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Veröffentlicht am 08.04.2017

Trügerische Erinnerungen …

Das Buch der Spiegel
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Der Literaturagent Peter Katz bekommt das Manuskript eines Romans zugeschickt, von dem er sofort begeistert ist. Verfasser ist ein gewisser Richard Flynn. Er berichtet über den nie aufgeklärten Mord an ...

Der Literaturagent Peter Katz bekommt das Manuskript eines Romans zugeschickt, von dem er sofort begeistert ist. Verfasser ist ein gewisser Richard Flynn. Er berichtet über den nie aufgeklärten Mord an einem Professor für Psychologie aus dem Jahre 1987 in Princeton und verspricht neue Enthüllungen. Doch das Manuskript endet an einer entscheidenden Stelle. Als Katz sich mit Flynn in Verbindung setzen will erfährt er, dass dieser in der Zwischenzeit verstorben ist. So beauftragt er den befreundeten Reporter John Keller damit, den Rest des Manuskripts zu finden oder einen passenden Schluss zu erfinden. Keller gelingt es einige Zeitzeugen zu befragen, von denen alle ein Puzzlestück zur Lösung des Falles beitragen könnten. Doch dabei stößt er auf ein Gewirr von Widersprüchen und Ungereimtheiten, denn jeder der Beteiligten hat nach beinahe dreißig Jahren eine andere Erinnerung. So setzt er sich mit Roy Freeman, einem pensionierten Polizisten, der in dem damaligen Mordfall ermittelte, in Verbindung. Diesem gelingt es offenbar, Licht ins Dunkel zu bringen. Doch ist das wirklich die Wahrheit? Kann man den Erinnerungen trauen? …

„Das Buch der Spiegel“ ist sowohl der Arbeitstitel des Romanmanuskripts in der Geschichte, als auch der Titel des Kriminalromans des rumänischen Schriftstellers E.O. Chirovici. Das Buch wurde bereits in über 30 Länder verkauft und vom britischen „The Guardian“ gar als ‚Sensation‘ bezeichnet. Vom Verlag und auf dem Cover als Roman charakterisiert, würde ich es doch eher unter der Bezeichnung „Kriminalroman“ einordnen. Obwohl sehr viel auf das trügerische menschliche Erinnerungsvermögen, auf Einbildungskraft und Unterbewusstsein, eingegangen wird, überwiegt m.E. doch das kriminalistische, denn der Leser brennt naturgemäß darauf zu erfahren, wer seinerzeit den allseits beliebten Professor ermordet hat und was die Gründe für die Tat waren.

Vier Ich-Erzähler schildern in chronologischer Reihenfolge den Fall jeweils aus ihrer Sicht. Daraus entwickelt sich zu Beginn eine gewisse Spannung und die Frage, wie sich das alles am Ende wohl zusammen fügen wird. Viele Wendungen und immer wieder neue Erkenntnisse kommen in Umlauf, so dass sich die Sichtweise des Lesers ständig ändert. Rückblicke und aktuelle Ereignisse wechseln rasch, familiäre Probleme der Protagonisten verknüpfen sich mit dem Geschehen, neue Personen und belanglose Nebenschauplätze tauchen plötzlich auf, so dass man schon mal den Überblick verlieren kann.

Der Schreibstil ist sachlich und eher nüchtern, die Erzählweise den berichtenden Personen angepasst, insgesamt jedoch flüssig und schnell lesbar. Die Spannung ist zu Beginn sehr hoch, fällt aber bald rapide ab. Bedingt durch die unterschiedlichen Erzähler ergeben sich zwar neue Sichtweisen, jedoch bleibt die Geschichte immer dieselbe mit einigen Abwandlungen. Die Charaktere und ihr Umfeld sind sehr ausführlich und sehr detailgetreu beschrieben, so dass man sich während des Lesens ständig fragen muss, was wohl für die Geschichte relevant ist und was man getrost vergessen kann. Das Ende ist schlüssig und passend, wenn auch einige Fakten ungeklärt bleiben.

Fazit: Ein Roman mit kriminalistischem Hintergrund, der geschickt mit den Tiefen der Psyche, dem menschlichen Erinnerungsvermögen, Einbildungskraft und trügerischem Unterbewusstsein, spielt.

Veröffentlicht am 04.01.2017

Mordserie in Frankfurt

Siebenschön
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Das wunderschöne Cover und der Titel „Siebenschön“ lässt alles Andere als einen brutalen Thriller erwarten. Doch um einen solchen handelt es sich. Die Autorin Judith Winter zieht hier sämtliche Register ...

Das wunderschöne Cover und der Titel „Siebenschön“ lässt alles Andere als einen brutalen Thriller erwarten. Doch um einen solchen handelt es sich. Die Autorin Judith Winter zieht hier sämtliche Register und packt alles rein, was einen spannenden und aufregenden Krimi ausmacht. Durch die verschiedenen Sichtweisen der Ermittler, der Opfer und des Mörders gewinnt man tiefen Einblick in das Geschehen. Rätselhafte Briefe, Leichen die seltsam präpariert aufgefunden werden und nicht zuletzt Hinweise von Psychologen und Vermutungen der Ermittler ergeben nach und nach ein Puzzle, das den Leser in den Bann zieht und zum Miträtseln förmlich einlädt.

Der Schreibstil ist solide und sachlich mit interessanten und teilweise humorvollen Dialogen. Durch die vielen Namen und häufigen Perspektivwechsel fühlt man sich anfangs leicht überfordert, gewöhnt sich aber rasch an die temporeiche Erzählweise. Die Polizeiarbeit ist logisch und gut nachvollziehbar beschrieben, die beiden Hauptprotagonistinnen Emilia und Mai Zhou gewinnen im Laufe der Geschichte ungemein an Sympathie. Der Täter wird schon früh erwähnt, bleibt bis kurz vor dem rasanten Showdown im Dunkeln. Dies trägt wesentlich dazu bei, die Spannung aufzubauen und bis zum Schluss mehr und mehr zu steigern. Alles fügt sich dann schlüssig zusammen.

Fazit: Ein gut gemachter, logisch aufgebauter und stimmig gelöster Thriller. Für das Ermittlerduo bleibt noch Potential zur weiteren Entwicklung. Was die Story mit Titel und Cover gemein hat, hat sich mir jedoch nicht erschlossen.

Veröffentlicht am 31.08.2023

Auf der Suche nach sich selbst

Tage im warmen Licht
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Nachdem der arbeitslosen 39jährigen Maria auch ihre Wohnung gekündigt wurde, zieht sie mit ihrer 13jährigen Tochter Linnea von München aufs Land, in das von ihrer Großmutter geerbte Häuschen. Dort ist ...

Nachdem der arbeitslosen 39jährigen Maria auch ihre Wohnung gekündigt wurde, zieht sie mit ihrer 13jährigen Tochter Linnea von München aufs Land, in das von ihrer Großmutter geerbte Häuschen. Dort ist sie aufgewachsen, hat den Ort mit 19 Jahren verlassen und wollte nie wieder zurückkommen. Es ist ja „nur vorübergehend“, redet sie sich ein – doch das Schicksal hat andere Pläne. Bald trifft sie ihre alten Freunde wieder, knüpft neue Freundschaften, aber die Erinnerung an das Ereignis, weshalb sie den Ort damals Hals über Kopf verlassen hatte, wird wieder lebendig. Da hilft es auch nicht, dass sie sich eigentlich recht wohl fühlt und auch Linnea sich wunderbar eingelebt hat – Maria will unbedingt wieder weg …

Die Autorin Kristina Pfister wurde 1987 in Bamberg geboren. Sie studierte Literatur-, Kunst- und Medienwissenschaften in Regensburg. Für ihren Debütroman „Die Kunst, einen Dinosaurier zu falten“ wurde sie 2017 mit dem Bayerischen Kunstförderpreis ausgezeichnet. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Nürnberg.

„Tage im warmen Licht“ ist der dritte Roman der Autorin, der in ihrem gewohnt klaren, flüssigen Schreibstil und nachvollziehbarem Geschehen daher kommt. Ihre unterschwellige Spannung bezieht die Geschichte durch das oftmals angedeutete Geschehen in der Vergangenheit, das man nur vage erahnen kann. Ob das der Grund ist, dass sich Maria so oft besäuft und dann kotzt, als wüsste sie in ihrem Alter nicht um die Wirkung des Alkohols? Auch wenn ihr früher etwas Unangenehmes oder Schlimmes passiert ist, dieses Benehmen vor den Augen ihrer 13jährigen Tochter ist nicht zu tolerieren.

Die Handlung der Geschichte ist überwiegend in der Gegenwart platziert, Gedanken und Geschehnisse von früher sind dazwischen in Kursivschrift eingefügt. Marias Stimmungsschwankungen und Linneas oftmals verzweifelten Versuche ihre Mutter davon zu überzeugen, dass sie sich auf dem Lande im Kreise lieber Nachbarn und alter Freunde der Großmutter wohl fühlt, sind ganz gut wiedergegeben. Mutter und Tochter werden schnell im Freundeskreis aufgenommen. Einem Neuanfang würde somit nichts im Wege stehen, wenn Maria sich endlich öffnen und zu dem Geschehen vor zwanzig Jahren Stellung nehmen würde, anstatt immer davor wegzulaufen. Ob dies gelingt?

Fazit: Eine nett zu lesende unterhaltsame Geschichte, bei der man ab und zu schmunzeln, sich aber auch mächtig aufregen und ärgern kann.

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Veröffentlicht am 23.11.2021

Probleme einer Familie …

Die fliegenden Trautmans
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Nach einem Anruf ihrer Nichte Thebes fliegt Hattie Hals über Kopf von Paris, wo sie als Künstlerin ein angenehmes Leben führte, zurück ins heimatliche Kanada. Sie muss sich um die Kinder ihrer Schwester ...

Nach einem Anruf ihrer Nichte Thebes fliegt Hattie Hals über Kopf von Paris, wo sie als Künstlerin ein angenehmes Leben führte, zurück ins heimatliche Kanada. Sie muss sich um die Kinder ihrer Schwester Min kümmern, die wieder ihre manisch-depressiven Anfälle hat und in eine psychiatrische Klinik eingewiesen werden muss. Das Haus und auch die Kinder sind in verwahrlostem Zustand, die 11jährige Thebes ist verdreckt und hat blau gefärbte Haare und der 15jährige Logan ist von der Schule geflogen. Die Situation wächst Hattie über den Kopf und so entschließt sie sich, die Kinder zu ihrem Vater zu bringen, der irgendwo in Kalifornien an der Grenze zu Mexiko leben soll. Sie packen das Nötigste in den alten Van der Familie und ab geht’s, immer der Nase nach Richtung Süden. Die Fahrt durch Amerika bringt die drei an ihre Grenzen, Schmerzen und Verletzungen an Körper und Seele sind ständige Begleiter. Doch nach und nach wachsen sie als Familie zusammen und Hattie, die die Kinder eigentlich loswerden wollte, stellt fest, dass sie diese liebt und dass ihre Schwester ihre Hilfe braucht. Die zuvor mit ihrer kranken Mutter überforderten Kinder können endlich wieder Kinder sein - einige skurrile Begegnungen und ein zugelaufener Pitbull helfen ihnen dabei …

Die kanadische Schriftstellerin und freie Journalistin Miriam Toews wurde 1964 in Steinbach, einer Mennonitengemeinde im kanadischen Manitoba, geboren. Sie studierte Geisteswissenschaften und Journalismus. Für ihren Roman „Die fliegenden Trautmans“ wurde sie 2008 mit dem ‚Rogers Writers‘ Trust Fiction Prize‘ ausgezeichnet, den sie 2014 erneut für einen anderen Roman erhielt. Sie lebt und arbeitet heute in Winnipeg/Kanada.

Was sich zunächst wie ein heiterer Familienroman liest, entpuppt sich bald als eine Geschichte mit durchaus ernsthaftem Hintergrund: Die Mutter, die an Depressionen, psychischen Störungen leider und Suizidgedanken hat, zwei Kinder, die ohne Vater und ohne mütterliche Fürsorge aufwachsen und die Tante der Kinder, die diesem ganzen Chaos nach Paris entflohen ist. Durch die eher heitere Seite des Roadtrip und einiger teils skurriler Begegnungen gelingt es der Autorin, hier einen guten Ausgleich zwischen Tragödie und Komödie zu schaffen. Der Schreibstil ist anfangs etwas gewöhnungsbedürftig und erfordert eine gewisse Aufmerksamkeit beim Lesen, da die wörtlichen Reden fließend ineinander übergehen und zudem keine Anführungszeichen verwendet werden. Das Geschehen ist logisch aufgebaut, unterhaltsam und ergreifend, mit vielen traurigen, aber auch vielen komischen Momenten. Die Charaktere sind sehr fein gezeichnet in ihrer Verletzlichkeit und auch das Zwischenmenschliche ist sehr gut heraus gearbeitet. Einige Passagen stimmen sehr nachdenklich und regen dazu an, das eigene Verhalten zu überdenken.

Zu kritisieren ist, dass durch die häufigen inhaltsleeren und nichtssagenden Unterhaltungen der Protagonisten leider die charakteristische Schilderung der Weite und der verschiedenen Landschaften während der Reise durch die USA zu kurz kommen. Durch die bemühten Slapstick-Einlagen wird das Geschehen viel zu sehr von dem Grund der Reise (die Krankheit der Mutter und Schwester) abgelenkt, was für den Roman nicht unbedingt von Vorteil ist. Die immer wieder eingefügten Rückblenden und Erinnerungen zerstückeln die Geschichte und auch das überstürzte Ende kann nicht befriedigen, denn das Hauptproblem bleibt offen.

Fazit: Über den Zusammenhalt einer total schrägen Familie und über eine chaotische Reise – ein Buch, das aufgrund seiner Sprache wohl eher für die jüngere Generation gedacht ist.

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Veröffentlicht am 17.09.2020

Mona - ein Virus bedroht die Menschheit …

Mona
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Aus Rache für den Tod seiner kleinen Tochter Mona, die mit ihrer Mutter und Großmutter durch eine israelische Granate getötet wurde, entwickelte der libanesische Computer-Experte Samir Mustaf den neuartigen, ...

Aus Rache für den Tod seiner kleinen Tochter Mona, die mit ihrer Mutter und Großmutter durch eine israelische Granate getötet wurde, entwickelte der libanesische Computer-Experte Samir Mustaf den neuartigen, äußerst gefährlichen und heimtückischen Computervirus „Mona“ und bietet ihn der Hisbollah an. Diese beabsichtigt, den Virus in das israelische Banken- und Finanzsystem zu injizieren, um so das Land und die ganze westliche Welt ins Chaos zu stürzen.
Zur gleichen Zeit entwickelt der schwedische IT-Professor Eric Söderqvist „Mind Surf“, eine Software die es ermöglicht, allein durch Gedanken in den Computer einzudringen und im Internet zu surfen. Die ersten Testpersonen sind Erics Geldgeber Mats Hagström und Erics Frau Hanna, die beide bald darauf ins Koma fallen. Ist es möglich, dass sie von dem neuen Computervirus infiziert wurden, wie Eric vermutet? Die Antwort kann er nur von Samir, dem Entwickler von „Mona“ erhalten. Gegen jede Vernunft macht er sich auf, um diesen im Nahen Osten zu suchen und ihn um einen Gegenvirus zu bitten …

Der 1969 geborene schwedische Autor Dan T. Sehlberg ist MBA der Stockholm School of Economics. In den 80er-Jahren war er Mitglied der Rockband Nova und gründete danach mehrere IT- und Internetfirmen. Nach dem internationalen Erfolg seines Debütromans „M.O.N.A.“ schrieb er im Anschluss die Fortsetzung „S.I.N.O.N.“ Der Autor lebt mit seiner Frau und zwei Töchtern in Stockholm.

Nach dem aufregenden, sehr emotional erzählten, Prolog ist der Einstieg in das Geschehen nicht ganz einfach. In Dubai, in Stockholm. im Iran, in Tel Aviv und in Nizza treffen und begegnen sich verschiedene Protagonisten, deren Handlungen und Gespräche erst viel später einen Sinn ergeben, wenn die einzelnen Erzählstränge allmählich zusammengeführt werden. Dann kommt auch endlich die erwartete Spannung auf. Eric Söderqvists Odyssee im Nahen Osten, der meist mehr intuitiv als überlegt handelt, in gefährliche Situationen hineinschliddert und dabei noch vom Mossad, dem FBI und der Hisbollah verfolgt und ausgenutzt wird, ist aufregend und wirklich lesenswert. Dass dabei Zufälle eine große Rolle spielen, nicht alle Handlungen absolut einleuchtend sind und es gelegentlich sogar rührselig wird, kann man getrost vergessen.

Der Schreibstil des Autors ist sehr sachlich gehalten. Er versorgt den Leser mit viel Hintergrundwissen, was meiner Meinung nach nicht immer notwendig ist und nur den Lesefluss stört. Dadurch bedingte langatmige Passagen im Wechsel mit Hochspannung, die teils sehr kurzen Kapitel mit Ortsangaben und Einblicke in die Machenschaften der verschiedenen Geheimdienste sind zwar interessant und zeugen von guter Recherchearbeit des Autors, lassen einen aber leicht den Überblick verlieren. Das letzte Kapitel und der anschließende Epilog sind schlüssig und erzeugen bereits spannende Erwartung auf den Fortsetzungsroman, S.I.N.O.N., dessen Leseprobe ebenfalls angehängt ist.

Fazit: Eine gut gelungene Zukunftsvision mit Einblicken in die Nahost-Politik, wobei man bei einem Thriller etwas mehr Spannung erwartet hätte.

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