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Veröffentlicht am 01.09.2020

Neuanfang in Amerika

Träume aus Samt
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„...Mit der Ausreise nach Amerika, so hatte Ruth gehofft, würden alle diese Lasten von ihr abfallen. […] Doch schon auf der Überfahrt war ihr klar geworden, dass dies eine Illusion war. Sie würde immer ...

„...Mit der Ausreise nach Amerika, so hatte Ruth gehofft, würden alle diese Lasten von ihr abfallen. […] Doch schon auf der Überfahrt war ihr klar geworden, dass dies eine Illusion war. Sie würde immer und immer ihre Vergangenheit mit sich tragen. Die Angst und die Last...“

Dieser Gedanke von Ruth durchzieht wie ein roter Faden viele Seite des Buches. Im Jahre 1940 erreicht Ruth mit ihren Eltern und ihrer Schwester Ilse Amerika. Es ist eine Zeit voller Hoffnung, aber auch Ungewissheit. Schon auf der Fahrt findet sich der erste, der es auf geschickte Art versteht, den Asylanten das Geld aus der Tasche zu ziehen.
In Chicago haben ihre Freunde alles vorbereitet. Es wartet eine kleine Wohnung auf sie, allerdings auch die ersten Probleme. Das Geld ist knapp. Einkaufstouren in der verlockend neuen Welt sind nicht drin. Der Vater und Ruth bemühen sich um Arbeit.
Die Autorin hat den vierten Teil zeitnah an das dritte Buch angeschlossen. Sie erzählt eine lebendige und berührende Geschichte, in deren Mittelpunkt vor allem Ruth steht.
Der Schriftstil lässt sich gut lesen. Es wird viel Wert auf die Gedanken und Gefühle der Protagonisten gelegt. Der Vater Karl weiß, was er seinen großen Tochter zu verdanken hat.

„...Und ich will es einmal aussprechen. Du hast unser Leben gerettet. Du hast uns nach England geholt, in letzter Minute. Hättest du dich nicht so für uns eingesetzt, wären wir noch in Deutschland, und wer weiß, was dann wäre...“

Doch die schönsten Worte nützen nichts, wenn Karl später eine Entscheidung fällt, die Ruth hart trifft. Trotzdem akzeptiert sie die Antwort des Vaters. Er kann noch nicht über seinen Schatten springen. Sie sind in einem neuen Land, aber die alten Einstellungen und Ansichten wurden logischerweise mitgebracht. Ruth hat das so in Worte gefasst:

„...Es ist ein Neuanfang hier – ein neues Land, neue Leute, eine neue Umgebung und viele andere neue Dinge. Doch wir sind nicht neu, wir sind die Alten. Wir haben einen Rucksack an Gedanken, Ängsten und Befürchtungen. Den werden wir wohl immer mit uns tragen müssen...“

Den jungen Leuten gelingt es besser, das amerikanische Lebensgefühl zu verinnerlichen. Bei Ruth bleibt aber eine latente Angst, dass nichts von Ewigkeit ist. Die nimmt noch zu, als Diskussionen darüber beginnen, ob und wann die USA in den Krieg eintreten werden.
Dann lernt sie einen jungen Mann kennen und lieben, der bei der Armee ist. Er ist ebenfalls Jude und Emigrant, hat sich aus einfachen Verhältnissen aber hochgearbeitet, denn er ist technisch und mathematisch begabt. Wird er aber den Anforderungen der Familie genügen?
Ab und an habe ich den Eindruck, dass das Selbstgefühl der Eltern durch deren Stand in Deutschland bestimmt wird. Dass sie nicht mehr zur wohlsituierten Mittelschicht gehören, haben sie gedanklich noch nicht verarbeitet. Karl begreift das eher und sieht das wesentlich realistischer wie seine Frau Martha.
Es gibt im Buch viele tiefgründige Gespräche. Als Ruth sich mit Ilse unterhält, fasst Ruth zusammen:

„...Aber unsere Eltern und unsere Großeltern, unsere Familien haben schon immer in Deutschland gelebt und das Land aufgebaut, gestaltet und geformt. Wir sind ein Teil davon. Das wollen uns die Nazis nicht zugestehen. Sie nehmen uns nicht nur das Eigentum, sondern auch unsere Wurzeln...“

Gut beschrieben werden ebenfalls die jüdischen Feiertage und ihre Hintergründe.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es rundet die Geschichte der Familie, die zum großen Teil real ist, perfekt ab.

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Veröffentlicht am 31.08.2020

Wem war Jessica auf der Spur?

Die Tote in der Gracht
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„...Mit dem Schnee war es wie mit dem Fall, dachte sie. Die einzelnen Fragmente wirbelten wie Flocken umher und ergaben ein Gestöber, in dem man sich nur Schritt für Schritt voran tasten konnte, im Versuch, ...

„...Mit dem Schnee war es wie mit dem Fall, dachte sie. Die einzelnen Fragmente wirbelten wie Flocken umher und ergaben ein Gestöber, in dem man sich nur Schritt für Schritt voran tasten konnte, im Versuch, möglichst nicht die Orientierung zu verlieren...“

Es ist der Fall der freien Journalistin Jessica Jonker, mit der Griet und ihr Team gerade beschäftigt sind. Die junge Frau war tot aus der Gracht geborgen. Was anfangs wie ein Unfall aussah, erweist sich schnell als Vergiftung.
Jessica hatte sich intensiv mit dem Elfstedentocht, dem weltweit härtesten und längsten Langstreckenrennen mit Schlittschuhen auf Natureis befasst. Das letzte Rennen hatte 1997 stattgefunden. Danach hatte nie wieder das Wetter gepasst. In diesem Jahr aber sieht es bisher gut für das Rennen aus.
Über Jessicas Arbeit erfahre ich:

„...Gemeinhin liest man nur über die Profiläufer. Aber die wirklich spannenden Storys findet man oft bei den Amateuren...“

Der Autor hat einen spannenden Krimi geschrieben. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen.
Dazu hat auch beigetragen, dass Land und Leute sehr gut beschrieben werden. Ich erfahre einiges über die Geschichte der Nationalfriesen in den Niederlande. Gut dosiert werden Worte der entsprechenden Sprache mit eingefügt.
Der Fall fordert Griets ganze Konzentration. Dann aber ruft sie der Vater ihrer Tochter an. Er möchte Fenja für ein paar Tage zu ihr bringen. Ob es ihr gelingt, Arbeit und Privatleben in Einklang zu bringen?
Je mehr sich die Kriminalisten mit Jessica und ihren Artikeln beschäftigen, desto verzwickter wird der Fall. Alles deutet darauf hin, dass sie jemand bei ihren Nachforschungen zum letzten Elfstedentocht gehörig auf die Füße getreten sein muss.
Gekonnt werden Geschichten und Erlebnisse dieses Laufes mit eingebunden. Bei ihren Verhören erfährt Griet eine Menge über die Regeln und die Möglichkeiten, dagegen zu verstoßen.
„...Es gibt ein Zeitlimit. Die Teilnehmer müssen bis Mitternacht im Ziel sein. Wer zu spät kommt, hat Pech gehabt….“

Und einer der Teilnehmer kam genau 3 Minuten zu spät. Der will ein alternatives Rennen organisieren, falls das offizielle nicht gestartet wird. Auch dagegen hat Jessica gewettert.
Dann aber zeigt sich eine völlig neue Spur. Und plötzlich steht Griet, die, wie die folgende Aussage zeigt, nie daran gedacht hat, mitzulaufen, auf Schlittschuhen bei diesem Rennen.

„...Wer sich vom Land auf das Eis wagt, ist nicht ganz bei Trost...“

In diesem Band lerne ich Griets Team nähre kennen. So wird auch thematisiert, warum man Pieter aufs Abstellgleis geschoben hatte. Manchmal liegt es an der lieben Verwandtschaft.
Am Ende werden alle Fragen logisch geklärt.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es serviert mir nicht nur einen spannenden Fall, sondern lässt Raum für das Privatleben der Ermittler und die lokalen Besonderheiten.

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Veröffentlicht am 30.08.2020

Informatives und spannendes Kinderbuch

Karl der Große und der Feldzug der Weisheit
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„...Und merk dir: Die guten Dinge im Leben erreicht man nur mit Anstrengung. Wer eine guter Reiter werden will, muss jeden Tag reiten. Um gutes Brot zu backen, musst du jeden Tag Brot backen. Genauso ist ...

„...Und merk dir: Die guten Dinge im Leben erreicht man nur mit Anstrengung. Wer eine guter Reiter werden will, muss jeden Tag reiten. Um gutes Brot zu backen, musst du jeden Tag Brot backen. Genauso ist es mit dem Lesen, dem Schreiben und der Musik...“

Diese Worte hört die sächsische Sängerin Siggilind von Karl dem Großen. Wie ist es dazu gekommen? Siggilind war angereist, um vor dem Kaiser zu singen. Doch lange musste sie vor den Toren der Pfalz ausharren, bis sie endlich das Gelände betreten durfte. Damit war sie aber noch nicht beim Kaiser.
Die Autorin hat ein abwechslungsreiches und spannendes Kinderbuch geschrieben. Die Rahmenhandlung besteht aus zwei Briefen. Ersteren schreibt Siggilind im Jahre 817 an ihren jüngsten Sohn Richard. Mit diesem Brief sendet sie ihm auch die Erzählung ihrer Begegnung mit dem Kaiser im Jahre 803.
Richards Antwortschreiben beendet das Buch und rundet die Geschichte für mich als Leser ab, weil darin die Dinge ergänzt werden, die Siggilind nicht mehr erwähnt.
Siggilind darf vor dem Kaiser singen. Dabei erhält sie auch die Gelegenheit, ihm Fragen zu stellen. Hier zeigt sich, dass dem Kaiser nicht nur seine Eroberungen und die Siege in verschiedenen Kriegen wichtig waren, sondern er wollte etwas für die Bildung seines Volkes tun. Deshalb sorgt er auch dafür, dass Siggilind Lesen und Schreiben lernt. Erst ist sie davon nicht begeistert. Doch das ändert sich.

„...Damals überblickte ich nicht, worauf ich mich einließ. Es fiel mir nicht leicht, Buchstaben zu schreiben, […] Aber ich dachte nie daran aufzugeben...“

Sehr detailliert wird das Leben in der Palastschule beschrieben. Siggilind wird wie eine Gleiche unter Gleichen behandelt.
Das Buch aber hat noch einen dritten Aspekt. Nach jeweils zwei oder drei Kapitel folgen theoretische Ausführungen zu den Problemen der Zeit, das heißt auch, die im Gespräch zwischen Siggilind und Karl angesprochenen Themen werden vertieft und ergänzt. So geht es um die Bautechnik zur Zeit des Kaisers, die Kleidung, die Kriege und Karls Einsatz für die Sprache.
Natürlich spielt auch das normale Leben eine Rolle.

„...Der Weinbau spielte in den südlicheren Gegenden eine große Rolle: Wein desinfiziert Wasser. […] Insofern war es bei verunreinigten Trinkwasser lebenserhaltend, den Trunk Wasser mit Wein zu mischen...“

Ein Glossar und in Zeittafel ergänzen das Buch.
Die Geschichte hat mir ausgezeichnet gefallen. Erneut hat die Autorin bewiesen, die sie historische Sachverhalte kindgerecht und spannend darstellen kann.

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Veröffentlicht am 29.08.2020

Fesselnder historischer Krimi

Die Salbenmacherin und der Stein der Weisen
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„...Dieser Trank bestand zu gleichen Teilen aus Minze, Myrte, Herbstenzian, Waldlilie und Lorbeeren. Die Zutaten wurden gekocht und mit Honig gesüßt...“

Den obigen Trank braut Oliviera gegen Wechseljahresbeschwerden. ...

„...Dieser Trank bestand zu gleichen Teilen aus Minze, Myrte, Herbstenzian, Waldlilie und Lorbeeren. Die Zutaten wurden gekocht und mit Honig gesüßt...“

Den obigen Trank braut Oliviera gegen Wechseljahresbeschwerden. Wir befinden uns im Jahre 1410. Oliviera hatte einige Zeit das Haus nicht verlassen. Heute ist sie das erste Mal wieder im Spital. Dort wird sie freudig empfangen. Das beruhigt sie, denn damit hatte sie nicht unbedingt gerechnet. Auch der neue Arzt ist sehr aufgeschlossen und akzeptiert nicht nur Olivieras Hilfe, sondern unterhält sich mit ihr über medizinische Fragen.
Die Autorin hat erneut einen fesselnden historischen Roman geschrieben. Der Schriftstil lässt sich flott lesen. Die Geschichte schließt zeitnah an den vorherigen Band an.
In Nürnberg ist vor wenigen Tagen ein Wunderheiler angekommen. Der behauptet nicht nur, aus den ihm gegebenen Münzen Gold machen zu können, sondern auch ein Allheilmittel gegen alle Krankheiten zu haben. Der Stein der Weisen soll sich angeblich in seinem Besitz befinden. Bisher ist er in vielen Städten mit dieser Masche durchgekommen. Doch Nürnberg wird er nicht lebend verlassen. Zu viele sind an dem Stein interessiert. Noch ahnt Oliviera nicht, dass auf sie damit neue Sorgen zukommen. Plötzlich wird sie mit der Vergangenheit ihrer Familie konfrontiert.
Sehr schön werden die Örtlichkeiten und das mittelalterliche Leben beschrieben. Die Nürnberger Ratsstube wird wie folgt dargestellt:

„...Alle Fenster der Ratsstube waren verglast, die Decke gewölbt und mit wertvollen Holz getäfelt. Die Wände waren bis in Brusthöhe mit Holz verkleidet, darüber hingen die Wappen der einflussreichsten Familien der Stadt...“

Dem Wunderheiler, oder nennen wir in Scharlatan, gelingt es auf geheimnisvolle Weise, selbst den gebildeten Nürnbergern den Kopf zu verdrehen und ihnen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Götz, der ihn im Auftrag des Rates eigentlich des Betruges überführen soll, hält seine Aussagen auch für wahr und will sie erst überprüfen, ehe er etwas unternimmt. Der Zugang ins Spital wird dem Scharlatan trotz des Protestes der Spitalmeisterin gewährt.
Doch dann spitzt sich die Situation zu. Ehe der Scharlatan aber verschwinden kann, läuft er seinen Mörder über den Weg.
Wie gehabt erfahre ich etliches Neues über die Medizin der damaligen Zeit. Wie schon das Eingangszitat zeigt, wird exakt beschrieben, mit welchen Zutaten Oliviera ihre Arznei herstellt.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Die Autorin versteht es, den Spannungsbogen hochzuhalten und die Geschichte logisch zu Ende zu führen.

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Veröffentlicht am 27.08.2020

Eine Fundgrube an Wörtern

Schöne Wörter
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„...Wörter sind Baumaterial, aus dem ein Werk geformt wird. Und nicht zuletzt, damit nicht alle immer dasselbe schreiben, ist die Auswahl riesengroß. Dabei übersieht man leicht etwas, anders gerät in Vergessenheit. ...

„...Wörter sind Baumaterial, aus dem ein Werk geformt wird. Und nicht zuletzt, damit nicht alle immer dasselbe schreiben, ist die Auswahl riesengroß. Dabei übersieht man leicht etwas, anders gerät in Vergessenheit. Was oft schade ist, denn unsere Sprache ist ein Schatz. Hier habe ich versteckte Reichtümer gehoben...“

Diese Worte stammen aus dem Vorwort des Autors. Dort legt er dar, warum er dieses Buch geschrieben hat. Dann listet er in 33 Kapiteln seine Wortschätze auf.
Jedes Kapitel steht unter einem bestimmten Thema. Zwei Möglichkeiten nutzt er. Einmal wählt er Wörter, die ein bestimmtes Grundwort enthalten. So in den Kapiteln „Strahlende Sonnenwörter“ oder „Duftende Rosenwörter“.
In ersteren finden sich Wörter wie SONNENANTLITZ, SONNENBALL, SONNENDURCHGLÜHT; im zweiten ROSENBLATT, ROSENBUSCH oder ROSENBEKRÄNZT.
Und dann gibt es Kapitel wie „Lautmalerische Wörter“ oder „Altertümliche Wörter“.
Der Autor zählt aber nicht nur die Worte auf, er gibt für einen Teil davon auch eine Textstelle aus der Literatur an, in der das Wort zu finden ist.
Für SCHIMMERNACHT lautet die:

„...Unvergessliche! Sie haben in der Schimmernacht, wo mein Herz zweimal erlag einem Menschen ein Eden gegeben, das hinausreicht über sein Leben...“

Diese Zitat sind mit Werksname und Autor versehen. Sie sind meist sehr poetisch. Häufig sind es sogar Ausschnitte aus Gedichten.
Doch schon das Vorwort zu den einzelnen Kapitel ist lesenswert. Dort zeigt der Autor, wie gut er selbst das Spiel mit Wörtern beherrscht. Zum Thema „Schwärmerische Blütenwörter“ formuliert er zum Beispiel:

„...Jetzt wird es naturtraumduselig und romantisch schön. Versprochen. Dieser Beitrag ist für die Frühlingsmenschen unter uns. Pure Anmut in blütenzarte Worte gekleidet. […] Die Blüte ist ein Symbol der Schönheit, Zartheit und Vergänglichkeit. Blütenprächtiger geht es nicht….“

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Neben altbekannten enthält es eine Vielzahl an wenig benutzten oder fast vergessenen Wörtern. Es ist nicht nur für jeden Autor eine Fundgrube.