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Veröffentlicht am 15.03.2021

Eine Wiener Familie

Wir bleiben noch
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Victor Jarno ist nicht der Schnellste. Nein, er ist eher behäbig und verschließt sehr gern die Augen, um nichts wahrnehmen zu müssen. Er will sich mit den Veränderungen der Politik, der Gesellschaft und ...

Victor Jarno ist nicht der Schnellste. Nein, er ist eher behäbig und verschließt sehr gern die Augen, um nichts wahrnehmen zu müssen. Er will sich mit den Veränderungen der Politik, der Gesellschaft und der eigenen Familie nicht auseinandersetzen. Doch dann trifft er seine Cousine und muss sich allem stellen.

Bei der großen Geburtstagsfeier der Oma treffen die verschiedenen Familienzweige aufeinander und die Stimmung ist alles andere als feierlich. Die Gräben sind schon vorhanden, die verletzten Seelen und die verhärteten Fronten werden weiterhin gepflegt. Als Leser saß ich zwischen den Familienmitgliedern und habe mich unwohl gefühlt. Die negative Stimmung, die gereizten Worte und unterschwelligen Angriffe fand ich bedrückend. Der Humor blitzte nur selten auf und dann war er schwarz und aber trotzdem gut.

Der Rechtsruck ist bei dieser Familie angekommen und Victor, der letzte Sozialdemokrat, fragt sich, wie das passieren konnte. Er blickt zurück, in die Vergangenheit, und stellt fest, dass die Gesellschaft gesättigt ist. Während die Nachkriegsgeneration alles aufbauen musste, konnte die nachfolgende Generation konsumieren. Doch sie sind nicht zufrieden, stellen Ansprüche, schauen nach links und rechts und neiden dem Nachbarn das Haus, das Glück und die Zufriedenheit. Aber warum?

Und dann kommt die Cousine Karoline aus dem Ausland zurück. Sie verlieben sich und die Familie zerreißt es endgültig. Die Gräben werden noch tiefer, das Unverständnis noch größer und die Kommunikation wird eingestellt. Die zerstrittenen Mütter sind schockiert und distanzieren sich von ihren Kindern. Das Liebespaar zieht sich zurück, schwelgt im Glück und zieht in das geerbte Haus der Oma. Doch es dauert nicht lange und die dunklen Wolken ziehen auf.

Das Buch liest sich gut und flüssig (bis auf die SMS-Nachrichten). Der Humor des Autors ist speziell und man muss sich erst daran gewöhnen. Ab und an konnte ich auch lachen, aber größtenteils empfand ich die Geschichte beklemmend, traurig und bedrückend. Dieser Familienzwist ist so real beschrieben, dass man fast schon Gänsehaut beim Lesen bekommt. Je weiter die Geschichte voranschreitet, desto mehr werden die Leben der Mütter ausgebreitet. Es tauchen immer mehr Details über Verletzungen auf, die nie angesprochen wurden, aber Narben hinterlassen haben und dafür sorgten, dass man sich entzweit. Es braucht etwas Muße, um in dieses Buch einzusteigen. Die Langsamkeit der Geschichte hat mich etwas ausgebremst. Manchmal hatte ich das Gefühl, sie bleibt stehen, doch dann ruckelte es weiter.

Ich muss zugeben, dass ich mit den Charakteren nicht so richtig warm geworden bin und am Ende auch ein klein wenig erleichtert war, als ich die letzte Seite umblättern konnte.

Veröffentlicht am 15.11.2020

3-4 Sterne für diese schwer zu lesende, aber interessante Geschichte

Bären füttern verboten
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Rachel Elliott hat eine Geschichte geschrieben, die mit eigenwilligen und doch sehr realistischen Charakteren ausgestattet ist. Die Charaktere sind stark und schwach zugleich. Sie verzweifeln und rappeln ...

Rachel Elliott hat eine Geschichte geschrieben, die mit eigenwilligen und doch sehr realistischen Charakteren ausgestattet ist. Die Charaktere sind stark und schwach zugleich. Sie verzweifeln und rappeln sich wieder auf. Sie schleppen alle ein Paket an Sorgen, unverarbeiteter Vergangenheit und innere Trauer mit sich und doch versuchen sie ihrem Leben etwas abzuringen – einen Sinn, etwas Glück und Liebe. Die Schicksale dieser wunderbaren Charaktere werden im Laufe der Geschichte miteinander verbunden, aber der Weg dahin ist nicht so einfach.

Der Schreibstil von der Autorin ist nicht so einfach zu lesen. Anfangs habe ich nicht wirklich durchschauen können, wer mit wem und warum. Dazu kam, dass auch mal ein Hund aus seiner Sicht etwas erzählte und so die Verwirrung noch etwas größer wurde. Bei diesem Buch muss man sich die Zeit nehmen und einiges am Stück lesen. Für zwischendurch ein paar Seiten (in der Bahn oder Mittagspause) ist dieses Buch weniger geeignet, denn man benötigt einige Zeit bis man in die Geschichte eintauchen kann. Während des Lesens stellte sich bei mir immer wieder eine Art von Traurigkeit ein, denn die Charaktere sind so realistisch und nah, dass man mit ihnen mitleidet und vor allem hofft man, dass es ihnen zum Ende zu besser gehen wird.

Ich mochte die Geschichte, obwohl sie schwerer zu lesen war als andere Bücher. Dafür hatte sie spannende Charaktere, die Tiefgang und starke Emotionen hatten. Es ist, aus meiner Sicht, eine Geschichte, die danach ruft, zweimal gelesen zu werden, um wirklich alles wahr- und aufnehmen zu können, was die Geschichte zu bieten hat.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 11.04.2020

Es ist eine etwas skurrile Geschichte, manchmal mit überraschenden Wendungen und amüsanten Passagen.

Regenbeins Farben
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Unter dem Titel "Regenbeins Farben" konnte ich mir so gar nichts vorstellen. Ist es ein Krimi, ein Gesellschaftsroman, eine Liebesgeschichte oder ein Schicksal? Nachdem Lesen weiß ich nun, dass es eine ...


Unter dem Titel "Regenbeins Farben" konnte ich mir so gar nichts vorstellen. Ist es ein Krimi, ein Gesellschaftsroman, eine Liebesgeschichte oder ein Schicksal? Nachdem Lesen weiß ich nun, dass es eine Liebesgeschichte mit leichter Gesellschaftskritik und vier Schicksalen ist. Die Geschichte beweist an vielen Stellen Humor und Ironie, aber stets recht leise, aber wenn man sich eingelesen hat, erkennt man sie schnell. Die Autorin hat einen guten und schön zu lesenden Schreibstil, der gut durch die Seiten trägt.

Ihre Charaktere sind so unterschiedlich und doch miteinander verbunden. Man lernt drei Witwen auf dem Friedhof kennen. Ziva, eine ältere Professorin, die im wallenden Outfit und einer recht direkten und schroffen Art auffällt. Lore, herrlich diese Lore, immer ein Champagnergläschen in der Hand und recht eigen in ihren Ansichten, aber auch sehr reich und gelangweilt. Und dann noch Karline Regenbein, eine begabte Malerin, die jedoch so unscheinbar ist, dass sie sich im Kunstbetrieb nicht durchsetzen kann bzw. will. Sie ist genügsam und ruhig. Diese drei Damen verbindet ein Mann Eduard Wettengel.

Der Reigentanz, der sich dann entwickelt, lässt tief blicken in die Geschichten der Damen und deren Leben, deren Lieben und welche Probleme sie mit dem Regime hatten. Aber auch Eduard Wettengel weiß zu überraschen. Er ist schon zu Lebzeiten der Ehemänner ein Verbindungsglied, der mal hofierend, mal ausgleichend und schlichtend in das Leben der Damen eingreift. Man sollte sich etwas für Kunst und Malerei interessieren, denn dies ist der Dreh- und Angelpunkt bei allen Charakteren.

Es ist eine etwas skurrile Geschichte, manchmal mit überraschenden Wendungen und amüsanten Passagen. Aber es gab auch traurige und eher beklemmende Momente in dieser kurzen Geschichte, die jedoch nie die Oberhand gewinnen konnten.

Veröffentlicht am 15.04.2024

Zwei Frauen, zwei Leben

Der Pakt der Frauen
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Zwei Frauen, zwei Zeitebenen, zwei Bildungswege und ein Kochbuch.

1976: Katharina Adler kämpft sich als junge Wissenschaftlerin durch die Männerreigen, die sie gern klein halten, beiseite schieben und ...

Zwei Frauen, zwei Zeitebenen, zwei Bildungswege und ein Kochbuch.

1976: Katharina Adler kämpft sich als junge Wissenschaftlerin durch die Männerreigen, die sie gern klein halten, beiseite schieben und bloßstellen wollen. Doch Katharina setzt sich durch und leitet ihr Seminar zum Thema Kochbücher. Sie will die Rechte der Frauen stärken, ihren Studentinnen ein Vorbild sein und sich ihren Platz als Professorin erkämpfen. Der Spott, die Häme und die wenig charmanten Kommentare der männlichen Kollegen begleiten sie dabei tagtäglich.

1940: Ihre Mutter Jule hatte ein anderes Leben. Ein schweres Leben während der Kriegsjahre und als junge Haushaltshilfe bei einer jüdischen Familie. Sie lernt Zwangsarbeiterinnen kennen und versucht ihnen zu helfen. Deren Rezepte schreibt Jule nieder, damit sie nicht vergessen werden. Das Kochbuch mit diesen Rezepten bekommt Katharina in die Hände und ganz langsam schließt sich der Kreis bzw. die Geschichte.

Die Passagen über Jule und die Zwangsarbeiterinnen fand ich gut und sehr interessant, da ich bisher kaum etwas über das Leben und die Bedingungen der Zwangsarbeiterinnen gelesen habe. Es waren bedrückende Passagen, die noch etwas länger im Gedächtnis bleiben. Die Geschichte rund um Katharina und deren Probleme mit den bestehenden Machtstrukturen empfand ich nach einiger Zeit ermüdend, da sie sich wiederholten. Das Thema Kochbücher konnte mich tatsächlich auch nicht so richtig begeistern, obwohl ich gern koche. Aber diese Textpassagen waren durchaus zu lang und etwas zäh.

Volle Begeisterung für das Buch kam bei mir leider nicht auf, die geschichtlichen Einschübe aus den 1940er Jahren fand ich dagegen gelungen.

Veröffentlicht am 08.04.2024

Kaum Spannung und einige Längen

Sommerhaus am See
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Die Familie Starling verbringt das Wochenende ein letztes Mal in ihrem kleinen Häuschen am Christopher See. Das Häuschen, welches eher ein ausgebauter Trailer ist, ist für die erwachsenen Kinder der Starlings ...

Die Familie Starling verbringt das Wochenende ein letztes Mal in ihrem kleinen Häuschen am Christopher See. Das Häuschen, welches eher ein ausgebauter Trailer ist, ist für die erwachsenen Kinder der Starlings ein Ort der Kindheit, der Freude und des Freiseins. Jeden Sommer wurden die Ferien an diesem See verbracht. Nun haben die Eltern entschieden, dass das Haus verkauft werden soll.

Der Lesende steigt direkt mit dem schrecklichen Ereignis ein und erfährt dann über viele Kapitel Einzelheiten aus dem Leben der Familienmitglieder. Die schöne Fassade der glücklichen Familie bekommt im Laufe der Geschichte immer mehr Risse und Löcher. Die Vergangenheit wird nach oben gespült und schmerzt jedes einzelne Familienmitglied auf seine Weise. Alte Wunden werden wieder aufgerissen und zum ersten Mal werden die Geheimnisse laut ausgesprochen. Die vielen kleinen und großen Überraschungen sorgen für Verwirrung und Streit, aber auch für mehr Verständnis.

Die Grundidee der Geschichte ist nicht neu, aber trotzdem kann man daraus eine spannende und interessante Familiengeschichte erschaffen. Das hat leider bei dieser Geschichte nur phasenweise funktioniert. Es gab recht viele zähe Passagen, die sich über die Seiten zogen. Die Charaktere blieben oberflächlich und blass, so dass man stets nur am Rand der Geschichte stand und nicht mittendrin.

Aus meiner Sicht gab es zu viele Dramen und Personen in dieser Geschichte, dadurch wurde sie leider etwas oberflächlich und verlor dabei ihre Spannung und das Tempo.