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Veröffentlicht am 28.12.2022

Die ewige Stadt

Römische Tage
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Ein kleines Büchlein, aber nichts für Zwischendurch, dafür sind die heißen Römischen (Sommer)Tage zu anstrengend. Wir begleiten einen jungen Mann nach Rom, um die Sommermonate dort mit ihm zu verbringen. ...

Ein kleines Büchlein, aber nichts für Zwischendurch, dafür sind die heißen Römischen (Sommer)Tage zu anstrengend. Wir begleiten einen jungen Mann nach Rom, um die Sommermonate dort mit ihm zu verbringen. Er lässt sich durch die Stadt treiben, denkt an die Berühmtheiten, die vor ihm dort waren.

Simon Strauss beschreibt die ewige Stadt sehr detailreich mit allem, was er bzw. der junge Besucher wahrnimmt, die Gebäude und Statuen, die Straßen und Plätze, die Leute mit ihren Problemen. Er wechselt zwischen Vergangenheit und Gegenwart, schafft ein Gesamtbild einer Stadt, die den Zahn der Zeit nicht zu fürchten braucht. Zwischendrin platziert er ein Stück Gesellschaftskritik.

Römische Tage ist kein typischer Roman mit handelnden Personen und Spannungsbogen, nein, dieser Roman entsteht durch die Beobachtungen und Gedanken einer einzelnen Person. Ich glaube, das Ganze lässt sich besser nachvollziehen, wenn man selbst schon mal in Rom war und das Flair der Stadt in sich aufnehmen konnte. Ich selbst tue mich schwer mit dieser Auseinandersetzung. Viele der Orte sind mir nicht bekannt, so dass die darin liegende Schönheit nicht direkt offensichtlich ist. Darüber hinaus hatte ich bald vergessen, dass hier ein junger Mann die ewige Stadt besucht. Ich hatte beim Lesen eher den Eindruck als würde jemand in der Midlifecrisis oder noch älter hier erzählen, als hätte Rom ihn jeden Tag altern lassen.

Insgesamt ist es mir schwergefallen, überhaupt einen Zugang zum Roman zu finden. Die meiste Zeit wahr das Lesen für mich eine langatmige Angelegenheit. Eine Empfehlung kann ich leider nicht aussprechen.

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Veröffentlicht am 28.06.2021

Friedrich Ani kann es besser

Letzte Ehre
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Oberkommissarin Fariza Nasri ist die treibende Figur in diesem Roman. Sie bringt die Ermittlungen durch ihre taktisch kluge Befragung von Zeugen voran. So wird hier vorgetäuscht gleichzeitig, aber in Wirklichkeit ...

Oberkommissarin Fariza Nasri ist die treibende Figur in diesem Roman. Sie bringt die Ermittlungen durch ihre taktisch kluge Befragung von Zeugen voran. So wird hier vorgetäuscht gleichzeitig, aber in Wirklichkeit sequenziell an drei Fällen gearbeitet. Einer davon ist das Verschwinden der siebzehnjährigen Finja Madsen, die nach einer Party nicht wieder zurück nach Hause gekommen ist. Thematisch bewegen sich die drei Fälle im Bereich des sexuellen Missbrauchs von Mädchen bzw. Frauen. Schon allein durch die thematische Abgrenzung hat es der Roman schwer.

Hinzu kommt die mühsam aufgebaute Spannung, die durch die Anordnung der Fälle schnell wieder erstickt wird. Hier wird nicht wie sonst oft gebräuchlich zwischen den verschiedenen Personen eines Ermittlungsteams hin- und hergeschwenkt, sondern viel aus der Innensicht von Fariza Nasri erzählt. So ergibt sich lediglich ein Mix aus Vernehmungen durch die Oberkommissarin und den anschließenden Gedanken ebendieser. Für eine Oberkommissarin ist Fariza Nasri meinem Empfinden nach auch nicht besonders vielseitig unterwegs. Von Vernehmungen in Zimmer 214 im Kommissariat geht es zu einer Befragung ins nahegelegene Gefängnis und wieder zurück. Mag sein, dass dies eher der Realität entspricht, dem Roman wird dadurch eine gewisse Trägheit verliehen. Wenn es denn einen Zusammenhang zwischen den drei Fällen geben sollte, hätte ich mir diesen deutlicher herausgearbeitet gewünscht.

Vorteilhaft ist lediglich, dass die Leserschaft Oberkommissarin Fariza Nasri, die auch schon in „All die unbewohnten Zimmer“ ermittelt hatte, näher kennen lernen durfte. Natürlich hat auch sie so ihre privaten und dienstlichen Probleme, die ganz gern im Alkohol ertränkt werden. Typischer Fall von Ermittlerin mit Knacks weg. Nicht verstanden habe ich dabei die Einschübe zu Tim Gordon, der selbst oder dessen Vater im Vorgängerroman einen Disput mit der Oberkommissarin hatte. Auch hier fühlte ich mich vom Autor nicht gut abgeholt. Ohne die Erklärung am Ende des Romans wäre diese Tatsache ganz an mir vorbei gegangen.

Summa summarum ist mir Friedrich Ani zu unscharf in seiner Ausarbeitung, nicht präzise genug. Ich kann gar nicht genau die Zusammenhänge wiederherstellen, obwohl ich mich stark auf diesen Roman konzentriert habe. Besonders enttäuscht hat mich die schlechte inhaltliche Korrektur. Die Nebenfigur des Streifenpolizisten heißt mal Marc-André Hagen, mal Marco Hagen und dann einfach nur
Hagen, wo im ganzen Roman die Figuren mit Vornamen oder mit Vor-und Zunamen bezeichnet werden. Ein zwei Ausrutscher kann ich mit einem Schmunzeln locker verzeihen, wenn es wie hier stetig hin- und herwechselt, geht es mir auf die Nerven.

Da ich auch „All die unbewohnten Zimmer“ kenne und auf Basis dieser Leseerfahrung eine gewisse Erwartungshaltung hatte, kann ich „Letzte Ehre“ nicht weiterempfehlen. Insgesamt hat mich dieser Roman enttäuscht.

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Veröffentlicht am 17.03.2021

Undurchdringlich für mich

Die Fremde
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In ihrem autofiktionalen Roman erzählt uns Claudia Durastanti von sich und ihrer Familie. Dreh- und Angelpunkt der Fremden sind die gehörlosen Eltern, doch die Geschichte beginnt schon viel früher mit ...

In ihrem autofiktionalen Roman erzählt uns Claudia Durastanti von sich und ihrer Familie. Dreh- und Angelpunkt der Fremden sind die gehörlosen Eltern, doch die Geschichte beginnt schon viel früher mit den provinziell geprägten Großeltern, die in Teilen recht überfordert mit der körperlichen Einschränkung ihrer Kinder sind. So lernen die Eltern der Protagonistin lediglich ein eingeschränkt normales Familienleben kennen, aus dem folgerichtig die unstete Familiensituation der Protagonistin resultiert.

In einer recht sprunghaften Erzählweise versucht die Autorin die Ursache-Wirkungs-Ketten, die ihr Leben und Fühlen beeinflusst haben, den Leser*innen transparent zu machen. Wie lernt ein Kind das Sprechen, wenn die Eltern gehörlos und damit im Sprechen mindestens stark eingeschränkt sind? Was bedeutet es für so ein Kind, in ein Land mit anderer Sprache umzuziehen? Wie kann ein Kind Selbstbewusstsein entwickeln, wenn die Eltern, das was sie besonders macht, verstecken? Wie soll ein Kind Gefühle einordnen, wenn Eltern diese weder vorleben noch mit eigenen Worten erklären können? Daraus ergibt sich ein grundsätzlich interessanter Lesestoff, durch den ich als nicht Betroffene andere Lebenswirklichkeiten kennen lernen kann.

Zugegebenermaßen ist diese Autofiktion außergewöhnlich, weil für Außenstehende eigentlich unbegreiflich. Nachvollziehbar ist die Fixierung der Protagonistin auf Literatur, Film und Fernsehen, sowie Musik. Nur hier erfährt sie unverfälschte Sprache, je nach Genre auch sehr schöne Sprache. Da ihre Familie allerdings nicht nur sprachlich, sondern durch die zerrütteten Verhältnisse auch emotional eingeschränkt ist, fehlt der Protagonistin diesbezüglich Orientierung. Dahingehend eine Wahrheit medial auszumachen, finde ich extrem schwierig. So bleibt sie letztlich irgendwie verloren. Die im Klappentext angekündigten, euphorischen Geschichten einer wilden italoamerikanischen Familie in den Sechzigern bis ins gegenwärtige London konnte ich leider nicht erkennen. In meiner Wahrnehmung durchzog den Roman eine eher depressive Stimmung, versöhnlich wurde es erst zum Ende hin.

Die wechselhafte Art der Aufbereitung mit Gedankensprüngen zwischen diversen Zeitebenen, Erlebnissen, Personenkreisen und Orten machte es mir schwer, Freude beim Lesen zu empfinden. Ich konnte das dominierende Thema des Romans, fremd zu sein, spüren, hatte aber Mühe, mich zum Weiterlesen zu motivieren. Zudem war es zunehmend anstrengend, mich mit den gefühlt unendlichen Anspielungen auf Filme und Songtexte auseinanderzusetzen. Das war mir einfach zu viel, wirkte auf mich überladen.

Ich kann leider keine Leseempfehlung aussprechen.

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Veröffentlicht am 09.02.2021

Ich bin enttäuscht

DAVE - Österreichischer Buchpreis 2021
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Syz, der Protagonist der Geschichte, ist ein Programmierer, der im sogenannten Labor lebt und arbeitet. Das Labor ist ein riesiges, von der Außenwelt abgeschottetes, fünfstöckiges Gebäude. Gleichzeitig ...

Syz, der Protagonist der Geschichte, ist ein Programmierer, der im sogenannten Labor lebt und arbeitet. Das Labor ist ein riesiges, von der Außenwelt abgeschottetes, fünfstöckiges Gebäude. Gleichzeitig verkörpert es eine kastenähnliche Gesellschaftsordnung, in der sich Reinigungspersonal und Ärzte in derselben, wenig Ansehen genießenden Ebene wiederfinden. Entwickler, wie Syz, sind gehobene Mittelschicht. Erstrebenswert ist eine Karriere als Wissenschaftler der Dave-Forschung. Nur so ist ein Aufstieg nach ganz oben möglich. Abgerundet wird die Gesellschaftsform durch totale Überwachung.

Syz ist in seinem Tagesgeschäft damit beschäftigt, die KI Dave mit Scripts zu versorgen, die für deren alltägliche Entscheidungen „Nagel in die Wand schlagen“ benötigt werden. Gemeinsam mit hunderten Kollegen haut er wie ein Hacker den ganzen Tag in die Tasten. Dabei sitzen sie dermaßen dicht beisammen, dass der Vergleich mit einer Legebatterie bemüht werden kann. Gegessen wird nur, um das Bewusstsein nicht aufgrund eines Schwächeanfalls zu verlieren. Nach der Arbeit studiert er, schlafen tut er kaum. Sein Ziel ist der Aufstieg.

Neben der laufenden Story ist der Roman wohl eine Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten und Gefahren von KI an sich. Leider kam dies nur schwerlich und unkomfortabel bei mir an. Gehemmt wurde mein Vergnügen durch einen Schreibstil, der an das Aussieben von würdigen Student*innen beim Studium erinnert, durch Widersprüchliches sowie schiere Überladung. Raphaela Edelbauer kombiniert Begriffe aus Kunst und Musik mit eigenen Wortschöpfungen und IT-Vokabular in einem bunten, absolut unüblichen Reigen. Die Autorin arbeitet mit extremen Bildern, allen voran dem der durch Überbevölkerung unbewohnbaren Erdoberfläche. Andere Beispiele sind die schlimme Kindheit des Protagonisten und die Beinahe-Katastrophe zu Beginn des Romans. Ein gravierendes Bild nach dem anderen wird einem vor die Füße geworfen und dann nicht mehr weiter verfolgt. So findet in meiner Wahrnehmung kaum eine Entwicklung der Charaktere und der Geschichte selbst statt. Widersprüchlich empfand ich Aussagen zu gefühlt winzigen Speicherbedarfen zur vollständigen Abbildung von komplexen Vorgängen im menschlichen Körper. In anderen Szenen können dann die leistungsfähigsten Computer einfach so herumgetragen werden. Warum lässt man sie nicht stehen und koppelt sie im Netzwerk? Während manches für mich Zukunftsmusik ist, erscheint mir andres bezogen auf heute rückständig. Eine zeitliche Einordnung ist somit unmöglich. Insgesamt leidet das große Ganze. Kaum hat man den Eindruck, sich in diesem Geschehen orientiert zu haben, kommt etwas anderes ins Spiel und die Spur verliert sich wieder.

Das Lesen war für mich ein stetes Auf und Ab, eine Achterbahn aus Mutmaßungen und immer wieder neuen Theorien, die mir durch den Kopf schwirrten. Den erwähnten Gedankenexperimenten und Memotechniken habe ich mich gern hingegeben, aber einen echten roten Faden konnte ich leider nicht ausmachen.
Ich mag Sciencefictionliteratur bzw. Utopien immer dann sehr gern, wenn der Plot so entwickelt ist, dass ich mir grundsätzlich vorstellen kann, genau so anders als unsere könnte eine Gesellschaft auch sein oder werden. Dabei darf es auch gern extrem sein. Dazu ist allerdings ein gewisses Maß an nachvollziehbarer Herleitung notwendig, was ich hier schmerzlich vermisst habe. Vielleicht hätte man diesen Roman mit „Willkommen in meinem Memory Palace“ überschreiben sollen, dann hätte ich weniger KI erwartet.

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Veröffentlicht am 06.02.2020

Interessanter Historischer Roman mit Schwächen

Quintus und der Feuerreiter
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Ich habe diesen 3. und letzten Teil der Serie „Quintus - Das Leben eines Hochbegabten“ gelesen, ohne die beiden Vorgängerbände zu kennen. Rückblickend kann ich das nicht empfehlen, da mir der Einstieg ...

Ich habe diesen 3. und letzten Teil der Serie „Quintus - Das Leben eines Hochbegabten“ gelesen, ohne die beiden Vorgängerbände zu kennen. Rückblickend kann ich das nicht empfehlen, da mir der Einstieg in den Roman sehr schwer gefallen ist. Es dauerte über 150 Seiten, bis ich mich einigermaßen zurechtfinden konnte. Ich war kurz davor aufzugeben, was mir eigentlich widerstrebt. Glücklicherweise habe ich dennoch durchgehalten und so die zwar mit Schwächen durchsetzte, aber doch sehr interessante Lektüre irgendwie genossen.

Gefallen hat mir die offensichtlich gute historische Recherche und in der zweiten Buchhälfte auch die Verbindung des Historischen mit der privaten Geschichte von Quintus Schneefahl. Besonders gemocht habe ich die Kapitel, die sich mit den angenommenen Mädchen und ihrer Förderung durch Quintus beschäftigen. Tragisch, weil irgendwie erschreckend und Angst einflößend, ist für mich persönlich die zufällige Gleichzeitigkeit meiner Lektüre mit der Ministerpräsidentenwahl von Thüringen im Februar 2020.

Nicht ganz so gut gefallen hat mir, der für den Einsteiger bzw. der zumindest für mich fehlende Rote Faden im 1. Drittel. Der Wechsel zwischen historischem Bericht und Schneefahls Privatleben erfolgte in diesem Abschnitt ungünstig für mein Leseverständnis. Immer, wenn ich dachte, „so langsam verstehe ich“, kam der Wechsel und ich war wieder raus. Im Verlauf nahm dieses Hemmnis ab, wodurch es mir besser gelang, der Geschichte zu folgen.
Interessant, aber doch auch merkwürdig oder besser gesagt ungewöhnlich fand ich die Realisierung der Liebesgeschichte aus der Sicht von Quintus, aus der Perspektive eines Mannes und den damit verbundenen Prioritäten und Schwerpunkten. Dabei habe ich das Rollenverständnis zu Zeiten der Weimarer Republik als glaubwürdig empfunden. Von der Persönlichkeit eines Hochbegabten hatte ich mir mehr Konfliktpotenzial erhofft. Aufgrund der Beschreibung des Romans hatte ich deutlich mehr Schwächen bezüglich seiner Sozialkompetenz erwartet.

Sprachlich kam ich gut zurecht mit dem Stil von Thomas Persdorf. Stutzig machten mich nur von Zeit zu Zeit auftretende Formulierungen wie, „... wie es eben damals üblich war ...“ oder „... des schon damals berühmten Berliner Zoos ...“. Damit kehrt Thomas Persdorf ins kurzzeitig ins heute zurück, obwohl der Leser gerade mitten in der Historie unterwegs ist. Gern verzeihe ich das etwas höhere Auftreten von Rechtschreibfehlern. Das passiert manchmal auch den großen Verlagen.

Trotz der aufgeführten Schwächen respektiere ich die Arbeit, die der Autor in diesen historischen Roman gesteckt hat. Es ist regelrecht zu spüren, mit welchem Ehrgeiz, mit welcher Leidenschaft und Engagement Thomas Persdorf ans Werk gegangen ist.

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