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heinoko

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 03.01.2020

Bewegend, fesselnd, spannend, ernsthaft

Leas Spuren
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Bettina Storks war mir bislang nicht bekannt. Doch die Leseerfahrung des vorliegenden Buches hat mich überzeugt und weckt nachhaltig mein Interesse an dieser Autorin.

Die Handlung bewegt sich auf verschiedenen ...

Bettina Storks war mir bislang nicht bekannt. Doch die Leseerfahrung des vorliegenden Buches hat mich überzeugt und weckt nachhaltig mein Interesse an dieser Autorin.

Die Handlung bewegt sich auf verschiedenen Zeitebenen. Im Jahr 2016 erfährt die Stuttgarter Historikerin Marie von einem lukrativen Erbe, das jedoch erst mit Erfüllung einer Aufgabe anzutreten wäre. Sie soll gemeinsam mit dem französischen Journalisten Nicolas ein verschollenes Gemälde eines jüdischen Malers finden und es den möglichen Überlebenden einer jüdischen Pariser Familie zurückgeben. In Rückblicken erleben wir, wie um 1940 Victor Blanc seine Arbeit in der Botschaft aufnimmt, um sich um „herrenlose Objekte“ zu kümmern. Und wir werden 1947 mitten in die Besatzungszeit, in die Nachbeben des Zweiten Weltkrieges geführt und erfahren von der unerlaubten Liebe zwischen Charlotte, der Großtante von Marie, und Victor, dem Großvater von Nicolas, zwischen Kunstraub und Résistance. Die schwierigen Nachforschungen von Marie und Nicolas im Jahr 2016 scheinen an einer Mauer des Schweigens zu scheitern, führen aber letztlich immer tiefer in erschreckende Zusammenhänge.

„Nur Gefühle beeindrucken die Menschen“ – diesen Satz der von mir überaus geschätzten Autorin Gabriele Diechler scheint Bettina Storks auf perfekte Weise verinnerlicht zu haben. Denn das vorliegende Buch packt den Leser, fesselt ihn und lässt ihn nicht mehr los. Weil man sich jenseits des Geschehens intensiv mit den Protagonisten emotional verbunden fühlt. Weil man ihre geschilderten Empfindungen unmittelbar miterlebt. Auch versteht es Bettina Storks außerordentlich gut, innerseelische Prozesse anhand von äußeren Geschehnissen bildlich spürbar werden zu lassen. Viele Szenen bleiben sehr nachdrücklich im Gedächtnis, auch nach Beendigung der Lektüre. Insgesamt gesehen ist das Buch eine großartig gestaltete Mischung aus historisch Belegtem und romanhaft Erfundenem, spannend, lebendig, intensiv erzählt. Das Buch wirft Fragen auf, denen sich der Leser stellen sollte. Denn welche Verantwortung tragen nachfolgende Generationen für die Gräueltaten der Nazis? Und kann die Schuld des Wegsehens oder gar Mitmachens je getilgt werden?
Auf S. 455 steht vielleicht eine Antwort: „Eines der kostbarsten Geschenke ist, dass wir eine Wahl haben….Den inneren Kompass zu finden, ihm zu vertrauen und sich nach ihm als einziger Instanz zu richten, ist eine Lebensaufgabe“…

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Veröffentlicht am 29.12.2019

Von Oma-Weisheiten, Dackelpupsen und Regenbogenstiefeln

Käthe, Band 1: Der Gorilla-Garten
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Welch ein zauberhaftes Kinderbuch. Ich bin restlos begeistert.
Käthe muss mit ihren Eltern umziehen. Weg von Omas Apfelhof in Pommeranzen, weg von Natur, weg von Omas klugen Sprüchen, mitten hinein ins ...


Welch ein zauberhaftes Kinderbuch. Ich bin restlos begeistert.
Käthe muss mit ihren Eltern umziehen. Weg von Omas Apfelhof in Pommeranzen, weg von Natur, weg von Omas klugen Sprüchen, mitten hinein ins Großstadtgetriebe, hin zu viel Fremdem, zu ganz neuen Erfahrungen. „Stadtmenschen sind schnell und geübt im Ausweichen“, erfährt Käthe.
Ganz schön beängstigend eigentlich, solch ein Umzug. Doch Käthe schafft mit ihrer offenen und neugierigen Art, mit der sie unbefangen auf alles und jeden zugeht, sich diese neue Welt zu erobern. Man muss Käthe einfach gernhaben, denn sie ist freundlich, arglos, hat ein großes Herz und geht aufgeschlossen-offen mit allem um, was ihr begegnet. Man spürt, wie wertvoll es war, dass sie in der Natur aufgewachsen war, denn die Liebe zu den Pflanzen ist ihr Lebenskapital – und ja, sie versteht sogar, was Tiere plagt, wenn beispielsweise Dackel Ferdi sehr unter seiner Pupserei leidet, weil sein Frauchen ihm immer wieder Buttermilch zu trinken gibt. Käthe besitzt die wunderbare Gabe, alles Neue völlig wertfrei wahrzunehmen. „Anders-Sein ist eigentlich total normal.“ Zusammen mit Theo, ihrem neuen Freund in der Schule, entdeckt sie schließlich sogar ein Stückchen „Niemandsland“ mitten in der Stadt, einen Guerilla-Garten, und kann Bernadette helfen, die Läuseplage in den Griff zu bekommen – dank Oma-Wissen. Ein Schulgarten mit Schneckenbeet wird geplant, und wie man alte Gummistiefel bepflanzen kann, wird auch erzählt. Spaß bringt Kindern beim Vorlesen oder Selber-Lesen nicht nur die Oma-Weisheiten wie „Gut ist Gähnen erst mit allen Zähnen“, sondern auch die herrlichen ideenreichen Wortschöpfungen wie „Ziegelsteinhinterhofhäuschen“ oder „Spätstück“ für ein spätes Frühstück.
Die großartigen Illustrationen von Màriam Ben-Arab transportieren ausdrucksstark und direkt die Gefühle und Reaktionen der gezeichneten Personen. Schön, dass die Bilder im Buch allesamt bunt sind. Fröhlich und lebendig unterstreichen sie intensiv wirksam auf non-verbale Weise die erzählte Geschichte.
Ein wunderbar positives Kinderbuch, das gänzlich ohne pädagogischen Zeigefinger auskommt, mit einer Hauptperson, wie sie liebenswerter nicht sein könnte.

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Veröffentlicht am 21.12.2019

Eine perfekte Komposition in Dur und Moll

Schokoladentage
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„Nur Gefühle beeindrucken die Menschen“. Mit diesem Satz verrät die Autorin eines ihrer Erfolgsgeheimnisse. Denn ihre Bücher transportieren Gefühle, und zwar ohne Pathos und ohne Kitsch. Warum ist Gabriele ...


„Nur Gefühle beeindrucken die Menschen“. Mit diesem Satz verrät die Autorin eines ihrer Erfolgsgeheimnisse. Denn ihre Bücher transportieren Gefühle, und zwar ohne Pathos und ohne Kitsch. Warum ist Gabriele Diechler eine meiner Lieblingsautorinnen, vielleicht sogar DIE Lieblingsautorin? Natürlich in erster Linie wegen ihrer gekonnt geschriebenen Bücher, keine Frage. Aber mehr noch, weil ihre herzerwärmend positive Persönlichkeit so direkt, so unmittelbar spürbar wird auf jeder einzelnen Buchseite und sie damit dem Leser auf seltsam individuelle Weise nahekommt, so als sei das Buch ganz allein nur für ihn selbst geschrieben worden.

Alwy, eine junge Patissière, kommt aus Tokio zurück. Sie hat sich von ihrem langjährigen Partner getrennt und steigt nun bei ihrer Freundin Tina in Salzburg in deren Patisserie ein. Finanziell befindet sich Tina mit ihrem Laden in einer schwierigen Lage. Gemeinsam mit vielen kreativen Ideen und vollem Arbeitseinsatz schaffen die beiden Freundinnen erste Erfolge. Doch da wird das „Cake Couture“ erneut bedroht durch die Machenschaften eines Bauinvestors. Der Kampf um den Laden, um die berufliche Existenz wird zum Kampf um das eigene Lebensglück, um Beziehungen, um Freundschaft, um die Erkenntnis, was wirklich wichtig ist im Leben.

Der Roman erscheint mir in seiner Gesamtheit inszeniert wie eine Mozart-Oper. Und das nicht nur, weil er in Salzburg spielt, in dieser wunderschönen Stadt, deren Lebensimpuls Musik zu sein scheint. Die Ouvertüre ist dramatisch und enthält bereits eine Ahnung des späteren Geschehens. Der Leser weiß vom Paukenschlag des Anfangs an, dass er nicht einen der üblichen Frauenromane in der Hand hält. Mozart hat mit leichter Hand Schweres komponiert. Und so schreibt Gabriele Diechler. Mit leichter Hand erzählt sie Wesentliches. Es gibt viele Tempi-Wechsel, Rezitative, die die Handlung weitertragen und betörend schöne Solo-Arien, deren reine Melodien unmittelbar zu Herzen gehen. Genauso spielt die Autorin mit den Geschehnissen, indem sie das Grundmotiv in vielen Variationen ausarbeitet in der ganzen Bandbreite dessen, was Menschen empfinden können. Eine Fülle schöner Bilder, schöner Gedanken bereichert den Leser. Selbst in schwierigen Situationen wird keiner der Protagonisten abwertend-negativ gezeichnet. Immer bleibt ein Funken Respekt, ein Funken Verständnis. Mozart besaß das Geheimwissen der Freimaurer. Gabriele Diechler hat tiefes Herzenswissen. Das macht das Lesen ihrer Bücher besonders.

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Veröffentlicht am 05.12.2019

Ein kluges Buch!!!

Besser spät als nie
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Ein kluges Buch!!!

Sie muss sein, diese Überschrift mit den drei Ausrufezeichen. Denn da lese ich tatsächlich irgendwo über das vorliegende Buch, es sei banal. „Banal“ per definitionem heißt: gedanklich ...

Ein kluges Buch!!!

Sie muss sein, diese Überschrift mit den drei Ausrufezeichen. Denn da lese ich tatsächlich irgendwo über das vorliegende Buch, es sei banal. „Banal“ per definitionem heißt: gedanklich unbedeutend, gewöhnlich. Nein, dieses Buch ist nicht gewöhnlich, es ist gedanklich nicht unbedeutend, es ist alles andere als das. Vielleicht ist derjenige, der das Urteil abgegeben hat, noch sehr jung und unbedarft. Vielleicht hat er nur ein paar Seiten gelesen und gerade ein Thema erwischt, das ihn in seinem Leben noch nicht berührt hat. Vielleicht hatte er witzige Situationsschilderungen aus dem Altersheim erwartet. Wer weiß. Auf jeden Fall bringt mich dieses Urteil dazu, vehement meiner gegenteiligen Meinung Ausdruck zu verleihen.

Die Texte haben Tiefe. Die Texte sind es wert, darüber nachzudenken. Die Texte bringen Informationen über das beschwerliche, reglementierte Leben der Frau vor 60, 70 Jahren. Und die Texte bringen Einblick in das nicht immer einfache Leben im Alter. Aber die Texte bringen auch Ermutigung. Ja, es sind kurze Artikel, denn es handelt sich um eine Sammlung von Kolumnen, die in der Süddeutschen Zeitung zu lesen waren. Wie schwer gute Kolumnen zu schreiben sind, weiß nur, wer sich selbst einmal daran versucht hat. Kurze Meinungsbeiträge zu formulieren, die das jeweilige Thema pointiert auf den Punkt bringen und nicht endlos breittreten. Das kann nicht jeder. Und genau das ist dem Paar Großmutter und Enkelin hervorragend gelungen. So kurz die Texte auch sind, so eindringlich sind sie. Sie kommen ganz harmlos daher, und doch wirken sie lange nach, wenn man sich darauf einlässt. Mechthild Grossmann ist eine gebildete Frau. Sie ist weltoffen und neugierig. Dass sie alt ist, macht ihre Gedanken nicht weniger wertvoll, im Gegenteil. Sie hat alles Recht dazu, uns von ihrer Haltung dem Leben, den Menschen und dem Sterben gegenüber zu erzählen. Nichts davon ist banal. Und übrigens: Nachdenken schadet in keinem Alter.

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Veröffentlicht am 28.11.2019

Herzerwärmend

In der Weihnachtshöhle ist noch Platz
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Wenn ein Cover Aufmerksamkeit weckt, ist schon viel gewonnen. Wunderbar gelungen ist dies bei dem vorliegenden Bilderbuch, denn durch das ausgestanzte Höhlenfenster lugt ein etwas missmutig dreinblickender ...


Wenn ein Cover Aufmerksamkeit weckt, ist schon viel gewonnen. Wunderbar gelungen ist dies bei dem vorliegenden Bilderbuch, denn durch das ausgestanzte Höhlenfenster lugt ein etwas missmutig dreinblickender Bär in die Welt. Viele neugierig-interessierte Waldbewohner harren vor dem Fenster der Dinge, die da kommen, während Mäuschen mit seinen winzigen Fäustchen an die Höhlentür klopft… Und schon heißt es „vorlesen, vorlesen“!
Während die Waldbewohner voller Vorfreude auf Heiligabend im Wald herumwuseln und dicke Schneeflocken auf die Welt fallen, brummelt Mattes, der grummeligste alte Bär, grantig vor sich hin. Weil er tagaus tagein so mürrisch ist, sitzt er ganz alleine in seiner Höhle. Und Weihnachten ist sowieso nicht sein Ding. Plötzlich klopft es…
Es wird nun eine Geschichte erzählt, wie sie liebenswerter nicht sein könnte. Immer mehr Tiere suchen vor dem Schneesturm Schutz in der Bärenhöhle. Ungefragt machen sie sich in der Höhle breit und verteilen überall Weihnachtsklimbim, egal wie Mattes grummeln und brummeln mag. Als der Biber klopft, erlebt Mattes allerdings eine Überraschung, denn vom Biber erhält er ganz uneigennützig ein Geschenk. Der Biber will auch gleich wieder gehen. Da geht Mattes das Herz auf, und er bittet den Biber zu sich in die Höhle.
So ist das mit Gastfreundschaft, die man nicht ungefragt ausnutzen sollte. Als der vom Biber überbrachte Weihnachtsbaum die Höhle so richtig warm erleuchtet, verstehen dies auch die anderen Gäste, bedanken sich bei Mattes und feiern schließlich mit ihm zusammen voller Freude den Heiligabend. Denn Mattes ist halt doch ein Bär mit einem ganz großen Herzen, wenn auch erst auf den zweiten Blick.
Die aussagestarken Zeichnungen von Nikolai Renger untermalen das Erzählte mit so viel Witz, Detailfreude und Ausdrucksstärke, dass nicht nur die Kleinen das Bilderbuch immer und immer wieder anschauen mögen.
Ein rundum gelungenes, herzerwärmendes Weihnachtsbuch!