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Veröffentlicht am 10.02.2020

Gesellschaftliche und politische Konflikte in Frankreich

Die Wilden - Familientreffen
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Bei diesem knapp 300 Seiten starken Buch handelt es sich um den dritten Teil des Roman-Zyklus "Die Wilden". Im Mittelpunkt dieses Romans stehen die politischen und gesellschaftlichen Konflikte im heutigen ...

Bei diesem knapp 300 Seiten starken Buch handelt es sich um den dritten Teil des Roman-Zyklus "Die Wilden". Im Mittelpunkt dieses Romans stehen die politischen und gesellschaftlichen Konflikte im heutigen Frankreich. Der aus Algerien stammende Idder Chaouch ist ein charismatischer Präsidentschaftskandidat und wird am Tag seiner Wahl Opfer eines Mordanschlags, überlebt jedoch und der Attentäter, ein Algerier, wird schnell gefasst. Es entsteht ein gesellschaftliches Pulverfass.

Zu Beginn des Buches wird der Stammbaum der im Mittelpunkt dieses Romans stehenden algerischen Großfamilie Nerrouche sowie die vorkommenden Personen vorangestellt. Besonders gelungen ist dann der nächste Abschnitt, der mit "Was bisher gschah" betitelt ist, und auf gut 5 Seiten die Geschehnisse aus den ersten beiden Büchern kurz zusammenfasst. Man weiß also sofort um was es geht.

Louatah's Sprache ist gut, auf den Punkt, präzise, bissig und bisweilen humorvoll. Seine diversen Erzählstränge führen am Schluss zu der Auflösung eines auf allerhöchster politischer Ebene gestrickten Mordkomplotts. Die politischen Machtverhältnisse, Intrigen und Absprachen erschrecken. Viel ergreifender ist aber die durch das Attentat ausgelöste gesellschaftliche Spaltung zwischen den Franzosen und den aus den Maghrebstaaten stammenden Menschen. Rassismus und Ausländerhass sowie die unterschiedlichen Glaubensrichtungen Christentum und Islam zerreißen die Gesellschaft fast. Dies wird plastisch und nachvollziehbar bei der Familie Nerrouche sichtbar. Fouad Nerrouche ist der Freund der Präsidententochter und ein beliebter und erfolgreicher Schauspieler. Da aber sein Bruder Nazir zum Staatsfeind Nr. 1 erklärt wird, da dieser als Drahtzieher des Attentats gilt, gerät auch er wie andere Familienmitglieder schnell unter Generalverdacht. Eben ist die Welt noch in Ordnung, und auf einmal steht alles Kopf. Wie erschreckend schnell rechte Gruppierungen doch plötzlich auch in einer Jahrzehnte langen Demokratie Aufwind bekommen, lassen einen schon nachdenken.

In Frankreich ist diese Trilogie äußerst erfolgreich, eine TV-Serie ist in Vorbereitung. Ich kann mir sehr gut vorstellen so etwas über Deutschland zu lesen.

Allerdings gibt es auch zahlreiche Passagen, die sich etwas ziehen und meiner Meinung nach nicht unbedingt nötig gewesen sind.

Wer sich für die politischen und gesellschaftlichen Konflikte in Frankreich interessiert, sollte diese Trilogie lesen. Daher kann ich dieses Buch empfehlen und gebe ihm gute 3 von 5 Sternen.

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Veröffentlicht am 10.02.2020

Mäßig spannemd, dennoch interessan!

Todeslügen
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Aus der Ich-Perspektive schauen wir Frankie Sheehan zu, wie sie versucht, in einem gut aufgebauten Lügengeflecht die Wahrheit heraus zu filtern. Die Tatorte werden genauestens untersucht, Sheehan versucht ...

Aus der Ich-Perspektive schauen wir Frankie Sheehan zu, wie sie versucht, in einem gut aufgebauten Lügengeflecht die Wahrheit heraus zu filtern. Die Tatorte werden genauestens untersucht, Sheehan versucht das Geschehen vor ihrem geistigen Auge ablaufen zu lassen. Es werden Personen aus dem Umfeld der Getöteten vernommen und schnell kristallisieren sich Verdächtige heraus. Doch die Spuren führen immer wieder ins Leere. Olivia Kiernan beschreibt die Ermittlungsarbeit, die Tatorte sowie die Umgebung und Atmosphäre sehr akribisch und detailreich, der Fortschritt der Untersuchung wird haarklein widergegeben. So hat man als Leser immer alles im Überblick. Doch die Lösung des Falles ist nicht so einfach. Parallelen zu den Morden aus der Vergangenheit werden deutlich. Sie gerät unter Druck, zumal auch polizeipolitische Erwägungen der Vorgesetzten ihr im Weg stehen. So muss sie sich näher mit dem Hennessy-Fall beschäftigen als ihr lieb ist und auch die Familie wird involviert. Dadurch kommen sehr schnell Zweifel hoch, ob Sean tatsächlich der Mörder war oder nicht. Hier spielt Olivia Kiernan geschickt mit uns Lesern. Ist Sean der Mörder und hat er was mit den aktuellen Fällen zu tun oder ist alles ganz anders? Das wird gekonnt dargestellt und umgesetzt. Dazwischen kommen immer wieder Szenen aus dem geplanten Dokumentarfilm über Hennessy vor, in denen man Rück- und Einblicke in Sean Hennessy´s Vergangenheit erhält und erfährt, welchem Schicksal er ausgesetzt war.
Die Protagonistin mit einem aus meiner Sicht männlichen Vornamen hat mich persönlich überzeugt. Auch ihr Partner Baz hat mir gefallen. Andere in der Ermittlergruppe blieben mir ein wenig zu blass. Vielleicht wird das in weiteren Büchern besser. Es handelt sich hier übrigens um den zweiten Fall um Frankie Sheehan.
Die Lösung des Falles hat mich doch positiv überrascht und ist auch nachvollziehbar. Was mir persönlich aber leider sehr gefehlt hat, war der überhaupt nicht vorhandene Spannungsbogen. Bis auf einige Schlussszenen gibt es aus meiner Sicht keine spannenden Aspekte. Für mich muss ein Krimi zumindest an einigen Stellen auch spannend sein. Das war hier leider nicht der Fall. Das ist schade, weil der Plot eigentlich interessant und die Ermittlungsarbeit gut dargestellt ist.
Wer einen spannenden Kriminalroman sucht, der sollte hier nicht zugreifen. Wer gute und solide Ermittlungsarbeit sowie Irland mag, der ist hier richtig. Wegen der guten Schreibweise, aber der fehlenden Spannung, gebe ich dem Buch immer noch gute 3 Sterne.

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Veröffentlicht am 22.04.2020

Nur Sieben Lügen

Sieben Lügen
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Mit einer kleinen Lüge fängt alles an. "Natürlich passt ihr gut zusammen, du und Charles", versichert Jane ihrer besten Freundin Marnie, auch wenn sie deren Verlobtem gegenüber insgeheim größtes Misstrauen ...

Mit einer kleinen Lüge fängt alles an. "Natürlich passt ihr gut zusammen, du und Charles", versichert Jane ihrer besten Freundin Marnie, auch wenn sie deren Verlobtem gegenüber insgeheim größtes Misstrauen hegt. Doch eine Lüge zieht bekanntlich weitere nach sich, und schon bald ist das Verhältnis der drei unwiederbringlich vergiftet. Stück für Stück gerät die Situation außer Kontrolle. Aus Unbehagen wird Verdacht, aus Verdacht Gewissheit - und aus Freundschaft eine tödliche Falle.
Was passiert, wenn man einmal lügt oder nicht ganz die Wahrheit sagt? Wer hat nicht schon einmal ein wenig geflunkert und sich nichts dabei gedacht? Aber was passiert, wenn eine Lüge unweigerlich aus einem bestimmten Grund weitere Lügen nach sich zieht und letztlich dieses Lügenkonstrukt in einer Katastrophe mündet? Genau das schildert die englische Autorin Elizabeth Kay in ihrem Thriller Sieben Lügen, erschienen im Bastei Lübbe Verlag.
Leider hält dieser gute und interessante Ansatz nicht das was er uns Lesern verspricht. Die Autorin schildert die ungemein tiefe und innige Freundschaft zweier Frauen in England, die sich bereits seit der Schulzeit und nunmehr 18 Jahre kennen. Vieles haben sie erlebt, sie haben gar zusammen gelebt. Jane ist die Hauptprotagonistin, die uns Leser vermeintlich anspricht und eine Geschichte erzählt. Wir erfahren viel über die Freundschaft der beiden, aber auch die triste Vergangenheit aus Jane`s Jugendzeit und ihr ehemals eher trauriges Leben in ihrer Familie. Sie erfährt wenig Liebe und daher ist Marnie, die zweite Hauptperson, ihr Anker und ihr Leuchtturm in ihrem Leben. Das verändert sich durch die Beziehungen zu Männern. Jane heiratet, verliert aber zu schnell ihren Mann durch einen Unfall. Und als Marnie mit Charles liiert ist, den Jane nicht leiden kann, beginnt allmählich durch die Lügen die Freundschaft zu bröckeln. Und wie der Klappentext bereits mitteilt, endet dies in einem Todesfall. Obwohl Jane mir anfangs recht sympathisch war, wird sie mir – wohl gewollt oder nicht – im Laufe der Geschichte immer unsympathischer. Die tragische Entwicklung von einer guten besten Freundin zu einer Soziopathin ist zwar gut beschrieben, aber leider nicht meinem Interesse entsprechend dargestellt. Ich fand viele Passagen leider nur suboptimal beschrieben, der Wechsel in die Vergangenheit mühselig. Die Autorin kann gut schreiben, das steht außer Frage, aber sie hat mich mit ihrer Geschichte einfach nicht abholen können. Das Ende des Buches hat mich positiv überrascht. Sehr weit gegen Ende des Buches wird enthüllt, wem Jane eigentlich die Geschichte erzählt. Ich hätte es aber besser gefunden, wenn der Leser gleich zu Beginn gewusst hätte, an wen Jane sich mit ihrer Geschichte wendet. Das hätte vermutlich mehr Spannung aufgebaut. Das Ende insgesamt fand ich dann auch eher unglaubwürdig. Die Schlussszene zeigt deutlich den Gemütszustand von Jane. Zwischendurch kommt ein wenig Wallung in das Buch als eine Zeitungsreporterin belastende und nervtötende Artikel über Marnie und Jane schreibt und Vermutungen über die beiden Todesfälle verbreitet und deren Ursachen im Stile eine Sensationsreporterin veröffentlicht. Allerdings gibt es hier keinen roten Faden. Die Reporterin taucht auf und wenn man denkt jetzt passiert etwas, taucht sie ohne jegliches Ergebnis wieder unter und meldet sich erst weitere Kapitel später wieder überraschend.
Meiner Meinung nach ist die Einteilung dieses Buches in die Kategorie Thriller zweifelhaft. Psychothriller könnte schon eher passen. Keine oder bis auf ganz wenige Ausnahmen keinerlei Spannung, zu viele Verzettelungen in die Vergangenheit und in die Psyche der Protagonistin. Die Idee eines Lügengeflechts und die tragischen Folgen als Themen sind das Positive an diesem Buch.
Ich kann dem Buch leider nicht mehr als 2,5 von 5 Sternen geben.

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Veröffentlicht am 10.02.2020

Nichts für zarte Gemüter!

Der Regisseur
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Der Klappentext sowie das Buchcover mit einer ängstlichen Frau hatten mich dazu bewogen, das Buch, das als Thriller angepriesen wird, näher anzusehen und zu lesen. Es geht um den italienischen, machbesessenen ...

Der Klappentext sowie das Buchcover mit einer ängstlichen Frau hatten mich dazu bewogen, das Buch, das als Thriller angepriesen wird, näher anzusehen und zu lesen. Es geht um den italienischen, machbesessenen und manipulativen Regisseur Vittorio Angelotti in den 1980er /Anfang 90er Jahre in Rom. Er ist dermaßen beliebt und für die Menschen anziehend, dass alle Personen um ihn herum ihn unkritisch betrachten und vergöttern. Er kann machen was er will, ihm sind keine Schranken gesetzt. Er geht dabei letztlich auch über Leichen.

Es gibt in dem Buch keine üblichen Kapitel. Vielmehr besteht das Buch wie in einem Film aus schnell aufeinander folgenden abwechslungsreichen Szenen, in denen unterschiedliche Personen dargestellt werden. Das ist etwas gewöhnungsbedürftig. Ich habe ein wenig gebraucht, um mich darauf einzustellen. Allerdings passt das sehr gut zum Buchtitel und zum Hauptprotagonisten.

Vittorio Angelotti ist ein überaus unsympathischer, abstoßender Charakter. Er springt mit seinen Mitmenschen nach Belieben um, wie es ihm gerade gefällt. Er will wie in einem Film auch in der Realität sein Leben filmisch gestalten. Er ist absolut respektlos und unverschämt, es berührt ihn in keiner Weise, wenn er anderen Menschen vor dem Kopf stößt und sie beleidigt. Das betrifft nicht nur den sozialen Umgang. Insbesondere in seinen sexuellen Gelüsten macht er vor keiner Person halt. Seine Haushälterin Maria wird einfach so „genommen“ wie auch deren 14jähriger Sohn Marco, zu dem er eine sexuelle Beziehung ohne Liebe aufbaut und ihn für sich gefügig macht. Die Autorin beschreibt zwar nicht völlig detailreich solche Szenen; jedoch werden hier die Dinge auch beim Namen genannt. Das ist nichts für zarte Gemüter und hat mir überhaupt nicht gefallen, ich empfand es als abstoßend. Im weiteren Verlauf der Geschichte kommt es auch zu homosexuellen Handlungen mit einem Kardinal mit einigen pikanten, aber kurzen Beschreibungen.

Angelotti ist ein im Grunde ein einsamer Mensch ohne jegliche Erfüllung. Diese sucht er in sexuellen Ausschweifungen sowie in dem Manipulieren seiner Mitmenschen. Das reicht ihm letztlich nicht aus und er beginnt sich auszumalen, ob er in einem Mord nicht seine höchste permanente Erfüllung finden könnte.

Die Autorin hat es hier geschafft, den Regisseur so abstoßend darzustellen, dass ich in keiner einzigen Minute auch nur einmal Mitgefühl mit ihm gehabt habe oder an seiner künftigen Entwicklung teilnehmen wollte. Das muss ein Autor erst mal schaffen. Und das war von ihr auch so gewollt.

Neben dem bedauernswerten Marco kommen noch drei weitere Frauen im Buch vor, eine 19jährige blonde Prostituierte, die in Angelotti vergeblich verliebte Drehbuchautorin Mia wie auch die tyrannisierte Hausfrau Giulia, die sich in verschiedenen Szenen den Tod ihres Ehemanns Bruno ausmalt. Alle Personen werden detailreich beschrieben. Aber ich konnte zu keiner einzigen Person eine Beziehung aufbauen, sie blieben für mich unnahbar und ich konnte deren Verhaltensweisen auch in keiner einzigen Situation annähernd nachvollziehen. Alle fühlen sich von Angelotti angezogen, alle finden ihn trotz bestimmter negativer Umstände immer noch interessant. Das habe ich nicht verstanden. Auch der oben genannte Kardinal blieb für mich ohne Glanz.

Der Schreibstil der Autorin ist gekonnt; sie konnte die einzelnen Filmszenen sehr detailreich darstellen; so war es mir möglich, mir die Abschnitte wie in einem Film vorzustellen.

In dem Buch kommt – in Kursivschrift dargestellt – auch ein bereits fertiger Film des Regisseurs vor, der für viel Kritik und Aufruhr sorgt. Dies diente offenbar auch dazu, den Charakter von Vittorio Angelotti weiter zu präzisieren. Ich empfand diese Abschnitte aber – leider – auch eher abstoßend mit den Folterszenen oder Tötungen, wobei aber hier vieles der Fantasie des Lesers überlassen wurde, es gab somit keine schockierenden Beschreibungen.

Leider hatte das Buch bis auf wenige Momente keinerlei Spannungselemente. Das Buch war für mich entgegen meiner Erwartungen eher langweilig. Es gibt sehr viele Passagen, in den Angelotti oder die weiteren Personen über ihre Schicksale nachdenken und wie daran etwas ändern können. Das geht bei Angelotti und dem Kardinal fast sogar ins Philosophische. Mich hat das aber leider überhaupt nicht interessiert und so musste ich mich quasi über jede Seite hinweg kämpfen.

Es handelt sich um keine einfache Lektüre, es provoziert ganz geschickt und überspitzt vieles Personen und Situationen. Es regt zum Nachdenken an, dass man solche negativen Menschen erkennt und trotz ihrer Stellung etwas entgegen setzen muss.

Mich konnte das Buch letztlich aber überhaupt nicht überzeugen. Die Hauptperson sowie die Nebencharaktere als auch die Geschichte an sich haben mir überhaupt nicht zugesagt. Trotz der eingangs erwähnten positiven Aspekte kann ich dem Buch daher leider aus meiner rein subjektiven Sicht nur 2 von 5 Sternen geben.

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