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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.12.2019

Die alte Geschichte

Mr. Booker und ich
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Blutjunge, liebesbedürftige Frau, eigentlich ein junges Mädchen noch, mit altem verheirateten Knacker. Wobei Mr. Booker, wie die 16jährige Martha, aus deren Sicht die Handlung geschildert wird, in den ...

Blutjunge, liebesbedürftige Frau, eigentlich ein junges Mädchen noch, mit altem verheirateten Knacker. Wobei Mr. Booker, wie die 16jährige Martha, aus deren Sicht die Handlung geschildert wird, in den 30ern ist - für sie ist er dennoch steinalt. Beziehungsweise erwachsen. So jung, wie sie ist, ist der Altersunterschied dennoch extrem.

Hier kommt noch eine Facette hinzu: Martha hat von früh auf die ausgesprochen schwierige, nun gerade gescheiterte Ehe ihrer Eltern miterlebt und ihrer ausgesprochen konfliktscheuen und leidensfähigen Mutter beigestanden. Obwohl sie ganz schön verliebt ist, klingen ihre Schilderungen pragmatisch - das Kind hat schon einiges vom Leben gesehen, vor allem Enttäuschungen. Manchmal - eigentlich oft - wirkt sie erwachsener als Mr. Booker.

In lakonischem Stil, der vor allem dann aufweicht, wenn es um ihren eigenen Vater geht, erzählt Martha von ihrer ersten Liebe. Und damit quasi unbeabsichtigt bzw. von ihr selbst unbemerkt von ihrem eigenen Erstarken. Obwohl ich dieses Buch gar nicht besonders gern gelesen habe - ich bin eigentlich kein Fan von Lolitageschichten Mr. Bookers Verhalten ging mir ziemlich auf die Nerven - hat es mich doch auf eine bestimmte Art fasziniert. Man kann es nämlich auch als Ode an die Kraft der Frau lesen - wenn man sich auf Martha einlässt. Ein eigenartiges und auf seine Art einzigartiges Werk.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 24.11.2019

Harry am Ende

Messer (Ein Harry-Hole-Krimi 12)
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Hole jagt seinen alten Widersacher. Sie winken müde ab und sagen, das hätten Sie schon gehabt und zwar mehrfach? Seien Sie versichert: so nicht! Denn diesmal hat sich Rakel, die Frau, der Harry Hole die ...

Hole jagt seinen alten Widersacher. Sie winken müde ab und sagen, das hätten Sie schon gehabt und zwar mehrfach? Seien Sie versichert: so nicht! Denn diesmal hat sich Rakel, die Frau, der Harry Hole die Sterne vom Himmel holen wollte, endgültig von ihm losgesagt und nicht nur das: ein altbekannter Verbrecher, nämlich Svein Finne ist wieder mal frei. Harrys größter Widersacher unter der Sonne also, ein perfider Mörder und Psychopath.

Wird Harry ihn diesmal schnappen? Oder vielleicht einen anderen? Ein wahres Defilee an Figuren aus allen vergangenen Bänden der Reihe findet hier statt - das ist mir manchmal ein bisschen zu viel des Guten wie auch die permanente Erwähnung des Musikgeschmacks von Harry - oder ist es der seines Autors Jo Nesbo? Den ich im Übrigen größtenteils teile, aber Clash und Ramones auf jeder zweiten Seite eines Thrillers muss ich dann doch nicht haben.

Ja, Sie merken schon, ich lenke ab von der Handlung. Weil ich nämlich nichts verraten will, das würde Ihnen ganz schön was von der Spannung rauben. Denn es gibt einen Punkt, der durchzieht die ganze Handlung und bringt viele Unterpunkte mit sich. Wie dem auch sei - dieser Band hat etwas von einem Schlussakkord, das kann aber auch "nur" die Befürchtung eines Fans sein, der nicht will, dass diese Reihe jemals endet.

Nicht der beste, aber auch nicht der schlechteste Harry-Hole-Band. Und solides Mittelmaß ist für einen Band einer solchen Spitzenreihe doch ganz klar etwas, was man ohne Weiteres hinnehmen kann. Oder sogar mehr als das!

Veröffentlicht am 07.11.2019

Der kalte Krieg und die Literatur

Alles, was wir sind
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"Doktor Schiwago" kennen die meisten von uns als wunderbaren Film: für mich gehört er zu meinen absoluten Tops und immer, wenn "Laras Lied" erklingt, lasse ich mich zum Mitsummen verführen. Ganz ...

"Doktor Schiwago" kennen die meisten von uns als wunderbaren Film: für mich gehört er zu meinen absoluten Tops und immer, wenn "Laras Lied" erklingt, lasse ich mich zum Mitsummen verführen. Ganz egal, wie schief und stümperhaft das auch klingen mag: ich fühle mich dann fast so, als wäre ich selbst im Film, als Statistin in einer Massenszene oder ähnliches. Natürlich mit mutigem Blick und furchtloser Haltung!

Weit weniger bekannt ist das Schicksal des Romans, der dem Autor Boris Pasternak 1958 zum Nobelpreis verhalf - zum Preis, den er nicht annehmen durfte. Denn sein Roman existierte offiziell in der Sowjetunion gar nicht - er war nur im Ausland veröffentlicht worden. Zunächst in Italien - Pasternak hatte sein Manuskript den Agenten des Verlegers übergeben Allerdings gab es bald auch eine Fassung in russischer Sprache, also im Original. Exemplare wurden auf der Weltausstellung in Brüssel an sowjetische Teilnehmer verteilt, in der Hoffnung, sie würden sie in der Heimat verbreiten können.

Dies alles ist wahr und an sich schon spektakulär genug. Autorin Lara Prescott kleidet diese Ereignisse in eine dramatische, aus mehreren Perspektiven erzählte Handlung, die im Osten, also im Umfeld von Pasternak und im Westen, in Kreisen des amerikanischen Geheimdienstes spielt.

Das Besondere: Es sind Frauen, die im Fokus stehen. In der Sowjetunion Pasternaks langjährige Geliebte Olga Iwinskaja, die seinetwegen Jahre im Gulag verbringen musste. Im Westen sind es Agentinnen, die in die Affäre Schiwago verstrickt werden und weitere Mitarbeiterinnen des Geheimdienstes. Und auch hier gibt es eine Liebesgeschichte. Aus meiner Sicht ist sie ziemlich überzogen.

Für mich wäre es etwas Besonderes gewesen, diese Geschichte, deren wahre Elemente bereits wahnsinnig viel Spannung beinhalten, zu entzerren, sie auf ihren Kern zu reduzieren und die Kraft der Sprache und der Poesie als wirkungsvolles Instrument einzusetzen.

Hier hat das Gegenteil stattgefunden und mir ist es eindeutig zu viel: zu viel Personal, zu viel Chichi, zu viel Nebensächliches. Es nimmt dem eigentlichen Ereignis, der Handlung um den Roman, eine ganze Menge weg. Was ich sehr schade finde, auch wenn der Roman dennoch interessant zu lesen ist.

Veröffentlicht am 12.10.2019

Bückeburger Historien - alte und neue

SchattenSchuld
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Im beschaulichen Bückeburg ist so einiges los - zunächst werden alte Knochen gefunden, die auf einen längst vergangenen Mord an einer adligen Dame hindeuten - und dann gibt es frische Körpeteile, die auf ...

Im beschaulichen Bückeburg ist so einiges los - zunächst werden alte Knochen gefunden, die auf einen längst vergangenen Mord an einer adligen Dame hindeuten - und dann gibt es frische Körpeteile, die auf mehrere aktuelle Verstümmelungen verweisen und - furchtbar, aber leider wahr - die passenden Vermissten dazu sind bereits gemeldet.

Klar, es ist der zwölfte Teil einer Serie und so findet ein Wiedersehen mit einer ganzen Reihe von Kripobeamten statt - im Mittelpunkt stehen wie immer die Kommissare Wolf Hetzer und Peter Kruse, für mich liebe und alte Bekannte.

Der Fall bzw. die Fälle selbst purzeln nur so ins Geschehen hinein, so dass es nicht langweilig wird. Allerdings hat sich die Aufschlüsselung für mich ein wenig überstürzt und nicht ausreichend begründet, zudem steht am Ende ein dicker fetter Cliffhanger, der - so finde ich - den Leser ein wenig zu sehr im Regen stehen lässt - fast so, als würde dieser Band zusammen mit dem nächsten einen geschlossenen Zweiteiler ergeben.

Dennoch als Teil dieser sehr atmosphärischen Reihe sehr lesenswert, nicht zuletzt wegen der eindringlich porträtierten Figuren!

Veröffentlicht am 13.09.2019

Aller guten Dinge sind drei!

Drei
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Aber nicht deswegen ist Gils Bekanntschaft zu drei Frauen Orna, Emilia und Ella für diesen Roman von so zentraler Bedeutung. Denn es stellt sich die Frage, wie er sie überhaupt für sich gewinnen konnte, ...

Aber nicht deswegen ist Gils Bekanntschaft zu drei Frauen Orna, Emilia und Ella für diesen Roman von so zentraler Bedeutung. Denn es stellt sich die Frage, wie er sie überhaupt für sich gewinnen konnte, wird er doch als etwas verweichlichter, mittelalter Anwalt geschildert und kommt somit nicht unbedingt glaubhaft als Frauenliebling rüber.

Allerdings nimmt er sich Zeit und hört zu. Ebenso wie Autor Dror Mishani sich Zeit nimmt, vor allem für seine weiblichen Charaktere, für die er wirklich einen aufmerksamen und feinfühligen Blick hat. Beim Lesen entstand in mir der Eindruck, dass er gerade den Frauenfiguren besondere Achtung, ja Wertschätzung entgegengebracht hat.

Merkwürdigerweise in Abweichung zur Handlung, zum Plot selbst, in dem immer wieder Wichtiges offen bleibt, sich unsichtbare Fragezeichen über dem Haupt des Lesers - zumindest über dem meinigen - formen. Denen er sich dann - trotz einer sich stellenweise durchaus aufregend entwickelnden Geschichte leider bis zum Schluss nicht mehr zuwendet, so dass ich trotz einer gewissen Faszination zum Schluss leider mit Brecht sagen muß: "Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen Den Vorhang zu und alle Fragen offen". O.K., das ist übertrieben, es sind nur einige Fragen, die offen bleiben, doch das reicht mir schon.

Dies war mein erstes Werk des Autors Dror Michani und seinen eloquenten, dabei nie schwatzhaften Stil habe ich durchaus schätzen gelernt. Wenn er nur nicht genau dort aufhören würde, wo mein Interesse erst so richtig einsetzt! Auf jeden Fall werde ich es nochmal mit dem Autor probieren!