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Veröffentlicht am 13.04.2020

Auf der Flucht

Die Geheimnisse meiner Mutter
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ist Roses Mutter Elise und zwar schon seit - für Rose - ewigen Zeiten. Sie verschwand nämlich kurz nach Roses Geburt und die liegt schon weit über 30 Jahre zurück. Das ist die Information, die ...

ist Roses Mutter Elise und zwar schon seit - für Rose - ewigen Zeiten. Sie verschwand nämlich kurz nach Roses Geburt und die liegt schon weit über 30 Jahre zurück. Das ist die Information, die Rose von ihrem Vater Matt erhält - er weiß nichts über Roses weiteres Schicksal. Sagt er.

Allerdings gibt er Rose einen ebenso wichtigen wie verwirrenden Hinweis: Die Autorin Constance Holden, von der Rose noch nie etwas gehört hat, könnte mehr wissen. Oder sogar etwas mit dem Verschwinden zu tun haben. Sie war einst eine gefeierte Bestsellerautorin und Matt zufolge hatte Elise mir ihr eine Beziehung, bevor sie Matts Frau und Roses Mutter wurde. Rose rückt dieser mysteriösen Person, die offenbar in den 1980ern ein richtiger Star war, zunächst über ihre Bücher näher und begibt sich dann auf die Suche nach der Person Constance. Doch die ist nicht leicht zu finden...

Der Leser ist Rose immer meilenweit voraus, denn der Roman ist in zwei Erzählstränge gegliedert: einer rankt sich - wie geschildert - um Rose und ist in den Jahren 2017/2018 angesiedelt, im anderen steht Elise im Mittelpunkt und er spielt in den frühen 1980er Jahren, noch vor Roses Geburt. Wir wissen während der Lektüre also einiges mehr über Elise als ihre Tochter - aber längst nicht alles.

Und das wird sich bis zum Ende des Romans leider auch nicht so recht ändern, denn der blieb zumindest für mich relativ undurchsichtig und enttäuschte mich damit. Ebenso wie die in einigen Passagen recht schlichte Sprache der Autorin. Auch wenn mir der Roman zumindest zu Beginn recht gut gefiel und sich auch durchaus süffig las, hat er leider nicht so recht meine Erwartungen erfüllt. Auch wenn mir die Idee durchaus gefiel. Aber den Umsetzungen der Autorin konnte ich trotz meiner Neugierde oft nicht so recht folgen. Aber vielleicht habe ich sie auch einfach nicht verstanden...

Veröffentlicht am 29.03.2020

Sozusagen auf eigenen Wunsch

Die Verwandelten
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verwandeln sich die beiden Teenager Fibi (Mädchen) und Aram (Junge) aus einem kleinen Kaff in Mecklenburg-Vorpommern in Waschbären, indem sie eine entsprechende Anleitung aus dem Internet verfolgen. Dazu ...

verwandeln sich die beiden Teenager Fibi (Mädchen) und Aram (Junge) aus einem kleinen Kaff in Mecklenburg-Vorpommern in Waschbären, indem sie eine entsprechende Anleitung aus dem Internet verfolgen. Dazu muss man vielerlei Beeren eingewickelt in ein gewisses Blatt essen und sich in einer für Autos gedachten Waschanlage "spülen" lassen.

Gesagt, getan! Und tatsächlich... es sitzen zwei Waschbären dort, wo eben noch Fibi und Aram waren. Die installierte Kamera dokumentiert das. Fibi kann zumindest noch sprechen wie sie selbst, doch Aram fehlen die Worte - nur noch mit seiner Mitstreiterin Fibi kann er kommunizieren.

Beide kehren zurück ins jeweilige Elternhaus, wo die Reaktionen sich nicht stärker unterscheiden könnten. Fibis Vater, der nebenberuflich ehrenamtlicher Bürgermeister des heimischen Kaffs ist, hat gleich die Idee, etwas zu vermarkten. Die Mutter, eine Psychotherapeutin, reagiert da ganz anders - und Arams Eltern sowieso. Vor allem, als sich herausstellt, dass es offbar kein Zurück ins Menschenleben gibt.

Ein spritziger Roman, der sich einerseits an Kafkas berühmter Käfergeschichte orientiert, andererseits jedoch sowohl Internet als auch Marketing kräftig auf die Schippe nimmt. Aus meiner Sicht hat Thomas Brussig, dessen Werke ich bereits seit Jahrzehnten mit Begeisterung lese ("Am kürzeren Ende der Sonnenallee" ist mein absoluter Favorit), hier eine Menge Potential ungenutzt gelassen - einige Ansätze sind mir nichts, dir nichts einfach so verpufft und es gab sogar - kaum vorstellbar bei diesem Plot - die ein oder andere Länge. Zumindest für mich. Also nur bedingt empfehlenswert, wobei das nur meine persönliche Meinung ist!

Veröffentlicht am 20.03.2020

Tanzen außerhalb der Norm

Die Tanzenden
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Das tun nicht nur die Protagonistinnen dieses Romans, nämlich Eugénie und Louise, sondern auch viele andere Charaktere: sie sind nämlich eingesperrt in der Salpetrière in Paris, einem Krankenhaus, ...

Das tun nicht nur die Protagonistinnen dieses Romans, nämlich Eugénie und Louise, sondern auch viele andere Charaktere: sie sind nämlich eingesperrt in der Salpetrière in Paris, einem Krankenhaus, das man lange als "Irrenhaus" bezeichnet hat und heute vielleicht psychiatrische Klinik nennen würde: einem, an dem bekannte Spezialisten wirken wie zum Beispiel Charcot, La Tourette und Babinski und einen Forschungserfolg nach dem anderen generieren. Und sie führen ihre Forschungsobjekte, die "verrückten" Frauen, auch gerne vor, auf regelmäßigen von vorzugsweise gut betuchten Herren gut besuchten Veranstaltungen. Am wichtigsten jedoch ist der Ball an Mittfasten, der für die Pariser eine große Belustigung, für die Patientinnen jedoch der wichtigste Tag im Jahr ist: einer, an dem sie sich mit Stolz dem Publikum präsentieren, in der Hoffnung wirklich gesehen zu werden.

Denn sie sind weggesperrt worden, weil sie anders sind. In vielen, ja den meisten Fällen, von denen, die ihnen am nächsten stehen - Väter, Brüder oder auch Ehemänner. Denn man schreibt das Jahr 1885 und die Frau hat nichts - ich korrigiere - weniger als nichts zu melden. Deswegen sind die meisten der Patientinnen auch nicht nach heutigem Verständnis psychisch krank, sondern haben einen eigenen Willen bzw. ein Wissen, von dem sich die Männer bedroht fühlen. Oder jedoch sie stören sie in anderer Hinsicht.

Ein Buch, das für die gequälten, unterdrückten und weggesperrten Frauen des 19. Jahrhunderts geschrieben wurde. Ein eindringliches Werk, das jedoch leider meine Erwartungen in vielerlei Hinsicht nicht erfüllen konnte. Vor allem, weil Eugénie paranormale Kräfte zugeschrieben werden - etwas realistischeres bzw. handfesteres wäre mir lieber gewesen.

Aus meiner Sicht ein Buch, das man lesen kann, aber nicht muss. Ich habe schon faszinierendere Werke zu diesem Thema gelesen, allen voran "Runa" von Vera Buck, ein Roman, den ich allen, die sich für dieses Thema interessieren, ans Herz lege!

Veröffentlicht am 01.03.2020

Carola, Carla oder auch Barbara

Die Königin von Berlin
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Alles Namen für eine, die von Haus aus Karoline Neher hieß: Carola wählte sie, aus der eine Schauspielerin der allerersten Garde werden sollte, als Pseudonym, nein: als neues Ich. Carla oder ...

Alles Namen für eine, die von Haus aus Karoline Neher hieß: Carola wählte sie, aus der eine Schauspielerin der allerersten Garde werden sollte, als Pseudonym, nein: als neues Ich. Carla oder auch Carlinchen - das war sie für ihren liebenden Mann, den siechen Dichter Klabund, Barbara dagegen für Bertolt Brecht, der in ihrem Leben eine ganz besondere Rolle spielte.

Charlotte Roth hat also für diesen Roman eine reale Person zur Protagonistin erkoren, die sie in ihr gewohntes Konzept für historische Romane der neueren Zeit bettet: Jemand stößt auf Ereignisse aus der Vergangenheit, wird neugierig und deckt spannende Hintergründe, die in den meisten Fällen mit seiner eigenen Historie zu tun haben, auf. Diesmal ist diese Person Carola Nehers Sohn Georg Becker (den es tatsächlich gab), der aufgrund ausgesprochen tragischer Entwicklungen ohne seine Mutter aufwuchs. Gemeinsam mit der Bibliothekarin einer Kleinstadt, in deren Obhut sich Dokumente von Nehers Familie befinden, spürt er die Hintergründe auf - für den Leser werden Carola und ihre Gefährten lebendig, die Autorin stellt die Handlung direkt aus ihrer Perspektive dar, lässt sie also empfinden und agieren.

Carola Neher war eine faszinierende Persönlichkeit, einer der Leuchttürme im ohnehin farbenprächtigen Berlin der 1920er Jahre - mir allerdings war ihre Existenz und damit auch ihr trauriges Ende - sie starb in einem der stalinistischen Gulags - bislang unbekannt.

Ich bin froh, dass Charlotte Roth das geändert hat und ich ein weiteres wichtiges Mosaiksteinchen der neueren deutschen Geschichte kennenlernen durfte, bzw. gleich mehrere, denn in dem Roman ging es u.a. auch um Nehers Ehemann Klabund und um Bertolt Brecht - ihr Förderer und zeitweiliger Liebhaber. In dessen Charakterdarstellung erbringt die Autorin aus meiner Sicht ein Meisterwerk, stellt sie doch Brechts Getriebenheit ausgesprochen lebendig und gelungen dar.

Aber ob er so fixiert auf Carola Neher war, wie es in diesem Roman den Anschein hat? In dem Wissen um andere, zeitlich parallele Ereignisse in Brechts Leben kann ich es mir kaum vorstellen. Auch empfand ich die Darstellung vieler Personen nicht immer als gelungen, ich hatte einfach kein Bild vor Augen - und das schafft Charlotte Roth eigentlich immer. Und dass Gottfried Benn, als Klabunds Jugendfreund eine mehrfach vorkommende Nebenfigur, vor allem über sein (offenbar von Neher so wahrgenommenes) hübsches Gesicht und die schönen Augen charakterisiert wird, hat mich sogar ein bisschen gestört.

Und es sind die 1920 Jahre selbst, die in vielen Werken so unvergleichbar vielschichtiger präsentiert werden, gerade, wenn Berlin im Mittelpunkt steht. Ein spannender Roman, aber einer, der mich forderte, auch in seinen Widersprüchen. Dennoch sehr lohnenswert, wenn Sie beispielsweise erfahren wollen, warum Neher von Brecht oft "Barbara" genannt wurde. Oder Klabunds wunderschönes Gedicht "Notabene" kennenlernen möchten. Oder - und das vor allem - mehr über Carola Neher erfahren möchten, die schon früh sagt: Vielleicht muss ich endlich fortgehen, um einen zu finden, der mich kennt. Ich kenne mich ja nicht einmal selbst." (S.31)


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Veröffentlicht am 24.02.2020

Die Schicksale der Nachbarn

Rote Kreuze
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Der junge Sascha, Vater einer kleinen Tochter, lernt beim Einzug in die neue Wohnung seine Nachbarin Tatjana Alexejewna kennen, eine überaus erzählfreudige alte Dame. Wie sich bald herausstellt, hat sie ...

Der junge Sascha, Vater einer kleinen Tochter, lernt beim Einzug in die neue Wohnung seine Nachbarin Tatjana Alexejewna kennen, eine überaus erzählfreudige alte Dame. Wie sich bald herausstellt, hat sie Schlimmes erlebt und mußte im Krieg für die Schuld anderer büßen: weil ihr Mann in Kriegsgefangenschaft aus sowjetischer Sicht mit dem Feind kollaborierte, wurde sie zu 15 Jahren Arbeitslager verurteilt, von denen sie zehn absitzen musste.

Ein ausgesprochen schmerzhaftes Kapitel nicht nur der sowjetischen, sondern der gesamten Weltgeschichte wird hier auf eigene Art aufgearbeitet. Der Autor gibt nicht nur durch die Erzählungen der über 90jährigen Zeitzeugin, sondern auch durch das Einfügen von Originaldokumente wichtige Einblicke in die jüngere Geschichte der Sowjetunion. Seite für Seite ist spürbar, dass ihm wichtig ist, dass die Greueltaten des 20. Jahrhunderts nicht vergessen werden.

Ein wichtiges Buch, das ich gerne gelesen habe, obwohl ich wieder und wieder meine Probleme mit dem Erzählstil hatte. Stellenweise erscheint mir der Erzählfluss nicht ganz stimmig - es werden Informationen bzw. Entwicklungen ausgelassen, dann kommt wieder etwas dazu, dessen Bedeutung ich mir schwer erklären kann - für mich war das alles ein bisschen verwirrend.

Dass mit Alexander die Figur eines jungen Mannes, der schon viel mitmachen musste, gewählt wurde, finde ich hingegen passend - seine eigenen Erfahrungen mit dem menschlichen Leid machen seine Entwicklung von jemandem, der von der Nachbarin genervt ist und sie als aufdringlich empfindet, zu einem einfühlsamen, ja fürsorglichen Zuhörer.

Ein besonderer Roman, den ich trotz meiner persönlichen stellenweisen Schwierigkeiten gerne allen, die an neueren historischen Entwicklungen interessiert sind - und ich hoffe, dass das viele sind - weiterempfehle.