Nichten und Neffen, die diese nicht mehr kennen. Ich werde oftmals gefragt, wie es in diesem verschwundenen Land war und wenn ich zu erzählen beginne, wird mir nicht mehr richtig zugehört. […] Meine Kindheit und Jugend in der DDR war spannend, aber ich bin unglaublich glücklich, dass dieses unwirkliche Land […] nur noch in der Erinnerung existiert...“

Veröffentlicht am 09.11.2019

Viel Stoff zum Nachdenken

Volle Tonne, leere Teller
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„...Sind wir hippe Lebensmittelretter oder biedere Armutsminderer? Was läuft in Deutschland eigentlich falsch, dass es die Tafeln überhaupt geben muss? Und was können wir konkret tun?...“

Das Zitat stammt ...

„...Sind wir hippe Lebensmittelretter oder biedere Armutsminderer? Was läuft in Deutschland eigentlich falsch, dass es die Tafeln überhaupt geben muss? Und was können wir konkret tun?...“

Das Zitat stammt von Jochen Brühl, dem Autoren des Buches. Darin spricht er sehr konkret die zwei Punkte an, um die es unter anderem geht. Einerseits wurden die Tafeln gegründet, um der Verschwendung von Lebensmitteln Einhalt zu gebieten, andererseits ermöglichen sie immer mehr Menschen, sich mit Nahrungsmitteln besser zu versorgen. Des weiteren beleuchtet der Autor den Wert des Ehrenamtes für die Gesellschaft.
Im Buch sind die Ergebnisse von 17 Interviews enthalten, die der Autor geführt hat. So breit gefächert wie die Gesellschaft, so vielfältig ist die Wahl seiner Interviewpartner. Es sind Menschen aus Wirtschaft, Politik und Kultur oder Leute, die sich ehrenamtlich engagieren
Beim Thema Nachhaltigkeit und Lebensmittelverschwendung wird der Fokus mehrmals auf das Mindesthaltbarkeitsdatum gelegt. Aber auch die Wünsche der Verbraucher werden kritisch hinterfragt.

„...Warum müssen Supermärkte bis 22:00 Uhr geöffnet haben? Und erwarten wir, dass es um 21: 45 noch frische Brötchen gibt?...“

So unterschiedlich wie die Gesprächspartner, so verschieden sind die Antworten. Jeder betrachtet das Thema Nachhaltigkeit und Ehrenamt aus seinem Blickwinkel und bringt sich auf seine eigene Art mit seinen Gaben und Fähigkeiten ein, sei es ein Arzt, der Obdachlose behandelt, der Chef eines Supermarktkette, der übrige Lebensmittel für die Tafel bereitstellt oder eine junge Frau, die selbst Nahrungsmittel von der Tafel erhält und Rezeptvorschläge dafür ins Internet stellt.
Tim Raue, der mit Jugendlichen arbeitet, formuliert das so:

„...Regeln zu vermitteln ist elementar wichtig. Was ich im Umgang mit Jugendlichen gelernt habe, ist, Verständnis zu haben, aber auch klare Grenzen zu setzen...“

Zu den beeindruckendsten Interviews gehört für mich das mit Dr. Thomas Middelhoff. Er setzt sich kritisch mit der aktuellen Politik auseinander. Ihn haben die Abstürze in seinem Leben geprägt und ihm die Augen geöffnet.
Ab und an gibt es humorvolle Aussagen. So diese:

„...Es geht uns allen gut? Klar, wenn man den statistischen Durchschnitt betrachtet. […] Aber was sagt der Statistiker, wenn jemand mit dem Kopf im Kühlschrank und mit den Füßen im Ofen liegt? Im Durchschnitt warm!...“

Vieles in dem Buch regt zum Nachdenken über das eigene Tun und Handeln an. Die aussage von Hannes Jaenicke soll als Beispiel stehen:

„...Wenn man als Verbraucher seinen Geldbeutel als Waffe versteht und begreift, dass jeder Kassenbon ein Wahlzettel ist, kann man durchaus etwas bewirken...“

In kleinen Kästchen gibt es konkrete Vorschläge. Da hätte ich mir allerdings mehr gewünscht.
Der Schriftstil lässt sich gut lesen. Das sich das eine oder andere wiederholt, liegt an der Thematik und dem Aufbau der Interviews.
Eingefügt sind jeweils mehrere Fotos der Interviewpartner an unterschiedlichen Orten. So bekommt das Ganze ein Gesicht.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Ich möchte meine Rezension mit einem letzten Zitat beenden:

„...Lieber kleine Dinge tun, als vor den großen Dingen zu erstarren...“

Veröffentlicht am 02.11.2019

Tücken eines Familienbetriebs

Liebe ist die beste Köchin
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„...Sie war wie die tausendjährige Linde auf unserem Dorfplatz, deren gelbe Blätterkrone ich von der Tür des Gasthauses aus sehen konnte. Sie musste ein Blatt nach dem anderen fallen lassen...“

Die Frauen ...

„...Sie war wie die tausendjährige Linde auf unserem Dorfplatz, deren gelbe Blätterkrone ich von der Tür des Gasthauses aus sehen konnte. Sie musste ein Blatt nach dem anderen fallen lassen...“

Die Frauen der Familie Lehner führen ein Gasthaus in einem Dorf. Die Fäden hat Germana in der Hand. In der Küche steht die 38jährige Johanna, ihre Nichte, seitdem deren Mutter Antonia an Demenz erkrankt ist. Trotzdem hilft sie noch, wo sie kann. Das Eingangszitat aber zeigt, wohin die Entwicklung gehen wird.
Die Autorin hat einen abwechslungsreichen Gegenwartsroman geschrieben. Die Geschichte lässt sich flott lesen.
Der Schriftstil ist ausgereift und an vielen Stellen sehr bildhaft. Die Geschichte wird von Johanna erzählt.
Caro, Johannas beste Freundin, hat den Schriftsteller Ruben Sauter zu einer Lesung in der Gaststätte überredet, man könnte auch sagen – genötigt. Als Zuhörer erscheint der Buchhändler Jeromé. Zwischen ihm und Johanna beginnt es zu knistern. Nun haben aber die Frauen der Familie so gar kein Glück mit ihren Männern. Das klingt zum Beispiel so:

„...Tante Francis` Männer waren allesamt Armleuchter. Franicis hatte ein ausgesprochen gutes Händchen für Armleuchter. Von jedem Armleuchter hatte sie eine Tochter...“

Sie hat vier Töchter. Keiner ihrer Männer lebt noch.
Die Personen werden gut charakterisiert. Germana ist die Energische, die sagt, wo es lang geht. Damit bestimmt sie allerdings auch, wie sich die Familie zu verhalten hat. Eine Kurzcharakteristik der älteren Generation liest sich so:

„...Wie die Orgelpfeifen saßen sie nebeneinander: Germana – die Herrische, Elisabeth – die Bigotte, Francis – die Fertige, Theresa – die Enttäuschte, Antonia – Die Tapfere. Sie waren so unterschiedlich und sich doch so ähnlich. Eigenwillige Frauen mit majestätischen Profilen...“

Johanna lebt nur für die Arbeit. Sie hat so gut wie kein Privatleben. Trotz ihrer 38 Jahre getraut sie sich nicht, gegen das Wollen der Familie aufzubegehren. Erst nach und nach gewinnt sie an Selbstbewusstsein.
Sehr detailliert wird das Leben im Gasthaus und im Dorf beschrieben. Dabei kommen einige, teils heftige Schicksale zur Sprache. Deutlich wird, wie es mit Antonias Selbstständigkeit stetig abwärts geht. Gleichzeitig wachsen die Anforderungen an den Rest de Familie. Und die Dorfgemeinschaft ist sich nicht zu schade, ihren Senf öffentlich dazu zu geben.
Eingefügt in die Geschichte sind kurze Ausschnitte aus dem Mooser Heimatboten. Hier wurden die Freunde und Bekannten nach ihrer Einschätzung zu Johanna gefragt.
Schöne Beschreibungen der Umgebung, die Einbeziehung historischer Fakten und kurze Blicke in die Vergangenheit der Protagonisten machen das Lesen zum Vergnügen.
Doch gegen Ende des Buches lässt meine Begeisterung merklich nach. Das liegt zum einen an der ein oder anderen unrealistischen Situation, zum anderen an dem Epilog, der die Geschichte in einem völlig neuen Licht zeigt.
Ein Stammbaum und mehrere Rezepte ergänzen die Geschichte.

Veröffentlicht am 01.11.2019

Was Mut bewirkt

Erkki, der kleine Elch – Auf sie mit Geweih!
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„...Und da verstand Lasse. Gegen die Wölfe wollte Erkki dabei sein wie die anderen Elche. Nicht irgendwo hinten bei den Hasen zum Beispiel...“

Im Wald von Tausend-Seen-Land leben die Tiere friedlich zusammen. ...

„...Und da verstand Lasse. Gegen die Wölfe wollte Erkki dabei sein wie die anderen Elche. Nicht irgendwo hinten bei den Hasen zum Beispiel...“

Im Wald von Tausend-Seen-Land leben die Tiere friedlich zusammen. Dazu gehört auch Erkki, der kleine Elch. Er ist nicht größer als Lasse, sein Freund, der Hase.
Eines Tages aber hört man Geheul über die Berge. Ein Rudel Wölfe ist auf den Weg.
Die Autoren haben ein spannendes Kinderbuch über Freundschaft und Mut geschrieben.
Im Tausend-Seen-Land beraten die Tiere, was sie gegen die Wölfe unternehmen wollen. Natürlich kommt es dabei auch zu Unstimmigkeiten, wenn Meinung auf Meinung prallt. Aber die weise Eule lenkt alles in rechte Bahnen.
Dann aber entscheidet Erkki, einen eigenen Weg zu gehen.Darüber informiert das Eingangszitat. Lasse will ihn nicht in Stich lassen und begleitet ihn auf seinem Weg den Wölfen entgegen. Beide erleben überraschende Abenteuer und finden unerwartete Hilfe, bis es zur entscheidenden Begegnung kommt.
Der Schriftstil ist kindgerecht. Trotz dem Ernst der Situation schwingt ab und an ein feiner Humor mit. Gleichzeitig lernen die Freunde eine Menge über den Umgang miteinander. Das Buch ist schon für Erstleser geeignet, passt aber auch als Vorlesebuch.
Viele farbige Bilder illustrieren die Handlung.
Die Geschichte hat mir sehr gut gefallen.

Veröffentlicht am 17.10.2019

Entscheidungen

Winterzauber im kleinen Café an der Mühle
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„...In guten Zeiten Händchen halten können wir alle. In schlechten Zeiten nicht mehr loslassen, ist das, was wichtig ist...“

In Sophies Bistro läuft es gut. Gerade ist das Fernsehen verschwunden, das ...

„...In guten Zeiten Händchen halten können wir alle. In schlechten Zeiten nicht mehr loslassen, ist das, was wichtig ist...“

In Sophies Bistro läuft es gut. Gerade ist das Fernsehen verschwunden, das ein Interview mit ihr aufgezeichnet hat. Auf Grund der vielen Bestellungen denkt Sophie über einen weiteren Raum nach. Außerdem wollen sowohl der Ortsverein von Wümmerscheid als auch der von Sollensbach im Cafè eine Sitzung abhalten. Beide in einem Raum aber geht gar nicht. Auch die Zusammenkunft mit Heidi und den Freundinnen sorgt für gute Stimmung.

„...Sophie fühlte sich,als wäre sie ohne Vorankündigung in ein wunderbares Familientreffen geraten. Fröhliche Bemerkungen wurden ausgetauscht, alle reden gleichzeitig...“

Am Horizont aber ziehen die ersten dunklen Wolken auf.
Die Autorin hat eine besinnliche und gleichzeitig humorvolle Vorweihnachtsgeschichte geschrieben.
Der Schriftstil lässt sich gut lesen. Für Abwechslung sorgt der Kampf der beiden Ortsteile um die „Goldene Weihnachtskerze“. Natürlich wird dabei mit allen Bandagen gekämpft. Nur dem Pfarrer geht der Hut hoch. Das klingt dann so.

„...Wir haben Advent, wir sollten uns auf das Christfest freuen, auf die Ankunft unserer Herrn. Aber was machen die beiden Dorfvereine stattdessen? Sie denken darüber nach, wie sie den anderen eins auswischen können...“

Trotzdem ist das besondere Flair der Adventszeit in der Geschichte spürbar. Schön beschrieben werden nicht nur die Tischdekorationen im Bistro.
Fein ausgearbeitete Gespräche bringen wichtige Themen auf den Punkt, das gilt insbesondere, als Sophie darüber entscheiden muss, ob sie ein geschäftliches Angebot annimmt. Gekonnt wird das Für und Wider abgewogen. Ratschläge ihrer Freunde, die sich in der Branche auskennen, helfen ihr ohne sie zu bevormunden.
Auch in der Liebe läuft nicht alles glatt. Erwin, der griesgrämige Nachbar allerdings, kannst sich dem Charme eines kleinen Mädchens nicht entziehen und zeigt plötzlich eine Weiche Seite.
Mehrere Weihnachtsrezepte ergänzen die Geschichte.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen.