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Veröffentlicht am 22.03.2020

Anspruchsvoller Roman mit interessantem zeitgeschichtlichen Hintergrund

Der Empfänger
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INHALT
Vor dem Kriegseintritt der Amerikaner brodelt es in den Straßen New Yorks. Antisemitische und rassistische Gruppierungen eifern um die Sympathie der Massen, deutsche Nationalisten feiern Hitler ...

INHALT
Vor dem Kriegseintritt der Amerikaner brodelt es in den Straßen New Yorks. Antisemitische und rassistische Gruppierungen eifern um die Sympathie der Massen, deutsche Nationalisten feiern Hitler als den Mann der Stunde. Der deutsche Auswanderer Josef Klein lebt davon relativ unberührt; seine Welt sind die multikulturellen Straßen Harlems und seine große Leidenschaft das Amateurfunken. So lernt er auch Lauren, eine junge Aktivistin, kennen, die eine große Sympathie für den stillen Deutschen hegt. Doch Josefs technische Fähigkeiten im Funkerbereich erregen die Aufmerksamkeit einflussreicher Männer, und noch ehe er das Geschehen richtig deuten kann, ist Josef bereits ein kleines Rädchen im Getriebe des Spionagenetzwerks der deutschen Abwehr. Josefs verhängnisvoller Weg führt ihn später zur Familie seines Bruders nach Neuss, die den Aufstieg und Fall der Nationalsozialisten aus der Innenperspektive erfahren hat, und letztendlich nach Südamerika, wo ihn Jahre später eine Postsendung aus Neuss erreicht. Deren Inhalt: eine Sternreportage über den Einsatz des deutschen Geheimdienstes in Amerika.
(Quelle: Klett Cotta-Verlag)
MEINE MEINUNG
In ihrem historischen Roman „Der Empfänger“ widmet sich die deutsche Autorin Ulla Lenze sehr eindrücklich einem zeitgeschichtlichen Thema, über das bei uns in Deutschland sehr wenig bekannt und völlig in Vergessenheit geraten ist. Hierbei handelt es sich um die rechtsradikalen Strömungen in den Vereinigten Staaten ab den frühen 1930erJahren, die Infiltration der USA durch deutsche Agenten während des 2. Weltkriegs und die Bildung eines Spionagenetzwerks der deutschen Abwehr.
Ulla Lenze erzählt die faszinierende Lebensgeschichte von Josef Klein, einem jungen Mann aus dem Rheinland, der 1925 der Armut und den chaotischen Verhältnissen der Weimarer Republik entflieht und nach Amerika ausgewandert ist, in New York kurz vor Ausbruch des 2. Weltkriegs vom Geheimdienst der Nazis rekrutiert und schließlich vom FBI enttarnt wird. Nur haarscharf entgeht er der Todesstrafe auf dem elektrischen Stuhl, wird interniert und später ins Nachkriegsdeutschland abgeschoben.
Lenze ist ein anspruchsvoller, hervorragend recherchierter historischer Roman gelungen, der mich bald völlig in seinen Bann gezogen hat. Faszinierend finde ich zudem, dass die Geschichte auf wahren Begebenheiten basiert und in Teilen die Lebensgeschichte ihres Großonkels wiedergibt.
Gekonnt lässt Lenze uns gemeinsam mit ihrem Protagonisten und jungen Exilanten Josef Klein in die fesselnde, quirlige Metropole New York jener Zeit und in eine Atmosphäre voller Kontraste eintauchen. Sehr anschaulich fängt sie das faszinierend- lebendige Flair der verschiedensten Kulturen und Ethnien ein, lässt uns die Tristesse der Emigranten-Ghettos erahnen, das harte Alltagsleben, die Sorgen und Nöte der kleinen Leute sowie die durch unterschiedliche, politische Strömungen aufgeheizte Stimmung in den Vierteln. Auch äußerst interessante Details zur deutschen Kultur der Deutschamerikaner in New York oder dem Treiben der nationalsozialistischen Organisation - dem Amerikadeutschen Bund hat Lenze geschickt in die Handlung eingewoben.
„Der Empfänger“ ist kein fesselnder Spionagethriller mit rasanter Story. Dennoch ist es der Autorin hervorragend gelungen, über die psychologische Entwicklung ihrer facettenreichen Hauptfigur Spannung aufzubauen, denn immer mehr beschäftigt den Leser die Frage, wieso sich dieser eher freiheitsliebende, weltoffene, unpolitische Mensch in die Arbeit der deutschen Abwehr hat verstricken lassen und wie er als Amateurfunker zum Handlanger der Nazis werden konnte. Mit viel Feingespür hat Lenze die faszinierende, ambivalente Persönlichkeit ihrer Hauptfigur mit all ihren Ecken und Kanten herausgearbeitet. Nach und nach lernen wir diesen Josef Klein in verschiedenen Lebensabschnitten, Zeitebenen und Schauplätzen kennen. In unterschiedlichen Episoden beleuchtet die Autorin sein Leben während der Nazizeit in New York als Joe, während seiner Zwischenstation bei seinem Bruder im kargen Nachkriegsdeutschland als Josef und nach seiner Auswanderung nach Südamerika in den frühen 1950er Jahren auf seinen weiteren Stationen als Don José in Buenos Aires unter den Exildeutschen und in Costa Rica. Ein eigenwilliger, eher passiver Zeitgenosse, der sich ohne konkrete Lebensziele treiben lässt – ein Exilant, der sich zwischen den Welten und Kulturen bewegt, aber nirgendwo richtig angekommen und ohne Heimat ist, sich überall fremd fühlt – eine letztlich tragische Figur. Je mehr wir über ihn mit all seinen Widersprüchen, unglücklichen Verstrickungen und sein Schicksal erfahren, desto mehr macht sich eine Beklommenheit breit. Sympathien und großes Mitgefühl bringt man diesem feinfühligen, etwas naiv wirkenden Menschen entgegen, der sich hat ködern lassen und als ein eher kleines Rädchen in die Fänge der großen Weltpolitik gerät. Sein opportunistisches Handeln kann man zwar nachvollziehen jedoch nicht gutheißen, denn hierdurch hat er sich auch zu einem Täter gemacht und wissentlich die Aktivitäten gedeckt. So begegnet man Josef Klein letztlich mit einer gewissen Distanz und gemischten Gefühlen, denn sein Innenleben und seine Motive bleiben einem bis zum Ende größtenteils fremd und unergründlich, was sicherlich von der Autorin gewollt ist und der Persönlichkeit dieser Figur durchaus gerecht wird.
Im Anhang des Romans findet sich für alle interessierten Leser*innen zur weiteren Vertiefung in das interessante Thema noch eine ausführliche Zusammenstellung von empfehlenswerten Lektüren, die die Autorin auch als Quellen genutzt hat.
FAZIT
Ein anspruchsvoller, hervorragend recherchierter historischer Roman, der mit einer faszinierenden und fesselnden Geschichte über eine tragische Figur, die auf wahren Begebenheiten basiert. Sehr lesenswert!

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Veröffentlicht am 09.03.2020

Sehr unterhaltsamer historischer Seebad-Krimi

Die Tote in der Sommerfrische
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INHALT
Norderney 1912:
Im eleganten Seebad verbringt die feine Gesellschaft der Kaiserzeit die Sommerfrische. Auch die junge, unabhängige Viktoria Berg genießt die Zeit am Meer, bevor sie ihre Stellung ...

INHALT
Norderney 1912:
Im eleganten Seebad verbringt die feine Gesellschaft der Kaiserzeit die Sommerfrische. Auch die junge, unabhängige Viktoria Berg genießt die Zeit am Meer, bevor sie ihre Stellung als Lehrerin antritt.
Doch dann wird sie Zeugin, wie der Hamburger Journalist Christian Hinrichs, der eine Reportage über den Sommer der Reichen und Schönen schreibt, eine ertrunkene junge Frau aus den Wellen zieht. Viktoria kannte die Tote und glaubt nicht eine Sekunde daran, sie habe den Freitod gewählt.
Gemeinsam mit Christian stellt sie Nachforschungen an und stößt in der adeligen Seebadgesellschaft der Belle Époque bald auf dunkle Geheimnisse...
(Quelle: Goldmann Verlag - Erscheinungsdatum: 16.3.20 - ISBN:9783442490349)

MEINE MEINUNG
Der historische Kriminalroman „Die Tote in der Sommerfrische“ von der deutschen Autorin Elsa Dix ist der äußerst viel versprechende Auftakt einer neuen Küsten-Krimireihe rund um die äußerst sympathische Victoria Berg und den jungen aufstrebenden Journalisten Christian Hinrichs. Der Autorin ist mit ihrem ersten Band ein unterhaltsamer, spannender Krimi mit viel Lokalkolorit gelungen, der vor der sehr interessanten, zeitgeschichtlichen Kulisse der glanzvollen Belle Époque im Jahr 1912 angesiedelt ist.
Mit ihren anschaulichen Beschreibungen ist es der Autorin sehr gut gelungen, das herrliche Inselflair und die schönen Schauplätze auf der Nordseeinsel Norderney einzufangen. Das tolle historische Ambiente wird ebenfalls sehr plastisch, unterhaltsam und authentisch vermittelt. So gelingt es mühelos in die Welt der reichen, prominenten und adligen Inselgäste einzutauchen, an ihrer Seite die Sommerfrische zu genießen, auf der Seebrücke zu flanieren und an den gestelzten Konversationen während der abendlichen Geselligkeiten teilzuhaben. Wir begegnen prächtig gekleideten Damen in Mieder mit Sonnenschirmen und Fächern und erfahren zudem einiges über die damaligen Moralvorstellungen, Schicklichkeit und strenge Etikette. Geschickt verwebt die Autorin auch einige gesellschaftskritische Themen in ihre Handlung, denn neben all dem vermeintlichen Glanz und Reichtum ist dies auch eine Zeit von einschneidenden gesellschaftlichen Veränderungen.
Mit ihrem kurzweiligen Schreibstil und den unheilvollen Einstieg gelingt es der Autorin, den Leser von Anfang an zu fesseln. Die Handlung wird abwechselnd aus der Perspektive der beiden Hauptfiguren erzählt, die wir hierdurch schrittweise immer besser kennenlernen. Nachdem die Polizei vorschnelle Schlüsse beim mysteriösen Todesfall des jungen Dienstmädchens Henny Petersen zieht, beschließen Viktoria und Christian eigene Nachforschungen anzustellen und enthüllen schon bald so einige Ungereimtheiten.
Der fesselnde, recht verzwickte Kriminalfall hat es in sich und lädt zum Miträtseln ein. Mit so mancher falschen Fährte und einigen unvorhersehbaren Wendungen wird der Spannungsbogen auf einem hohen Niveau gehalten, bis wir schließlich beim packenden Finale die unerwartete, aber sehr schlüssige Auflösung präsentiert bekommen.
Äußerst gelungenen sind die beiden sympathischen und facettenreichen Hauptfiguren, die die Autoren mit viel Liebe zum Detail und sehr authentisch gezeichnet hat. Die beiden stammen zwar aus sehr unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten, doch ergänzen sie sich als selbsternanntes Ermittlerteam hervorragend und fühlen sich zueinander hingezogen.
Viktoria Berg ist eine für die damalige Zeit sehr selbstbewusste junge Frau aus gutem Hause, die sich durchzusetzen weiß und auf eigenen Beinen stehen will, weshalb sie eine Heirat kategorisch ablehnt und als Lehrerin an einer Reformschule arbeiten möchte. Kein Wunder, dass der gutaussehende Christian Hinrichs sich von ihrer erfrischenden, unbeschwerten und sehr humorvollen Art magisch angezogen fühlt. Der sehr ehrgeizige Christian hat sich als cleveres Kind aus der Arbeiterklasse seinen Beruf als Journalist gegen den Widerstand seines Vaters hart erarbeiten müssen. Einige dunkle Schatten seiner Vergangenheit haben ihn seine Arbeit als Kriminalreporter jedoch aufgeben lassen, belasten ihn aber immer noch.
Auch die übrigen Nebenfiguren insbesondere die illustren Gäste des Palais-Hotels wie der forsche Severin von Seyfarth, der undurchsichtige Dr. Moritz Feuser oder die Damen der Familie Balow sind sehr plastisch und interessant ausgearbeitet.
Ich würde mich sehr über ein baldiges Wiedersehen mit Viktoria Berg und Christian Hinrichs freuen und bin gespannt, bei welcher Gelegenheit sie wieder gemeinsam ermitteln werden.

FAZIT
Ein rundum gelungener Krimi-Auftakt mit einem liebenswerten Ermittlerduo. Mich hat die kurzweilige Lektüre mit dem tollen Nordsee-Flair, der interessanten, zeitgeschichtlichen Kulisse und der verzwickte Kriminalfall bestens unterhalten können!

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Veröffentlicht am 11.05.2020

Herausforderndes Romandebüt

Je tiefer das Wasser
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INHALT
Edie und Mae sind Schwestern. Die Mutter der beiden hat versucht sich umzubringen, und nun werden sie weggeschafft, aus ihrem Heimatkaff in Louisiana nach New York, aus der Obhut einer labilen Fantastin ...

INHALT
Edie und Mae sind Schwestern. Die Mutter der beiden hat versucht sich umzubringen, und nun werden sie weggeschafft, aus ihrem Heimatkaff in Louisiana nach New York, aus der Obhut einer labilen Fantastin zum weltberühmten Schriftstellervater, der die Familie vor Jahren verließ. Für Edie bedeutet die neue Umgebung einen unverzeihlichen Verrat, für Mae die langersehnte Möglichkeit der Befreiung. Schnell kommt es zum Bruch. Während die eine einen verzweifelten Rettungsversuch unternimmt, lässt sich die andere ein auf die Zuneigung des Vaters und die Bitte, ihm beim Schreiben seines neuen Romans über die Mutter zu helfen. Alle sind sie getrieben von einer Obsession: Verstehen, was zwischen ihnen, was tief in ihnen vor sich geht.
(Quelle: Suhrkamp Verlag – Erscheinungsdatum: 17.2.20 – ISBN: 9783518429075 - Übersetzung aus dem Englischen: Brigitte Jakobeit)

MEINE MEINUNG
Mit „Je tiefer das Wasser” ist der Autorin Katya Apekina, die in Moskau geboren wurde und im Alter von drei Jahren mit ihrer Familie in die USA übersiedelte, ein bemerkenswertes Romandebüt gelungen, das einen mit seiner Intensität unter die Haut geht und lange Zeit nicht mehr loslässt.
Im Mittelpunkt ihres erschütternden Familiendramas steht das Schicksal der beiden Schwestern Mae und Edith. Schon bald kann man sich der enormen Sogwirkung dieser dramatischen, verwirrenden Erzählung nicht mehr entziehen und ist gefesselt von der eindringlichen, beklemmend-düsteren Stimmung. Mit immer neuen Einblicken in das Leben einer dysfunktionalen Familie wird man unweigerlich von einem fatalen Strudel an Emotionen und Obsessionen immer mehr in die Tiefe gezogen und wird mit den Abgründen der menschlichen Psyche konfrontiert.
In oftmals recht kurzen Kapiteln werden die Geschehnisse abwechselnd aus der Ich-Perspektive der beiden Hauptfiguren Mae und Edith erzählt. Geschickt präsentiert die Autorin die beiden Sichten in unterschiedlichen Erzählformen und verleiht den beiden Schwestern dadurch sehr individuelle, unverwechselbare Stimmen. Maes Perspektive ist rückblickend in der Vergangenheitsform verfasst und enthält gelegentliche Bezüge zur Gegenwart, während Edies Sicht in der Gegenwartsform ist. Zudem sind gelegentlich Perspektiven weiterer Nebenfiguren aus dem näheren Umfeld der Familie wie beispielsweise ihr Vater Dennis, ihre Tante Diana oder die neue Freundin ihres Vaters Amanda, eingeschoben, die die Ereignisse aus einem anderen Blickwinkel beleuchten und völlig andere Einblicke liefern. Daneben finden sich auch noch einige Ausschnitte aus Briefen, Tagebüchern, Telefonaten, Interviews und psychiatrischen Notizen.
Sehr anschaulich hat Apekina die Seelenzustände der beiden sehr unterschiedlichen Geschwister und ihre vielschichtigen, ambivalenten Charaktere in teilweise sehr drastischen Szenen herausgearbeitet. Während die 16-jährige Edie sich für die psychisch kranke Mutter verantwortlich fühlt, sie aus der Psychiatrie retten möchte und auf Konfrontation zum Vater geht, sucht die 2 Jahre jüngere Mae die Aufmerksamkeit des Vaters und ist froh dem unerträglichen Alltag mit der labilen Mutter entkommen zu sein. Allmählich beginnt sie immer mehr in die Rolle ihrer Mutter zu schlüpfen, und die Grenzen zu ihrem eigenen Selbst scheinen sich in beängstigender Weise aufzulösen. Äußerst instabile Persönlichkeiten lernen wir kennen, die von den Schatten der Vergangenheit gezeichnet und mehr oder weniger stark geschädigt sind. Nahezu jeder Charakter hat mit seinen inneren Dämonen zu kämpfen, versucht der Spirale aus Zweifeln, Wut, Trauer, Schuldzuweisungen, Egozentrik, Selbstbetrug und seelischen Verletzungen zu entkommen, seine Impulse zu verstehen und sich schließlich neu zu definieren. Die Autorin zeichnet das verstörende Bild einer ungesunden, selbstzerstörerischen Familiendynamik, aus der keiner der Betroffenen unbeschädigt entkommen kann.
Sehr versiert erzählt die Autorin ihre chaotisch und unstrukturiert wirkende Geschichte in verschiedenen, nicht stringenten Episoden, die dennoch Bezug aufeinander nehmen und gekonnt ineinanderfließen. Allmählich fügen sich immer mehr Fragmente aus einem vielfältigen Stimmengewirr zusammen, die die Geschehnisse aus den unterschiedlichsten Sichtweisen beleuchten und sehr individuelle Wahrnehmungen widerspiegeln. Jede Figur erzählt eine eigene Version der Geschichte und hat sich ihre ganz persönliche Wahrheit zusammengefügt.
Ungemein fesselnd aber auch eine große Herausforderung ist es für uns Leser, die Hintergründe und Ereignisse aus einer verwirrenden Mischung von Vermutungen und bruchstückhaften Details allmählich selbst zu einem eigenen Gesamtbild zusammen zusetzen. Wie im wirklichen Leben wird man bei diesem Roman die absolute Wahrheit nicht finden und muss sich damit abfinden, dass Widersprüche und einige Geschehnisse ungeklärt bleiben. So sind schließlich viele Deutungen der Fantasie der Leser überlassen.
Äußerst passend zu ihrer Geschichte um die zwei Schwestern beendet die Autorin ihren Roman mit einem offenen, aber stimmigen Ausklang.

FAZIT
Ein intensives, bewegendes Romandebüt mit einer verstörenden, sehr faszinierenden Geschichte, die den Leser auf ganzer Linie herausfordert.

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Veröffentlicht am 09.02.2020

Ruhige, sehr atmosphärische Fortsetzung der Doggerland-Krimireihe

Doggerland. Tiefer Fall (Ein Doggerland-Krimi 2)
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INHALT
Es ist Weihnachten, als ein Toter auf Noorö, der nördlichsten Insel von Doggerland, gefunden wird. Karen Eiken Hornby stürzt sich in die Ermittlungen - erleichtert, auf Weihnachten verzichten zu ...

INHALT
Es ist Weihnachten, als ein Toter auf Noorö, der nördlichsten Insel von Doggerland, gefunden wird. Karen Eiken Hornby stürzt sich in die Ermittlungen - erleichtert, auf Weihnachten verzichten zu können. Ein weiterer Mord zeigt eine Verbindung zu einer örtlichen Whiskydestillerie, aber am meisten beunruhigt Karen, dass ihre eigene Familie in den Fall verwickelt zu sein scheint. Der Fall wird mehr und mehr zu einem Balanceakt zwischen Karens Privatleben und ihrer Rolle als Polizistin.
(Quelle: List Verlag)

MEINE MEINUNG
Mit „Doggerland: Tiefer Fall“ ist der schwedischen Autorin Maria Adolfsson eine spannende Fortsetzung ihrer Krimi-Trilogie rund um die sympathische Kommissarin Karen Eiken Hornby gelungen. Diesen Band kann man übrigens auch ohne Vorkenntnisse problemlos lesen, denn man erfährt in Einschüben das Wichtigste zur Vorgeschichte.
Wer nicht unbedingt atemberaubende Spannung und blutrünstige Details haben muss, sondern eher ruhige Krimis mit stimmungsvoller Atmosphäre und besonderen Schauplätzen mag, der wird bei der Doggerland-Reihe voll auf seine Kosten kommen. Angesiedelt ist der Krimi nämlich nicht an einem realen Schauplatz in Skandinavien, sondern auf dem sagenumwobenen Doggerland mit der fiktiven Hauptstadt Dunker, einer aus mehreren Inseln bestehenden Inselgruppe zwischen England und Dänemark in der Nordsee gelegen.
Der Autorin gelingt es hervorragend, uns in diese fiktive „doggerische“ Welt mit ihrer einzigartigen Kultur und interessanten Traditionen eintauchen zu lassen. Äußerst stimmig sind das Setting mit den sehr bildhaften Beschreibungen der kargen, von Wind und Wetter geprägten Landschaft, dem besonderen Menschenschlag und die eigentümliche, etwas düstere Atmosphäre. Und genau diese besondere, nordische Szenerie Doggerlands, die sehr eigenwilligen, lebensechten Figuren, denen wir während des Falls begegnen und natürlich die sympathische Ermittlerin Karen Eiken Hornby machen den Reiz dieses Krimis aus.
Das abrupte Ende der Weihnachtsfeierlichkeiten kommt Karen nicht ungelegen, denn nach ihrer langen Rekonvaleszenzphase wegen einer Knieverletzung aus ihrem letzten Einsatz, kann sie es kaum abwarten wieder zu ermitteln. Und so verschlägt es die Ermittlerin zusammen mit den wenig begeisterten Kollegen Brodal und Larsen auf die nördliche Insel Noorö, auf der ein Teil von Karens Verwandtschaft immer noch lebt.
In diesem klassischen Ermittlungskrimi wirkt der Fall um den toten, emeritierten Hochschullehrer zunächst wenig spektakulär und der Kreis der Tatverdächtigen ist sehr überschaubar. Doch decken die Ermittlungen bald immer neue Familiengeheimnisse und Animositäten auf, die verschiedene Motive denkbar machen. Das anfangs eher gemächliche Erzähltempo zieht allmählich an, und mit immer neuen Verwicklungen und Wendungen steigt die Spannung zunehmend. Gekonnt lässt die Autorin ihren Krimi in einem unglaublich packenden Finale gipfeln.
Besonders fesseln konnte mich erneut die akribische Ermittlungsarbeit, die sehr ausführlich, anschaulich und glaubwürdig beschrieben wird, so dass man bei diesem Fall hervorragend miträtseln kann. Die schrittweisen Enthüllungen zu Karens bedrückender Hintergrundgeschichte und dem Umgang mit ihren traumatischen Erlebnissen haben mich sehr für ihre interessante Figur eingenommen. Karen ist ein vielschichtiger, sehr lebensechter Charakter mit Ecken und Kanten, lebenserfahren und eigensinnig. Trotz ihrer toughen, oft ruppigen Art, die sie nicht auf Anhieb sympathisch wirken lässt, hat sie das Herz am rechten Fleck.
Auch die vielen Nebenfiguren sind entsprechend ihrer Rollen sehr plastisch ausgearbeitet, vor allem Karens etwas skurrile Kollegen aus ihrem Team, der Leiter der Spurensicherung Larsen und der wortkarge Rechtsmediziner Brodal gewinnen während des Falls immer mehr an Profil.
Ich bin schon sehr gespannt, auf die Fortsetzung „Fester Grund“, den letzten Teil der Krimi-Trilogie auf Doggerland, die Ende des Jahres erscheinen soll.

FAZIT
Eine gelungene, spannende Fortsetzung der Doggerland-Trilogie mit einem kniffligen Fall für die toughe Ermittlerin Karen Eiken Hornby.
Lesenswert für alle, die sehr atmosphärische, ruhigere Ermittlerkrimis mögen!

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Veröffentlicht am 06.02.2020

Packender Krimi mit höchst brisanter Thematik

Die Toten von Marnow
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INHALT
Der Jahrhundertsommer 2003. Gluthitze liegt über Marnow, dem malerischen Ort an der Mecklenburgischen Seenplatte. Die Kommissare Frank Elling und Lona Mendt ermitteln in einem Mordfall. Das Tatmotiv ...

INHALT
Der Jahrhundertsommer 2003. Gluthitze liegt über Marnow, dem malerischen Ort an der Mecklenburgischen Seenplatte. Die Kommissare Frank Elling und Lona Mendt ermitteln in einem Mordfall. Das Tatmotiv scheint klar, die Aufklärung nur eine Frage der Zeit. Doch nichts ist so, wie es scheint. So entpuppt sich das Tatmotiv als absichtlich gelegte Fehlspur des Mörders, der vermeintliche Routinefall als Beginn einer Mordserie mit brisantem politisch-historischem Hintergrund. Und mächtige Gegenspieler der Kommissare haben ein Interesse daran, die wahren Zusammenhänge im Dunkeln zu belassen. Je weiter Elling, der treu sorgende Familienvater, der auf recht großem Fuß lebt, und Mendt, die Unnahbare, die in ihrem Wohnmobil geheimnisvolle Besuche empfängt, in ihren Ermittlungen kommen, desto größer werden die Hindernisse, die sie überwinden müssen. Und desto häufiger lassen sie sich selbst zu moralisch höchst fragwürdigen Handlungen hinreißen. So zwingen die Ereignisse die beiden so unterschiedlichen Charaktere nach und nach, einander blind zu vertrauen - nicht zuletzt, um ihre eigene Haut zu retten.
(Quelle: Kiepenheuer & Witsch Verlag)

MEINE MEINUNG
„Die Toten von Marnow“ vom deutschen Autoren Holger Karsten Schmidt. ist der gelungene Auftakt einer neuen Krim i-Reihe, die in Mecklenburg-Vorpommern angesiedelt ist.
Der Krimi konnte mich nicht nur mit seinem unglaublich packenden, vielschichtigen Plot begeistern, sondern auch mit seinem charismatischen und außergewöhnlichen Ermittlerduo von der Rostocker Kripo Lona Mendt und Frank Elling. Der Fall, der im legendären Jahrhundertsommer 2003 spielt, beschäftigt sich mit einem erschreckenden Verbrechen, dessen Ursprünge weit in die deutsch-deutsche Geschichte zurückreichen, und greift ein dunkles Kapitel mit höchst brisanter Thematik auf, das auf wahren Begebenheiten basiert.
Aus Schmidts Feder stammt ebenfalls die tolle, in Portugal angesiedelte » Fuseta«-Krimi-Reihe rund um den sympathischen Autisten Leander Lost, die unter dem Pseudonym Gil Ribeiro veröffentlicht wurden. Der mehrfache Grimme-Preisträger Holger Karsten Schmidt zählt übrigens zu den erfolgreichsten Drehbuchautoren Deutschlands – kein Wunder also, dass aus diesem vielversprechenden Kriminalroman auch ein Drehbuch für eine NDR/ARD Degeto-Coproduktion entstanden ist. Die vierteilige Fernseh-Serie "Die Toten von Marnow" wurde im Herbst 2019 von Regisseur Andreas Herzog unter Federführung des NDR gedreht und soll voraussichtlich im Jahr 2021 ausgestrahlt werden.
Was sich zunächst in einer Rostocker Plattenbau-Siedlung als Routinefall anlässt, erweist sich schon recht schnell als Auftakt einer mysteriösen Mordserie, bei der die Opfer scheinbar beliebig ausgewählt werden. Trotz falsch gelegter Fährten stoßen die beiden Kommissare der Rostocker Kripo Frank Elling und Lona Mendt auf eine vielversprechende Spur, die sie in das idyllische Städtchen Marnow an der Mecklenburgischen Seenplatte führt. Äußerst fesselnd ist es mitzuverfolgen, wie sie schon bald immer mehr Hindernisse in den Weg gelegt bekommen und ins Visier mächtiger, skrupelloser Gegner geraten, die offenbar mit allen Mitteln eine Aufklärung der grausamen Morde und ein Aufdecken skandalöser Maschenschaften verhindern wollen. Bemerkenswert ist der lebendige, sehr bildhafte Schreibstil des Autors, so dass beim Lesen ein tolles Kopfkino entsteht und Schauplätze und Figuren schnell Gestalt annehmen. Sehr packend, tempo- und wendungsreich hat Holger Karsten Schmidt seinen abgründigen Plot angelegt und versteht es, die Spannungskurve bis zum unglaublich mitreißenden Showdown immer weiter anzuziehen.
Auch die Charakterisierung seiner Figuren mit all ihren Ecken und Kanten ist sehr vielschichtig und hervorragend gelungen - vor allem die beiden Ermittler, die kaum unterschiedlicher sein könnten: Elling, ein eigentlich typischer, grundsolider Beamter und treusorgender Familienmensch, den finanzielle Sorgen plagen, und auf der anderen Seite die toughe, unnahbare Lona Mendt, die sich von Hannover nach Rostock versetzen ließ und seitdem in ihrem Wohnmobil lebt. Im Laufe ihrer oftmals recht eigenwilligen Ermittlungen stoßen beide an ihre moralischen Grenzen und verstricken sich in höchst fragwürdige und unverzeihliche Handlungen, bei denen auch hohe Geldsummen im Spiel sind. Doch trotz ihrer Gegensätze arbeiten sie als Team erstaunlich effizient zusammen und ergänzen sich perfekt. Gerade wegen ihrer Makel und Fehlentscheidungen wirken die beiden sehr authentisch und tiefgründig, und kann man sich gut in ihr Innenleben hinein versetzen. Mit dem sympathischen Ermittlerduo fiebert man bis zur Auflösung des heiklen Falls, auch wenn schließlich keiner mit einer reinen Weste dasteht.
Ich freue mich schon auf ein Wiedersehen mit den beiden charismatischen Ermittlern und einen neuen packenden Fall! Und bin natürlich auch auf die Umsetzung als Mini-TV-Serie gespannt!

FAZIT
Ein fesselnder, sehr lesenswerter Krimi zu einem brisanten Thema und Auftakt einer neuen Krimi-Reihe, der mich begeistern konnte – mit einem charismatischen, außergewöhnlichen Ermittlerduo, äußerst temporeicher Umsetzung und grandiosem Kopfkino!

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