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Veröffentlicht am 10.02.2020

Nichts für zarte Gemüter!

Der Regisseur
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Der Klappentext sowie das Buchcover mit einer ängstlichen Frau hatten mich dazu bewogen, das Buch, das als Thriller angepriesen wird, näher anzusehen und zu lesen. Es geht um den italienischen, machbesessenen ...

Der Klappentext sowie das Buchcover mit einer ängstlichen Frau hatten mich dazu bewogen, das Buch, das als Thriller angepriesen wird, näher anzusehen und zu lesen. Es geht um den italienischen, machbesessenen und manipulativen Regisseur Vittorio Angelotti in den 1980er /Anfang 90er Jahre in Rom. Er ist dermaßen beliebt und für die Menschen anziehend, dass alle Personen um ihn herum ihn unkritisch betrachten und vergöttern. Er kann machen was er will, ihm sind keine Schranken gesetzt. Er geht dabei letztlich auch über Leichen.

Es gibt in dem Buch keine üblichen Kapitel. Vielmehr besteht das Buch wie in einem Film aus schnell aufeinander folgenden abwechslungsreichen Szenen, in denen unterschiedliche Personen dargestellt werden. Das ist etwas gewöhnungsbedürftig. Ich habe ein wenig gebraucht, um mich darauf einzustellen. Allerdings passt das sehr gut zum Buchtitel und zum Hauptprotagonisten.

Vittorio Angelotti ist ein überaus unsympathischer, abstoßender Charakter. Er springt mit seinen Mitmenschen nach Belieben um, wie es ihm gerade gefällt. Er will wie in einem Film auch in der Realität sein Leben filmisch gestalten. Er ist absolut respektlos und unverschämt, es berührt ihn in keiner Weise, wenn er anderen Menschen vor dem Kopf stößt und sie beleidigt. Das betrifft nicht nur den sozialen Umgang. Insbesondere in seinen sexuellen Gelüsten macht er vor keiner Person halt. Seine Haushälterin Maria wird einfach so „genommen“ wie auch deren 14jähriger Sohn Marco, zu dem er eine sexuelle Beziehung ohne Liebe aufbaut und ihn für sich gefügig macht. Die Autorin beschreibt zwar nicht völlig detailreich solche Szenen; jedoch werden hier die Dinge auch beim Namen genannt. Das ist nichts für zarte Gemüter und hat mir überhaupt nicht gefallen, ich empfand es als abstoßend. Im weiteren Verlauf der Geschichte kommt es auch zu homosexuellen Handlungen mit einem Kardinal mit einigen pikanten, aber kurzen Beschreibungen.

Angelotti ist ein im Grunde ein einsamer Mensch ohne jegliche Erfüllung. Diese sucht er in sexuellen Ausschweifungen sowie in dem Manipulieren seiner Mitmenschen. Das reicht ihm letztlich nicht aus und er beginnt sich auszumalen, ob er in einem Mord nicht seine höchste permanente Erfüllung finden könnte.

Die Autorin hat es hier geschafft, den Regisseur so abstoßend darzustellen, dass ich in keiner einzigen Minute auch nur einmal Mitgefühl mit ihm gehabt habe oder an seiner künftigen Entwicklung teilnehmen wollte. Das muss ein Autor erst mal schaffen. Und das war von ihr auch so gewollt.

Neben dem bedauernswerten Marco kommen noch drei weitere Frauen im Buch vor, eine 19jährige blonde Prostituierte, die in Angelotti vergeblich verliebte Drehbuchautorin Mia wie auch die tyrannisierte Hausfrau Giulia, die sich in verschiedenen Szenen den Tod ihres Ehemanns Bruno ausmalt. Alle Personen werden detailreich beschrieben. Aber ich konnte zu keiner einzigen Person eine Beziehung aufbauen, sie blieben für mich unnahbar und ich konnte deren Verhaltensweisen auch in keiner einzigen Situation annähernd nachvollziehen. Alle fühlen sich von Angelotti angezogen, alle finden ihn trotz bestimmter negativer Umstände immer noch interessant. Das habe ich nicht verstanden. Auch der oben genannte Kardinal blieb für mich ohne Glanz.

Der Schreibstil der Autorin ist gekonnt; sie konnte die einzelnen Filmszenen sehr detailreich darstellen; so war es mir möglich, mir die Abschnitte wie in einem Film vorzustellen.

In dem Buch kommt – in Kursivschrift dargestellt – auch ein bereits fertiger Film des Regisseurs vor, der für viel Kritik und Aufruhr sorgt. Dies diente offenbar auch dazu, den Charakter von Vittorio Angelotti weiter zu präzisieren. Ich empfand diese Abschnitte aber – leider – auch eher abstoßend mit den Folterszenen oder Tötungen, wobei aber hier vieles der Fantasie des Lesers überlassen wurde, es gab somit keine schockierenden Beschreibungen.

Leider hatte das Buch bis auf wenige Momente keinerlei Spannungselemente. Das Buch war für mich entgegen meiner Erwartungen eher langweilig. Es gibt sehr viele Passagen, in den Angelotti oder die weiteren Personen über ihre Schicksale nachdenken und wie daran etwas ändern können. Das geht bei Angelotti und dem Kardinal fast sogar ins Philosophische. Mich hat das aber leider überhaupt nicht interessiert und so musste ich mich quasi über jede Seite hinweg kämpfen.

Es handelt sich um keine einfache Lektüre, es provoziert ganz geschickt und überspitzt vieles Personen und Situationen. Es regt zum Nachdenken an, dass man solche negativen Menschen erkennt und trotz ihrer Stellung etwas entgegen setzen muss.

Mich konnte das Buch letztlich aber überhaupt nicht überzeugen. Die Hauptperson sowie die Nebencharaktere als auch die Geschichte an sich haben mir überhaupt nicht zugesagt. Trotz der eingangs erwähnten positiven Aspekte kann ich dem Buch daher leider aus meiner rein subjektiven Sicht nur 2 von 5 Sternen geben.

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