Ein schöner Ansatz, aus dem wenig gemacht wurde
Die BücherfrauenDie Geschichte des Buches hat mich gleich angesprochen: Kleinstadtamerika, die Liebe zu Büchern, ein Rückblick in die Geschichte der ersten Bibliotheken in Kansas. Es klang nach einer gelungenen Mischung ...
Die Geschichte des Buches hat mich gleich angesprochen: Kleinstadtamerika, die Liebe zu Büchern, ein Rückblick in die Geschichte der ersten Bibliotheken in Kansas. Es klang nach einer gelungenen Mischung für einen leichten, entspannten Wohlfühlroman. Der Einband ist auch wundervoll gestaltet, sowohl visuell wie auch haptisch. Er deutet ein wesentlich besseres Buch an, als das, was man dann bekommt.
Die Autorin hat lange Jahre in der Kulturförderung des Staates Kansas gearbeitet, weiß also, wovon sie spricht, wenn sie uns anschauliche Einblicke in die dortigen Bibliotheken und Kulturzentren bietet, die in einem Land, in dem das Recht auf Waffen relevanter ist als die Förderung von Bildung und Kultur, ständige Budgetprobleme haben und um ihr Bestehen kämpfen müssen. Die Schilderungen der Spendensammlungsaktivitäten sind interessant, auch die lokalen Informationen lesen sich unterhaltsam. Eine weitere erfreuliche Komponente sind die historischen Informationen über Andrew Carnegie, mir bislang nur als rücksichtsloser Geschäftsmann bekannt, der Anfang des 20. Jahrhunderts unzählige Bibliotheken finanziert hat. Insofern las ich den Anfang des Buches mit Vergnügen. Wir begleiten Angelina, die ihre Doktorarbeit über die Carnegie-Bibliotheken schreiben möchte und auch familiäre Bezüge zu der Kleinstadt hat, in die sie nun fährt. Hier hoffte ich auf eine lesenswerte Reise in die Kleinstadtgemeinschaft, die Geschichte der Bibliotheken und war auch gespannt auf die Geschichten der anderen beiden Protagonistinnen.
Diese Hoffnung wurde leider enttäuscht. Alle drei Hauptcharaktere, Angelina, Traci und Gayle, berichten als Ich-Erzählerinnen. Es gibt keine Unterschiede in ihrer Sprache, sie klingen alle drei gleich. Dies ist schon das erste Anzeichen dafür, dass die Autorin nicht über literarisches Können verfügt. Gayle bleibt zudem das ganze Buch hindurch blass, ihre Abschnitte sind wesentlich kürzer als die der anderen beiden und sie trägt so wenig zur Geschichte bei, dass sie auch einer der zahlreichen austauschbaren Nebencharaktere sein könnte. Das ist schon deshalb erstaunlich, weil ihre Geschichte – ihre Stadt wird durch einen Tornado zerstört – eigentlich neben Angelinas Dissertation der Aufhänger des Buches und des Klappentextes ist. Das Thema kommt aber dann so gut wie gar nicht vor und wurde völlig verschenkt. Es scheint oft, als ob die Autorin sich nicht für ein Thema entscheiden konnte, sie packt alles mögliche ungeordnet in das Buch hinein, erzählt ohne roten Faden. Hätte sie sich auf ihre Kernthemen konzentriert und diese mit ein wenig Tiefe behandelt, wäre es ein tolles Buch geworden. Hätte sie ihre mehreren kleinen Geschichten so gut verknüpft, dass diese ein harmonisches Ganzes ergeben hätten, wäre es ebenfalls ein tolles Buch geworden. Hier schlägt aber das mangelnde literarische Können wieder zu. Das Buch verzettelt sich in seinen Geschichtchen und Charakteren. Eine Nebenperson wird ausgiebig eingeführt und taucht dann nur noch als Name wieder auf. Irrelevante Kleinigkeiten werden detailliert geschildert, wichtige Themen mit der Seichtigkeit einer Vorabendserie abgefrühstückt. Das paßt alles nicht zusammen.
Eine Grundregel guten Schreibens ist „Zeigen, nicht erzählen.“ Diese Grundregel wird hier unablässig gebrochen. Angelina und Traci begegnen sich kaum, wechseln ein paar Sätze miteinander und plötzlich erklärt uns die Autorin durch Traci, dass zwischen den beiden die tiefste innigste Freundschaft bestehe. Man liest es und wundert sich. Auch Liebesbeziehungen entstehen aus dem Nichts. Da wird dem Leser eben mitgeteilt, dass sich diese Leute umgehend verliebt haben. Nachvollziehbar ist das alles nicht. Nachvollziehbar sind auch die Zeitangaben nicht. Das Buch beginnt mit einem Zeitungsausschnitt, der zeigt, dass es 2008 spielt. Plötzlich aber wird – im gleichen Sommer – der 40. Geburtstag einer 1971 geborenen Person gefeiert. Im Jahre 2008? Viele Altersangaben wirken generell wenig plausibel.
Auch die Übersetzung ist kein Glanzstück und enthält grobe Schnitzer. Da wird „it touched me“ mit „es fasste mich an“ anstelle von „es rührte mich“ übersetzt. Ein markanter Ausguck wird zu einem prominenten Ausguck, weil das englische Wort „prominent“ falsch übersetzt wurde. „Imagine“ wird zu „imaginieren“, was wenigstens nicht falsch, aber dafür schlecht übersetzt ist. Ich habe hier sehr oft den Kopf geschüttelt.
Das Ende des Buches wird mit einer dicken Schicht aus quietschrosa Zuckerguss überdeckt – ein überzogenes Happy End folgt dem nächsten. Hier wird dermaßen übertrieben, dass es schon albern ist. Der Aufhänger des Buches wird dann noch rasch und knapp abgehandelt und hätte ein schönes Ende ergeben, wenn es nicht so nebenbei – und unrealistisch – geschehen wäre. So war das Buch leider eine Enttäuschung, insbesondere weil aus dieser Geschichte so viel hätte gemacht werden können. Es ist nämlich nicht per se ein schlechtes Buch. Immer, wenn es sich den Kernthemen zuwendet, ist es erfreulich, die lokalen und geschichtlichen Informationen (die viel zu kurz kommen) sind absolut lesenswert, auch die Kulturarbeit und die Symbolik des Quiltens passen gut ins Buch. Nur werden diese positiven Punkte durch zu viele Kritikpunkte überdeckt. Schade.