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Veröffentlicht am 16.01.2021

Jesus' fiktive Ehefrau

Das Buch Ana
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Die 14jährige Ana möchte nichts lieber, als in die Fußstapfen ihres Vaters zu treten und Schriftgelehrte zu werden. Im Galiläa des 3. Jahrhunderts nach Christus undenkbar. Allein, dass sie schreiben und ...

Die 14jährige Ana möchte nichts lieber, als in die Fußstapfen ihres Vaters zu treten und Schriftgelehrte zu werden. Im Galiläa des 3. Jahrhunderts nach Christus undenkbar. Allein, dass sie schreiben und lesen kann, ist für diese Zeit ungeheuerlich, denn Frauen sollen nicht intelligent sein, sondern ihren Männern Kinder gebären.
Auch Anas Eltern sind auf der Suche nach einem geeigneten Ehemann für ihre Tochter, wobei „geeignet“ in ihren Augen bedeutet, dass der Mann wohlhabend ist und sie ebenfalls davon profitieren. So suchen sie einen alten Witwer aus, den Ana heiraten soll. Ana ist entsetzt und schwört, dieser Ehe niemals zuzustimmen. Daraufhin schließen die Eltern sie in ihrem Zimmer ein. Dort soll sie bis zur Hochzeit bleiben. An dieser Stelle habe ich mich gefragt, was für eine seltsame Eltern-Kind-Beziehung das ist. Vor allem die Mutter scheint keinerlei Liebe für ihre Tochter zu empfinden.
Der Witwer stirbt noch vor der Hochzeit, einerseits ein Glück für Ana, die nur noch Jesus im Kopf hat, seit sie ihn auf dem Markt gesehen hat, andererseits gilt sie aufgrund ihrer Verlobung nun als Witwe. Böse Zungen haben außerdem das Gerücht in die Welt gesetzt, Ana treibe Unzucht. Es geht so weit, dass sie von einem wütenden Mob beinahe gesteinigt wird, doch Jesus stellt sich vor die Menge mit dem allseits bekannten „Wer von euch ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein!“
Es ist interessant, die Bibel im Kontext erzählt zu bekommen, doch empfand ich es schon als ein wenig seltsam, zumal Überliefertes und Fiktives vermischt werden. Ana und Jesus werden ein Paar und haben ein Kind zusammen, das allerdings nicht lebt. Stellenweise war mir Ana überhaupt nicht sympathisch, beispielsweise will sie eigentlich keine Kinder, sie möchte nach wie vor schreiben, eine „Stimme“ und emanzipiert sein. Trotzdem trauert sie natürlich sehr um die tote Tochter.
Ich habe das Buch mit Interesse gelesen, fand es stellenweise aber sehr langatmig. Gut gefallen haben mir die recherchierten historischen Informationen zu Alexandria. Ein durchaus lesenswertes Buch, allerdings nicht ganz so spannend wie die Leseprobe vermuten ließ.

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Veröffentlicht am 09.11.2020

Amüsanter klassischer Whodunnit

Mord in Highgate
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Der renommierte Scheidungsanwalt Richard Pryce wird erschlagen in seinem Haus in Highgate aufgefunden. Mordwaffe war eine ausgesprochen teure Flasche Wein, was seltsam ist, da Pryce keinen Alkohol trank. ...

Der renommierte Scheidungsanwalt Richard Pryce wird erschlagen in seinem Haus in Highgate aufgefunden. Mordwaffe war eine ausgesprochen teure Flasche Wein, was seltsam ist, da Pryce keinen Alkohol trank. An die Wand hat jemand die Zahl 182 gemalt. Ein Hinweis auf den Mörder?
Der Ex-Polizist Hawthorne wird von Scotland Yard damit beauftragt, parallel zu den Ermittlungen der Polizei ebenfalls zu ermitteln, woraufhin dieser den Schriftsteller Anthony Horowitz informiert und in seine Ermittlungen einbezieht. Horowitz ist sozusagen sein persönlicher Biograph, der die genialen Ermittlungsmethoden Hawthornes für die Nachwelt festhalten soll. Kein besonders dankbarer Job, doch dummerweise hat Horowitz mit seinem Verlag einen Vertrag über eine 3-teilige Bücherreihe über Hawthorne abgeschlossen.
Trotz anfänglicher Vorbehalte weckt der Fall jedoch auch Horowitz’ kriminalistischen Ehrgeiz. Die Liste der Verdächtigen ist lang. Hängt der Mord an Pryce womöglich mit einem Jahre zurückliegenden Unglück in einer Höhle zusammen? Damals war Pryce zusammen mit zwei alten Studienfreunden unterwegs, als einer von ihnen, von plötzlichen Regenfällen überrascht, in der Höhle ertrank. Besonders mysteriös wird es, als der andere Teilnehmer der damaligen Expedition, ebenfalls zu Tode kommt. Doch auch eine feministische Autorin, deren Ex-Ehemann sich bei der Scheidung von Pryce vertreten ließ und die in aller Öffentlichkeit Pryce ein Glas Wein überkippte, kommt als Täterin infrage.
Horowitz ist ein Meister im Legen von (falschen) Fährten. Jedes Mal, wenn ich dachte, den Mörder zu kennen, nahm die Geschichte eine neue Wendung und die Geschehnisse erschienen in einem neuen Licht.
Es ist äußerst amüsant, wie Anthony Horowitz quasi über sich selbst schreibt und Reales und Fiktives miteinander vermischt. Sein Sprachwitz ist unübertroffen, ich habe mich köstlich amüsiert. Allerdings fehlte mir ein wenig die Spannung. Der eigentliche Kriminalfall hat mich nicht so gefesselt wie das Drumherum. Warum ist Hawthorne so zugeknöpft und gibt nicht Privates preis? Welches Geheimnis aus der Vergangenheit versucht er um jeden Preis zu verbergen? Eine Antwort auf diese Frage wird in diesem Band nicht gegeben, so muss sich der Leser wohl oder übel bis zum nächsten Band der Reihe gedulden.

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Veröffentlicht am 20.09.2020

Es gibt nur einen Ozean

Unter uns das Meer
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Michael Partlow hat einen großen Traum: er will für ein Jahr durch die Karibik segeln. Seine Frau Juliet, die an Depressionen leidet und mit ihrer Dissertation über Literatur nicht vorankommt, ist zunächst ...

Michael Partlow hat einen großen Traum: er will für ein Jahr durch die Karibik segeln. Seine Frau Juliet, die an Depressionen leidet und mit ihrer Dissertation über Literatur nicht vorankommt, ist zunächst äußerst ablehnend, nicht zuletzt, weil sie zwei kleine Kinder haben. Auch der Freundeskreis reagiert skeptisch: ist so eine Reise nicht viel zu gefährlich, zumal Michael wenig und Julie keinerlei Segelerfahrung hat? Doch trotz aller anfänglicher Bedenken lässt sich Julie umstimmen und das Abenteuer beginnt.
Von Anfang an ist klar, dass etwas Schreckliches passiert und Michael von der Reise nicht mehr nach Hause kommt. Was genau geschieht, erfährt man erst im Lauf des Buchs.
Obwohl das Leben an Bord ihnen einiges abverlangt, lieben die Partlows ihr neues Leben. Sie beobachten die Natur, die Sterne, die Gezeiten und müssen lernen, was es heißt, bei Sturm mitten auf dem Ozean zu segeln. Dabei lernen sie ständig neue Dinge hinzu. Natürlich kommt es auch zu Konflikten.
In einem Logbuch hält Michael seine Gedanken fest. Die Geschichte wechselt zwischen Michael und Julie als Erzähler hin und her, was teilweise sehr verwirrend ist. Michaels Teil ist zwar fett gedruckt, aber ich kam trotzdem öfters durcheinander und mir war nicht klar, wer gerade spricht. Um es noch zu verkomplizieren, kommt auch die Tochter Sybil manchmal zu Wort. Es wäre eine gute Idee gewesen, den einzelnen Absätzen die Namen des jeweils Erzählenden voranzustellen.
Das Buch ist stellenweise ungeheuer spannend, aber es kommen auch Passagen vor, mit denen ich rein gar nichts anfangen konnte, beispielsweise das letzte Kapitel, "Bruchstücke für ein Ganzes". Alles in allem ein gutes Buch, das ich gern gelesen habe, das mich jedoch etwas ratlos und mit unbeantworteten Fragen zurücklässt.

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Veröffentlicht am 23.08.2020

Ein wildes Leben

City of Girls
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Die 19jährige Vivian hat kein Interesse daran, die Erwartungen ihrer Eltern zu erfüllen und einen Abschluss an einem Elite-College zu machen. Zur Strafe schicken die Eltern sie nach New York zu ihrer extravaganten ...

Die 19jährige Vivian hat kein Interesse daran, die Erwartungen ihrer Eltern zu erfüllen und einen Abschluss an einem Elite-College zu machen. Zur Strafe schicken die Eltern sie nach New York zu ihrer extravaganten Tante Peg, die dort ein kleines Theater betreibt. Für das behütete Mädchen aus gutem Haus eröffnet sich eine ganz neue Welt. Sie freundet sich mit dem Revuegirl Celia an und zieht mit ihr Nacht für Nacht durch die Stadt und reißt Dutzende von Männern auf. Tagsüber schneidert sie mit viel Geschick Kostüme für die Schauspieler des Theaters. Eines Nachts geschieht etwas, das potentiell ihr Leben zerstören könnte und sie muss New York fluchtartig verlassen.
Nach einem kurzen Intermezzo in ihrer Heimat, bei einer Mutter, die mehr Interesse an ihren Pferden als an Vivian hat und einem Vater, den sie als „politischen Kommentator am Ende des Tischs“ bezeichnet, holt ihre Tante Peg sie nach New York zurück. Doch nichts ist mehr wie zuvor. Die USA befinden sich im Krieg, alles ist rationiert, vorbei ist die Zeit der Nachtclubs und Vergnügungen. Vivian eröffnet gemeinsam mit ihrer Freundin Marjorie ein Schneideratelier für Brautkleider, wie sich herausstellt, mit viel Erfolg. Sie hat nach wie vor Liebhaber, doch sie heiratet nie.
Der Roman ist als Briefroman gestaltet. Erst ganz am Schluss erfährt der Leser, um wen es sich bei der Person handelt, an die der Brief sich richtet. Im übrigen empfinde ich dies als eine der Schwachstellen des Buchs, denn mir erschließt sich nicht, weshalb sie ausgerechnet dieser Person ihr Leben in allen Details schildern sollte.
City of Girls ist flüssig geschrieben und kurzweilig. Es ist zwar nicht ganz so sensationell wie angekündigt und manche Szenen ziehen sich für meine Begriffe sehr in die Länge, aber ich habe das Buch trotzdem mit Interesse gelesen.

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Veröffentlicht am 19.06.2020

Kleinstadtpastor

Bleib bei mir
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Pastor Tyler Caskeys Leben schien perfekt: er hatte eine Stelle in einer amerikanischen Kleinstadt bekommen, in der ihn die Leute für seine passionierten Predigten und sein offenes Wesen schätzten, er ...

Pastor Tyler Caskeys Leben schien perfekt: er hatte eine Stelle in einer amerikanischen Kleinstadt bekommen, in der ihn die Leute für seine passionierten Predigten und sein offenes Wesen schätzten, er war verheiratet mit der bildhübschen Lauren, der Liebe seines Lebens, sie bekamen zwei Kinder, doch dann der Schock: Lauren wird krank und stirbt. Nichts ist mehr, wie es war. Das Haus ist zu groß, die rosa Wände, auf die Lauren bestanden hatte, erdrücken Tyler, und seine ältere Tochter Katherine hört auf zu sprechen und ist in der Schule auffällig.
Tyler, der immer für die Sorgen und Nöte anderer da war, weiß bald nicht mehr, wie es weitergehen soll. Zum Glück hat er eine Haushaltshilfe, die ihn im Alltag unterstützt, doch eines Tages verschwindet sie spurlos. Auch ihr Ehemann weiß nicht, was los ist. Dann beginnen Gerüchte in West Annett zu kursieren, Tyler habe eine Affaire mit seiner Haushälterin gehabt. Die Stimmung im Ort dreht sich gegen ihn und seine Verzweiflung wächst bis zu jenem verhängnisvollen Sonntag, an dem er nicht mehr weiter weiß.
Elizabeth Strout beschreibt, ähnlich wie Kent Haruf, die Menschen einer Kleinstadt mit all ihren Stärken und Schwächen. Sie beobachtet, aber wertet nicht. Mir hat dieses Buch sehr gut gefallen, einzig die vielen Bibeltexte nahmen mir etwas zu viel Raum ein. Für Leser, die Kent Harufs Bücher schätzen.

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