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Veröffentlicht am 17.06.2022

Tradition oder Moderne, wer gewinnt gegen den Berg?

Vom Gehen und Bleiben
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"Der große Mocken hat dich ganz schön erschöpft, hm, tgigl? Stell dir nur vor, wie anstrengend so ein Bergsturz sein muss, du tust dir doch nur selbst weh. Bleib, wo du bist."

Denkt sich Ria, eine Bäuerin ...

"Der große Mocken hat dich ganz schön erschöpft, hm, tgigl? Stell dir nur vor, wie anstrengend so ein Bergsturz sein muss, du tust dir doch nur selbst weh. Bleib, wo du bist."

Denkt sich Ria, eine Bäuerin und junge Mutter aus dem schweizerischen Dorf Vischnanca, das von der zerstörerischen Kraft des benachbarten Piz Brunclia bedroht wird. Schon etliche Generationen ihrer Familie lebten im Dorf, der Berg kann sie nicht vertreiben.

Doch auch die neu zugezogene Familie aus Deutschland möchte ungern direkt wieder weg ziehen. Die Ingenieure kümmern sich schon darum.

In diesem Buch prallen Welten aufeinander. Tradition und Moderne, Bauern und Technik. Kann das gut gehen? Die LeserInnen werden mitgenommen in die Gedankenwelt der Dorfbewohner, alte und neue. Wie fühlen sie? Sind sie wirklich so verschroben und stur, was treibt sie an? Die eindrückliche Sprache der Autorin lässt die Menschen wirklich werden. Jeder neue erste Satz eines Kapitels bringt Bilder zum Leben, die manchmal fröhlich sind, oft bedrückend, meistens atmosphärisch. Die detaillierten Beschreibungen der Zustände lassen einen tief in die Materie eintauchen. Sind manchmal aber auch ein bisschen viel. Sie lassen die Handlung etwas stocken.

Petra Hucke geht das Thema Naturgewalt und Einfluss des Menschen recht pragmatisch an. Es wird nicht groß belehrt, aber aufmerksam gemacht. Sie lässt die junge Johanna in Social Media über den Berg berichten. Mit allen Höhen und Tiefen eines jugendlichen Lebens belastet ist dies keine leichte Aufgabe, wenn man kritische Menschen auf der Gegenseite hat. Dass man trotzdem etwas bewegen kann, bleibt am Ende stehen.

Auch die kleinen zwischenmenschlichen Tragödien der Dorfbewohner werden aufgegriffen und sind leitende Motive in der Geschichte. Lug und Betrug, Enttäuschung auf der einen Seite, aber auch Leidenschaft. Diese Episoden tauchen allerdings eher blitzlichtartig auf, sind also nicht tragendes Element. Ganz essentiell wird das Thema Zusammenhalt und Dorfgemeinschaft beleuchtet.

Eine Besonderheit des Buches ist die eingestreute Verwendung von Surmiran, einer Untergruppe des Rätoromanischen, der vierten offiziellen Sprache in der Schweiz. Wie bereits im Eingangszitat zu sehen. Dies belebt die Dialoge, macht sie sehr authentisch. Am Ende des Buches gibt es einen kurzen Abstecher mit Erklärungen, wie die Worte ausgesprochen werden und was einzelne Wörter bedeuten. Im Text ergeben sich die Bedeutungen meist.

Der Roman führt einem sehr deutlich vor Augen, was Heimat und Zugehörigkeit bedeuten kann. Heutzutage werden andere Kriterien angewandt als noch eine Generation vorher. Angenehm erschien mir, dass die Autorin keine Unterschiede im Bildungsstand vorgegeben hat, sondern vielmehr die Verbindung der Figuren zur Natur und Technik dargestellt hat und die daraus resultierenden Haltungen nachvollziehbar waren.

Fazit: Eine eindrucksvolle Geschichte, die gerade Stadtmenschen die Sicht auf das Dorfleben öffnet. Mit allen Vor- und Nachteilen. Wer die Berge liebt, wird das Buch in einem Rutsch lesen wollen. Wer allerdings große Spannung und tiefgreifende Beziehungsdramen erleben will, ist hier eher weniger gut bedient.

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Veröffentlicht am 22.11.2020

Ein Porträt einer verlogenen Zeit

Die goldenen Jahre des Franz Tausend
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Mit großen Erwartungen bin ich an das Lesen dieses Buches heran gegangen. Nach "Der Tag X" war dieser Roman das zweite von Titus Müller geschriebene und mir gelesene Buch. Und der erst genannte Roman hat ...

Mit großen Erwartungen bin ich an das Lesen dieses Buches heran gegangen. Nach "Der Tag X" war dieser Roman das zweite von Titus Müller geschriebene und mir gelesene Buch. Und der erst genannte Roman hat mich damals restlos begeistert. Wird es dieses hier auch schaffen?

Teils, teils

Eindringlich bewegt haben mich wieder die historischen Begebenheiten, die wunderbar spannend, nah an den Figuren bzw. tatsächlich existenten Menschen und somit lebendig vermittelt werden. Es wurde eine gute Mischung verschiedener Charaktere gewählt. Der Hochstapler Franz Tausend, der sich als Chemiker verkaufte, der berühmte Literat Thomas Mann, der pazifistische Journalist Carl von Ossietzky und zuletzt der ehrbare Polizist Heinrich Ahrndt.

Nach einem etwas holprigen Start durch das erste Kapitel, wurde ich bald in die Geschichte hinein gezogen. Fand mich stets wandelnd auf verschiedenen Wegen, was manchmal zu ein wenig Verwirrung führte. Ab und an habe ich mich gefragt, ob ein Handlungsstrang weniger für mehr Klarheit gesorgt hätte und gleichzeitig mehr Raum für Details gelassen hätte.

Perfekt für Leser, die wissen wollen was damals war

Die klare Stärke von Müllers Romanen, so auch hier, ist die historische Wiedergabe von Fakten im schicken, lesbaren Kleid. Ich liebe Bücher, die mir etwas Neues vermitteln und hier bekommt man so einiges geboten, was in der Weimarer Republik an Unrecht passierte.

Etwas unzufrieden war ich letztlich damit, dass Franz Tausend insgesamt eine eher untergeordnete Rolle spielte. Dafür, dass er groß auf dem Cover prangt, ist er nicht unbedingt die Figur, die mir nach dem Lesen besonders im Gedächtnis geblieben ist. Das war eher Carl von Ossietzky. Über seine Bedeutung und seinen Mut war ich bisher nicht im Bilde, das hat sich zum Glück nun geändert.

Fazit

Trotz einiger Abstriche durch abschweifende Nebenhandlungen und dadurch etwas verstrickte Geschichten, spreche ich eine klare Leseempfehlung für "Die goldenen Jahre des Franz Tausend" aus. Man benötigt sicherlich eine Portion Interesse für Politik und einen gesunden Gemeinschaftssinn, um mit den Figuren mitzuhalten, aber man wird mit einer vielfältigen und lehrreichen Geschichte um die Machtergreifung der Nationalsozialisten in der Weimarer Republik belohnt, die einem aufzeigt, dass Unmenschlichkeit sich wiederholen kann, aber keineswegs sollte.

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Veröffentlicht am 15.12.2019

Was ist Gerechtigkeit?

Zwei für mich, einer für dich
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Dieses witzige Bilderbuch bringt schon den Kleinsten bei, was es heißt, gerecht zu handeln. Der Bär und das Wiesel streiten sich um drei Pilze. Wer bekommt den Dritten?

Mit handfesten Argumenten versuchen ...

Dieses witzige Bilderbuch bringt schon den Kleinsten bei, was es heißt, gerecht zu handeln. Der Bär und das Wiesel streiten sich um drei Pilze. Wer bekommt den Dritten?

Mit handfesten Argumenten versuchen sie sich gegenseitig zu überzeugen, warum genau sie es verdient haben, einen Happen mehr als der andere zu bekommen. Ganz wie im wahren Leben. Sicherlich eine Situation, die jedes Elternteil schon einmal erlebt hat.

Der Streit beginnt zu eskalieren. Doch dann taucht plötzlich der freche Fuchs auf und stiehlt den beiden einen Pilz. So wird ihnen die Grundlage für die Auseinandersetzung genommen und sie bemerken schnell, dass es sich gar nicht lohnt zu streiten.

Schade nur, dass das Buch nicht wirklich eine Lösung oder einen Kompromiss aufzeigt, sondern nur einen zufälligen Ausweg. Bär und Wiesel schaffen es nicht selbst, sich zu einigen. Das hätte ich besser gefunden.

Doch genau das können sie noch einmal versuchen, denn zum Nachtisch gibt es ebenfalls DREI Erdbeeren. Ob sie sich wieder in den Haaren liegen oder nicht, bleibt der Fantasie der Leser überlassen. Und hier sollte meiner Meinung dann auch die Besprechung des Buches mit dem Kind beginnen. Das Bilderbuch liefert also mehr eine Diskussionsgrundlage als eine ausgesprochene Lösungsstrategie. Gut einerseits, verlangt aber andererseits auch Nachbereitung.

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Veröffentlicht am 15.12.2019

Toll für alle werdenden Geschwisterkinder

Plötzlich war ein Wuckel da
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Schöne und lehrreiche Kinderbücher sind mit immer mehr ein Anliegen, seit ich selbst Mama geworden bin. Auch wenn meine Tochter noch zu klein ist für wirkliche Geschichten, bin ich schon auf der Suche ...

Schöne und lehrreiche Kinderbücher sind mit immer mehr ein Anliegen, seit ich selbst Mama geworden bin. Auch wenn meine Tochter noch zu klein ist für wirkliche Geschichten, bin ich schon auf der Suche nach Büchern, die ich ihr einmal vorlesen werde. Dabei ist es mir sowohl wichtig, dass die Geschichte lustig und spannend ist, aber auch, dass die Kleine etwas mitnehmen kann.

Und bei dem Bilderbuch „Plötzlich war ein Wuckel da“ werden beide Facetten miteinander vereint. Ich fühlte mich auch als Erwachsene, besonders durch die grafisch ansprechende Gestaltung, gut unterhalten. Der kleinen Ida sieht man so richtig schön an, dass sie keine Lust auf ein neues Geschwisterchen hat, das nur schreit und trotzdem Vorrang bei den Eltern hat. Ihre Grimassen und die teils leidvollen Gesichtsausdrücke der Eltern lassen einen richtig mitfühlen. Was mir an den Bildern auch gut gefällt ist die moderne Art. Mama und Papa sind eher Hipster-Eltern – der Vater mit Vollbart und Tätowierung – die mit geschmackvollen Designer-Möbeln leben.

Für kleine Kinder ist es durch den gereimten Text, der sparsam dosiert die Bilder begleitet, einfach, der Geschichte zu folgen und auch den Zusammenhang herzustellen. Frech und ein wenig listig nutzt Ida den neuen Wuckel, um alle schlimmen Dinge, die sie anstellt, auf ihn abzuwälzen. Klappt natürlich nicht so ganz. Aber lustig ist es allemal.

Die Erkenntnis, dass das kleine Geschwisterchen, dessen Geschlecht keine Rolle spielt, was ich gut finde, auch liebgewonnen werden kann und man mit ihm Spaß haben kann rundet die Geschichte schließlich ab.

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Veröffentlicht am 25.09.2019

Eine süße Geschichte mit Teamgeist

Spukalarm in der Schokofabrik
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Die erfahrene Kinderbuchautorin Mascha Matysiak lädt uns auf eine abenteuerliche Exkursion in eine stillgelegte Schokoladenfabrik ein. Klara, die neu in der Schokosiedlung ist, erkundet diese mit ihren ...

Die erfahrene Kinderbuchautorin Mascha Matysiak lädt uns auf eine abenteuerliche Exkursion in eine stillgelegte Schokoladenfabrik ein. Klara, die neu in der Schokosiedlung ist, erkundet diese mit ihren neuen Freunden Matti und Theo. Doch statt Pralinés und süßem Duft finden die Drei viel Staub, alte Gerätschaften und überraschende Gestalten.
Ich hatte, nach Cover und Titel zu urteilen, erwartet, dass es eine etwas gruselige Geschichte wird, dies war es nach meinem Geschmack nicht. Aber vielleicht ist es das für Kinder im Alter von etwa 8 Jahren, für die diese Geschichte geschrieben wurde. Vielmehr geht es um den Aufbau von Freundschaften, die Eingewöhnung in einem neuen Wohnumfeld und das Helfen und Unterstützen von liebgewonnenen Wesen.
Klara, wie schon erwähnt die Hauptfigur, ist mit ihrer Mutter umgezogen. So richtig wohl fühlt sie sich am Anfang natürlich nicht in der neuen Umgebung. Ihre liebste Freundin vermisst sie sehr und die erste Begegnung mit den Nachbarsjungen verläuft auch nicht gerade günstig. Durch glückliche Umstände kann Klara aber doch beweisen, dass sie ein cooles Mädel ist, mit dem die Jungs dann gerne um die Häuser ziehen und auch den Einbruch in die alte Fabrik wagen. Die typischen Zwistigkeiten unter Kindern sind treffend dargestellt und jede Figur hat ihre liebevollen Macken und Vorlieben. Nicht nur die Kinder, sondern auch die anderen Bewohner der Siedlung werden herzig dargestellt, von Kater Nougat bis Frau Süß, ist alles sehr „schokoladig“.
Die eigentliche Herausforderung kommt dann noch auf die Kinder zu, aber dazu möchte ich nicht zu viel verraten, nur dass es um die Verhinderung eines üblen Ereignisses geht. Dafür müssen die Drei einen gewieften Plan aushecken, sich Verstärkung holen, tapfer und kreativ sein. Es gibt viele lustige Situationen, manche auch nicht ganz pädagogisch wertvoll, aber das macht letztlich nichts. Denn das schöne und lehrreiche Ende wertet den ganzen Unfug wieder auf.
Die liebevollen Illustrationen von Monika Parciak werten die Geschichte noch zusätzlich auf, sodass ich dieses Buch auf jeden Fall weiterempfehlen kann. Es ist sowohl für Mädchen, als auch Jungs geeignet.