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Veröffentlicht am 06.02.2021

Kindheitserinnerungen

Die Welt war eine Murmel
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„...Eine untergegangene Welt, dachte er seufzend. Und anstatt zügig weiter auszumisten, setzte er sich auf Mamas abgewetztes Sofa und hing Erinnerungen nach...“

Beim Ausräumen der mütterlichen Wohnung ...

„...Eine untergegangene Welt, dachte er seufzend. Und anstatt zügig weiter auszumisten, setzte er sich auf Mamas abgewetztes Sofa und hing Erinnerungen nach...“

Beim Ausräumen der mütterlichen Wohnung fühlt sich Siegfried zurückversetzt in die Jahre seiner Kindheit. Ich darf ihn als Leser bei diesem Blick in die Vergangenheit begleiten.
Der Autor lässt mich in seinem abwechslungsreichen Roman in eine Zeit eintauchen, die erst wenige Jahrzehnte zurückliegt und uns doch so fern erscheint.
Der Schriftstil passt sich den Verhältnissen an. Dabei besteht jedes Kapitel aus drei Aspekten. Es beginnt mit einer kurzen Erinnerung beim Ausräumen, lässt dann den Jungen Siegfried zu Wort kommen und vergleicht – kursiv gesetzt – immer mal wieder zwischendurch mit dem Heute und Jetzt.
Siegfried lebt mit seinen Eltern und der jüngeren Schwester in einem kleinen Ort in Österreich. Seine ersten Erinnerungen führen ihn zurück in sein 10. Lebensjahr und die Urlaubsreise nach Italien. Hier gibt es viele humorvolle Szenen. Das wird sich später nicht so fortsetzen.

„...Das Meer ist blau und unendlich. So etwas habe ich noch nie gesehen. Von diesem Moment an weiß ich, dass ich einmal am Meer wohnen möchte...“

Es gibt erstaunlich viele Vorurteile. Gleichzeitig fällt auf, dass politische Themen bei der Erziehung keine Rolle spielen. Der Großvater lebt gedanklich noch im Dritten Reich und Siegfried wurde nie erklärt, warum dem Vater sein Name (Adolf) peinlich ist.
Gewisse Sätze bei der Kindererziehung rufen Erinnerungen wach, so die Tatsache, dass man grundsätzlich solange sitzen bleiben musste, bis man aufgegessen hatte.
Klassisch war ebenfalls die Rollenverteilung in der Familie.

„...Alles, was mein Papa in der Küche tut, ist, sich ein Bier aus dem Kühlschrank zu holen. Ich glaube, er hat noch nicht mal eine Semmel entzweigeschnitten, seit er mit meiner Mutter verheiratet ist...“

Siegfried kommt entgegen dem Willen des Vaters aufs Gymnasium. Dort wird er gemobbt. Er hat etwas Übergewicht und ist in vielen Fächern seine Klassenkameraden voraus. Auch dass sich Siegfried für Kochen und Backen interessiert, ist dem Vater unheimlich.
Es sind die vielen kleinen Szenen und Erinnerungsschnipsel, die das Buch zu etwas Besonderen machen und eine längst vergangene Zeit wider aufleben lassen.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Mit einigen der letzten Sätze möchte ich meine Rezension beenden.

„...Seltsam, dachte er. Wenn die Erinnerungen in allen Details wieder auflebten, spielten sich immer die Missgeschicke in den Vordergrund, das, was eben nicht glatt gelaufen war...“

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Veröffentlicht am 19.12.2020

Schöne Erzählung

Das Fest der kleinen Wunder
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„...Die Stimmung war ausgelassen, und Stefanie von Fennhusen eröffnete mit ihrem Mann den Tanz – mit einer Polka!

Wir schreiben das Jahr 1925. Auf den Gut in Ostpreußen wird das Erntedankfest gefeiert. ...

„...Die Stimmung war ausgelassen, und Stefanie von Fennhusen eröffnete mit ihrem Mann den Tanz – mit einer Polka!

Wir schreiben das Jahr 1925. Auf den Gut in Ostpreußen wird das Erntedankfest gefeiert. Für die 16jährige Frederike naht die Zeit, wo sie das Gut verlassen muss, um im Internat ihre Ausbildung fortzusetzen. Momentan sorgt sie sich um Caramell, ihr Lieblingspferd. Ihr Vater will es verkaufen.
Die Autorin hat eine schöne Familiengeschichte geschrieben. Detailgenau wird das Leben auf dem Gut erzählt. Neben dem täglichen Einerlei sind die Feste oder die Jagdgesellschaften ein Höhepunkt.
Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Er lässt Raum für Emotionen, aber auch für humorvolle Einlagen. Fritz von Fennhusen, Frederikes Bruder, ist mit Dawid immer zu Streichen aufgelegt. Das kann auch einmal daneben gehen. Momentan reizt sie das Fahrrad mit Hilfsmotor, das sich Dawids Vater zugelegt hat.
Nach einem Reitunfall von Fritz mit Caramell ergibt sich folgender Dialog:

„...Gut, dann hast du wahrscheinlich keine Gehirnerschütterung.“ „Wo nichts ist, kann auch nichts erschüttert werden“, sagte Frederike leise...“

Gut gefällt mir der einheimische Dialekt der Köchin. Er war zwar anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, aber das hat sich schnell gegeben.
Auf dem Gut leben auch zwei ältere Tanten. Vor allem Tante Edeltraut ist sehr direkt:

„...Es wird nie so viel gelogen wie vor einer Wahl, während des Krieges und nach einer Jagd...“

Mit den Weihnachtsfest und der einen oder anderen Überraschung endet das Buch.
Das Buch enthält am Schluss einige der in der Geschichte verwendeten Rezepte.
Die Geschichte hat mir sehr gut gefallen.

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Veröffentlicht am 25.09.2020

Ärger auf dem Tennisplatz

Mord auf dem Court
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„...Sie hatten das nötige Talent, und was mindestens genauso wichtig war, die kürzesten Röcke und die frechsten Manieren auf dem Platz...“

Die Rede ist von den Zwillingsschwestern Juliette und Valentine. ...

„...Sie hatten das nötige Talent, und was mindestens genauso wichtig war, die kürzesten Röcke und die frechsten Manieren auf dem Platz...“

Die Rede ist von den Zwillingsschwestern Juliette und Valentine. Beide gehören zu dem Nachwuchskader in Saint – Tropez. Und sie wissen ihre besondere Ausstrahlung einzusetzen.
Wir schreiben das Jahr 1972. Im Tenniszirkus sind einige Neuerungen geplant. Vier der weltbesten Spieler werden im Tennisclub Ramaduelle erwartet. Einer von ihnen ist Louis Lasalle. Er wird den Ort nicht lebend verlassen.
Der Autor hat einen spannenden Krimi geschrieben. Die Geschichte lässt sich flott lesen.
Neben den beiden Zwillingsschwestern gehören auch Jean und Yves zum Club. Sie sind ebenfalls Zwillinge und mit den Schwestern liiert. Die Personen werden sehr gut charakterisiert. Vor allem die Schwestern unterscheiden sich erheblich in ihrem Temperament. Juliette kann mit Niederlagen so gar nicht umgehen.
Sehr schön finde ich, dass auch für Laien die Spielweise der Vier und die Besonderheiten in der Welt des Tennisspiels ausreichend erklärt werden. Das nimmt zwar den Buch am Anfang etwas die äußere Spannung, aber es bleibt eine innere enthalten durch die komplexe Beziehung der vier jungen Menschen zueinander. Nicht jede ihrer manchmal ausgefallenen Ideen findet ein positives Echo. Als eine neue Tennislehrer auf den Platz erscheint, wird es heftig. Diese konstatiert.

„...Frauen, die Frauen trainieren, nehmen keine Rücksicht auf Schauspieleinlagen mit Schwächeanfällen oder laszive Blicke...“

Der Fall landet bei Commissaire Lucie. Wie schon in den Vorgängerbänden arbeitet sie mit Franc Sarasin zusammen. Für mich war es das erste Buch des Autors. Der Handlung konnte ich problemlos folgen. Kurze Bemerkungen zu den vergangenen Geschehnissen weckten das Interesse daran und machten auf die Beziehung der Ermittler aufmerksam.
Verdächtige gibt es viele. Einige Vorfälle hatten nicht nur zu Ärger geführt. Doch dann nimmt die Geschichte eine überraschende Wendung.
Der Autor hat seinem Buch ein Zitat von Platon vorangestellt.

„...Beim Spiel kann man einen Menschen in einer Stunde besser kennenlernen als im Gespräch in einem Jahr...“

Das steckt eine Menge Wahrheit drin. Übrigens zeigen sich Buch manch Emotionen der Protagonisten gerade im Spiel oder am Spielfeldrand. Die Zwillingsschwester haben nicht geahnt, dass eine ihrer unausgereiften Ideen ein Spiel mit dem Feuer war. Juliette reagiert mit Wut.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Ich habe einiges über das Tennisspiel, aber auch die finanziellen Hintergründe des weißen Sportes gelernt und mich nebenbei gut unterhalten gefühlt.

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Veröffentlicht am 02.09.2020

Glaubenskrise

Großstadtmond
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„...Rechnen Sie damit, dass Gott in dieser Krise Ihr ganzes Denken umkehren kann. Und Manchmal muss Gott unser Denken umkehren, damit unsere Füße wieder Boden bekommen...“

Pastor Metzler kommt zu einer ...

„...Rechnen Sie damit, dass Gott in dieser Krise Ihr ganzes Denken umkehren kann. Und Manchmal muss Gott unser Denken umkehren, damit unsere Füße wieder Boden bekommen...“

Pastor Metzler kommt zu einer Therapiesitzung nach Frankfurt. Er zweifelt an sich, und er zweifelt an seinem Glauben. Außerdem leidet er an einer Depression.
Neben anderen Behandlungsmethoden erzählt ihm der Therapeut die Geschichte des Pastors Gordon Baker.
Der Autor hat eine sehr realistische Geschichte geschrieben, in der deutlich wird, dass Pastoren auch nur Menschen sind mit Stärken und Schwächen. Beide Protagonisten haben ein völlig entgegengesetztes Problem. Der Kern aber ist der gleiche.
Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Die Handlungsstränge werden in kurzen Kapiteln parallel erzählt. Besonders gut hat mir gefallen, dass der Autor seinen Patienten, im Gegensatz zu manch amerikanischer Literatur, gleich am Anfang klar gemacht hat, dass er ihm zwar helfen und in der Krankheit begleiten kann, dass aber eine fachärztliche Konsultation und die dort verordneten Medikamente unerlässlich sind.
Pastor Metzler darf ich beim Auf und Ab der Krankheit kennenlernen. Gleichzeitig erlebe ich, dass Therapeuten auch Hilfe brauchen, denn jeder Patient ist anders und reagiert anders. So muss sich der Therapeut hier sagen lassen:

„...Aber du hast wie ein Oberlehrer auf deinen Klienten eingewirkt. Im Beratungsgespräch ist es deine Aufgabe, den Klienten zu fördern, sich dir zu öffnen...“

Während Pastor Metzler an sich zweifelt, liest sie die Geschichte des Gordon Baker wie eine Erfolgsgeschichte. Nachdem er in Amerika Tausende zum Glauben gebracht hat, reist er nun durch Deutschland. Er ist ein begnadeter Redner und kann die Menschen fesseln. Sein bester Freund aber sieht die Gefahren. Geht es ihm noch darum, den Menschen Jesus nahe zu bringen oder geht es ihm um persönlichen Erfolg und eigene Ehre? Als er ihn darauf anspricht, kommt es zum Bruch. Grade bei diesem Freund wird an Beispielen deutlich, wie er nicht auf Massenveranstaltungen setzt, sondern sich dem Einzelnen und seinen Sorgen zuwendet.
Nebenbei erfahre ich eine Menge über Frankfurt und die Geschichte der Lukaskirche.
Beide Lebenswege werden zu einem positiven Ende geführt.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es zeigt wieder einmal, dass der Lebenslauf nicht immer gerade geht.

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Veröffentlicht am 04.08.2020

Zwischen Pflicht und Liebe

Frau Beethoven
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„..Sie wusste in diesem Moment, dass dieser Mann sie niemals loslassen würde. Es war nicht nur sein Äußeres, das ihr Herz schneller schlagen ließ, es waren nicht nur sein Witz und seine Charme, nein, es ...

„..Sie wusste in diesem Moment, dass dieser Mann sie niemals loslassen würde. Es war nicht nur sein Äußeres, das ihr Herz schneller schlagen ließ, es waren nicht nur sein Witz und seine Charme, nein, es war diese Musik, die ihr Innerstes erfüllte...“

Diese Worte gehen Josephine durch den Kopf, als sie Ludwig van Beethoven kennenlernt. Da ahnt sie noch nicht, was diese Liebe für sie bedeutet.
Es ist das Jahr 1799, als Josephine mit ihrer Mutter und ihrer 24jährigen Schwester aus dem ungarischen Martonvasar nach Wien reist. Der Vater lebt nicht mehr, und die Mutter hält es für geboten, ihre Töchter der Öffentlichkeit vorzustellen, damit sie den richtigen Ehemann finden. Außerdem plant sie, dass der junge Musiker und Komponist Ludwig van Beethoven ihre Töchter am Klavier unterrichten soll.
Die Autorin hat einen spannenden historischen Roman geschrieben. Ihr ist es ausgezeichnet gelungen, den Geist der Zeit wiederzugeben. Das zeugt von exakter Recherche.
Der Schriftstil lässt sich zügig lesen.
Gut beschrieben wird das Wien der damaligen Zeit. Josephines Mutter, die einst Hofdame bei Maria Theresia war, weiß, was in Adelskreisen üblich ist. Und das macht sie ihren Töchtern unmissverständlich klar.
Noch 1806, bei der Komposition seiner La Passionata, hat Beethoven die Hoffnung auf eine Zukunft mit Josephine nicht aufgegeben.

„...Eine wunderbare Melodie musste ausgearbeitet und wieder geschliffen werden wie ein Rohdiamant. So würde es auch mit ihm und Josephine sein...“

Dass Beethoven von Anfang von Josephine beeindruckt war, zeigt sich sicher auch darin, dass er dem Unterricht zustimmte. Bisher hat er dies bei vielen anderen immer abgelehnt.
Deutlich kommt zum Ausdruck, dass sich zwar der Adel mit Beethoven und seinem Können schmückte, er aber lange nicht wirklich dazugehörte. Als Heiratskandidat war er schon mal außen vor. Selbst die Titel der Kompositionen, die er für Josephine schrieb, mussten gut überlegt sein. Auch musste er Rücksicht auf seinen Mäzene nehmen, der ihn finanziell absicherte. Das klingt dann so:

„...Wie oft muss ich den Bückling machen, obwohl ich aufbegehren will. Ich muss mein Temperament drosseln wider meine Natur...“

Hier kommt klar zum Ausdruck, dass Beethoven kein einfacher Charakter war. Mit schönen Sprachbildern gelingt es der Autorin, seine Musik erlebbar wiederzugeben und sein Können als Pianist zu würdigen.
Entgegen ihrem Willen wird Josephine mit dem deutlich älteren Joseph Müller verheiratet. Trotzdem ist die Ehe glücklich. Er geht auf ihre Interessen ein und lässt ihr viel Freiheiten. Anders als es damals üblich war, regelt Joseph seinen Nachlass. Er sorgt dafür, dass Josephine nach seinem Tod die Verwalterin des Vermögens und der Vormund der Kinder wird. Was gut gemeint war, hat zwei Schattenseiten. Zum einen ist das Vermögen rasant im Schwinden begriffen, zum anderen würde Josephine bei einer Heirat mit Beethoven die Vormundschaft für die Kinder verlieren. Da Beethoven nicht von Adel ist, kann sie dies auch nicht an ihm übertragen.
Die Geschichte wird über weite Strecken aus Josephines Sicht erzählt. Das zeigt sich insbesondere in der Beschreibung ihres weiteren Lebens, aber auch in ihrer inneren Zerrissenheit. Sie fragt sich nicht nur einmal, ob sie sich Beethoven als Vater ihrer Kinder aus erster Ehe vorstellen könnte. Und sie wägt die Chancen einer Ehe mit deren Risiken ab.
Während sie bei Beethoven genau überlegt, was sie tut, geschieht das gegenüber anderen Männer nicht. Dadurch nimmt ihr Leben erneut eine unerwartete Wendung.
Ein ausführliches Nachwort und ein Personenverzeichnis runden die Geschichte ab.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Am Ende bleibt die Frage: Hätten sie eine Chance gehabt, wenn sich Josephine an den Wendestellen ihres Lebens anders entscheiden hätte oder haben die Zeitverhältnisse gar kein anders Szenarium zugelassen? Eine Frau zwischen Pflicht und Liebe, die sich letztendlich für die Pflicht entschieden hat und daran zerbrochen ist – genauso sehe ich Josephine.

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