Spannende Unterhaltung mit Logikfehlern
Dein dunkelstes GeheimnisDie Geschichte hat mich gleich angesprochen: Kathryns Vater sitzt seit 25 Jahren im Gefängnis, weil er wegen Mordes an einem kleinen Mädchen verurteilt wurde. Kathryn, die beste Freundin dieses Mädchens, ...
Die Geschichte hat mich gleich angesprochen: Kathryns Vater sitzt seit 25 Jahren im Gefängnis, weil er wegen Mordes an einem kleinen Mädchen verurteilt wurde. Kathryn, die beste Freundin dieses Mädchens, leidet schon ihr ganzes Leben darunter, und nun stellen sich durch das Verschwinden eines weiteren kleinen Mädchens Fragen auch zur damaligen Tat und der Schuld des Vaters. Die nun folgenden Geschehnisse erfahren wir aus verschiedenen Blickwinkeln, hauptsächlich dem Kathryns. Kathryn ist eine gelungen sperrige Protagonistin und als Ich-Erzählerin natürlich nicht gänzlich verlässlich, was eine interessante Komponente hineinbringt.
Ein weiterer Blickwinkel ist der Maggies, der Ermittlerin im neuen Vermisstenfall. Dies war ein Charakter, den ich nicht gelungen fand. Zu Beginn zeichnet sie sich durch extreme Schroffheit aus und außerdem erhalten wir völlig unnötige, vielfältige Einblicke in ihre Libido. Ihre Affaire mit einem verheirateten Kollegen ist für die Handlung ebenso irrelevant wie ihr teenagerartiges Ansabbern eines anderen Kollegen, oder die Information, daß sie „absolut heiß“ ist und die Kamera „sie liebt“. Später führt sie noch ein ebenfalls für die Geschichte irrelevantes Problemgespräch mit ihrer Mutter. Es schien mir, als ob diese Eigenschaften ihr einfach nach einer Checkliste aufgepfropft wurden – hat keine Relevanz, muß aber irgendwie rein. Es gab noch einige andere Faktoren im Buch, bei denen ich den Eindruck hatte, hier sollte etwas um seiner selbst Willen hinein.
Besonders unerfreulich fand ich in dieser Hinsicht den Charakter einer Nachbarin Kathryns, die fast nur eine Eigenschaft hat: sie stößt Leute verbal gerne vor den Kopf. Diese Unverblümtheit wird von allen als unglaublich originell betrachtet und jeder kommentiert es mehrfach. Ich weiß nicht, ob die Autorin damit eine humoristische Note hineinbringen wollte, ich fand es überflüssig und albern, zur Geschichte trug dieser Charakter so gut wie nichts bei, es passte nicht zur Stimmung des Buches, ganz zu schweigen davon, daß ihre Einbindung in Ermittlungen völlig unrealistisch ist. Auch sonst unterlag die Beschreibung mancher Ermittlungstätigkeit ziemlichen kreativen Freiheiten.
Das Erzähltempo ist gut. Ich habe mich keinen Moment lang gelangweilt, es gab immer wieder neue, überraschende Wendungen und zahlreiche Aspekte, die zum Rätseln einluden. Hier ist fast alles nicht so, wie es scheint, und schon dadurch bleibt es spannend. Rückblickend stellte sich allerdings heraus, daß dies häufig auf Kosten der Plausibilität geht und einige der rätselhaften Aspekte rückblickend keinen Sinn ergeben. Viele erwähnte Punkte werden zudem einfach fallengelassen, Fragen bleiben offen und manchmal scheint es, als ob die Autorin Teile ihrer eigenen Handlung einfach vergessen hätte. Das fand ich bedauerlich und das wäre mit sorgfältigerer Konzipierung vermeidbar gewesen.
Der Schreibstil ist eingängig, nicht überragend, aber für einen Krimi gut lesbar. Ein etwas sorgfältigeres Korrektorat wäre erfreulich gewesen, gerade was fehlerhafte Satzkonstruktionen angeht. Auch an Wiederholungen hätte gespart werden können.
Die Geschichte spielt größtenteils auf der Insel Anglesey in Wales, eine recht eigene Welt, die uns anschaulich beschrieben wird. Hier blitzt auch teilweise gelungen trockener Humor durch. Das Eintauchen in diese Welt hat mir gefallen, ebenso wie die Einbindung eines Kriminalforums. Die Geschichte bleibt das ganze Buch hindurch erfreulich facettenreich.
Die Auflösung der Geschichte war für mich überraschend und auch der Weg dahin bringt viel Unerwartetes. Allerdings war die Auflösung leider in mehrfacher Hinsicht nicht plausibel, außerdem wirkt das Ende überhastet und fast lieblos heruntergeschrieben. Es wirft interessante Fragen und Überlegungen auf, war originell, aber eben nicht überzeugend.
So bietet das Buch zweifellos spannende, gut lesbare Unterhaltung, mit einer abwechslungsreichen Geschichte voller Überraschungen, die durch mehr Plausibilität und weniger Logikfehler allerdings überzeugender gewesen wäre.