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Veröffentlicht am 14.06.2022

In meinen Augen zu blass

City on Fire
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Rhode Island, Mitte / Ende der 1980er Jahre. Wie vielerorts hat die organisierte Kriminalität ihre immer etwas auf Messers Schneide balancierenden Absprachen über Einfluss- und Geschäftsbereiche, Tabuzonen, ...

Rhode Island, Mitte / Ende der 1980er Jahre. Wie vielerorts hat die organisierte Kriminalität ihre immer etwas auf Messers Schneide balancierenden Absprachen über Einfluss- und Geschäftsbereiche, Tabuzonen, Respekt und Rivalität halten sich im besten Falle die Waage. Allerdings ist das Gebilde der rivalisierenden Familien – hier wie so oft Italiener und Iren – fragil. Pam ist nicht die erste Frau die einen Krieg auslöst und in Troja standen sich Armeen gegenüber, doch in der Tat löst sie eine Spirale der Gewalt aus bzw. Liam Murphy, der sich an die neue Freundin von Paul Moretti heranmacht. Danny Ryan, Liams Schwager, ist ein eher besonnener Vertreter unter all den schnell explodierenden Hitzköpfen, doch auch er ist untrennbar mit seiner Familie verbandelt und damit ist sein Schicksal auch unmittelbar an das des sich entwickelnden Konfliktes geknüpft. Auswege, die er sieht, zerschlagen sich oftmals im nächsten Moment wieder, das sich abermals die Machtverhältnisse ändern, der Ball wieder im eigenen Feld liegt und er schon wieder vor der nächsten Entscheidung steht: Vernunft oder Familie, Tradition oder Zukunft?
Vor Jahren wurde mir Don Winslow wärmstens empfohlen. Ich habe damals keinen Zugang zu diesem Autor gefunden. Ich war nun unheimlich gespannt, City on Fire zu lesen, denn ich „liebe“ das Thema Mafia, finde Pate 1 und 2 grandios, habe mehrfach die Sopranos gesehen. Das Thema begeistert mich immer wieder und steht für packende, wenn auch in ihren Inhalten brutal, bigott und teils menschenverachtend, Unterhaltung. In meinen Augen kann man einen Mafiafilm immer schauen. Die sind nie wirklich schlecht, selbst wenn sie nicht alle grandios sind. Und ich glaube, City on Fire wäre ein ziemlich guter Film, denn den habe ich mir beim Lesen immer vorgestellt, allerdings leider statt der Romanhandlung, mit der ich zu keinem Zeitpunkt warm wurde. Ich fühlt mich immer außen vor und City on Fire ist deshalb für mich immer irgendwie unnahbar geblieben. Ich habe es zwar ständig als „Bild“ vor mir gesehen, aber tatsächlich eher drehbuchartig, oder dass ich mir dachte, diese oder jene Szene würde im Film so oder so aussehen, aber ich war nie von der Handlung gefesselt. Ich habe sogar ständig verglichen, mit GoodFellas, Scarface, den Sopranos, kam mit den Namen irgendwie so gar nicht klar (habe ich sehr selten) und ganz im Ernst war ich echt froh über die Leseprobe für Band 2 im Anhang – denn so fantastisch wie die Handlung dort als Einstieg in den nächsten Band zusammengefasst wurde, hat erst das für mich alles präsent und „rund“ gemacht. Vorher wäre es mir tatsächlich sehr schwergefallen, die Frage, um was es geht, und wie alles zusammenhing, erschöpfend zu beantworten. Ich finde es immer schade, wenn ein Buch, von dem ich viel erwarte, bei mir nicht zündet, aber so muss ich es hier sagen. Ich habe nach vielen Jahren Don Winslow noch einmal probiert und muss erneut sagen, ich weiß wieder warum ich damals das hochgelobte Tage der Toten nicht zu Ende gelesen habe, ich kann vielleicht mit seinem Stil einfach nicht warm werden. Das ist dann persönliche Geschmackssache, aber es hat mir einfach nicht gefallen und ich fand es persönlich nicht spannend. Der Stil ist nüchtern, berichtend, kalt, aber dadurch für mich ohne Höhen und Tiefen. Eigentlich versteht man unter einer dahin plätschernden Handlung etwas anderes als einen Mafiakrieg. Aber genau das war es für mich, leider.

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Veröffentlicht am 12.05.2020

Deutsch-deutsche Zeitgeschichte in Familiengeschichte verpackt

Margos Töchter
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Jana hat als Kind ihre Mutter Leonore bei einem Autounfall verloren, und irgendwie hat sie so ein Gefühl, als ob mehr dahinterstecken könnte. Ihre Großmutter hatte Verbindungen zur Stasi und da die Firma ...

Jana hat als Kind ihre Mutter Leonore bei einem Autounfall verloren, und irgendwie hat sie so ein Gefühl, als ob mehr dahinterstecken könnte. Ihre Großmutter hatte Verbindungen zur Stasi und da die Firma ihres Mannes, ein absolutes Pionierunternehmen was Datenverarbeitung und Computertechnologie angeht, für die Konstruktion der geschredderten Akten des Ministerium für Staatssicherheit zuständig ist, besteht für sie per se eine starke Verbindung zu diesem Kapitel der deutsch-deutschen Geschichte. Sie möchte der Sache auf den Grund gehen, in der Vergangenheit forschen. Und Janas Vergangenheit ist spannend, denn Leonore ist nicht Janas leibliche Mutter, sondern hat sie adoptiert, nachdem eine politische Gefangene der DDR nach ihrer Freilassung in den Westen bei ihren Großeltern lebte und sie als Kleinkind dort zurückließ.
In zunächst zwei sich abwechselnden Handlungssträngen entfaltet sich Leonores Leben ab der Jugendzeit bis zu ihrem Tod im Jahr 1991 und die „aktuelle“ Handlung um ihre Tochter Jana im Jahr 2011. Es ist eine Reise durch Kalten Krieg, Studentenunruhen, RAF-Terror, Anti-Atom-Bewegung und Wendezeit. Familie Seliger ist mittendrin, erlebt Zeitgeschichte hautnah, fast ist es ein bisschen viel. Alles was in den Geschichtsbüchern so vorkommt, passiert auch auf persönlicher Ebene und natürlich ausgerechnet immer den Protagonisten. Später kommt ein dritter Handlungsstrang hinzu, die Stasi-Agentin Clara, eingeschleust in die BRD, um den Umsturz und die Wandlung der Gesellschaft zum Sozialismus zu unterstützen, wenn es soweit ist, hat auch noch eine Rolle im dichten Geflecht zu spielen. Erst am Ende werden viele Zusammenhänge klar und aufgelöst.
Ich weiß nicht, inwieweit diese gar keine Überraschung sind, hat man schon den Vorgänger „Ab heute heiße ich Margo“ gelesen. Ich finde, auch so konnte man sich schon vieles ab einem gewissen Zeitpunkt denken. Im Grunde ist es eine Familiengeschichte mit starken zeitgeschichtlichen Bezügen, und das liest sich stellenweise auch durchaus spannend, aber irgendwie – seicht. Es bleibt für mich so ungreifbar, warum eigentlich. Das Thema ist sehr gut gewählt, interessiert mich auch sehr, aber „man liest es so weg“. Ich denke, es liegt letztendlich an den Personen, die einfach zu blass bleiben, die nämlich „erleben die Handlung so weg“. Nichts hat mich wirklich erreicht, wirklich berührt, mit keiner Person konnte ich mich identifizieren oder Empathie entwickeln, was ich irgendwie merkwürdig fand. Es gibt Momente, die stark wirken – wie z.B. die Heimkehr der Familie aus dem verlängerten Wochenende über den 1. Mai 1986, nach wenigen Tagen ohne Zeitung, ohne Nachrichten, in eine veränderte Welt, aber das war es dann auch schon fast. Schade, denn irgendwie hatte ich dem Roman deutlich mehr Potential zugetraut.


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Veröffentlicht am 30.03.2020

Viel Potential, viel gewollt und leider versinkt das alles in zu vielen Körperflüssigkeiten

Das eiserne Herz des Charlie Berg
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Charlie Berg kann es nicht fassen, sein Großvater liegt tot neben ihm im Wald. Was bleibt ihm anderes, als zu einem Mr. Ripley zu werden. Alle Unwägbarkeiten bedenken, eine wohl bedachte Vertuschungsaktion, ...

Charlie Berg kann es nicht fassen, sein Großvater liegt tot neben ihm im Wald. Was bleibt ihm anderes, als zu einem Mr. Ripley zu werden. Alle Unwägbarkeiten bedenken, eine wohl bedachte Vertuschungsaktion, denn dass der Hirsch, den er eigentlich erlegen wollte, zu ihm gesprochen hat, die Geschichte kann er nun wirklich niemandem erzählen und so versucht er die Ereignisse dieses merkwürdigen Tages in eine auch nur halbwegs glaubhafte nachvollziehbare Version zu pressen. Nun ist es nicht so, dass bei Charlie alles andere perfekt und rund läuft, egal ob Musiker-Vater, Regisseurinnen-Mutter, autistische Schwester, mexikanische Freundin, sexbesessener bester Freund oder seine eigenen Spezial-Talente als Autor und kongenialer Parfümeur im Stile eines Jean-Baptiste Grenouille mit schwerem Herzfehler, bei ihm ist eigentlicher jeder Tag, jedes Ereignis besonders, weil er von besonderen Menschen umgeben ist. Mit einem wahrhaft bunten Strauß an Protagonisten und Nebenfiguren, Sinneswahrnehmungen, Fähigkeiten und unglaublichen Vorkommnissen erzählt Charlie seine Geschichte, immer wieder liefert er in Rückblenden Begründungen und Hintergründe aus der Vergangenheit, so dass nach und nach ein Gesamtbild seiner Welt entsteht und der Leser erfährt, Opa ist nicht die einzige Leiche, die Charlie in seinem Leben ein wenig zu nah kommt. Das Buch ist im Grunde trotz seiner beachtlichen Länge kurzweilig, spannend und einfach eine gut erzählte Geschichte, die bei mir trotzdem nicht mehr als 3 von 5 Punkten erreichen kann, denn dieses Buch hat ein großes Manko:
Das Problem des Buches ist, dass es mich unsagbar genervt hat. Die Geschichte an sich hat mich begeistert, aber, mein Gott, dass das Hirn eines pubertären Jungen ein paar Jahre lang im Schnitt einen halben Meter tiefer beschäftigt ist – bekannt, erwartbar, absolut geschenkt. Dass er nicht nur daran denkt, sondern sich auch damit einen gewissen Teil seiner Freizeit beschäftigt, auch egal wo, mit wem etc. – dito. Aber will und muss ich fast ein ganzes Buch darüber lesen – ich glaube nicht.
Selbst wenn der Autor diese Zeit sehr originalgetreu erinnert und vielleicht auch einfach mal widergeben wollte, in welcher Intensität, in welcher Vehemenz Geschlechtsorgane, Masturbation, Geschlechtsverkehr präsent sind und auch mit welchen damit verbundenen Erscheinungen, Gerüchen und Körperflüssigkeiten das einhergeht, könnte man auch einfach berechtigterweise behaupten, wir sind alle erwachsen, die wir dieses Buch lesen und da wirkt das dann doch irgendwie alles sehr bemüht. Und dabei ist es nicht so, dass es schockiert, es ist auch nicht pornographisch, es ist einfach explizit körperlich und mir persönlich irgendwann zu viel. Ich kann mir auch meinen Teil denken, wenn irgendwas nicht bis ins letzte Tröpfchen ausformuliert ist.
Und es ist so schade, weil man davon dann letztendlich so genervt ist, denn der Autor kann was. Er formuliert fantastisch, schreibt in herrlichen Bildern und Vergleichen, detailliert, unerwartet, lebendig. Das, was Charlie Berg an Sinneswahrnehmung über die Nase erfährt, das, was seine Schwester Fritzi beim Lesen zu leisten imstande ist, so kann Sebastian Stuertz schreiben und fabulieren. Davon will ich mehr lesen, unbedingt. Er soll sich Geschichten ausdenken, mit skurrilen Charakteren, wahnwitzigen Erlebnissen, alles super. Alle Personen dann vielleicht ein bisschen reifer, ein Dutzend Geschlechtsorgane in Aktion und einen Eimer Sperma weniger und wir sind Freunde.

Veröffentlicht am 04.11.2019

Kann nicht mit den Vorgängern mithalten

In den Klauen des Falken
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Zack Herry erlebt eine absolute Horror-Situation: auf einem Bahnsteig beginnt eine junge Frau mit einem Messer Passanten anzugreifen, eine Mutter und ihr Kind schubst sie ins Gleisbett. Während der Zug ...

Zack Herry erlebt eine absolute Horror-Situation: auf einem Bahnsteig beginnt eine junge Frau mit einem Messer Passanten anzugreifen, eine Mutter und ihr Kind schubst sie ins Gleisbett. Während der Zug heranrollt, wird klar, dass es sich wohl um eine Islamistin handelt, sie trägt einen Sprengstoffgürtel. Panik bricht aus, Zack muss handeln und tut es. Er hat damit zu kämpfen, dass er eine minderjährige erschießen musste und daran, dass sie ihn gezielt angeblickt hat. Das Bild geht nicht mehr aus seinem Kopf. Auch sein neuer Fall bringt nur wenig Ablenkung. Ein Kollege – ihm noch gut aus Polizeischultagen als unliebsamer Konkurrent bekannt – wird tot aufgefunden. Grausam zugerichtet, einem archaischen Ritualmord gleich abgelegt. Haben ihn seine Ermittlungen im Drogenmilieu das Leben gekostet? Trotz allem will man die Vorarbeit nicht ungenutzt lassen und Zack soll seine Stelle einnehmen, wichtigste Aufgabe: Kontakt zu „Copper“ halten, einem Polizisten im Undercover-Einsatz, der im engsten Kreis des Drogenbosses die kriminellen Machenschaften auskundschaftet und die Szene infiltriert hat. Kennt man Zack, weiß man, dass dies für ihn ein Thema mit persönlichem Bezug ist, seine Drogenkarriere ist lang und ausführlich und im Moment mal gerade wieder vorbei. Und natürlich spielt auch diesmal wieder sein Privatleben in den Fall hinein, bevor der Fall gelöst werden kann.
Soweit zum Inhalt, mit der Bewertung tue ich mich schwer, denn ich mochte den Thriller irgendwie so gar nicht. Ich habe alle Vorgängerbände gelesen, die ersten mit großer Begeisterung, schon den vierten Band fand ich nicht mehr so stark und leider setzt sich der Trend für mich mit diesem fünften Fall um Zack Herry fort. Ich bin nie in das Buch hineingekommen, habe sogar mehrfach einen ganzen Tag gar nicht gelesen, weil es mich einfach nie gepackt hat. Anfangs hat mich dieses neue, frische, andere Ermittlerteam begeistert, dieser einerseits vollkommen fertige Zack Herry, aber genial in seinen Fähigkeiten, seinem Gespür. Davon habe ich hier nichts bemerkt. Alles plätscherte so vor sich hin. Vieles ist dem Leser auch zu schnell klar finde ich, die aha-Momente, die Plot-Twists, fehlen. Die Nebenfiguren stark wie immer – Rudolf, Sirpa, Ester (Ester, was ist da mit Ester los??? Ein wenig verstörend…). Aber das reichte für mich nicht.
Fazit: für mich der schwächste Band der Reihe. Ob‘s nun an der neuen Co-Autorin lag – schwer zu sagen, große Unterschiede im Stil sind mir nicht eklatant aufgefallen, nur dass der Spannungsbogen irgendwie fehlte. Irgendwie ist das schade. Die ersten beiden Bände waren grandios, der dritte sehr gut, der vierte gut und nun? Ich hoffe, die Talsohle ist beschritten und es geht – aber bitte rapide – bergauf im nächsten Band. Die Storyline um Zack ist beileibe nicht fertig erzählt, es muss beim nächsten Mal nur irgendwie wieder ein interessanterer Fall her… Im Moment ist es so, dass ich die Rahmenhandlung weitaus interessanter fand als die Thriller-Handlung und das hält mich auch irgendwie am Ball für den nächsten Band – aber wenn der Cliffhanger am Buchende das spannendste am Ganzen war, ist das auch kein Qualitätsurteil.
Warum dann drei Sterne? Potential. Reines Potential und Bonus der Vergangenheit. Ist vielleicht falsch, aber ich mag die Reihe immer noch und ich hoffe einfach, „es lag an mir und nicht an dir“ – das sagt man ja auch und hofft auf mehr Erfolg beim nächsten Mal.

Veröffentlicht am 21.08.2019

Old white men

Verratenes Land
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Wie überall in der westlichen Welt an den Schaltstellen der Macht. Kommunal, national, global. Politisch, ökonomisch, kulturell, persönlich. Offiziell, inoffiziell, kriminell.
Fast kommt es einem vor, ...

Wie überall in der westlichen Welt an den Schaltstellen der Macht. Kommunal, national, global. Politisch, ökonomisch, kulturell, persönlich. Offiziell, inoffiziell, kriminell.
Fast kommt es einem vor, wie der örtliche Lions Club, bekäme man vom Bienville Poker Club in Bienville, Mississippi, berichtet, doch dem ist nicht so. Der Club besteht seit dem Sezessionskrieg, seine zwölf Mitglieder regeln das, was in der Kommune, im County und darüber hinaus in ihrem Interesse liegt. Das betrifft heutzutage Wirtschaftsansiedlungen, Schulneunbauten, aber eben auch die Beseitigung von jedweden Hindernissen unter Geltendmachung ihres Einflusses. Dabei kann es eben dann um politische Abstimmungsergebnisse, das Ermittlungsergebnis der Polizei und die Zusprechung von Sorgerecht. Nichts geschieht hier, ohne dass dieser Club es absegnet. Und dabei liegt dann nahe, dass sich die Runde eben auch deutlich außerhalb legaler Machenschaften bewegt. Marshall McEwan weiß das, hat sein Leben lang nichts anderes kennen gelernt, denn er ist in Bienville aufgewachsen. Nun ist er nach Jahren als erfolgreicher Journalist in Washington DC zurückgekehrt, um den Watchman zu leiten, die Zeitung seines Vater, der schwer erkrankt ist. Für ihn wird es zu einer Begegnung mit seiner Vergangenheit auf allen Ebenen – seiner Familientragödie, seiner Jugendliebe, seinem väterlichen Mentor und den Machenschaften dieses dynastischen Clübchens.
Greg Iles rollt dann nicht nur die aktuellen Vorgänge in Bienville rund um die Ansiedlung einer Papierfabrik eines chinesischen Investors auf, sondern auch die seit Jahrzehnten unter der Oberfläche gärenden großen und kleinen Geheimnisse der einzelnen Protagonisten sowie des Poker Clubs. Schnell wird klar, Marshall hat sich durch seine Verstrickung in große Gefahr gebracht – weil er eine Gefahr darstellt für den Club. Doch nicht nur er, auch andere werden plötzlich zur wandelnden Zielscheibe. Und dann geht es um die Frage, wer schneller herausfindet, mit welchen gezinkten Karten sein Gegner spielt, wer kennt welches Geheimnis und wer die Wahrheit. Ich denke, es ist klar, dass dies ein breites Tableau ist und so liest sich auch „Verratenes Land“. Irgendwie immer spannend, aber auch voller Längen. Klar, das große Ganze ist entscheidend, ohne die Vergangenheit nicht die heutigen Auswirkungen, aber es zieht sich zwischendurch doch in meinen Augen arg und die epische Breite zeigt sich nicht nur, aber auch in der schieren Länge des Buches - 830 Seiten, ein gewaltiger Schinken, 600 hätten es sicher auch getan. Obwohl mir insbesondere das Personengeflecht gut gefallen hat, finde ich, es gab sowohl verzichtbare Charaktere (z.B. die ganzen Nebenfiguren des Poker Club, drei von 12 treten quasi gar nicht auf, hätten aber auch sechs graue Eminenzen sein können) als auch einiges was man hätte einfach weglassen können, ohne der Quintessenz der Handlung auch nur zu nahe zu treten.
Für mich war es das erste Buch des Autors und ich würde nun nicht sagen, dass es mir so gar nicht zusagte, aber auf meine Favoritenliste wandert er erst einmal nicht.