Pandemien im Wandel der Zeit
Pest und CoronaWie bei jedem Thema des "Zeitgeistes" hat der Buchmarkt aktuell auch einiges zu "Corona/Covid-19" zu bieten, und ich frage mich bei diesen Büchern ja immer, wie viel davon Schnellschuss ist und was wirklich ...
Wie bei jedem Thema des "Zeitgeistes" hat der Buchmarkt aktuell auch einiges zu "Corona/Covid-19" zu bieten, und ich frage mich bei diesen Büchern ja immer, wie viel davon Schnellschuss ist und was wirklich halbwegs interessante, hilfreiche oder zumindest nicht vollends verschwurbelte Lektüre zum Thema sein möge. Ist so ein Buch in einer Zeit, in der wöchentlich, wenn nicht täglich eine neue Sachlage neue Reaktionen und Folgen hervorruft, nicht zur Erscheinung schon überholt?
Nun, mit diesem vorliegenden Werk macht man, was diese Überlegungen angeht, nicht viel falsch. Dieses Buch erscheint in der Tat zum "richtigen" Zeitpunkt (oder dem, was einem solchen in diesen Tagen entspricht), denn es fokussiert nicht allein auf die Gegenwart und leitet daraus mögliche spekulative Entwicklungen ab. Es vergleicht vielmehr die aktuelle Pandemie mit vorherigen, analysiert die damaligen Vorgehen und ihre Ergebnisse und versucht, daraus Empfehlungen für die aktuelle Situation abzuleiten.
Natürlich wird auch dieses Buch in absehbarer Zukunft zumindest teilweise überholt sein - was das aktuelle Zahlenmaterial und den aktuellen Forschungsstand (hier: Ende April 2020) betrifft. Zum Zeitpunkt des Lesens fiel das noch nicht so ins Gewicht, abgesehen davon ist der eigentliche Inhalt dann wieder recht zeitlos. Die Autoren sind "alte Hasen" in Sachen Medizin und Medizingeschichte, müssen sich also nicht groß in eine komplett neue Materie einarbeiten. Auch dies erklärt sicher einen Teil der "schnellen" Veröffentlichung.
Grundsätzlich ist die Sprache und Argumentation der Autoren sehr sachlich und verständlich. Sie vergleichen Corona auf verschiedenen Ebenen mit vergangenen, großen Pandemien - von Pest und Cholera über Polio, Malaria und Spanische Grippe bis hin zu Aids - Beispiele gibt es genügend. Wie wurden diese Pandemien entdeckt, eingedämmt, wie wurde ihnen vorgebeugt? Welche Maßnahmen erwiesen sich als hilfreich, welche als unsinnig? Und welche Lehren wurden daraus gezogen? Die Autoren stellen auch durchaus kritische Fragen, aber auch hier: Sachlichkeit first! Das kommt alles sehr seriös und fundiert daher.
Die medizinhistorischen Bereiche haben mir gut gefallen. Da waren einige durchaus spannende, teils erschreckende und auch sehr informative Aspekte dabei. Allerdings gab es dafür auch einige Passagen, die sich teils sehr detailliert mit verschiedenen naturwissenschaftlichen Teilbereichen befasst haben. Da hat mir das Buch etwas zu sehr geschlingert und ich fragte mich (und das nach immerhin gut einem Drittel des Textes), ob ich überhaupt zum Zielpublikum gehöre. War mir persönlich an diesen Stellen eindeutig zu wissenschaftlich. Auch kam mir der "Ausblick-Teil" zu wenig vor, hier hatte ich mir etwas mehr von erhofft.