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Veröffentlicht am 18.12.2016

Die Wissenschaft vom Glauben

Warum wir (an Gott) glauben
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J Anderson Thomson beschreibt hier, wie man mit Hilfe von Erkenntnissen aus Evolutionspsychologie und Gehirnwissenschaft erklären kann, warum die Menschheit so sehr zu Religiosität neigt. Denn schließlich ...

J Anderson Thomson beschreibt hier, wie man mit Hilfe von Erkenntnissen aus Evolutionspsychologie und Gehirnwissenschaft erklären kann, warum die Menschheit so sehr zu Religiosität neigt. Denn schließlich hat jede bekannte menschliche Gesellschaft zumindest eine gewisse Form von übernatürlichem Glaubenssystem entwickelt.
Seiner Meinung nach handelt es sich bei der Religion um ein Nebenprodukt von Anpassungen die im Laufe der Evolution entstanden sind, um das Zusammenleben in sozialen Verbänden zu erleichtern. (Ähnlich wie unsere Vorliebe für Fast Food ein Nebenprodukt von Anpassungen ist, die es unseren Vorfahren erleichterten, an ausreichende Mengen nährstoffreicher Nahrung zu gelangen.)

Auf nur 160 Seiten führt er nun eine Vielzahl von geistigen Mechanismen an – wie etwa das Bedürfnis nach Bindung, hyperaktive Akteuererkennung, Theorie des Geistes etc - und erklärt, wie sie funktionieren, warum diese uns beim Überleben halfen und wie sie schließlich religiöses Verhalten begünstigten.
Die Ausführungen sind allgemein verständlich und werden durch das Anführen vieler Beispiele und interessanter Experimente anschaulich. Es gelingt dem Autor, die Hintergründe der Religiosität zu entlarven und viele spannende Zusammenhänge aufzuzeigen.

Zwar hat mir ein bisschen der rote Faden gefehlt und manche Stelle gerät doch etwas trocken, insgesamt ist dieses Werk aber empfehlenswert. Obwohl zu manchen Punkten sicher auch abweichende Meinungen möglich sind, enthält es jedenfalls viele anregende Denkansätze.
Auch die Aufmachung gefällt mir, vor allem das Glossar am Ende, an Hand dessen man den Inhalt gut Revue passieren lassen kann.

Sicher würde sich dieses Thema für ein bedeutend umfangreicheres Buch eignen, gerade die relativ geringe Seitenzahl dürfte aber den Vorteil haben, dass auf diese Weise Leute, die einem dicken wissenschaftlichen Werk eher mit Skepsis begegnen, nicht abgeschreckt werden.

Veröffentlicht am 18.12.2016

Die Verbrechen des Jurek Walter

Der Sandmann
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Seit 13 Jahren sitzt Jurek Walter unter strenger Isolation im Sicherheitstrakt der Gerichtspsychiatrie. Er gilt als schlimmster Serienmörder in Schwedens Geschichte.
Da taucht eines Tages plötzlich eines ...

Seit 13 Jahren sitzt Jurek Walter unter strenger Isolation im Sicherheitstrakt der Gerichtspsychiatrie. Er gilt als schlimmster Serienmörder in Schwedens Geschichte.
Da taucht eines Tages plötzlich eines seiner mutmaßlichen Opfer auf – lebend.
Mikael Kohler-Frost, der 13 Jahre zuvor als Zehnjähriger zusammen mit seiner jüngeren Schwester entführt und vor sieben Jahren für tot erklärt worden war, irrt über eine verschneite Eisenbahnbrücke.
Wer ist der seltsame „Sandmann“, der ihn all die Jahre gefangen hielt?
Kommissar Joona Linna hegte schon immer den Verdacht, dass Jurek einen Komplizen hatte. Wird es dem Ermittlerteam jetzt endlich gelingen, den Fall restlos aufzuklären und mögliche weitere Opfer zu retten? Sie entschließen sich zu einem riskanten Manöver.
Für Joona hat das Ganze auch eine sehr persönliche Komponente, lag es doch an Jurek, dass er sich von seiner Familie trennen musste.

„Der Sandmann“ ist ein flott erzählter und spannender Thriller, der mit einiger Dramatik, rasanten Actionszenen und teilweise überraschenden Wendungen aufwartet und den Leser durchaus zu fesseln versteht.

Um das Buch wirklich genießen zu können, darf man allerdings keine allzu hohen Anforderungen an den Realismus stellen und muss bereit sein, über einige Ungereimtheiten hinwegzusehen.
Vor allem die Darstellung des Jurek Walter fand ich reichlich übertrieben. Er scheint geradezu ein Genius des Bösen zu sein, ist mühelos in der Lage, sämtliche Menschen zu manipulieren, durchschaut sofort jede Situation, ist den anderen immer einen Schritt voraus und verfügt nebenbei auch noch, obwohl er schon ein älterer Herr ist und nach jahrelanger Haft, über überdurchschnittliche physische Kräfte. Das war einfach zu viel „des Guten“, sollte wohl ein besonders dramatisches Bedrohungsszenario konstruieren, wirkte aber teilweise beinahe lächerlich.
Auch sonst passt einiges nicht zusammen – Mikael ist nach langer Gefangenschaft unter schlimmsten Bedingungen in erstaunlich gutem Gesundheitszustand, die Verantwortlichen der Gerichtspsychiatrie agieren oftmals geradezu himmelschreiend fahrlässig, etc – und zum Ende hin hatte ich überhaupt den Eindruck, dass die Logik oftmals der Dramatik geopfert wird.

Bis zu einem gewissen Grad muss man bei Büchern dieses Genres aber eben mit derartigem rechnen. Daher vergebe ich dennoch vier Sterne, denn gut geschrieben ist der Roman allemal.

Veröffentlicht am 04.12.2016

Der Henker und der Medicus

Die Henkerstochter (Die Henkerstochter-Saga 1)
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Schongau, 1659: Als tote Kinder mit seltsamen Zeichen auf dem Rücken gefunden werden und noch weitere eigenartige Dinge geschehen, gelangen die Bewohner mehr und mehr zu der Überzeugung, dass hier Zauberei ...

Schongau, 1659: Als tote Kinder mit seltsamen Zeichen auf dem Rücken gefunden werden und noch weitere eigenartige Dinge geschehen, gelangen die Bewohner mehr und mehr zu der Überzeugung, dass hier Zauberei im Spiel sein muss. Schnell gerät die Hebamme Martha Stechlin in Verdacht, eine Hexe zu sein. Der Henker Jakob Kuisl soll mittels Folter ein Geständnis von ihr erzwingen. Doch er glaubt nicht an die Schuld der alten Frau und macht sich gemeinsam mit dem Medicus Simon Fronwieser daran, die wahren Hintergründe aufzudecken.

Zwar ist diese Ausgangssituation vielversprechend, ich hatte allerdings zu Beginn gewisse Schwierigkeiten, in die Geschichte hineinzukommen, was vor allem an dem (zu) häufigen Wechsel der Erzählperspektive lag.
Auch wird durch den „Kriminalfall“ nicht wirklich viel Spannung aufgebaut, man kann schon früh erkennen, wer hinter der ganzen Sache steckt, wenngleich erst am Ende sämtliche Zusammenhänge aufgedeckt werden.

Ein weiterer Kritikpunkt besteht darin, dass die Titelheldin, die Henkerstochter Magdalena Kuisl, in Wahrheit nur eine Nebenrolle spielt. Da drängt sich der Verdacht auf, dass dieser „weibliche“ Titel vom Verlag vor allem aus Marketinggründen gewählt wurde.

Nichtsdestotrotz ist der Roman aus historischer Perspektive sehr gelungen. Wie aus dem Nachwort hervorgeht, ist der Autor sogar ein echter Nachfahre der Kuisls, bei denen es sich tatsächlich um eine berühmte Henker-Dynastie gehandelt hat.
In diesem Buch, für das er auch auf das Privatarchiv von an Ahnenforschung interessierten Familienmitgliedern zurückgreifen konnte, kann man vieles über das Leben in einer Stadt der frühern Neuzeit, den damaligen Stand der Medizin und vor allem auch über die Lebensumstände und den Tätigkeitsbereich des Henkers erfahren. Schließlich handelt es sicher hierbei um einen Berufsstand, der in historischen Romanen in der Regel keine besonders große und erst recht keine besonders sympathische Rolle spielt.

Zwar wirkt Kuisl schon fast ein bisschen zu gut und schlau und überlegen und der Autor hat sich sicherlich die eine oder andere dichterische Freiheit erlaubt, die Lektüre gestaltet sich aber jedenfalls unterhaltsam und interessant.

Veröffentlicht am 04.12.2016

Schicksale im hohen Norden

Töchter des Nordlichts
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Dieser Roman erzählt von zwei Frauen auf der Suche nach ihrer Identität.
Finnmark, 1915: Die glückliche Kindheit der neunjährigen Samin Ailu findet ein jähes Ende, als sie zwangsweise in ein Internat eingewiesen ...

Dieser Roman erzählt von zwei Frauen auf der Suche nach ihrer Identität.
Finnmark, 1915: Die glückliche Kindheit der neunjährigen Samin Ailu findet ein jähes Ende, als sie zwangsweise in ein Internat eingewiesen wird, wo samische Kinder zu „richtigen“ Norwegern erzogen werden sollen. Noch Jahre später nagt das Gefühl, nirgendwo richtig dazuzugehören, an ihr.
Oslo, 2011: Nora hat erst vor kurzem erfahren, dass ihre Mutter ihr die Wahrheit über ihren Vater lange verschwiegen hat. Im hohen Norden lernt sie schließlich ihre samischen Verwandten kennen. Von vielen wird sie freundlich aufgenommen, muss aber auch mit heftiger Ablehnung zurecht kommen.

Diese beiden Geschichten werden jeweils abwechselnd erzählt, wodurch durchaus eine gewisse Spannung entsteht.
Die Handlung ist allerdings oftmals vorhersehbar und es sind einige unrealistische oder zumindest unwahrscheinliche Wendungen eingebaut. Es wird viel Platz auf die Schilderung des Innenlebens der Protagonistinnen verwendet, was es zwar leicht macht, sich in sie hineinzuversetzen, teilweise werden ihre Gedankengänge aber ein bisschen zu ausführlich dargestellt. Vor allem Noras ständige Grübeleien und Selbstvorwürfe werden mit der Zeit etwas langweilig.

Dafür kann dieses Buch aber mit interessanten Informationen zur Lebensweise der Sami und den Problemen der samischen Minderheit in Norwegen, sowie mit anschaulichen Landschaftsbeschreibungen punkten.

Veröffentlicht am 04.12.2016

Aufdeckung eines Familiengeheimnisses

Das Bienenmädchen
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Inspiriert von ihrem Vater, der sich vor seinem Tod sehr für einen ihr bisher unbekannten Onkel namens Rafe Ashton interessiert hatte, beschließt Lucy spontan, ein paar Tage in dem kleinen Ort St Florian ...

Inspiriert von ihrem Vater, der sich vor seinem Tod sehr für einen ihr bisher unbekannten Onkel namens Rafe Ashton interessiert hatte, beschließt Lucy spontan, ein paar Tage in dem kleinen Ort St Florian zu verbringen, wo ihre Großmutter einen Teil ihrer Jugend verbracht hatte, und dort Nachforschungen über ihre Familiengeschichte anzustellen. Sie lernt Beatrice, eine Jugendfreundin ihrer Großmutter Angelina, kennen. Diese erzählt von ihrem Leben, und diese kurz vor und vor allem während des Zweiten Weltkriegs angesiedelte Geschichte hat viel Drama und – trotzdem einige Entwicklungen und Zusammenhänge früh erahnbar sind – einige Spannung zu bieten.

Der Roman handelt abwechselnd von Lucys Erlebnissen in St Florian und Beatrices Lebensgeschichte, wobei letztere zunehmend den größeren Raum einnimmt. Sie ist – trotz mancher Längen – auch der interessantere Teil.
Man kann Beatrices Entwicklung vom schüchternen, unsicheren Mädchen zu einer starken jungen Frau, die in ihrer Einsatzbereitschaft für ihr Land großen Mut beweist, gut verfolgen, und bei all den Tragödien, die sie erlebt, mit ihr mitfühlen. Auch Angelina und ihre Familie sind nachvollziehbar gezeichnet. Sie wirken zwar nicht immer sonderlich sympathisch, man kann aber doch auch verstehen, wie ihre Persönlichkeiten geformt wurden und wodurch sie zu einem bestimmten Verhalten veranlasst werden.
Zwar bleibt hier einiges offen und manche Fragen unbeantwortet, die Geschichte wird aber jedenfalls letztlich zu einem positiven, „versöhnlichen“ Ende geführt.

Der in der Gegenwart angesiedelte Handlungsstrang um Lucy wirkt dagegen teilweise etwas lieblos gestaltet und tritt mit der Zeit auch immer mehr in den Hintergrund. Zwar würde es hier durchaus ausbaufähige Ansätze geben, es wird ihnen aber einfach nicht genug Platz eingeräumt, um sich entfalten zu können.