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Veröffentlicht am 30.08.2020

Eine Geschichte über das Gestalten und Erfahren-müssen von Veränderungen im Leben

Weil alles jetzt beginnt
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Weil alles jetzt beginnt ist die Geschichte von Evvie. Eveleth Drake ist 32 Jahre alt, als ihr Mann sie verließ. Eigentlich wollte sie ihn gerade verlassen. Doch noch nicht einmal das sollte ihr gelingen. ...

Weil alles jetzt beginnt ist die Geschichte von Evvie. Eveleth Drake ist 32 Jahre alt, als ihr Mann sie verließ. Eigentlich wollte sie ihn gerade verlassen. Doch noch nicht einmal das sollte ihr gelingen. Ihr Mann starb an diesem Abend, gerade als sie ihre wenigen Habseligkeiten im Auto verstaute, an den Folgen eines Verkehrsunfalls.

Tief erschüttert bleibt Evvie zurück und sie lässt ihr Umfeld in dem Glauben, dass es die Trauer um ihren verstorbenen Mann sei, die sie so leiden lässt. Wie sollte sie auch gerade jetzt ihrer Familie, ihren Freunden erklären, dass Tim eben nicht der perfekte, liebende Ehemann war. Wo doch Timothy Christopher Drake als Arzt in dem kleinen Nest, in dem sie lebten, doch quasi zum Superstar der Menschen im Ort avanciert war.



So hat Evvie zu seinen Lebzeiten nie etwas von ihrer Beziehung nach außen dringen lassen - und nach Tims Tod hatte Evvie auch mit niemanden darüber gesprochen. Auch nicht mit ihrem besten Freund Andy. Andreas Buck, der mit seinen zwei kleinen Mädchen allein zurück blieb, nachdem seine Frau Lori ihn verlassen hatte. Andy war froh, dass Evvie ihm mit seinen Töchtern Lilly und Rose zur Hand ging, ihnen Zöpfe flocht und sich um sie kümmerte, wenn er nicht da sein konnte. Alles andere kann warten.

Doch wenn man alles andere warten lässt, wird man nicht heil - auch Evvie nicht. Als ein Freund von Andy dringend einen Rückzugsort braucht, schlägt er Evvie vor, doch Räumlichkeiten an ihn zu vermieten. Dann wäre sie in dem großen Haus nicht allein und Dean wäre auch damit geholfen.

Dean Tenney war als ehemaliger Profisportler, als Pitcher, der Presse ausgesetzt und nach dem Verlust seines Wurfarms sah er sich auf Tritt und Schritt von den Medien verfolgt. Ruhe und Abstand würden im gut tun und von seiner unfreiwilligen Erkrankung ablenken.

Die einzige Regel, die Dean und Evvie aufstellen: über die Dinge, die sie am verletzlichsten machen, ihr verstorbener Mann und sein Wurfarm, wird nicht gesprochen.

Wie gut ihnen das gelingt, wenn man sich sympathisch ist und jeden Tag und jede Nacht unter demselben Dach verbringt, ist abzusehen. Doch die Entwicklung und der Reifeprozess sind spannend zu verfolgen.



Weil alles jetzt beginnt ist ein leises Buch, ein weises Buch. Es ist wie eine Wahrheit, die unvermittelt aufgeschlagen vor mir liegt. Linda Holmes erzählt in einem ruhigen, besonnenen Schreibstil über das Leben und über die Gefangenschaft, die sich ein Mensch selbst auferlegt. Dies hat Linda Holmes wunderbar in die fiktive Geschichte von Evvie und Dean eingebunden.

Beispielsweise Evvies Gedanken zu ihrem Status.



"Seltsam", spann Evvie ihren Gedanken weiter, "dass ich durch meine Heirat dieses Wort an mir hängen habe und es nur wieder loswerde, wenn ich noch einmal heiraten würde. Ist dir klar, dass ich nie wieder Single sein kann? Ab jetzt gibt es bloß noch Witwe oder verheiratet." - Seite 121



Es ist schwer genug, einen geliebten Menschen zu verlieren. Aber in jungen Jahren seinen Partner zu verlieren - wie widrig die Umstände auch sind - dieser Status Witwe bleibt. - Zumindest solange bis man das Glück hat einen neuen Partner zu finden und ihn zu heiraten. Denn auch wenn man einen neuen Partner hat, ist man Witwe in einer Beziehung. Es ist erschütternd, es ist bis in den hintersten Winkel des Herzens traurig.

Dieses Leid ist spürbar beim Lesen der Zeilen und ich leide mit Evvie. Linda Holmes gelingt durch ihren Schreibstil die Bandbreite von Evvies Gefühlen klar zum Ausdruck zu bringen. Selbst in Momenten, in denen ich mir als Leser wünsche, dass Evvie nun Glück spürt und ich daran teilhaben möchte, schafft die Autorin durch Evvies Gedankenspiel diese Gefühle auszubremsen. Genau so, wie sie auch für Evvie ausgebremst werden, weil sie sich selbst ausbremst und noch nicht in der Lage ist, das Gute, das Schöne für sich zuzulassen.



Ein weiteres, berührendes Thema, das Linda Holmes anspricht, ist Hilfe, die von außen kommt.



"Kann ich nur empfehlen", sagte Monica. Einer meiner Ärzte meinte mal: "Der Kopf ist das Haus, in dem wir leben, und da sollten wir uns für ein paar Reparaturarbeiten nicht zu schade sein." - Seite 321



Auch heutzutage ist das Thema Psychothearpie immer noch eher ein Tabuthema. Niemand möchte, dass andere denken, dass mit ihm "etwas nicht stimmt". Die Autorin geht sehr behutsam mit dem Thema um und macht verständlich, dass auch der Kopf durchaus auch mal Hilfe benötigt.



"Und so verhält es sich auch mit der Psychotherapie. Es geht nicht darum, ob Sie etwas auch irgendwie allein hinbekommen. - Seite 328



So gesehen muss ich Linda Holmes da recht geben. Vor allen Dingen, wenn ich mir dagegen meine handwerklichen Begabungen ansehe: da sehe ich genau, was ich "irgendwie allein hinbekomme".



Weil alles jetzt beginnt ist ein sehr kluger Roman, der mich - mit den lebendig gezeichneten Charakteren - Höhen und vor allem auch Tiefen der Protagonisten begleiten lässt. Es ist für mich zu einem Herzensbuch geworden.

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  • Cover
  • Gefühl
Veröffentlicht am 17.08.2020

Die eigene Geschichte schreibt niemand außer Dir

BECOMING
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Becoming - Meine Geschichte
Autobiografie
Hörbuch
der Hörverlag
Autorin: Michelle Obama
Sprecherin: Katrin Fröhlich
ISBN 978-3-845-2966-1
2 mp3-CD
Laufzeit: 18 h 42 min
vollständige Lesung








Becoming ...

Becoming - Meine Geschichte
Autobiografie
Hörbuch
der Hörverlag
Autorin: Michelle Obama
Sprecherin: Katrin Fröhlich
ISBN 978-3-845-2966-1
2 mp3-CD
Laufzeit: 18 h 42 min
vollständige Lesung








Becoming - Meine Geschichte von Michelle Obama geschrieben und von Katrin Fröhlich gelesen, erlebe ich, als würde ich mit Michelle Obama gemütlich am Küchentisch sitzen während sie mir ihre Geschichte, ihren beruflichen Werdegang und den Verlauf der Präsidentschaftswahl mit den sich anschließenden familiären Herausforderungen nach der Wahl erzählen würde. - Dabei reicht der Platz gar nicht für eine gemütliche Sitzgelegenheit in meiner Küche, das Ambiente bringt sie gleich mit.







Beim Erzählen bemerke ich, wie wichtig Michelle Obama ihre eigene Geschichte ist. Es erinnert mich an ihre Aussage auf dem Booklet zum Hörbuch.




"Selbst dann, wenn das Leben weder schön noch perfekt ist. Selbst dann, wenn es realer ist, als einem eigentlich lieb wäre. Denn die eigene Geschichte ist etwas, das man hat, das man immer haben wird. Wir müssen sie nur für uns beanspruchen." - Klappentext


Michelle Obama erzählt ihre Geschichte in drei Lebensabschnitten.

Der erste Abschnitt beinhaltet ihre Kindheit, wie sie aufwuchs, was für Erfahrungen sie während ihrer Berufswahl gemacht hat. Ich werde nennt sie diesen Abschnitt und zeigt anhand ihrer Geschichte, welche Ausgangsmöglichkeiten sie durch ihre Entscheidungen und dem Zutun anderer Menschen hatte.

So lerne ich ihre Familie kennen und ihre Beweggründe, nicht lediglich die Arbeit zu machen, die ihr aufgetragen wird sondern den Job zu machen, für den sie brennt. - Auch wenn es mit finanziellen Einbußen einhergeht.

Im zweiten Abschnitt, dem Wir werden, erzählt sie, wie sie Barack Obama kennengelernt hat und den Herausforderungen, die ein Wir werden mit sich bringt. Zwei Menschen, die einander zugetan sind, sich lieben, die aber auch unterschiedlich und eigenständig sind. Die Kunst, unter den äußeren Einflüssen und damit auch unter sporadischen Trennungszeiten - im räumlichen Sinn - die Beziehung zu leben und die Freiräume zur Entwicklung, zum gemeinsamen Leben und des Erreichens der eigenen beruflichen und der gemeinsamen partnerschaftlichen und familiären Ziele zu meistern, war eine Erfahrung, die Michelle Obama in der Weise unvorbereitet traf.

Die Bedeutung, einen Mann, ihren Mann, zu unterstützen einen Wahlkampf zu gewinnen, auf den er sich jahrelang vorbereitet hat, ist nicht zu unterschätzen.

Gebannt hörte ich zu, als wäre die Stimme von Katrin Fröhlich die eigene Stimme von Michelle Obama, die an meine Ohren drang und es erfüllte mich mit Wehmut, wieder von ihr Abschied nehmen zu müssen, da sie ihre Geschichte bald erzählt haben wird. Katrin Fröhlich legt die Intensität, die Michelle Obama vermittelt, in die Stimme, so dass ich immer wieder erstaunt bin, wie wirklich und persönlich die Geschichte von Michelle Obama auf mich wirkt.

So war ich froh, dass im Anschluss an den zweiten Abschnitt noch der abschließende Teil ihrer Geschichte erzählt wurde: Mehr werden.

Mittlerweile waren Michelle und Barak Obama Eltern zweier Kinder. Ihre Töchter Malia und Sasha sollten so normal wie möglich aufwachsen, zur Schule gehen und Freunde treffen. Die nächste Herausforderung neben den eigenen Wünschen und Zielen für Michelle Obama, die nun ganz eigene und besondere Auflagen als First Lady zu befolgen hatte.
Auch dieser Abschnitt ist sehr eindrücklich und sehr persönlich erzählt. Und schnell wird klar: nur weil man im Weißen Haus lebt, hat man weder Narrenfreiheit noch schwimmt man plötzlich im Geld. Michelle Obama gibt einen Einblick in die Politik des Landes und lässt mich auch hinter die ach so hübschen Kulissen gucken.

Becoming - Meine Geschichte inspiriert mich zu Gedanken zu meiner Geschichte - wie es der Titel ja schon sagt. Und Michelle Obama lässt mich anhand ihrer Geschichte wissen: Setze Vertrauen stets in dich selbst. Werden bedeutet nicht ankommen, werden bedeutet sich zu entwickeln. Werden bedeutet Veränderung.

Michelle und Barack Obama haben das scheinbar Unmögliche geschafft. Und sie wirken immer noch weiter und werden - wenn auch nicht im Präsidentschaftsamt.

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Veröffentlicht am 11.07.2020

Eine Geschichte, bunt, wie das Leben

Die Liebe kommt auf Zehenspitzen
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Die Liebe kommt auf Zehenspitzen
Roman
Bastei Lübbe AG
Autorin: Kristina Günak
ISBN 978-3-7325-8628-8
318 Seiten
Erscheinungsdatum: 29. Juni 2020


Ein herrlicher Roman.
Ich bin ganz verliebt in die ...

Die Liebe kommt auf Zehenspitzen
Roman
Bastei Lübbe AG
Autorin: Kristina Günak
ISBN 978-3-7325-8628-8
318 Seiten
Erscheinungsdatum: 29. Juni 2020


Ein herrlicher Roman.
Ich bin ganz verliebt in die Atmosphäre, die Kristina Günak darin erschaffen hat.



Die Liebe kommt auf Zehenspitzen ist die Geschichte von Lucy und Ben.




Lucy Bradford lebt allein in Hamburg. Statt den Trubel der Großstadt zu genießen, ist sie jedoch oft allein. Ihr Job ist ihr da auch nicht dienlich, ganz im Gegenteil. Sie arbeitet zu Hause als Übersetzerin von Liebesromanen.
Dafür hatte sie Glück und ein Verlag hat gleich ihren neuen, ihren ersten Roman gekauft. Zugegeben, dieser ist noch in Arbeit und es will auch noch nicht recht vorangehen. Doch sie hat Zeit bis nächsten Herbst und jetzt ist gerade mal Winter. Um genau zu sein, steht Weihnachten unmittelbar bevor.


Um zu ihrer Familie zu gelangen, hat sie sich eine Mitfahrgelegenheit gesucht: Benedict Greifenberg, ein junger Arzt im klapprigen, alten Auto.

Auf dem gemeinsamen Weg zu ihren Verabredungen - Lucy möchte ihre Eltern und ihren Bruder besuchen und Ben will zu seinen Freunden nach Husum - schlägt ihnen das Wetter jedoch ein Schnippchen. Dank des immer dichter werdenden Schneefalls und der bald darauf unpassierbaren Fahrbahn müssen sie auf einem Parkplatz halten und werden noch vor Beginn der Nacht von einem Friesen im Fendt gerettet.

Lucy und Ben kommen aufgrund des anhaltenden Schneefalls am Heiligen Abend nicht mehr zu ihren Verabredungen sondern landen auf dem Hof von Dorle Dormann. Dort erwarten Lucy und Ben ein marodes Haus, ein verschrobener Hund namens Helmut und eine warmherzige alte Dame: Dorle.

Nach einem spontanen und dennoch gemütlichen gemeinsamen Weihnachtsabend verlieren sich Lucy und Ben fast aus den Augen - bis sie im Frühjahr Post bekommen: sie haben den Dormannschen Hof geerbt. Gemeinsam. Und nur unter der Bedingung, dass sie zusammen auf dem Hof leben.

Mit dem Hof erben sie zusätzlich Geldmittel, die für das erste gemeinschaftliche Jahr reichen sollten. Klingt geradezu traumhaft, denn Ben ist der Job im Krankenhaus zu viel und Lucy wurde die Wohnung gekündigt.
So ziehen sie - unter der eigenen strikten Auflage als Freunde auf dem Hof zu leben- in das Haus von Dorle Dormann ein.

Statt eines beschaulichen, ruhigen Dorflebens, schlägt das Leben dort seine Kapriolen. Lucy und Ben müssen lernen den Hof zu führen und sind in dem ruhigen Dorf nun alles andere als allein.

Die Geschichte rund um das Dorfleben und das Kennenlernen der Dorfbewohner ist Kristina Günak mit viel Witz und Charme vollends gelungen. Die feine Wortwahl gemischt mit umgangssprachlichen Ausbrüchen der Protagonistin Lucy macht das Leben in dem Dorf zudem sehr lebendig.

Dadurch, dass Lucy die Geschichte erzählt, bin ich ihr sehr nahe. Obwohl sie sich gern unnahbar gibt, um nicht verletzt zu werden. Während Lucy nach außen sehr robust wirkt, ist Ben der sensible Part der Beiden. Er gibt Lucy Zeit und Raum für ihr Wirken und Werken. Während Lucy Ben häufiger mal einen Schubs in die richtige Richtung gibt. Es macht Spaß die beiden zu begleiten und zu sehen, wie sich eine echte, tiefe Freundschaft entwickelt.

Beide Charaktere haben Verletzungen davongetragen. Sie haben ihre Ängste, die sie im Alltag häufig verdrängen, statt sie genauer zu betrachten. Kristina Günak schafft scheinbar mühelos den Balanceakt eine fröhliche Geschichte zu erzählen und ihr dennoch Tiefe zu verleihen. Die Charaktere, die sie für den Roman entwickelt hat, sind lebendig. Sie bestechen mit ihrem eigenen Charme und können genau so gut unbequem sein. - Und das jeder auf seine Art. Ob grantig, freundlich oder beständig - jeder Dorfbewohner bringt seine Eigenart mit und wächst mir im Verlauf der Geschichte ans Herz. Das Buch birgt den Wunsch in genau dieses Dorf zu ziehen. Ich möchte Nachbarn wie Fredo und Millie. Fredo, der das Herz am rechten Fleck hat, es aber bloß nicht offen zeigt. Millie, die eine begnadete Kuchenbäckerin ist und Fredo von Herzen liebt - und ihn deshalb mehr als einmal in seine Schranken weist. Und die Dorfgemeinschaft hält noch weitere liebenswerte Charaktere vor.

"Fredo trug seinen verkniffenen Gesichtsausdruck und noch einen Klappstuhl, und Helmut trug nichts, legte Henriette aber sogleich die Nase auf das Bein, was für seine Verhältnisse einer stürmischen Begrüßung gleichkam." - Seite 143

Die Geschichte ist warmherzig erzählt und das macht - meiner Meinung nach - das wohlige Empfinden beim Lesen aus. Gespickt mit Esprit wird das Lesen zu einem wunderbaren Leseerlebnis.

"Wenn du versuchst zu kochen, muss man hinterher die Küche renovieren, aber das ist völlig okay." - Seite 183

Fazit

Ich habe beim Lesen der Geschichte jede Seite genossen.
Das Buch ist für alle, die lockerleicht unterhalten werden wollen und sich dem Ernst des Lebens und der Liebe nicht verschließen wollen.

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Veröffentlicht am 27.06.2020

Spannend, köstlich und dieses Mal geht es mit Pierre Durand in die Camargue

Provenzalischer Stolz
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Provenzalischer Stolz ist der siebte Fall für Pierre Durand und spielt im Rhônetal, in der Camargue.

Diesen siebten Band kann man problemlos unabhängig von den Vorgängerromanen lesen. Die Entwicklung ...

Provenzalischer Stolz ist der siebte Fall für Pierre Durand und spielt im Rhônetal, in der Camargue.

Diesen siebten Band kann man problemlos unabhängig von den Vorgängerromanen lesen. Die Entwicklung der Charaktere und der Rückblick auf die Dorfbewohner von Sainte-Valérie erlebt man hautnah, wenn man von Anfang an dabei ist. Und dabei entdecke ich als Leser auch, wie vielfältig die Provence ist.



Mit diesem siebten Fall für Pierre Durand entführt mich die Autorin Sophie Bonnet in die Camargue und ich erfahre einiges über die Hintergründe im Rhônetal. Über die Geschichte des Landes, über die Geschichte des Glaubens, über die Tierwelt - insbesondere der Wasservögel im Étang de Vaccarès - einem Teil des Naturschutzgebietes.

Es sind in sich schon sehr spannende Themen, die Sophie Bonnet mit in diese Geschichte eingewoben hat. Dazu kommt der spannende Kriminalfall, mit dem Pierre Durand konfrontiert wird. Und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, in dem Pierre mit sich und seiner beruflichen Zukunft hadert und erst einmal Abstand gewinnen möchte. Ein ungebetener Gast auf dem Hausboot, das er für seine Mußestunden auserkoren hat, macht die Sache nicht einfacher. Es stellt sich heraus, dass dieser ungebetene Gast Zeuge eines Mordes gewesen war - nur leider mit einigen Gedächtnislücken.
Auch privat scheint Pierre sich gerade von seiner Lebensgefährtin Charlotte eher zu entfernen, als mit ihr weitere Zukunftspläne zu schmieden. Noch dazu ist ein Kettenbrief im Umlauf. Die Dorfbewohner sind sehr abergläubisch, daher verbreitet sich dieser Brief in Windeseile. Die wenigsten reagieren mit Gelassenheit darauf.

"Dabei war dieser Nostradamus ein Hochstapler und Schaumschläger sondergleichen. Ich wette, er lacht sich krumm und schief, weil er sich mit seinen Prophezeiungen den größten Witz des Jahrtausends ausgedacht hat." - Seite 128

Wie ernst muss man die in den Kettenbriefen enthaltenen Prophezeiungen nehmen? Nach dem ersten Mord stellt sich die Frage nach dem "wie ernst" nicht mehr, sondern nur: wer ist der nächste arme Sünder und wie kann man den Mord verhindern?

Da ist es kein Wunder, dass Pierre - auch wenn er als ehemaliger Dorfpolizist gerade vom Dienst suspendiert ist - sich die Frage stellt, ob er nicht zu nahe am Geschehen ist.

"Nähe macht blind, so lautete eine der ersten Lektionen auf der Polizeihochschule. Je näher man dem Bösen kam, desto weniger nahm man es wahr." - Seite 150

In den Ermittlungspausen der Kriminalgeschichte entführt Sophie Bonnet mich mit kulinarischen Köstlichkeiten und Landschaftsbeschreibungen. Beinahe kann ich die Hitze spüren an diesen heißen Tagen in der Camargue und angesichts der Köstlichkeiten läuft mir das Wasser im Munde zusammen. Als besonderes Highlight sind in den kulinarischen Krimis auch immer die Rezepte am Ende des Romans abgedruckt. Eine kurze Beschreibung über die Herkunft des Gerichts und anschließend folgen Zutatenliste und Zubereitungshinweise.

Wer möchte, kann sich also durchaus über die Kriminalgeschichte hinaus mit dem Buch befassen. Sei es, um die tollen Rezepte auszuprobieren oder um die im Buch beschriebene Gegend besser kennenzulernen.

"Ich sage Ihnen, was gottgewollt ist: dass die Natur sich dieser schrecklichen, kopulierenden gierigen Kreatur entledigt, die sich Mensch nennt und glaubt, Gottes größtes Wunderwerk zu beherrschen." - Seite 203

Ich hatte viel Vergnügen und Spannung pur beim Lesen von Provenzalischer Stolz. Die Informationen zur Religion und den unterschiedlichen Glaubensansichten, der wundervollen und dem natürlichen Lauf unterlegenen Region im Rhônetal, die vielschichtigen, spannenden Charaktere und der ausgeklügelte Kriminalfall sorgten für ein ausgewogenes Leseerlebnis. Nur ungern lasse ich Pierre Durand vorläufig ziehen und freue mich bereits heute auf den Folgeband. Der flüssige Schreibstil und die bildhaften Beschreibungen tun ihr übriges, dass ich mich rundherum wohl fühle beim Verfolgen der umfassend recherchierten Geschehnisse in der Geschichte.


Fazit

Wer die Provence und seine Köstlichkeiten mag und gern spannend und informativ unterhalten wird, ist mit Provenzalischer Stolz sehr gut beraten.

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Veröffentlicht am 19.05.2020

Schonungslos und hochspannend.

Belladonna
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Belladonna
Harper Collins bei Lübbe Audio
Autorin: Karin Slaughter
ISBN 978-3-96108-109-7
gelesen von Nina Petri
ungekürzt auf 2 MP3-CDs
763 Minuten - 160 Tracks






Mit Belladonna gelang Karin Slaughter ...

Belladonna
Harper Collins bei Lübbe Audio
Autorin: Karin Slaughter
ISBN 978-3-96108-109-7
gelesen von Nina Petri
ungekürzt auf 2 MP3-CDs
763 Minuten - 160 Tracks






Mit Belladonna gelang Karin Slaughter vor fast zwanzig Jahren der Durchbruch als Autorin im Thriller-Genre. Es ist der erste Roman, der von ihr veröffentlicht wurde.
Nun gibt es eine Neuauflage des Thrillers. Das Original erschien 2001 unter dem Titel Blindsighted und wurde 2003 in Deutschland unter dem Titel Belladonna herausgegeben.

Neu eingelesen wurde das Buch im Hörbuchformat von Nina Petri. Mir gefiel besonders an diesem Hörbuch, dass Nina Petri das Buch tatsächlich vorgelesen hat und nicht einem Hörspiel gleich inszeniert hat. Belladonna kommt ganz ohne fremde Interpretation aus und ist von Karin Slaughter mit einer unvergleichlichen Spannung geschrieben.




Unvergleichlich ist auch die Brutalität und die Klarheit, mit der die Szenen beschrieben werden. Die Angst der Menschen, die Emotionen der Charaktere und deren überlagertes Handeln, das manches Mal im krassen Gegensatz zu den Gefühlen steht. Dennoch bleiben die Charaktere authentisch und haben einen hohen Wiedererkennungswert.

Karin Slaughter nutzt die Worte in ihrem klaren Schreibstil gnadenlos und brutal. Selbst bei den Szenen während der Autopsie hatte ich das Gefühl, neben der Protagonistin zu stehen und zu sehen, was sie sieht

"Die Gedärme lagen schlaff in ihren Händen, wie nasse Nudeln, als sie sie aus der Bauchhöhle hob." - Kapitel 17, Track 104

oder wie es sich für sie anfühlen mag

"Eine Leiche zu öffnen war wie ein Buch aufzuschlagen." - Kapitel 17, Track 101

Und auch bezüglich der Tat, der Vergewaltigung, des Gewaltaktes, nimmt Karin Slaughter kein Blatt vor den Mund. Manches Mal habe ich die Augen geschlossen, während die Worte auf mich einwirkten. Doch auch das konnte das Geschehen nicht vor mir verborgen halten. Nina Petri las weiter und ich erfuhr, was dem Opfer widerfahren sein musste.

Die Spannung erfährt einige Lockerungen während ich die Charaktere besser kennenlerne, zieht kurz darauf aber gleich wieder an und steigert sich zum Schluss immens, als ich dem Täter auf die Spur komme. Mit einem überraschenden und nachvollziehbaren Ende lässt mich Karin Slaughter nachdenklich und ob der Brutalität fassungslos zurück.


Dabei fing die Geschichte recht beschaulich an.

Ich lerne anfangs die Schwestern Sara und Tessa kennen. Tessa ist Klempnerin und geht ihrem Vater zur Hand. Auf dem Lieferwagen steht Linton & Töchter. Doch Sara hatte andere Pläne. Sie hat Medizin studiert und arbeitet als Kinderärztin und Gerichtsmedizinerin. Als Coroner trifft sie auch immer wieder auf ihren Exmann Jeffrey Tolliver, den Polizeichef in dem beschaulichen Ort Heartsdale.

Es klingt zunächst für mich, als könne es gar nichts Schlimmeres in dem Örtchen geben, als nicht in die Fußstapfen des Vaters zu treten und geschieden zu sein.

Bei dem Treffen der Schwestern im Diner findet Sara die Collegeprofessorin Sibyl Adams schwer verletzt auf der Damentoilette. Sie versucht alles um ihr Leben zu retten, scheitert letztendlich aber. Mit den Worten "Ich brauche Dich" ruft sie ihren Exmann Jeffrey zum Tatort.


Fazit

Dieser Thriller ist für alle, die mit einem unbeschönigten und sehr bildlich beschriebenen Tathergang und dessen Folgen umgehen können. Ein Thriller, den ich nicht aus der Hand legen konnte und der mich auch Tage später noch beschäftigt.

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